Der Tote in Nachbars Garten - Günter Fanghänel - E-Book

Der Tote in Nachbars Garten E-Book

Günter Fanghänel

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Beschreibung

Kriminalhauptkommissar Lutz Waski wird am frühen Morgen aus dem Bett geklingelt. Seine Nachbarin hat in ihrem Garten einen toten Mann entdeckt. Er wurde offensichtlich ermordet. Der Fundort ist aber nicht der Tatort. Während die Ermittlungen anlaufen, wird im Nachbarort eine weitere Leiche gefunden. Eine junge Frau wurde brutal erschlagen. Außer der zeitlichen und örtlichen Nähe beider Fälle gibt es zunächst keinen Zusammenhang. Den Beamten der Regionalen Kriminalinspektion (RKI) Darmstadt gelingt es aber in aufwändiger Kleinarbeit die Fälle zu lösen und die Täter zu fassen.

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Dieses Buch ist ein Roman. Handlung und Personen sind frei erfunden. Alle Straßen- und Firmennamen sind fiktiv.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Epilog

Personen

1.

Eppertshausen, ein kleiner hessischer Ort mit etwa 6.500 Einwohnern, liegt zentral im Rhein-Main-Gebiet inmitten des Dreieckes Darmstadt – Aschaffenburg – Frankfurt.

Obwohl der Ort gewiss keinen Schönheitspreis verdient, lebt es sich hier sehr angenehm. Es gibt zahlreiche Betriebe und eine sehr gute Verkehrsanbindung in die umliegenden größeren Orte. In den letzten Jahren hat Eppertshausen eine sehr positive Entwicklung genommen, nicht zuletzt wegen einer klugen und vorausschauenden Kommunalpolitik. In vielen Vereinen finden die Bürger ein reiches Betätigungsfeld. Das von der freiwilligen Feuerwehr jährlich am 1. Mai ausgerichtete Mai-Fire sowie vor allem die Anfang Oktober stattfindende Kerb und der Settchesball am Faschingssonnabend sind Höhepunkte im gesellschaftlichen Leben des Ortes.

In den letzten Jahren ist Eppertshausen durch mehrere Aufsehen erregende Kriminalfälle in die Schlagzeilen geraten.1 In allen diesen Fällen war Kriminalhauptkommissar Lutz Waski Leiter der Ermittlungen. Dieser war zusammen mit seiner Frau Steffi 2019 nach Eppertshausen gezogen.

Steffi und Lutz Waski hatten 2015 geheiratet und waren zuvor beide bei der Kriminalpolizei in Gera beschäftigt, sie als Chefsekretärin der MUK2, er zum Schluss dort als Oberkommissar.

Steffi stammt aus Eppertshausen und ihre Eltern, Lieselotte (genannt Lilo) und Werner Brenner, beide ehemalige Lufthanseaten, hatten Mitte der 80-iger Jahre des vorigen Jahrhunderts in der Straße Am Kreuzfeld ein schönes Zweifamilienhaus gebaut.

Dort ist Steffi mit ihrem Mann Lutz und dem damals einjährigen Tobias eingezogen. Steffis Eltern hatten sich im Erdgeschoss eingerichtet und zuvor richtig viel Geld in die Hand genommen, um die obere Etage für die jungen Leute herzurichten. Es wurden alle Zimmer renoviert, eine moderne Küche eingebaut und das Bad völlig neu gestaltet. Im Gäste-WC gibt es jetzt eine zusätzliche Duschkabine.

Der Umzug nach Hessen wurde auch möglich, weil Lutz die Stelle des Leiters der Abteilung Gewaltverbrechen im Kommissariat K10 der Regionalen Kriminalinspektion (RKI) Darmstadt erhalten hatte und zum Kriminalhauptkommissar befördert worden war. Noch während des Umzugs erhielt er seinen ersten Fall, den er mit seinem Team bravourös löste.3

Nun waren etliche Monate ins Land gegangen. Das Leben der jungen Familie Waski, vor drei Jahren hatte der damals dreijährige Tobias sein Schwesterchen Cosima erhalten, verlief in normalen Bahnen. Steffi arbeitete halbtags in der Gemeindeverwaltung, die Kinder gingen in die Kita und wurden auch von den Großeltern liebevoll betreut und sicherlich verwöhnt.

Für Lutz waren die letzten Wochen im Dienst ruhig verlaufen und man war endlich dazu gekommen, liegengebliebene Vorgänge aufzuarbeiten und Ordnung in der Aktenablage zu schaffen.

Die Ruhe sollte aber nicht anhalten. Ein neuer Fall kam auf Hauptkommissar Lutz Waski und sein Team zu. Dabei lag der Ausgangspunkt in unmittelbarer Nähe der Wohnung des Kommissars.

1 Siehe Die Tote im Abteiwald, BoD 2019;Der Tote in der Dreieichbahn, BoD 2020;Die Toten bei der Thomashütte, BoD 2021.Die Tote in der Sauna: BoD 2023

2 MUK steht für Morduntersuchungskommission. Einige Fälle deren Arbeit sind beschrieben in:Der Tote vom Teufelstal Bod 2012Der Tote auf Gleis 2 BoD 2014Die Tote in Kabine 8032 BoD 2016

3 Siehe: Die Tote im Abteiwald. BoD 2019.

2.

Mittwoch, 5. Juni

Lutz Waski und sein Schwiegervater Werner Brenner waren am Vorabend gegen 23:00 Uhr vom wöchentlichen Spielabend des Skatklubs Reizende Buben heimgekehrt. Steffi saß mit ihrer Mutter Lilo noch in der Stube vorm Fernseher. Die Männer berichteten vom Verlauf des Abends. Es waren 23 Spieler gekommen und Lutz konnte den 3. Preis gewinnen. Werner war leer ausgegangen, da er mit 1513 Punkten als achter knapp am letzten Preis vorbeigeschrammt war. Beiden hatte das Ganze aber viel Spaß gemacht.

Die vier unterhielten sich noch ein paar Minuten und dann gingen alle schlafen.

Es war 4:10 Uhr, Steffi und ihr Mann lagen aneinander gekuschelt in tiefem Schlaf, als das Handy von Lutz, das auf seinem Nachtisch lag, klingelte. Verschlafen griff Lutz danach und nahm das Gespräch an.

„Hallo Lutz“, ertönte es. „Hier ist Carola Meinert, ihre Nachbarin. Bitte entschuldigen Sie die frühe Störung, aber in unserem Garten liegt ein toter Mann.“

„Sind Sie sicher, dass der Mann tot ist?“ fragte Kommissar Waski zurück.

„Ich denke schon“, lautete die Antwort, „Vor etwa zehn Minuten ging unsere Alarmanlage los und das Außenlicht schaltete sich ein.

Da Silvio zu einer Tagung in München ist und Tim wohl wieder bei seiner Freundin übernachtet, bin ich allein im Haus. Natürlich bin ich sofort aufgestanden und habe die Türen und Fenster kontrolliert. Diese sind alle zu. Dabei habe ich beim Blick aus dem Wintergarten den Mann im Garten liegen sehen. Er hat sich überhaupt nicht bewegt. Aber aus dem Haus wollte ich nicht gehen.

Sicher wird wegen des Alarms auch gleich der Wachdienst kommen. Da es wohl einen Toten gibt, habe ich Sie und auch Dr. Dreikorn von gegenüber angerufen. Er will sofort kommen.“

„Das geht schon in Ordnung“, antwortete Lutz. „Bleiben Sie im Haus, ich komme auch gleich.“

Die Familie Meinert, Prof. Dr. Silvio Meinert, seine Frau Carola sowie die beiden Kinder Tim und Kirsten, wohnen auch in der Straße Am Kreuzfeld, drei Häuser entfernt von Waski. Man kannte sich natürlich und pflegte gute Nachbarschaft – mehr aber nicht.

Prof. Silvio Meinert war auch Mitglied im Skatverein, aber oftmals bei den Spielabenden nicht dabei – wie gestern auch.

Steffi war wach geworden und wollte wissen, was los sei.

Lutz berichtete kurz und zog seinen Jogginganzug an. Er legte auch – vorsichtshalber, wie er sagte – sein Schulterholster an und nahm seine Pistole aus dem Safe.

Als er das Haus verließ, kam vom gegenüberliegenden Gebäude eilig ein Mann, wie er selbst auch mit einem Jogginganzug bekleidet. Es war Dr. Dieter Dreikorn, leitender Oberarzt der Chirurgie an einem Darmstädter Krankenhaus.

Die beiden Männer waren etwa gleichaltrig und miteinander gut befreundet.

„Guten Morgen Lutz“, sagte Dr. Dreikorn. „Das war ja eine kurze Nacht für uns beide.“ Der Arzt war nämlich auch mit bei den Reizenden Buben gewesen.

Kurz vor halb fünf standen die beiden dann vor dem Haus der Familie Meinert. Das Außenlicht erleuchtete das gesamte Anwesen, von einem Toten war aber auf dem ersten Blick nichts zu sehen.

Die beiden Männer wurden schon von Carola Meinert erwartet, Diese sprudelte los: „Von unserem Wintergarten ist bei dem hellem Außenlicht der Tote deutlich zu erkennen.“

„Na, ob da ein toter Mann ist, muss sich erst noch zeigen,“ meinte Lutz. „Vielleicht ist es ein Einbrecher“, der einen Schock erlitten hat, als der Alarm losging und erst einmal liegen geblieben ist. Dieter und ich werden uns das Ganze einmal genauer ansehen. Sie, Carola, bleiben bitte hier, damit keine Spuren, falls es welche gibt, zerstört werden.“

Vorsichtig und eng hintereinander gingen die beiden Männer nach hinten und sahen zwischen der aus dem Wintergarten führenden Treppe und der am Grundstücksrand stehenden Gartenlaube tatsächlich eine Person auf dem Bauch liegen.

Sie gingen auf diese zu und Dr. Dreikorn bat Lutz, ihn zu helfen, die Person umzudrehen. Sie sahen: Es ist ein Mann.

Der Arzt untersuchte ihn kurz und sagte dann: “Ich schätze, dieser Mann hier ist höchstens fünfunddreißig Jahre alt geworden und ist seit mindestens vier Stunden tot. Er hat nur rechts einen Turnschuh samt Socke an und ist ansonsten völlig nackt.

Äußere Verletzungen kann ich nicht erkennen. Er war schon tot, als er hier abgelegt wurde. Alles andere muss die Gerichtsmedizin klären.

Ich kann einen Totenschein ausstellen mit den Angaben: Unbekannte Person; Todesursache unklar.“

Lutz Waski sah sich den Toten auch an und meinte dann: „Ich teile Deine Einschätzung des Alters und außerdem fällt mir sein sehr gepflegtes Äußeres auf“.

Sein Freund bestätigte die Einschätzung.

Lutz machte noch einige Bilder von dem Toten und erklärte dann: „Wir lassen hier alles unverändert bis meine Kollegen kommen. Ich habe diese bereits informiert. Dieter, ich bitte Dich, nach Frau Meinert zu sehen, ich kümmere mich mal um den Wachdienst, der wohl gerade gekommen ist.“

So war es. Aus einem Auto stiegen zwei junge Männer, beide mit Overalls bekleidet, auf denen das Abzeichen des Wachdienstes deutlich zu erkennen war.

„Hallo, Kommissar Waski“, sagte der ältere der beiden, „wir kommen, weil Alarm ausgelöst wurde. Es ist aber selten, dass die Kriminalpolizei schon vor uns da ist.“

Lutz, der die beiden Wachleute vom Sehen kannte, sagte: „Das ist wohl war“ und schilderte dann die Umstände seiner Anwesenheit und erklärte, dass der Tod der aufgefundenen Person von Dr. Dreikorn bestätigt worden war.

„Dann können wir ja wieder abziehen“, meinten die Wachleute. „Wir werden nur noch kurz ein Protokoll anfertigen und Frau Meinert unterschreiben lassen. Allerdings ist uns vorm Haus ein Lieferwagen aufgefallen. Gehört der dorthin?“

Sie gingen ins Haus und fragten Frau Meinert.

Diese schüttelte den Kopf und verneinte.

Kommissar Waski bemerkte: „Als ich gestern Abend gegen elf vom Skat kam, stand da kein Auto in unserer Straße. Der Lieferwagen wäre mir bestimmt aufgefallen. Wir können aber auch meinen Schwiegervater fragen, der gestern mit mir gekommen ist.“

Auch Dr. Dreikorn, der zehn Minuten später vom Skat nach Hause kam, hatte keinen Lieferwagen wahrgenommen.

„Na, sehen wir uns das Auto einmal an,“ meinte der Kommissar.

Die beiden Wachmänner und Lutz gingen zu dem Fahrzeug. Es war ein älterer Ford-Transit mit Darmstädter Kennzeichen.

Der Kommissar nahm sein Smartphone, rief in der Dienststelle an und bat um eine Halterfeststellung.

Die Antwort, die schnell kam, verblüffte ihn. Zu seinen beiden Begleitern sagte er. „Ich erfahre eben, dass das Kennzeichen zu einem BMW gehört, der auf einen Arzt in Reinheim zugelassen ist. Die Nummernschilder hier sind also entweder gestohlen oder gefälscht.“

Die drei Männer sahen sich den Lieferwagen von allen Seiten an. Seine Grundfarbe war hellgrün, an beiden Seiten stand mit gelben Buchstaben Hausmeisterdienst Werner.

Der jüngere der beiden Wachleute hatte inzwischen die Hecktür, die nicht verschlossen war, geöffnet und rief „Der Laderaum ist leer, aber hier liegt eine Palette, mit der man vielleicht den Toten transportiert hat.

Sein Kollege und Lutz Waski eilten herbei und bestätigten diese Einschätzung. Der Kommissar erklärte: „Das Ganze ist jetzt ein Fall für unsere Spusi4. Ich werde alles Notwendige veranlassen. Wir können hier nichts tun, außer dafür zu sorgen, dass alle Spuren – auch die im Garten – erhalten bleiben.“

Lutz Waski griff zum Handy, rief erneut seine Dienststelle, die RKI (Regionale Kriminalinspektion) Darmstadt, an und gab einen ersten Lagebericht. Die Spusi wollte umgehend starten. Die Zentrale übernahm es, Beamte der Abteilung Gewaltverbrechen, nämlich die Stellvertreterin von Kommissar Waski, Hauptkommissarin Melanie Forstmann, sowie Kommissarin Gisela Bernd und Kommissar Ralf Kleinert5 zu informieren und nach Eppertshausen zu schicken.

Kommissar Waski entließ dann die beiden Kollegen des Wachdienstes, nicht ohne sie gebeten zu haben, ihm einen kurzen Bericht ihres Einsatzes zukommen zu lassen.

Danach ging er zum Haus, wo ihn schon Frau Meinert und Dr. Dreikorn erwartungsvoll ansahen.

„Carola, Sie hatten recht“, sagte er zu der Frau. „Es gibt einen Toten in Ihrem Garten. Wenn meine Kollegen hier sind, werden Sie sich den Mann ansehen müssen. Aber ich habe hier auf meinem Smartphone ein Bild, schauen Sie sich dies bitte einmal an.“

Lutz schaltete sein Handy ein und hielt es Frau Meinert hin. Diese sah darauf, stutzte sehr erschrocken, sagte aber dann mit Nachdruck: „Ich habe diese Person noch nie gesehen!“

„Na gut“, sagte Kommissar Waski. „Wir werden nachher nochmals auf Sie zukommen. Dieter“, wandte er sich an Dr, Dreikorn, „du solltest vielleicht noch ein paar Minuten bei Frau Meinert bleiben. Ich warte hier draußen, bis meine Kollegen eintreffen.“

4 Spusi ist die gängige Abkürzung für den Bereich der Abteilung Kriminaltechnik, dem die Sicherung und Auswertung aller Spuren eines Verbrechens obliegt.

5 Eine Auflistung der im Buch vorkommenden Personen findet man auf S. 242.ff

3.

Mittwoch, 5. Juni; 5:00 Uhr

Lutz Waski stand hinter dem Lieferwagen und wartete auf seine Kollegen. Es war inzwischen hell geworden. Im Osten kämpfte sich die aufgehende Sonne durch den Nebel und versprach nach den bisher verregneten Tagen endlich eine Wetterbesserung.

Es dauerte nicht lange, als ein Funkstreifenwagen der Polizeistation Dieburg neben ihm hielt. Zwei junge Polizisten, ein Mann und eine Frau, stiegen aus. Beide kannten Lutz offensichtlich und die Fahrerin sagte: „Guten Morgen, Hauptkommissar Waski. Was gibt es?“

Dieser erklärte die Lage und setzte fort: „Ich bitte sie beide zunächst dafür Sorge zu tragen, dass sich niemand dem Lieferwagen und dem Grundstück der Familie Meinert nähert. Wenn dann meine Kollegen von der RKI eingetroffen sind, befragen sie bitte die Nachbarn, ob jemandem etwas Besonderes aufgefallen ist. Es wäre schön, wenn man bemerkt hätte, wann dieser Lieferwagen hier geparkt wurde. Viel Hoffnung habe ich zwar nicht, denn gestern Abend gegen 23:00 Uhr war er noch nicht hier. Danach dürften die meisten wohl geschlafen haben und sonderlich viel Lärm hat der Ford-Transit sicher auch nicht gemacht.

Ich gehe jetzt kurz zurück in meine Wohnung und ziehe mich ordentlich an. Dabei werde ich meine Schwiegermutter bitten, eine große Portion Kaffee zu kochen. Wenn die Kollegen kommen, wird sie sicher Abnehmer finden. Für sie beide gibt es selbstverständlich auch einen Schluck.“

Der Kommissar ging die paar Schritte zu seiner Wohnung und die beiden Streifenpolizisten rätselten, was es mit dem Toten im Garten wohl auf sich haben könnte.

In seiner Wohnung angekommen, fand Lutz seine Frau in der Küche beim Zubereiten des Frühstücks. Beide Kinder und wohl auch die Schwiegereltern schliefen noch. Er begrüßte Steffi mit dem täglichen Gute-Morgen-Kuss und sie wollte natürlich wissen was los ist.

Lutz erklärte: „Ich kann ja nichts sagen zu laufenden Ermittlungen, aber es gibt eigentlich noch gar keine. Frau Meinert hat mich mitten in der Nacht angerufen, du hast es ja mitbekommen, und gesagt, in ihrem Garten läge ein Toter. Als ich hinkam, war auf den ersten Blick nichts zu sehen. Die Alarmanlage und die Außenbeleuchtung waren angegangen.

Ich dachte schon, Frau Meinert hätte sich getäuscht oder ein Einbrecher hätte sich, vom Alarm erschreckt, langgelegt und sei dann schnellstens verschwunden. Aber dann haben Dr. Dreikorn, den Frau Meinert auch angerufen hatte, und ich im Garten einen Toten entdeckt.

Vom Wachdienst waren inzwischen zwei Leute gekommen. Diese haben mich auf einen vor dem Haus stehenden Lieferwagen aufmerksam gemacht. Eine Überprüfung hat ergeben, dass dessen Kennzeichen falsch sind. Wahrscheinlich wurde er gestohlen und zum Transport des Toten benutzt.

Dann ist ein Streifenwagen mit Dieburger Kollegen eingetroffen, die jetzt das Ganze sichern. Unsere Truppen vom RKI werden auch bald hier sein und dann geht der übliche Trubel los. Ich ziehe mich schnell ordentlich an und gehe sofort wieder rüber.“

Steffi war in hohem Maße erstaunt und meinte: „Du solltest auf die Schnelle noch eine Tasse Kaffee trinken und einen Bissen essen, wer weiß, wann du sonst dazu kommst,“

Lutz nickte und verschwand ins Schlafzimmer. Nach kurzer Zeit kam er, mit Jeans, kurzärmligem Shirt und Weste sommerlich gekleidet, zurück, trank eilig im Gehen seinen Kaffee, nahm ein belegtes Brötchen und wollte zur Tür. Kurz davor stoppte er, und sagte zu seiner Frau: „Es wäre schön, wenn du oder Lilo oder ihr beide für die Kollegen, die gleich anrücken, Kaffee machen könntet. Diese sind ja auch zu nachtschlafender Zeit alarmiert worden und sicher kaum zum Frühstücken gekommen.“

Mit einem Tschüs – bis bald verschwand er nach draußen.

Es war dann kurz vor sechs. Die Glocken vom Turm der 1832 fertiggestellten Pfarrkirche St. Sebastian hatten ihr Morgengeläut soeben begonnen, als der Kombi der Spusi in die Straße Am Kreuzfeld einbog und hinter dem Ford-Transit hielt. Es stiegen Hauptkommissar Daniel Goebel, der Leiter der Kriminaltechnik bei der RKI, und vier seiner Mitarbeiter aus.

Sie wurden von Lutz Waski begrüßt mit den Worten: „Kollegen, es tut mir leid, dass ihr zu so früher Stunde hier sein müsst, aber hinten im Garten der Familie Meinert liegt ein toter Mann und der Lieferwagen hier bedarf auch einer genaueren Betrachtung. Die Kennzeichen gehören jedenfalls zu einem BMW, dessen Besitzer ein Arzt ist. Sicher wurde der Ford Transit gestohlen.“

Der Kommissar unterbrach seine Rede, weil inzwischen Melanie Forstmann, Gisela Bernd und Ralf Kleinert eingetroffen waren.

Er begrüßte kurz seine Mitarbeiter und redete weiter: „Kurz nach vier hat mich Frau Meinert angerufen, sie war zu diesem Zeitpunkt allein im Haus. Die Alarmanlage war losgegangen, das Außenlicht hatte sich angeschaltet und im Garten hatte sie eine Person liegen gesehen.

Ich war eine Viertelstunde später dort zusammen mit Dr. Dreikorn, einem Arzt, der uns gegenüber wohnt, und auch von Frau Meinert angerufen worden war. Zunächst haben wir niemand im Garten gesehen, aber dann eine zwischen Wintergarten und Laube liegende Person entdeckt. Der Arzt und ich sind dann sofort hingegangen.

Wir stellten fest, dass da ein Mann lag, der bis auf einen Schuh samt Socke völlig nackt und schon einige Stunden tot war.

Das wurde von Dr. Dreikorn festgestellt, wobei er zu Ursache und Zeitpunkt des Todes verständlicherweise nichts sagen konnte. Uns beiden war aber sofort klar, dass der Mann mit Sicherheit nicht hier im Garten gestorben ist.

Dr. Dreikorn kümmert sich um Carola Meinert, die unter Schock steht.

Inzwischen waren auch zwei Mitarbeiter des Wachdienstes eingetroffen. Sie haben uns auf einen Ford-Transit, der vor dem Haus steht, aufmerksam gemacht. Dessen Kennzeichen sind falsch, er war nicht verschlossen und ist leer.

Ich frage mich: „Wer ist der Mann und warum legt man seine Leiche im Garten der Meinert‘s ab?

Wenn er mit dem Ford Transit transportiert wurde, warum wurde dann das Auto hier stehen gelassen?

Lasst uns also mit den Untersuchungen beginnen.

Vorweg noch eines: Es muss wohl einen Bezug zur Familie Meinert geben. Das sind vier Personen. Carola ist im Haus, ihr Mann, Prof. Dr. Silvio Meinert, ist zu einem Kongress in München, der Sohn Tim ist IT-Fachmann und hat zusammen mit einem Freund eine eigene Firma. Nach Aussage seiner Mutter ist er derzeit bei seiner Freundin. Die Tochter Kirsten studiert in diesem Semester in Turku/Finnland.

Alle vier müssen gründlich befragt werden, wobei ich selbst wegen möglicher Befangenheit nicht aktiv sein werde.

Melanie wird sich gleich mit Frau Meinert unterhalten. Diese hat zwar mit einem Blick auf das Bild, das ich von dem Toten mit dem Smartphone gemacht hatte, bestritten, ihn zu kennen, aber für meinen Geschmack hat sie einen Moment zu lange gezögert.

Na, vielleicht sehe ich Gespenster aber Frau Meinert wird sich den Toten sowieso noch direkt ansehen müssen, bevor er weggebracht wird.

Ich halte es übrigens nicht für erforderlich, einen Gerichtsmediziner hierher zu holen, falls Daniel nicht anderer Meinung ist.“

Die Polizisten hatten alle aufmerksam zugehört und Hauptkommissar Daniel Goebel übernahm das Kommando. Er bestimmte zwei seiner Kollegen, die sich den Ford Transit ansehen sollten und bat die beiden anderen, zusammen mit ihm und Kommissar Waski den Toten und dessen Umgebung zu untersuchen.

Lutz wandte sich vorher noch an Gisela Bernd und Ralf Kleinert und sagte: „Ich bitte euch, zusammen mit den beiden Streifenpolizisten, die schon Bescheid wissen, die Nachbarn zu befragen. Es sind nicht allzu viele, aber es wäre wichtig, zu erfahren, ob jemand in der Zeit zwischen 23:00 Uhr gestern und 4:30 Uhr heute etwas Außergewöhnliches bemerkt hat und insbesondere etwas zu dem Lieferwagen sagen kann.“

Dann gingen alle an die Arbeit.

Die Hauptkommissare Goebel und Waski begaben sich zusammen mit zwei Kriminaltechnikern zu dem Toten, der mitten auf dem Rasen lag. Sie achteten sehr auf alle Spuren, konnten aber zunächst nichts feststellen.

Daniel Goebel meinte: „Der Mann muss hierhergetragen worden sein, sonst hätten wir noch Schleifspuren sehen müssen. Fußabdrücke sind in dem kurz geschnittenen Rasen nicht mehr sichtbar, das Gras hat sich schnell wieder aufgerichtet. Aber mal sehen, ob wir vorn an der Straße etwas finden. Es ist aber sicher, dass mindestens zwei Personen am Werk gewesen sind.“

Dann wandten sich die Polizisten der toten Person zu. Der Mann war etwa 1,78 m groß und von sehr sportlicher Figur. Die relativ langen blonden Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden, das Gesicht war ebenmäßig und die zarte Haut zeugte von regelmäßiger Pflege.

Obwohl so ein femininer Eindruck entstand, konnten die Kommissare deutlich erkennen, dass sie einen Mann vor sich hatten. Er hatte nur am rechten Fuß eine Socke und einen Turnschuh mit dem Label einer bekannten Sportartikelfirma an.

Ansonsten war er völlig unbekleidet.

Es gab aber keinerlei Hinweise auf die Identität des Toten. Er trug keinerlei Schmuck (Fingerringe, Halsketten) und Tätowierungen waren auch nicht zu finden.

Äußere Verletzungen gab es nicht.

Man sicherte noch die Fingerabdrücke. Dann sagte Kommissar Goebel: „Wir werden unsern Kunden hier in die Gerichtsmedizin nach Frankfurt bringen lassen, in der Hoffnung, dass uns die Kollegen dort mehr sagen können zu Todesursache und -zeitpunkt sowie zu seiner Identität. Vielleicht hilft auch die Analyse seiner DNA.

Während die Kriminaltechniker noch den Weg vom Ford-Transit zum Toten genau unter die Lupe nahmen, kam einer der beiden, die den Lieferwagen untersucht hatten, auf Lutz Waski und Daniel Goebel zu.

Er sagte: „Das Auto wurde garantiert gestohlen und durch Kurzschließen gestartet. Dabei haben die Diebe aber übersehen, dass sich in der ganzen Zeit die Batterie entladen hat. Es ist damit unmöglich, das Fahrzeug ohne fremde Hilfe zu starten.“

„Das erklärt“, meinte Kommissar Waski, „warum die Täter das Fahrzeug hier stehengelassen haben, was gewiss nicht ihr Plan war.

Ich hoffe, dass ihr aussagekräftige Spuren darin findet“, sagte er zu Daniel Goebel,

„Wir tun unser Bestes“, lautete die Antwort. „Ich habe schon veranlasst, dass der Ford-Transit zu uns in die Kriminaltechnik transportiert wird.“

Es war inzwischen fast sieben Uhr.

Alle an der Untersuchung Beteiligten, mit Ausnahme eines Streifenpolizisten, der den Lieferwagen und das Grundstück der Familie Meinert bewachte, waren alle bei Waski´s auf der Terrasse versammelt.

Steffi hatte Kaffee und Kekse angeboten und man versuchte ein erstes Fazit zu ziehen.

Kommissar Waski nahm das Wort: „So ein Fall, bei dem eine Leiche in der Nähe eines Hauses so abgelegt wurde, dass man sie gleich finden muss, ist mir noch nicht untergekommen.“

Auch keiner der anderen Polizisten kannte einen ähnlichen Fall.

Lutz fuhr fort: „Wenn die Ergebnisse von der Gerichtsmedizin und euren Untersuchungen,“ dabei sah er zu Daniel Goebel, „vorliegen, sind wir sicher schlauer.“

Dieser antwortete: „Unsere Untersuchungen hier sind abgeschlossen. Wenn wir den Ford-Transit verladen haben, werden wir unsere Zelte abbrechen und uns im Präsidium an die Arbeit machen.

Was ist mit der Gerichtsmedizin und dem Abtransport der Leiche?“

Melanie Forstmann antwortete: „Der Abtransport ist veranlasst und mit den Frankfurter Forensikern habe ich gesprochen. Ich war verwundert, dass zu der frühen Stunde der rasende Heiko6 schon bei der Arbeit war. Er hat, wie üblich mit mir geflirtet und sehr bedauert, dass ich inzwischen glücklich verheiratet bin. Er hat aber versprochen, sich umgehend um unseren Toten zu kümmern.“

Lutz Waski fragte: „Hat die Befragung der Nachbarn etwas ergeben?“

Die Kommissare Bernd und Kleinert sowie die Dieburger Kollegin erklärten einhellig, dass dies nicht der Fall sei. Man habe zwar in allen Nachbarhäusern jemand angetroffen, aber keiner hatte etwas für den Fall Relevantes bemerkt.

„Na, das war j auch nicht zu erwarten“, meinte Kommissar Waski. Dann entschied er: „Wir beenden jetzt unsere Arbeit hier. Bei Ihnen und Ihren Kollegen“, wandte er sich an die Dieburger Kollegin, „bedanke ich mich sehr. Sie beide warten bitte noch, bis die Gnadenlosen, wie wir die Leichenwagenfahrer flapsig nennen, mit ihrer traurigen Fracht abgefahren sind. Dann können Sie ihren Dienst fortsetzten. Melanie, dich bitte ich dafür zu sorgen, dass sich Frau Meinert den Toten noch genau ansieht. Anschließend solltest du dich ausführlich mit ihr unterhalten. Es kann doch kein Zufall sein, dass dieser auf ihrem Grundstück gelandet ist.

Ich werde mich von Carola Meinert und Dr. Dreikorn sowie von meinen Leuten verabschieden und wir treffen uns dann gleich im Präsidium.“

Alle tranken ihren Kaffee aus und man ging auseinander.

6 Weil Dr. Heiko Bruns oftmals mit seiner Honda rasch an den Tatorten erschien, hatte er diesen Spitznahmen.

4.

Mittwoch, 5. Juni; 8:30 Uhr

Im Beratungsraum des Kommissariats K10 der RKI Darmstadt hatte der Leiter der Abteilung Gewaltverbrechen, Hauptkommissar Lutz Waski, seine Mitarbeiter versammelt.

Dies waren Kommissarin Gisela Bernd, Kommissar Ralf Kleinert und die Praktikantin Miriam Fendt. Hauptkommissarin Melanie Forstmann, die Stellvertreterin von Lutz Waski, fehlte, weil sie noch mit der Befragung von Carola Meinert befasst war. Aber der Leiter des K10, Kriminalrat Torsten Haase, war gekommen.