Der Schmollwinkel und andere Geschichten - Ekkehard Krüger - E-Book

Der Schmollwinkel und andere Geschichten E-Book

Ekkehard Krüger

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  • Herausgeber: TWENTYSIX
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Die Welt ist aus den Fugen. Oder die Welt läßt sich nicht so fügen wie wir es wollen. Die Welt will sich einfach nicht unseren Gedanken anpassen. Es ist zum verrückt werden. Jeder hat so seine Weltsicht. Die vorliegenden Geschichten beleuchten den Alltag von verschiedenen Seiten. Es gibt immer neue Blickwinkel.

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Seitenzahl: 194

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Inhalt

Vorwort

Im Schmollwinkel

suchen

aufarbeiten

Mut

Fehler

Niederlage

Visionen

Der Kern

Die Brille

Wer soll das verstehen?

Ossi – Wessi

Ich könnt‘s schon wieder tun

Gretchenfrage

Unter die Welt nicht geht

Schuhe wechseln

Totschlagargumente

Im Späti

Auf dem Schulhof

MICE

Monsterbrigade

Sternengucker

Der Ares- Orden

Das Ende des Krieges

Meinst du, die Amerikaner wollen Krieg?

Absolut

Metapher

Eine Klasse für sich

Das Lieblingswort

Erwachsen werden

Philosophie führt

Stummheit

Die größte Bedrohung

Die Halbe

Bauchgefühl

Jetzt ist die Zeit

Der Wandertag

Der Gartenwettbewerb

Mißtrauen

Gewohnheiten

Onomatopoesie

Eine Position

Zwei Freunde

Eine Million

Das Krimidenken

1. Vorwort

Die Welt ist aus den Fugen. Oder die Welt läßt sich nicht so fügen wie wir es wollen. Die Welt will sich einfach nicht unseren Gedanken anpassen. Es ist zum verrückt werden. Jeder hat so seine Weltsicht. Alle sind klug geworden. Der Segen des Bildungssystems ermöglicht allen den Zugang zu Informationen. In der Vergangenheit war der Mangel an Informationen ein Fluch, jetzt ist es der Überfluß. Das einordnen, verifizieren, kombinieren all der Daten und Fakten ist eine Qual. Was kann ich wissen? Was muß ich glauben? Wer will mich manipulieren? Es ist keine Flucht möglich. Wir müssen an jeder Straßenecke Position beziehen und wenn es nur das Verschieben der Stellungnahme auf Morgen ist. Da die Positionen z.T. sehr unterschiedlich sind ist eine friedliche Diskussion oft schwierig. Doch die gegenteiligen Argumente müssen wir aushalten und unsere dagegensetzen. Keiner hat per se Recht.

Die vorliegenden Geschichten beleuchten den Alltag von verschiedenen Seiten. Es gibt immer neue Blickwinkel. Ich hoffe auf eine stets harmonische Auseinandersetzung und gute Unterhaltung.

Im Schmollwinkel

Zwei Fischer sitzen stumm am Meer. Gestern am Sonntag nach dem Gottesdienst landeten beide in der Gaststätte. Nach gutem Zuspruch zu alkoholischen Getränken nannte der eine den anderen hartherzig und kleingeistig und der konterte mit gefühls-duselig und weinerlich. Jetzt sind sie sauer aufeinander. Beide besitzen zusammen ein Boot, dem einen gehören die Ruderblätter und dem anderen das nackte Boot. Sie sind aufeinander angewiesen. Aber sie können aufgrund der Beleidigungen nicht miteinander sprechen, sie schmollen.

Das ist im beschriebenen Falle lustig anzusehen. Es geht auch ernster. Wie bringt man zwei zerstrittene Parteien wieder zueinander? Beide bringen das Argument: Ich kann nicht mit ihm sprechen, der ist blöd. Dieser Satz klingt unlogisch, beide können sprechen. Hier schwingt Unehrlichkeit mit. Ich will nicht mit ihm sprechen ist die korrekte Aussage. Wenn ein Gespräch begänne kämen auch eigene Verfehlungen auf den Tisch. Das will ich nicht. Wenn ein Gespräch begänne kämen auch unliebsame Lösungen zutage. Das will ich auch nicht. Ich habe mich in der Situation eingerichtet und weiß, der andere ist Schuld. Damit lebe ich. Diese Situation bleibt nebensächlich solange es eine Kindergartenangelegenheit ist. Doch sie kann zu Verstimmungen, Sprachlosigkeit, Fehleinschätzungen bis zum Hass führen. Leider gibt es viele Fälle, die zwar existenziell sind jedoch als Schwel-brand ausgehalten werden. Unliebsamkeiten, Verluste werden toleriert. Der mangelnde Wille zur Verständigung dominiert. Bei unmittelbar existenziellen Dingen muß die Vernunft schneller wirken. Die Parteien werden sich des unproduktiven Zustandes bewußt. Sie merken, daß sie selbst nicht objektiv urteilen können. Es wird ein öffentlicher Diskurs zugelassen. Es kommen die Argumente und Fragen zur Sprache, die bisher blockiert wurden. Warum werden Vorbedingungen genannt? Was war der Ausgangspunkt? Wem nutzt der Streit? Welchen Schaden richtet Stillstand an? Wer kann als Mediator agieren?

Der Satz “Ich kann nicht mit ihm sprechen” heißt immer: “Ich will nicht mit ihm sprechen.” Es gibt immer einen Weg, und sei es der Umweg über einen Mediator. Für die Außenstehenden wirkt der Streit unglaubwürdig oder lächerlich. Im schlimmsten Falle ist er tragisch. Und Tragik schleppt einen guten Teil Dummheit mit sich rum. Der Kluge erkennt die Chance zur Größe. Der Kluge macht den ersten Schritt. Er bestimmt die Richtung, in der es weiter gehen kann. Doch wo gibt es schon Klugheit?

Die beiden Fischer tranken stumm eine Flasche Rotwein miteinander und sind wieder zum Fischen rausgefahren. Am nächsten Tage war die Bagatelle vergessen.

Suchen

Was soll ich? - suchen

… suchen – Ich liege im Bett und denke nichts. Die unruhige Welt ist draußen. Irgendwas fehlt. Was könnte das sein? Ich suche meine Hirnoberfläche ab, den visuellen Cortex und den auditorischen Cortex, das Großhirn und das Kleinhirn, die Schläfenlappen - kein Ergebnis. Was soll das? Ich denke an Loriot. In einem sketch preist er die Ruhe, das Nichtstun. Er ist Rentner und zufrieden, er will einfach nur hier sitzen! Er hat doch alles. Wirklich? - Dann erscheint Stefan Heym in meinem Kopf. Ihm schwebte Ahasverus vor. Der Jude Ahasverus begegnete Christus. Er schmähte ihn und wurde zu ewiger Ruhelosigkeit verdammt und damit zum suchen. Das war eine andere Welt. Wo bin ich jetzt?

So richtig rund läuft es nicht. Ich bin noch Single. Gestern war der 14. Februar, Valentinstag. Es ist der Tag für liebende Paare, für Partnerschaft. Heute ist der 15. Februar, der Single Day, der Tag für Suchende. Ein Gegenüber wäre schön.

Mein Name ist Malte. Ich bin 35 Jahre alt und wohne in Leipzig. Mein Bürojob als Angestellter strukturiert mich und stiehlt mir Zeit. Aber von irgendwas muß der Mensch ja leben. Meine Hobbys machen Spaß. Das Alleinsein danach frustriert. Ein Wilhelm Busch Buch auf dem Regal kreuzt meinen Blick. Ich schlage es auf und lese:

Ich kam in diese Welt hinein

mich bass zu amüsieren.

Ich wollte gern was Rechtes sein

und mußte mich immer genieren.

Oft war ich hoffnungsvoll und froh,

und später kam es doch nicht so.

Nun lauf ich manchen Donnerstag

hienieden schon herummer.

Wie ich’s auch dreh’n und wenden mag,

‘s ist stets der gleiche Kummer.

Mal schlägt vor Leidenschaft und mal vor Lust

das rote Ding in meiner Brust.

Das lustige Gedicht von Wilhelm Busch erinnert mich an das ewige Herumirren und die Suche der Seele nach irgend etwas. Was soll ich suchen? Goethes Faust beschäftigte das ständige Streben nach Erkenntnis. Nietzsches Zarathustra suchte den Übermenschen. Er fand ihn zuletzt in seiner Höhle. Er verband damit das Böse, das Zerstörerische. Hat er gefunden was er wollte?

Suchen ist interessant. Es ist etwas natürliches. Es ist nicht versuchen oder besuchen oder heimsuchen oder ein Gesuch stellen. Ich kann eine Wohnung suchen oder die alten Schuhe. Ich kann Ostereier suchen oder die beste Route. Ich kann im escape - room oder im Gespräch einen Ausweg suchen. Ich kann nach der besten Gelegenheit, den Haken oder die Nadel im Heuhaufen suchen. Ich kann nach dem besten Zug im Spiel oder einer Spur Verständnis suchen. Ich werde täglich mit Konflikten konfron-tiert. Krisen überall. Ich soll eine moralische oder politische Position suchen. Das nervt.

Was suchen? Es gibt die Forscher, Entdecker und Tüftler, die eine patentreife Idee suchen. Die kramen in der Wissenschaft, das ist eine andere Kategorie. Nahe am suchen liegt das Wort Sucht. Das ist ebenfalls ein andere Kategorie.

Beim Suchen wird der Gedankenstrahl wie mit einer starken Taschenlampe in eine bestimmte Richtung ins dunkle Ungewisse gelenkt. Suchen ist notwendig und sinnvoll. Was soll ich suchen? Ein Koalabär ernährt sich von Eukalyptusblättern. Wenn er genug gefunden und gefressen hat schläft er, bis zu 20 Stunden am Tag. Sein Gehirn wiegt nur 20g. Das Gehirn des Menschen wiegt durchschnittlich 1400 g. Es wurde über Tausende von Jahren trainiert. Seine Fähigkeiten sind umwerfend. Jeder hat die Pflicht sich selbst gegenüber, seine Fähigkeiten zu ergründen, seine Grenzen im Positiven zu finden. Eine häufige Reaktion ist: das mache ich später, erst mal Eukalyptusblätter essen und schlafen. Doch wie weit die Sanduhr abgelaufen ist weiß keiner. Du bist aus dem Paradiese vertrieben, damit du suchst. Ich gehe ja nur ein kurzes Stück. Trotzdem: Quo vadis domine? Die innere Feder bleibt aufgezogen.

Wenn ich nichts suche finde ich zufälliges. Eine Münze auf dem Boden – das ist zu wenig. Was soll ich suchen? - Falsch. Was will ich suchen? Einen Sinn. Aber das ist nicht nur mich selbst. Ein kongeniales Gegenstück, meine Ruhe, meinen Rhythmus, mein Glück. Eine Gefahr ist, daß auf dem Suchwege meine Augen verkleistert werden können von Ablenkungen, erfüllten Wünschen, großen Versprechen, schönen Dingen. Der muß ich ausweichen.

Es ist mühselig. Ich suche und suche und finde nichts. - Du bist ein Goldsucher. Wohl dem, der gehen kann, sich aufmachen kann, mobil ist. Du hast den Goldklumpen schon ein paar mal vor Augen gehabt, der Diamant in seiner schmutzigen Hülle lag vor deinen Füßen. Du hast ihn nicht erkannt. Mancher goldene Apfel, der vor der Nase hängt, wird schnell runzlig, unansehnlich und faul. Zeit spielt eine Rolle. Auch die Fülle an Möglichkeiten und das begrenzte Budget.

Suchen macht auch Spaß. Der Geist läuft einen Zickzackkurs und eckt bei allen Unmöglichkeiten an. Das Anecken hinterläßt keine Blessuren. Es spornt an. Es muß doch was geben! Man kann Überraschendes finden. Im Buch “die Entdeckung der Langsamkeit” von Sten Nadolny wird Sinn in Beharrlichkeit, Langsamkeit, Ruhe und Konzentration gefunden. Du findest auch. Hier ein Stück Brot, da ein Ruhelager, dort eine helfende Hand, als nächstes einen offenen Geist, wieder anders eine zärtliche Hand, jemanden, der dir vertraut, einer, der dich begleitet. Suchen ist Rastlosigkeit, nicht stillsitzen, nicht zufrieden geben. Der animalische Körper gibt dem introvertierten Geist den Auftrag: suche! - Der Geist sagt: ich traue mich nicht. - Der Körper fordert trotzdem: suche! - Der Geist prüft seinen Mut und seinen Witz, positioniert sich und spricht.

Ich höre einen Rat von einem Datingspezialisten: zuerst Blickkontakt suchen und ein Lächeln erhaschen. Dann den weltweit besten Anmachspruch loslassen: “Hallo, ich bin (Yoshuaabdulmartin).” Das führt in den meisten Fällen zu einem Gespräch. Ein Anfang ist gemacht.

Ich weiß, ich werde vieles finden. Dann suche ich mir etwas aus. Bis dahin: Auf! Auf!

Aufarbeiten

Ein Rentner sitzt an der Kreuzung und beobachtet den Straßenverkehr. Ein Auto rast auf die Kreuzung zu. Plötzlich ein Auto von links. Krach, schepper, peng. Der hat die Vorfahrt nicht beachtet! Dem Rentner fällt auf, daß das erste Fahrzeug schlingerte. War der Fahrer besoffen? Ist der Fahrer mitschuldig mit seinem Rasen und dem Alkohol?

Alte Autos sind zur Genüge auf der Straße. Immer wieder kommt es vor, daß sie riskant fahren. Manche bremsen unvermittelt an grünen Ampeln, manche schneiden andere beim Überholen. Regelmäßig werden Unfälle durch alte Autos provoziert, der klassische Versicherungsbetrug. Wer wollte den Unfall?

In der Kneipe sind die Touris ziemlich laut. Ein Eingeborener verlangt einen niedrigen Geräuschpegel. Plötzlich Beleidigungen, Fäuste fliegen. Der Wirt kann den Streit später nicht rekonstruieren. Was führte zur Schlägerei und wer schlug zuerst?

Vor Gericht wird ein Mordfall verhandelt. Die Fakten sind klar. Der Verteidiger fragt, warum die Hintermänner bzw. Auftraggeber nicht ermittelt wurden?

Es gibt beliebig viele Beispiele für unheilvolle Entwicklungen. Das schlimmste Beispiel zur Zeit ist die Zerstörung durch das Erdbeben in der Türkei und in Syrien. Im Jahre 2019 wurde von der Regierung in der Türkei ein Baufrieden verkündet. Nachträglich wurden durch die Behörden illegal und entgegen den Bauvorschriften errichtete Häuser legalisiert. Durch Baupfusch starben bei dem Erdbeben jetzt Tausende Menschen. In allen Fällen sind die Informationen am Schadenstag eines Ereignisses nicht ausreichend für eine Bewertung. Mit einigem Abstand sehen sich Richter oder die Beurteilenden die Dinge im Umfeld und im Vorfeld an. Entwicklungen werden sichtbar gemacht, um das eigentliche Ereignis aufarbeiten zu können. Wie läuft die richtige Aufarbeitung?

Ein Exempel ist die DDR- Geschichte. Wie geschieht die Darstellung dieser Geschichte? Die Wunden der friedlichen Revolution von 1989 sind noch nicht verheilt. In Ost und West wird schwer um ein einheitliches Narrativ gerungen. Die Aufarbeitung beginnt erst. Um die DDR begreifen zu können kann man das Ende des II. Weltkrieges als Startpunkt nehmen. Das liegt 78 Jahre zurück. Es wird noch lange dauern, ein allgemeingültiges Bild zu erstellen.

Heute ist der Krieg ein Jahr alt. Die Geschichte des Krieges beginnt mit dem 24.02.2022. (Sind gerade Zahlen böse?) Manche datieren den Beginn auf das Jahr 2014, der Annexion der Krim und das Aufflammen der Kämpfe im Donbas. Was werden die Geschichtsschreiber über den aktuellen Krieg schreiben? Werden sie Geschichten schreiben oder die Fakten der Geschichte? Es ist eh schwer, alle Fakten eines Ereignisses in einem abgezirkelten, überschaubaren Raum unterzubringen. Die Fakten müssen verknüpft werden. Zusammenhänge und Schlußfolgerungen sind gefordert. Schlüsse für die Zukunft ebenfalls. Desweiteren kommen noch wichtige Leute und wollen Schwerpunkte setzen. Manches soll klein, anderes groß geschrieben werden, das eine unterschlagen und das andere hervorgehoben werden. Es heißt, die Sieger schreiben die Geschichte – falsch, sie schreiben nur die kurzsichtige Geschichte. Mit ausreichendem zeitlichen Abstand werden die Sieger marginalisiert. Die Fakten bekommen ihre wirkliche Bedeutung.

Der Krieg ist ein offenes Feuer. Die Waffen sind das Brennmaterial, das die Flammen hochhält. Der Krieg ist wie eine Kaffeemühle. Die Waffenlieferungen halten die Drehbewegung der Mühle aufrecht. In die Mühle stürzen die Menschen, die Häuser, die Landstriche und werden zermahlen und zerstört.

Bei der Betrachtung der Unterstützer kann man Analogien zu Elementen bilden. Eine Unterstützung einer Partei nur mit Waffenlieferungen ist vergleichbar mit dem ersten Element Wasserstoff. Die Reaktion ist dramatisch, es führt zu Explosionen. Eine Unterstützung mit Waffenlieferungen verbunden mit Verhandlungen ist vergleichbar dem Element Helium. Die Reaktion wird abgeschwächt. Der Konflikt kann eingefroren werden. Helium ist vorzuziehen. Wie ist der zu bewerten, der sich hinstellt und ruft: “wir unterstützen, wir liefern Waffen” ohne eine Anmerkung zu Verhandlungen zu machen? Er ist nichts weiter als Wasserstoff.

In den Medien gibt es ein aberwitziges PingPong: der Schwächere muß gewinnen - wir liefern so viel Waffen, daß der Schwächere nicht untergeht - der Schwächere darf nicht verlieren - Nordstream ist eine Energielebensader – Nordstream muß weg – wir brauchen Panzer – Panzer eskalieren – wir brauchen Kampfjets – Kampfjets eskalieren – was macht der CO2- Fuß-abdruck? - egal, jetzt wird gekämpft - der Stärkere darf nicht gewinnen - wir liefern keine Waffen mit denen das Land des Stärkeren angegriffen werden kann - der Stärkere darf nicht verlieren - gegen eine Atommacht kann man nicht gewinnen

Mir kommt das Coverbild von Günter de Bruyns Buch “Buridans Esel” in den Sinn. Der Esel lief und lief mit einer Mohrübe vor der Nase. Er merkte nicht, daß er die Mohrübe nie erreichen wird, der Reiter hielt sie an einer Schnur immer weit vor der Nase des Esels. Ist der Frieden durch Waffenlieferungen solch eine Mohrübe?

Bei der Aufarbeitung der Geschichte werden als erstes die Fragen gestellt nach dem Auslöser und den Forderungen, die gestellt wurden. Heute werden ständig Fragen gestellt, die ablenken oder in die Irre führen. Welche der beiden Fragen hat Priorität? Was führt zu militärischen Erfolgen und Rückeroberungen? oder: Was führt zum Frieden? In der Behandlung des Verhältnisses von China und Rußland zueinander werden die geopolitischen Interessen beider Seiten erörtert. Im Verhältnis USA und Rußland sind diese Fragen tabu. Einflußzone ist das Schlüsselwort. Was sind Einflußzonen? Kann man die willkürlich abstecken wie ein Goldsucher seinen claim? Kann man die kaufen? - Ja.

Ein neues Phänomen wird sichtbar: der tragische Umgang mit Verhandlungen bzw. das Diskreditieren und Denunzieren von Verhandlungen. Verhandlung ist ein neutraler Begriff. Zwei Seiten, ein Tisch, ein Gespräch. Im besten Falle noch ein Mediator. In Verhandlungen hören sich beide Seiten zu. Heute wird dem Wort Verhandlung eine unheilvolle Vorbedeutung beigemengt. Eine Seite hält sich sofort die Ohren zu und die andere Seite wird mit Vorurteilen belegt. Argumente werden nicht in Ruhe abgewogen. Es wird moralisch argumentiert. Dagegen läßt sich nichts sagen. Doch die moralischen Argumente schließen Verhandlungen strikt aus. Die moralische Bewertung erzeugt eine Pattsituation. Sie verbietet eine rationale Bewertung und damit Verhandlungen. Eine Seite agiert wie Baron von Münchhausen im Sumpf. Er packte sich am Schopfe und zog sich selbst aus dem Sumpf heraus. Das gelingt im Kriegsfalle nicht. Verhandlungen sind elementar. Der Krieg wird in Verhandlungen beendet.

Die Geschichtsschreiber dieses Krieges werden sich frühestens in 80 Jahren einig. Ich bin dann mal weg, wie auch die meisten anderen. Aber wir können ja schon mal mit den Vorarbeiten zur Aufarbeitung anfangen.

Mut

Der Hund hatte nur leicht zugebissen, ein bißchen gezwickt. Es war ein fremder Hund im Park, deshalb ist die Mutter mit ihrem Kind zum Arzt gefahren. Der Arzt dachte laut über Tollwut nach. Jetzt kommt er mit einer großen Spritze auf das Kind zu. “Du mußt jetzt sehr mutig sein” versucht die Mutter das Kind zu beruhigen. Mut, Courage – was versteckt sich alles dahinter? Es braucht Mut, seine Angst zu überwinden. Nachts im dunklen Wald flüstern überall Gespenster. Nur Mutige gehen furchtlos durch den Wald. Mut braucht es, um gegen unbestimmte oder scheinbar übermächtige Gefahren oder Kräfte bestehen zu können. Bei Mut fällt mir immer Kampf ein. Alle Gedanken werden auf ein Ziel gerichtet und die Muskeln angespannt. Der Gegner kann ein Fremder, ein Bekannter oder die eigene Angst sein. Der Gegner ist stärker oder gleich stark, sonst wäre es ja Spielerei, ein Geplänkel. Diese lockere Einstellung hatte Goliath, als er David mit der Schleuder kommen sah.

In Frankreich wird gerade gegen die Rentenreform gekämpft. Einfache Franzosen stellen sich mutig gegen die Staatsmacht obwohl die Sache in der Bevölkerung umstritten ist. Die Rente ist nicht ewig sicher bzw. manchmal reformbedürftig. Ein größerer Gegner ist die Natur. Die Waldbrände in Australien, Griechenland, Spanien, Kalifornien oder anderswo bedrohen viele Gemeinden. Die Menschen kämpfen heldenhaft gegen die Flammen. Mutig versuchen sie, ihr Hab und Gut zu retten. Doch die Naturgewalten sind erbarmungslos. Im Park sehe ich einen kleinen Hund, der einen großen Hund anbellt. “Der ist ja mutig” denke ich. Da dreht sich der große Hund um und geht knurrend auf den kleinen Pinscher zu. Der kneift den Schwanz ein und versteckt sich hinter seinem Herrchen. Große Klappe und nichts dahinter. Gratismut ist merkwürdig. Ich stelle mich einem Kampf, der eigentlich keiner ist. Kein Risiko. So geschieht es im Internet. Ich kläffe gegen die Bösen und bin sicher, daß ich nicht gefunden werde. Aber ich fühle mich wenigstens wohler danach.

In der Natur fallen mir Szenen ein, wo Vogeleltern ihre Brut verteidigen. Ist das angeboren, ein Reflex oder Berechnung? Das ist eine natürliche Prägung. Mut hat viele Gesichter. Ein TV- Sketch zeigt einen Mann, der einen Anzug umtauschen will. Die Verkäuferin ist erstaunt, da der Anzug perfekt passt. Der Mann erfindet eine Ehefrau, sie habe ihn geschickt lügt er. Ein anderer Mann kommt mit einem Trick zu Hilfe. Es erfolgt einen lustige Auflösung mit dem Namen Veronica Ferres. Der Mann selbst war zu feige, zu seinem Umtauschwunsch zu stehen. Er war nicht mutig.

Was ist denn das Gegenteil von Mut? Ist es Angst, Furcht oder Feigheit? Das ist schwer zu entscheiden bzw. nicht eindeutig zu bestimmen. Die Vernunft hat hier ein Wort mitzureden. Wenn zwei sich necken ist Vernunft nicht nötig. “Du traust dich nicht, über die Pfütze zu springen.” Wenn der Angesprochene mutig einen großen Satz macht und in der Pfütze landet ist das nichts Schlimmes, nur ein Spaß. “Du traust dich nicht, das Mädchen anzusprechen” führt manchmal nach der Ausführung zu einem roten Kopf. Bei Mutlosigkeit denkt das Mädchen: “Was für ein Feigling. Er ist doch sympathisch.” Mut in Verbindung mit Kurzentschlossenheit bzw. ohne Nachdenken ist meist Dummheit. Anders kann S-Bahn-Surfen nicht erklärt werden. Mut allein aus dem Bauchgefühl heraus ist die Mitte zwischen Klugheit und Dummheit. “Du hast dich beim DSDS- Casting angemeldet? Ehrlich?” Herr Bohlen fragt später: “Hast du keine Freunde, die dir die Peinlichkeit ausreden wollten?” Oder zwei Patentanwälte im Gespräch. “Das war ziemlich mutig, dem Kunden zu widersprechen.” - “Ehrlichkeit ist nicht billig.” Oder im Poker. All in heißt immer mindestens 50% Verlust einkalkulieren.

Mut gepaart mit Nachdenken ist Klugheit. Ein Überschätzen der eigenen Fähigkeiten wird vermieden. Wenn Parteien in den Krieg ziehen und Fakten und Argumente eindeutig sind, dann ist Nachdenken nicht feige. Es ist mutig, heldenhafte Reden zu hinterfragen. Todesmut ist meist Dummheit. Es ist mutig, diesen Gedanken zuzulassen.

Ist das alles zum Thema Mut? - Ach, da gibt es noch so viel. Wenn eine Braut vor dem Traualtar kalte Füße bekommt. Wenn die Schwiegermutter leckeren Kuchen gebacken hat und bittet: “Das letzte Stück geht noch, das wird sonst nur schlecht.” Du weißt, sie ist Kriegsgeneration und kennt das Fremdwort Hunger und trotzdem lehnst du ab. Wenn im Schachspiel ein Bauer unvermittelt nach vorn gestellt wird. Thor Heyerdahl bewies Mut mit seiner Crew, als er sich 1947 mit einem Papyrusboot über den Atlantik wagte. Marie Curie hatte Mut, als sie die unbekannte Radioaktivität erforschte. Die Whistleblower brauchen Mut, um kriminelle Handlungen sichtbar zu machen. Die Menschen im Warschauer Ghetto bewiesen im April 1943 Mut. Ebenso Jean d’Arc im Jahre 1430. Mut heißt, zuerst an die Chancen zu denken und danach an die Konsequenzen. “Ihr habt das Haus gekauft und lebt jetzt mit der hohen Belastung, das ist aber mutig.”

Zum Mut braucht es nicht unbedingt Klugheit, die ist oft hinderlich. Es braucht Entschlossenheit, Entscheidungsfreude. Ich sehe die Gefahr und ich weiß, daß ich sofort handeln muß. Zum Mut braucht es Vertrauen in sich selbst. Ich weiß, ich habe die Stärke, ich kann die Gefahr abwenden, ich kann die Chance nutzen. Im Gespräch entsteht eine unheimliche Lücke. Mein Witz kam offensichtlich falsch an, ich wurde mißverstanden. Ich kann mutig sofort reagieren und den ungewollten Schluß korrigieren.

Mut heißt, Schwächen eingestehen zu können. Wer fragt ist nicht dumm. Wer nicht fragt ist dumm. Fehler passieren. Sonst wäre es kein Leben.

Mut ist nicht so selten, nichts außergewöhnliches. Im täglichen Leben wird oft der normale Trott mutig durchkreuzt z.B. Fehlverhalten angesprochen. Mut wird in Zusammenhang mit Risiko gesehen. Wie wahrscheinlich ist das Scheitern? Für Risiko gibt es sogar eine mathematische Definition. Die Risikohöhe ergibt sich aus dem Produkt von Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe. Dann ist Mut gleich Unternehmungslust mal Entschlossen-heit minus Risikowahrnehmung mal Nachdenken. Ob das sinn-voll anwendbar ist? Auf jeden Fall gilt: Wer wagt gewinnt. Wer kämpft kann gewinnen.

Mut heißt, für seine Überzeugung einzutreten. In dem Film “The Banshees of Inisherin” kämpft ein Musiker auf einer gottverlassenenen Insel für seine freie Zeit zum Komponieren. Als er unablässig in den Pub und zu nutzlosen Gesprächen eingeladen wird droht er, sich im Falle einer weiteren Belästigung einen Finger abzuschneiden. Am Ende schneidet er sich fünf Finger ab, dazu gehört viel Mut. Das finale Abschneiden von Leben ist die größte Mutprobe. Der Mut brachte ihm letztendlich die Einsicht, daß er sich sozialen Kontakten nicht entziehen kann. Mut befördert allgemein die Entwicklung.

Mut heißt, sich bietende Chancen zu ergreifen, z.B. ein Geheimnis anzuschauen, ein Rezept auszuprobieren, eine Kletter-wand hochzuklettern, Trampolin zu springen, den Kühlschrank abzusperren, ein gefährliches Tier zu streicheln, auf den anderen zuzugehen … Die Aussicht auf Erfolg ist das Schönste.

Ist der Mut im Naturell des Menschen angelegt? Die Psychologen kreisen und kreisen. Hallo, da ist eine Chance, also ran an den Speck!

Fehler

Es regnet. Mein Begleiter sagt: ”Es war ein Fehler, keinen Schirm mitzunehmen.” - “Hm, wirklich?” brumme ich. Was wird denn so alles als Fehler gewertet? Mir fällt das Fußballspiel Bayern gegen Leverkusen ein. Der Schiedsrichter gab zweimal Elfmeter für die Bayern. Nach Protesten wurde der elektronische Assistent VAR angeschaut und jedesmal wurde die Entscheidung vom Schiedsrichter revidiert. Leverkusen siegte mit 2:1. Gab es einen Fehler?