Der Schut - Karl May - E-Book

Der Schut E-Book

Karl May

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Beschreibung

"Der Schut" ist eine Reiseerzählung von Karl May, publiziert 1892.Karl Friedrich May (* 25. Februar 1842 in Ernstthal; † 30. März 1912 in Radebeul; eigentlich Carl Friedrich May) war ein deutscher Schriftsteller. Karl May war einer der produktivsten Autoren von Abenteuerromanen. Er ist einer der meistgelesenen Schriftsteller deutscher Sprache und laut UNESCO einer der am häufigsten übersetzten deutschen Schriftsteller. Die weltweite Auflage seiner Werke wird auf 200 Millionen geschätzt, davon 100 Millionen in Deutschland. Bekannt wurde er vor allem durch seine sogenannten Reiseerzählungen, die vorwiegend im Orient, in den Vereinigten Staaten und im Mexiko des 19. Jahrhunderts angesiedelt sind. Besondere Berühmtheit erlangten die in drei Bänden zusammengefassten Geschichten um den Indianer Winnetou. Viele seiner Werke wurden verfilmt, für die Bühne adaptiert, zu Hörspielen verarbeitet oder als Comics umgesetzt.

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Inhaltsverzeichnis

Halef in Gefahr

Eine Bärenjagd

In der Teufelsschlucht

In der Juwelenhöhle

Ein Überfall

Unter der Erde

An der Verräter-Spalte

Fußnoten

Karl May

Der Schut

Halef in Gefahr

Israd, unser Führer, erwies sich als ein munterer Bursche. Er erzählte uns interessante Episoden aus seinem Leben und gab uns lustige Schilderungen von Land und Leuten, so daß wir gar nicht daran dachten, die Zeit zu messen.

Die fruchtbare Ebene von Mustafa liegt eigentlich am linken Ufer des Wardar, woher wir gekommen waren. Am rechten, an welchem wir uns befanden, steigt das Terrain mälig empor, doch ist das Land noch sehr fruchtbar. Wir kamen an reichen Baumwollen- und Tabakfeldern vorüber und sahen fruchttragende Limonien stehen. Doch sagte Israd, daß dies bald aufhöre und wir jenseits der Treska sogar durch Gegenden kommen würden, welche ›meratlü‹ seien.

Um zu wissen, was dieses Wort bedeutet, muß man sich daran erinnern, daß der Grund und Boden des osmanischen Reiches in fünf verschiedene Klassen eingetheilt wird.

Die erste Klasse ist der ›Mirieh‹, das heißt das Land der Staatsdomänen, zu welchem selbstverständlich nicht der unfruchtbarste Boden gehört. Dann kommt der ›Wakuf‹, das Eigenthum der frommen Stiftungen. Dieser Klasse fällt ohne Weiteres alles Land zu, dessen Besitzer ohne Hinterlassung direkter Erben stirbt. Die dritte Klasse faßt den ›Mülk‹, den Privatgrundbesitz, in sich. Die Besitztitel werden in der Regel nicht nach einer genauen Messung, wie bei uns, sondern nach ungefährer Schätzung ausgestellt. Für jeden Wechsel des Besitzes, also Kauf, ist die Genehmigung der Regierung erforderlich, welche bei den dortigen Verhältnissen meist nur durch die Bestechung der betreffenden Beamten erlangt werden kann. Der Mülk leidet auch außerordentlich unter den Mißbräuchen, welche bei der Steuererhebung eingerissen sind. So hat zum Beispiel die Bodenwirthschaft zehn Procent Naturalabgabe zu entrichten. Die Steuerpächter verschieben aber gewöhnlich die Einholung dieses Zehnts so lange, bis die Früchte in Fäulniß überzugehen drohen und der Landwirth mehr als zehn vom Hundert bietet, um den Ertrag seiner Ernte retten zu können. In die nächste Klasse, ›Metronkeh‹ genannt, gehören die Straßen, öffentlichen Plätze und Communal-Grundstücke. Die Verkehrswege befinden sich meist in einem beklagenswerthen Zustand, was ein Hauptgrund für die wirthschaftliche Nothlage des Landes ist. Die letzte Klasse wird ›Merat‹ genannt und begreift alles wüste und unproductive Land in sich. Dieses war es, was unser Führer meinte.

Wir hatten zwei oder drei flache Terrassen zu ersteigen und kamen dann zu der Hochebene, welche im Westen steil nach den Ufern der Treska abfällt. Hier ritten wir durch einige kleine Dörfer. Der größte und bedeutendste Ort dieser Ebene, Banja, blieb links von uns liegen.

Da wir wußten, daß Israd uns in gradester Richtung führen werde, hatte ich nicht darnach getrachtet, die Spuren des uns vorangerittenen Suef aufzusuchen. Es hätte uns das nichts nützen können, sondern nur zur Verzögerung unseres Rittes geführt. Nachdem wir ungefähr vier Stunden unterwegs waren, kamen wir durch einen sehr lichten Wald, dessen Bäume weit auseinander standen. Dort trafen wir die Fährte eines einzelnen Reiters, welche von links auf unsere Richtung stieß. Ich betrachtete sie aus dem Sattel herab. Es war zwar nicht mit voller Bestimmtheit zu behaupten, aber es ließ sich vermuthen, daß es die Fährte Suef's sei, zumal das Pferd so scharf ausgegriffen hatte, daß anzunehmen war, der Reiter habe große Eile gehabt. Da sie in unserer Richtung weiter führte, folgten wir ihr, bis nach einiger Zeit eine zusammengesetztere Fährte von rechts her kam.

Jetzt stieg ich ab. Wer einigermaßen Übung besitzt, kann unschwer erkennen, von wie viel Pferden eine solche Spur gemacht wurde, falls es nicht gar zu viele gewesen sind. Ich sah, daß fünf Reiter hier geritten seien; also waren es höchst wahrscheinlich die von uns Gesuchten gewesen. Aus der bereits abgestumpften Schärfe der Ränder an den Hufeindrücken entnahm ich, daß diese Leute vor ungefähr sieben Stunden hier vorübergekommen seien.

Bei einer solchen Schätzung hat man sehr Vieles zu berücksichtigen: die Witterung, die Art des Bodens, ob er hart oder weich, sandig oder lehmig ist, ob er kahl liegt oder mit Pflanzen bewachsen, vielleicht dünn mit Laub bedeckt ist. Auch auf die Luftbewegung und die Tageswärme hat man Obacht zu geben, da die Sonne oder scharfe Luft die Spuren schnell austrocknet, so daß die Ränder eher bröckeln, als wenn es kalt und windstill ist. Der Ungeübte kann bei einer solchen Beurtheilung sehr leicht ein höchst irriges Resultat erzielen.

Nun ritten wir auf dieser Fährte fort. Nach einiger Zeit ging der Wald zu Ende, und wir kamen wieder auf freies Land. Eine Art von Weg kreuzte hierauf unsere Richtung, und wir sahen, daß die Fährte da nach rechts abbog, um diesem Pfad zu folgen. Ich blieb also halten und zog mein Fernrohr hervor, um nachzuforschen, ob ich vielleicht einen Ort, einen Gegenstand, ein Gehöft zum Beispiel, finden könne, um dessen willen die Reiter hier abgebogen seien. Ich konnte aber nichts dergleichen sehen.

»Was thun wir nun, Sihdi?« fragte Halef. »Wir können auf der Fährte bleiben, und wir können Israd weiter folgen.«

»Ich entschließe mich für das Letztere,« antwortete ich. »Diese Leute sind doch nur für kurze Zeit abgewichen und werden später sicher wieder herüberlenken. Wir wissen, wohin sie wollen, und werden uns beeilen, dort auch anzukommen. Vorwärts also, wie bisher!«

Ich wollte mein Pferd in Bewegung setzen, doch Israd sagte:

»Vielleicht ist es doch gerathen, ihnen zu folgen, Effendi. Da drüben rechts zieht sich ein breiter Grund hin, was wir von hier aus nicht sehen können. In demselben liegt ein kleiner Köjlüstan, in welchem die Männer, denen wir folgen, vielleicht eingekehrt sind.«

»Was können wir dort erfahren? Sie werden sich nicht lange dort verweilt, sondern nur um einen Trunk Wasser oder um einen Bissen Brod gebeten haben. Keinesfalls ist anzunehmen, daß sie gegen die dort wohnenden Leute sehr mittheilsam gewesen sind. Reiten wir weiter!«

Aber schon nach kurzer Zeit wurde ich anderer Meinung. Die Spuren kamen von rechts her zurück, und nach einem nur oberflächlichen Blick bemerkte ich, daß sie ziemlich neu waren. Ich stieg also abermals ab, um sie sorgfältig zu prüfen. Ich fand, daß sie kaum zwei Stunden alt waren. Die Reiter hatten sich also gegen fünf Stunden lang in dem erwähnten Bauernhof aufgehalten. Die Ursache davon mußte ich erfahren. Wir gaben also den Pferden die Sporen und bogen nach rechts ein, um das Haus aufzusuchen.

Es lag gar nicht weit entfernt. Wir erreichten sehr bald die Stelle, wo sich die Fläche abwärts nach einem Thal senkte, welches ein Bach durchfloß. Es gab da unten saftige Weide und schöne Äcker. Dennoch machte das Haus den Eindruck der Ärmlichkeit. Der bereits erwähnte Weg führte zu demselben hinab.

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