Der Schnitter im Mond - Ernst Wiechert - E-Book

Der Schnitter im Mond E-Book

Ernst Wiechert

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Beschreibung

Auf berührende und für ihn charakteristische Art beschreibt Ernst Wiechert ein Leben voller Dunkelheit und Kummer, das kein Vergnügen, aber viele Geheimnisse kennt.Ein geheimnisvoller Unbekannter bestiehlt die Bauern der Gegend nachts um ihre Kornernte. Wer ist der geheimnisvolle Schnitter im Mond?-

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Seitenzahl: 35

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Ernst Wiechert

Der Schnitter im Mond

 

Saga

Der Schnitter im Mond

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1930, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726951981

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com

Da er zum erstenmal in einer Landschaft auftauchte, deren Menschen gleich ihrer Erde das Geheimnisvolle wie das Unerhörte nicht kannten; die zwischen ebenen Feldern ein ebenes Leben führten; wo die Geschlechter in Arbeit und Mühe einander folgten, wie der Saat alljährlich die Ernte folgte; wo Fülle wie Entbehrung ihre zureichenden und klar ersichtlichen Gründe hatten: so war es nicht wunderbar, daß um das scheinbar Grundlose, Geheimnisvolle und Unerhörte seiner Erscheinung die Phantasie des Volkes ihre Legende spann und ihm einen Namen verlieh, in dem die Klarheit bekannter Begriffe sich zu einem leisen Geheimnis verwob, in dessen Ausdrucksform Gestirn und Mensch auf eine brüderliche Weise verbunden zu sein schienen.

Es war um den Beginn der Roggenernte, und auf der gräflichen Herrschaft, die sich zwischen kleineren Höfen fast unübersehbar erstreckte, waren drei Mähmaschinen schon einen Tag lang um den großen Roggenschlag gegangen, der vom Hochwalde bis zum Wiesenbach sich breitete, ohne viel mehr als einen breiten Saum aus dem goldnen Teppich zu schneiden, der unzerstörbar erschien in der Unendlichkeit des windbewegten Halmenmeeres.

Am nächsten Morgen nun, als die drei Gespannführer ihrem Tagewerke wieder zugeritten kamen, schien demjenigen von ihnen, der die schärfsten Augen hatte, schon von weitem, als ständen die Maschinen nicht, wie sie verlassen worden waren, gleichsam eingefressen in die gerade Wand der Halme, sondern als seien sie während der Nacht abgerückt worden von ihrer Stelle, auf das schon gemähte Feld herausgenommen, und als sie näher kamen, sahen sie, daß zwischen die letzte Reihe gebundener Garben, an deren Ende die Maschine stand, und das unberührte Feld sich drei Reihen geschnittenen Korns eingeschoben hatten, sauber und wie nach der Schnur gemäht, aber ungebunden, und es war nach der Beschaffenheit der Stoppeln und anderen untrüglichen Kennzeichen kein Zweifel, daß hier in der Nacht ein Schnitter mit der Sense das Feld dreimal umschritten hatte, was nach der Schätzung der Gespannführer eine Arbeit von sechs Stunden gewesen sein mochte.

Sie beredeten es lange Zeit, ohne eine Mutmaßung geschweige denn eine Erklärung finden zu können, und machten sich dann endlich kopfschüttelnd an ihre Arbeit, so daß wie am Vortage die drei Maschinen gleich scherenbewaffneten Tieren langsam aber unablässig um das goldene Leben krochen, während der leise Wind den mahlenden Klang der Messer über die Felder trug und die Garbenbinder wie Flügel einer Mühle über den Horizont der Halme stiegen und sanken.

Als der Graf dann über das Feld geritten kam, hielt auch er sein Pferd an den drei Reihen ungebundenen Kornes an, die nun wie ein Webefehler in einem streng gemusterten Tuche erschienen, beugte sich aus dem Sattel zu der Merkwürdigkeit nieder und hielt dann nach einem kurzen Galopp bei der nächsten der drei Maschinen, in seiner herrischen Art fragend, was das bedeuten solle.

Der Knecht berichtete, daß sie am Morgen dasselbe gesehen hätten und daß kein Zweifel daran sei, daß hier ein Mann mit der Sense in der Nacht gemäht habe. An einigen weicheren Bodenstellen sei festzustellen gewesen, daß durch alle drei Reihen die gleiche Fußspur gehe, wie man auch aus der gleichmäßigen Art des Sensenschlages auf einen einzigen Schnitter schließen könne und nicht auf mehrere.

Der Graf zog die weißen Brauen zusammen, in einer leisen Verstimmung, daß ein Fremder zur Nachtzeit auf seinem Grund und Boden sich derart zu schaffen gemacht habe, meinte, daß die Welt immer verrückter werde und man nun Mädchen hinausschicken müsse, um das Korn binden zu lassen, pfiff seinen Hunden, die auf der Mäusejagd waren, und ritt dann langsam die Wand der Halme entlang, wobei er auch mit den beiden anderen Knechten den seltsamen Vorfall kurz und fast verdrießlich besprach.