Die Toten bei der Thomashütte - Günter Fanghänel - E-Book

Die Toten bei der Thomashütte E-Book

Günter Fanghänel

0,0

Beschreibung

In der Nähe der Thomashütte wird an einem Sonntagnachmittag ein elfjähriger Junge vermisst. Bei der aufwändigen Suche werden zwei junge Leute tot aufgefunden. Es wird schnell klar, dass sie von fremder Hand getötet wurden. Hauptkommissar Waski und seine Kollegen von der Regionalen Kriminalinspektion (RKI) Darmstadt übernehmen den Fall. Sie müssen davon ausgehen, dass im Zusammenhang mit dem Tötungsdelikt auch der gesuchte Junge entführt wurde. Es muss in vielerlei Richtungen ermittelt werden. Letztendlich wird aber, wie es sich für einen Krimi gehört, das Ganze aufgeklärt und die Täter können verhaftet werden.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 186

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dieses Buch ist ein Roman. Handlung und

Personen sind frei erfunden.

Real ist die THOMASHÜTTE, ein beliebtes und

sehr empfehlenswertes Ausflugslokal an der Straße

zwischen Eppersthausen und Messel.

Die alte Scheune ist ebenso fiktiv wie alle Straßen-

und Firmennamen.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Epilog

1.

Sonntag, 12. September, nachmittags

Der kleine beschauliche hessische Ort Eppertshausen liegt inmitten des Dreieckes Aschaffenburg – Darmstadt – Frankfurt und ist von schönen Wäldern umgeben. Nur nach Süden öffnet sich der Blick über die Nachbargemeinde Münster bis zu den Hängen des Odenwaldes.

Die Geschichte von Eppertshausen ist wechselvoll. Bis 1799 hatten die Herren von Groschlag in Eppertshausen das Sagen. Ab 1806 gehörte Eppertshausen dann zum Großherzogtum Hessen-Darmstadt und damit nach 1945 zum Bundesland Hessen.

Bei der 1974 in Hessen vorgenommenen Gebietsreform, die im Norden die künstliche Stadt Rödermark hervorbrachte, im Westen viele Orte unter den Namen Dreieich vereinte und im Osten viele Dörfer nach Babenhausen eingemeindete, gelang es Eppertshausen, seine Selbständigkeit zu bewahren.

Dies sowie die gute geografische Lage zusammen mit einer recht guten Verkehrsanbindung über Schiene und Straße, vor allem aber die sehr kluge und vorausschauende Kommunalpolitik der vergangenen 20 Jahre waren ursächlich für die sehr positive Entwicklung des Ortes. Heute wohnen hier etwa 6.500 Frauen, Männer und Kinder. Viele der Erwerbstätigen pendeln täglich nach Darmstadt oder Frankfurt, vor allem aber auch zum nahegelegenen Flughafen Rhein-Main. Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts war die Landwirtschaft eine der wichtigsten Erwerbsquellen für die Bevölkerung.

Im 19. Jahrhundert spielten auch die Lederwarenfabrikation und schon vorher Töpfereien und Ziegelhütten eine Rolle.

Eine von den Ziegeleien war die THOMASHÜTTE, die eine lange Geschichte hat.

Im Internet kann man lesen, was dazu der Eppertshäuser Heimatforscher WILHELM KÖRNER herausgefunden und beschrieben hat. Dort steht:

Die Thomashütte, die als Ausflugslokal bekannt ist und als Gutshof firmiert, hat ihren Ursprung in einer Ziegelhütte. Diese wurde vor mehr als 300 Jahren an der heutigen Kreisstraße zwischen Eppertshausen und Messel in der Waldlandschaft errichtet. Um 1698 war die Hütte im damals Groschlag’schen Oberwäldchen von einem gewissen Thomas Enners erbaut worden. In der Thomashütte, die damals noch nicht so bezeichnet wurde, wurden vor allem Mauer- und Dachziegel gebrannt, die teilweise noch in Eppertshausen und Umgebung vermutlich in alten Häusern stecken. Der Ton wurde aus Gruben im umliegenden Waldgebiet geholt. Einige Weiher in der Waldlandschaft erinnern noch heute an diese einstigen Tongruben Die Thomashütte war nach dem Tode von Thomas Enners im Jahre 1726 von dessen Tochter und deren Mann weitergeführt worden. Und dann wiederum von deren Nachkommen. Heimatforscher KÖRNER hat durch drei Jahrhunderte viele Besitzer und Betreiber aufgelistet und dabei auch als besonderes Ereignis einen Raubüberfall in der Nacht vom 10. auf den 11. November 1809 nicht unerwähnt gelassen. Dabei hatten ein gewisser Mathes Oesterlein und ein nur als „langer Samel“ bezeichneter Kumpan einer Magd, die an der Thomashütte angestellt war, die gesamten Ersparnisse ihrer siebenjährigen Arbeitszeit geraubt. Das waren 93 Gulden und 28 Kreuzer, die sie in ihren „Sparstrumpf“ gesteckt hatte.

Was mit den Spitzbuben geschah, ist nicht notiert worden. Wohl aber, dass es um 1819 Weidevieh an der Hütte gab, Schweine und Rinder gehalten wurden und ein Hirte beschäftigt war. Das Gebiet gehörte bis 1818 zur Mark Babenhausen. Als die Mark damals aufgeteilt wurde, waren die Bewohner mit einem Federstrich Bürger von Babenhausen geworden. Es dauerte zwei Jahrzehnte, bis sie Eppertshäuser wurden.

Dies verraten die historischen Aufzeichnungen. Aus diesen lässt sich auch herauslesen, dass ein Erwin Scharf damals bereits eine „Zapfwirtschaft“ eingeführt hatte. Das war offensichtlich der Start in die Gastronomie gewesen, die sich im Laufe von zwei Jahrhunderten immer weiterentwickelte.

Dabei gab es Höhen und Tiefen in der Geschichte dieses beliebten Ausflugslokals. Vor etwa zwei Jahren gab es folgende negative Schlagzeile:

Vor Gericht musste sich jetzt der ehemalige Betreiber der Erlebnisgastronomie Thomashütte in Eppertshausen wegen Betrugs verantworten. Ihm droht nun der Knast.

Auf Nachfrage erläutert der Direktor des Amtsgerichts Dieburg: „Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Dieburg wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten ohne Bewährung verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.“

Der umtriebige Gastronom soll Leistungen in eigenem Namen beauftragt haben, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig gewesen sein soll, und für die Leistungen, nachdem diese erbracht waren, nicht gezahlt haben.

Im vergangenen Jahr war aber dann positiv zu vernehmen:

Die Zukunft der Thomashütte ist gesichert: Der Gutshof wechselte Anfang 2020 den Besitzer.

JENS KLEINER und ILHAN ERDOGAN, die das

Hotel Johannishof betreiben, haben die Gebäude und das drei Hektar große Areal erworben Auf dem Gutshof, dessen Geschichte bis ins Jahr 1698 zurückgeht, beginnt in Kürze also ein neues Kapitel. Kulinarisch möchte das Team auf „regionale, deutsche, hessische Küche“ setzen, ergänzt um einen „Hauch Italienisch“.

Dieses Vorhaben wurde aber jäh gestoppt durch die Corona-Krise. Der Lockdown hatte bekanntlich alle gastronomischen Einrichtungen hart getroffen und an die für Oktober 2020 geplante Eröffnung war nicht zu denken. Erst ein dreiviertel Jahr später konnte die THOMASHÜTTE wieder öffnen.

Nun, am letzten Sonntag im August herrschte reger Betrieb. An diesem schönen Spätsommertag waren fast alle Tische im Garten besetzt und die Kellner eilten geschäftig hin und her, um alle Gäste mit Getränken zu versorgen. Gebäck, Torte oder Blechkuchen, konnte man sich drinnen am Buffet selbst aussuchen.

Es herrschte eine fröhliche Stimmung und lustige Sprüche wurden zwischen den einzelnen Tischrunden gewechselt. Viele Besucher kannten sich. Die Kinder, für die am Montag die Schule wieder begann, tollten umher.

Eine Gruppe von etwa acht Mädchen und Jungen im Alter von zehn, elf Jahren spielte Verstecken und jubelte laut, wenn der Letzte aufgespürt war.

An einem der Tische saßen Kriminalhauptkommissar Lutz Waski mit seiner Frau Steffi, seinen beiden Kindern und den Schwiegereltern, dem Ehepaar Brenner. Lieselotte, von Freunden nur Lilo genannt, und Werner Brenner waren, bevor sie in den Ruhestand gingen, bei der Lufthansa beschäftigt. Sie als Stewardess, er als Pilot. Werner Brenner, Jahrgang 1947, war in Eppertshausen geboren und groß geworden, seine Frau Lieselotte stammt aus dem Nachbarort Münster. In der Eppertshausener Straße Am Kreuzfeld, hatten sie ein sehr schönes Zweifamilienhaus gebaut und 1986 bezogen.

Vor zweieinhalb Jahren sind Steffi und Lutz Waski mir ihrem damals fast einjährigen Sohn Tobias von Gera nach Eppertshausen gezogen. Steffis Eltern hatten in ihrem Haus extra die erste Etage großzügig modernisiert. Der Ortswechsel wurde möglich, weil Lutz die Stelle des Leiters der Abteilung Gewaltverbrechen im Kommissariat K 10 der Regionalen Kriminalinspektion (RKI) Darmstadt erhalten hatte und zum Kriminalhauptkommissar befördert worden war.

Noch während des Umzuges wurde ihm sein erster Fall übertragen, den er mit seinem neuen Team bravourös löste.1

Das junge Paar wurde in Eppertshausen rasch heimisch. Steffi war in diesem Ort groß geworden und hatte noch viele Freunde und Bekannte Im Kirchenchor St. Valentin war sie mit Freude dabei und hatte ein herzliches Verhältnis zur Leiterin Claudia Grün, die beruflich in der Kita, die Tobias besuchte, beschäftigt war.

Lutz war im Ort bekannt durch seine Mitgliedschaft im Skatverein Reizende Buben, vor allem aber natürlich durch seine berufliche Tätigkeit. Die Geschichte mit dem Zug der Dreieichbahn, der im vergangenen Jahr kurz vor Eppertshausen zum Stehen kam, weil der Triebwagenführer ermordet worden war, hatte natürlich alle im Ort beschäftigt.

Mit großem Anteil wurde verfolgt, wie Kommissar Waski und sein Team den Fall gelöst haben.2

Es war dann so gegen 16:30 Uhr, als man allgemein zum Aufbruch rüstete. Die Eltern riefen ihre Kinder und auch Steffi holte Tobias aus dem nahegelegenen Sandkasten, wo er mit seiner Freundin aus der Kita eifrig Kuchen gebacken hatte. Die kleine Cosima, die am 24. Januar geboren wurde, war in ihrem Kinderwagen eingeschlafen. Lilo, die mit dem Auto gekommen war, meinte: „Ich denke, Steffi und die Kinder sollten mit mir im Auto nach Hause fahren. Den Fußweg vorhin, die drei Kilometer durch den Wald, habt ihr ja gut bewältigt und Tobias ist tapfer marschiert, aber jetzt fährt er sicher lieber im Auto heim. Wollt ihr“, damit wandte sie sich an die beiden Männer, „auch mitfahren oder lieber laufen?“

Werner und Lutz entschieden sich für letzteres und wollten gerade aufbrechen, als Uwe Hausmann, der auch zum Skatverein gehört, ganz aufgeregt gelaufen kam und rief: „Lutz, du musst uns helfen. Unser Ben ist verschwunden. Wir alle suchen schon über eine halbe Stunde. Die Kinder haben Verstecken gespielt. Alle waren weggerannt und Laura sollte suchen. Nach kurzer Zeit hatten sich auch alle wieder eingefunden, nur Ben blieb verschwunden. Nachdem ihn die Kinder nicht gefunden hatten, kamen sie zu uns. Wir, die Eltern, saßen dahinten am Tisch zusammen und haben uns sofort aufgemacht, nach dem Bengel zu suchen. Wir sind rings um die THOMASHÜTTE im Wald gewesen, haben laut gerufen, aber alles ohne Ergebnis. Wir wissen nicht weiter und die Frauen befürchten schon das Schlimmste. Kannst du nicht deine Kollegen alarmieren?“

„Komm“, antwortete Lutz, „wir rufen jetzt erst einmal alle zusammen, ich muss mir persönlich einen Eindruck verschaffen, dann sehen wir weiter.“

Er verabschiedete sich von Steffi, Lilo und den Kindern und ging gemeinsam mit Uwe zu den anderen Eltern und ihren Kindern, die ihm erwartungsvoll entgegensahen. Werner war mitgekommen, um bei der Suche zu helfen. Als die drei zu den Wartenden kamen, redeten alle gleichzeitig auf Lutz ein.

„Halt, so geht das nicht“, entgegnete dieser. „Ich brauche einen Überblick und werde am besten fragen. Also wer gehört zu wem?“

Es stellte sich dann schnell heraus, dass folgende Personen versammelt waren:

Uwe und seine Frau Anne, die Eltern von Laura mit ihrer Tochter, zwei weitere Mädchen und deren Eltern sowie drei Jungen, davon einer mit beiden Eltern, die beiden anderen mit ihren Müttern.

In einem etwas größeren Abstand standen weitere Gäste, bereit sich an einer Suche nach Ben zu beteiligen.

Lutz nahm zunächst die Kinder beiseite und wollte wissen, wie sich ihr Verstecken abgespielt habe. Er erfuhr, dass man am Waldrand, wo der Weg von Eppertshausen auf das Gelände der THOMASHÜTTE trifft, gespielt habe. Ein Baum dort, eine gewaltige Buche, war das sogenannte Mal. Der Sucher musste mit verbundenen Augen bis zwanzig zählen und die anderen haben sich versteckt. Wer dann das Mal erreichte, ohne vom Sucher berührt zu werden, war frei.

Als dann Laura suchen musste, waren nach kurzer Zeit alle anderen entweder gefunden worden oder unentdeckt zum Mal gelangt. Nur Ben fehlte.

Man habe dann gemeinsam nach ihm gesucht und auch gerufen, ohne ihn zu finden. Da habe man dann die Eltern informiert. Über deren Aktivitäten hatte Uwe schon berichtet. Lutz erfuhr, dass man sich bei der Suche auf die nähere Umgebung des Males konzentriert habe. Er fragte, ob man die Gebäude der THOMASHÜTTE einbezogen habe. Das war nicht der Fall.

Von Bens Mutter wollte er wissen, ob der Junge früher schon einmal ausgebüxt war und ob sie sich vorstellen könne, dass er allein nach Hause marschiert sei. Uwe und seine Frau verneinten ersteres ganz entschieden und meinten, sie können sich nicht vorstellen, dass Ben allein losgezogen ist, ihm müsse was passiert sein.

Lutz ließ sich dann eine Personenbeschreibung des Jungen geben. Sie lautete: Ben ist elf Jahre alt, etwa 1,45 m groß und schlank. Er hat relativ lange blonde Haare. Bekleidet ist er mit einer dunkelblauen Jeans, einem graugrünen T-Shirt mit einer Batman-Figur sowie mit grauen Turnschuhen.

Seine leichte Sommerjacke hatte Uwe Hausmann in der Hand.

Lutz bat Anne Hausmann, nach Hause zu fahren, um anwesend zu sein, falls Ben käme oder eine Nachricht einträfe. Er selbst oder Kollegen von ihm würden später vorbeikommen. Dann meinte er, dass die Frauen und Kinder ebenfalls nach Hause gehen sollten. Mit den Männern wolle er die weitere Suche organisieren. Bens Spielgefährten wollten allerdings weiter mit bei der Suche helfen, mussten sich aber angesichts der Tatsache, dass am nächsten Tag Schule war, der Anordnung fügen und traten mir ihren Müttern den Heimweg an.

Die sechs Väter und weitere Freiwillige verteilte Lutz dann auf drei Gruppen. Diese sollten, ausgehend von dem großen Baum, der den Kindern als Mal gedient hatte und der vom Garten der Thomashütte gut zu sehen war, den Wald in drei Richtungen durchsuchen. Seinen Schwiegervater, Uwe und noch zwei Männer bat er, sich in den zur Thomashütte gehörenden Gebäuden umzusehen. Es waren dies einige Garagen, die verschlossen schienen, sowie eine alte, ziemlich verfallene Scheune. Er selbst wollte sich mit seiner Dienststelle in Verbindung setzen und danach im Inneren der Wirtschaft nach Ben fragen. Die Angestellten hatten natürlich mitbekommen, dass man ein Kind suchte. Wenn es sich in der Küche oder im Gastraum versteckt hätte, wäre es längst gefunden worden.

Es war dann genau 17:27 Uhr als Lutz seine Dienststelle, die Regionale Kriminalinspektion (RKI) Darmstadt anrief. Er nannte seinen Namen und bat, mit dem Diensthabenden verbunden zu werden. An diesem Sonntag hatte Hauptkommissar Otmar Abel, Leiter des Kommissariats K 23 (Vermögens- und Fälschungsdelikte), Bereitschaft. Kommissar Waski schilderte die Situation um den verschwundenen Ben Hausmann und gab dabei auch zu bedenken, dass es sich um eine Entführung handeln könne. Die Familie Hausmann gelte im Ort durchaus als wohlhabend. Sie hätten vor kurzem ein schmuckes Einfamilienhaus in Eppertshausen bezogen. Uwe sei Geschäftsführer und Anteilseigner eines mittelständigen Betriebes, der seinen Sitz im Gewerbepark 45 habe. Das Ganze könne Ganoven auf den Plan gerufen haben.

Sein Kollege versprach, sofort alle notwendigen Schritte in die Wege zu leiten.

1 Siehe: Günter Fanghänel: Die Tote im Abteiwald. BoD 2019 ISBN 9783739249032

2 Siehe: Günter Fanghänel: Der Tote in der Dreieichbahn. BoD 2020 ISBN 9783751996174

2.

Sonntag, 12. September, 16:27 Uhr

Der Anruf von Lutz Waski hatte in der RKI Darmstadt große Betriebsamkeit ausgelöst. Bei einem vermissten und vielleicht sogar entführten Kind schrillten alle Alarmglocken.

Hauptkommissar Otmar Abel hatte sofort den Leiter des Kommissariats K 10, Kriminalrat Torsten Haase, informiert. Diesem unterstehen die Abteilungen Gewaltverbrechen; Raubstraftaten; Brandursachenermittlung; Waffendelikte; Sexualverbrechen/ Kinderpornographie sowie die Vermisstenstelle. Deren Leiterin, die 1. Hauptkommissarin Margot Leitner, wurde von ihrem Chef durch einen Anruf auf ihrem Handy jäh aus der Sonntagsruhe gerissen. „Hallo Margot“, sagte dieser. „Es tut mir leid, aber wir haben einen vermissten, vielleicht entführten elfjährigen Jungen und ich bitte Sie, diesen Fall zu übernehmen. Das Kind ist in Eppertshausen verschwunden. Näheres erfahren Sie vom Kollegen Waski, der zufällig dort war und schon eine Suchaktion in die Wege geleitet hat.

Da wir auch mit einer Entführung rechnen müssen, werde ich mich gleich mit der KTU in Verbindung setzen. Ich denke, Daniel (gemeint war der Leiter der Kriminaltechnik, Hauptkommissar Daniel Goebel) wird einverstanden sein, dass sein IT-Spezialist, Hauptkommissar Stefan Ring, mit seinen Leuten die notwendigen Schritte, vor allem den Aufbau von Fangschaltungen in die Wege leitet. Dann sind wir gewappnet, falls die Entführer anrufen,

Margot, Sie fahren jetzt bitte zu dem Ausflugslokal THOMASHÜTTE bei Eppertshausen. Dort ist das Kind verschwunden. Kollege Waski wird auf Sie warten und Sie übernehmen die Leitung aller Aktionen. Ich werde auch gleich noch eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei sowie einen Hundeführer mit Spürhund anfordern. Die Leute könnten so gegen 19:00 Uhr vor Ort sein. Sonnenuntergang ist kurz vor 20:00 Uhr, da bleibt eine reichliche Stunde Zeit für eine Suche im Hellen.

Ich wünsche Euch viel Erfolg und bin natürlich jederzeit erreichbar.“

Kurz nach 17:30 Uhr war Hauptkommissarin Leitner an der THOMASHÜTTE. Es herrschte ziemliches Durcheinander. Die ersten Suchtrupps kehrten zurück, von Ben Hausmann hatte man keine Spur gefunden.

Die Polizistin war mit Blaulicht gekommen und hatte kaum das Auto verlassen, als ein etwa vierzig Jahre alter, mittelgroßer und recht gut gekleideter Mann rasch auf sie zukam: „Ich bin Uwe Hausmann, der Vater von Ben. Ich denke, Lutz hat Sie gerufen. Bitte helfen Sie, meinen Jungen zu finden.“

Frau Leitner stellte sich vor und fragte: „Wo finde ich denn Lutz Waski?“

Hausmann antwortete: „Der ist vorhin nach dahinten zu dieser alten Scheune gerufen worden. Ich wollte mit, aber man sagte mir, dass Ben nicht dort sei.“

Im gleichen Moment kam der Kommissar angelaufen: „Hallo Margot, ich habe Ihr Kommen gehört. Es gibt aber ein weiteres Problem. Bei der Suche nach dem Jungen sind mein Schwiegervater und drei Kameraden der Feuerwehr dort in der alten Scheune auf zwei tote Personen gestoßen, eine Frau und ein Mann.

Ich muss da gleich wieder hin, um zu sehen was da los ist. Bitte übernehmen Sie die Leitung im Fall Ben Hausmann. Eine erste Personenbeschreibung habe ich schon an die Zentrale gegeben. Hier ist das Handy von Ben, es steckte in seiner Jacke. Eine Handyortung scheidet also aus. Falls aber ein Spürhund zum Einsatz kommen soll, kann das Tier von der Jacke Witterung aufnehmen, allerdings dürften ziemlich viele Spuren durch unsere bisherige Suche zerstört sein.“

Margot Leitner sagte kurz: „okay“, blickte dem davoneilenden Kollegen nach und wandte sich wieder Uwe Hausmann zu:

„Es wird gleich Verstärkung eintreffen. Eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei wird das Waldgebiert professionell durchkämmen. Ein Kollege mit einem Spürhund ist auch auf dem Weg.

Wichtig ist aber, dass wir auch an eine mögliche Entführung denken. Ist Ihnen im privaten oder geschäftlichen Alltag in der letzten Zeit irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen. Hat man Sie oder Ihre Frau bedroht? Gab es jemand, der sich schlecht behandelt gefühlt hat? Haben Sie vor kurzem Mitarbeitern gekündigt? Gab es Ärger mit Kunden oder Lieferanten? “

Uwe Hausmann verneinte alle diese Fragen und sagte, dass sowohl in seinem Betrieb als auch zuhause alles ganz normal gewesen sei. Die Kommissarin erklärte dann, dass auch Spezialisten der KTU unterwegs sind, da man bereit sein muss, falls sich etwaige Entführer melden. Es gelte, die Gespräche aufzuzeichnen und sie möglichst zurück zum Ausgangspunkt zu verfolgen.

Noch während Kommissarin Leitner sprach, trafen kurz nacheinander Hauptkommissar Stefan Ring und drei seiner Mitarbeiter sowie Polizeiobermeister Bernhard mit seiner Hündin Bella ein. Die Männer machten sich mit Uwe Hausmann bekannt.

Wenig später traf auch die Hundertschaft der Bereitschaftspolizei ein und deren Leiter kam auf die Gruppe um Kommissarin Leitner zu.

Alle gingen zu dem Baum, der im Mittelpunkt des Kinderspiels gestanden hatte. Die übrigen Personen, die bisher gesucht hatten, sowie weitere Leute standen in Gruppen abseits, diskutierten und schauten erwartungsvoll auf das weitere Geschehen.

An dem Baum, der als Mal beim Suchen gedient hatte, übernahm Hauptkommissarin Leitner das Kommando.

Zunächst forderte sie Uwe Hausmann auf, die Umstände des Verschwindens seines Sohnes zu schildern und zu sagen, was bisher unternommen worden war. Außerdem ließ sie ihn beschreiben wie Ben aussah und wie er bekleidet war. Mit diesem Wissen ausgerüstet begab sich der Leiter der Bereitschaftspolizeieinheit zu seinen Leuten, ließ diese absitzen und in den Wald ausschwärmen.

Die Kommissarin hatte inzwischen Bens Jacke an Polizeiobermeister Bernhard weitergereicht und diesen gebeten, mit seiner Bella die Suche aufzunehmen.

Danach sagte sie zum Vater des Gesuchten: „Herr Hausmann, hier können Sie nichts weiter unternehmen. Aber ich möchte Sie bitten, mit meinem Kommissar Stefan Ring und dessen Kollegen in ihr Haus zu fahren, damit die Telefonanschlüsse präpariert werden können. Natürlich müssen auch alle Handys von Ihnen und Ihrer Frau einbezogen werden. Wie sieht es mit den Anschlüssen in Ihrer Firma aus?“

Uwe Hausmann antwortete: „Am Wochenende ist alles auf unseren Privatanschluss geschaltet, aber wir können auf dem Weg nach Hause gern bei der Firma anhalten und ein Kollege kann sich dort umschauen. Es ist keiner da, der Alarm ist eingeschaltet und ein Wachdienst kontrolliert regelmäßig. Ich werde diesen informieren, dass ich einen Polizisten in unseren Betrieb einlassen werde.“

Das wurde akzeptiert und die Männer gingen zum Auto der KTU. Da Uwes Frau mit dem PKW heimgefahren war, stieg dieser mit ein und dirigierte die Beamten zunächst zum Park 45, wo einer von ihnen mit Uwe in den Betrieb ging. Kurz darauf kam Hausmann zurück und man fuhr zu ihm nach Hause. Die Familie Hausmann, Uwe, seine Frau Lydia und Ben, bewohnten ein schmuckes Einfamilienhaus, welches an der Kreuzung Klosterstraße/Straße Im Hochwald lag.

Lydia Hausmann hatte das Kommen bemerkt und fragte ängstlich, ob es eine Spur von Ben gäbe. Die Männer mussten verneinen und nachdem alle ins Wohnzimmer gegangen waren, erklärte Kommissar Ring, dass man Maßnahmen treffen muss, um auf einen eventuellen Anruf von Entführern vorbereitet zu sein.

Bei der THOMASHÜTTE waren die Bereitschaftspolizisten inzwischen im Wald verschwunden, man hörte noch ihre gegenseitigen Rufe. Polizeiobermeister Bernhard stöberte mit seiner Hündin Bella durch die Gegend und Margot Leitner stand plötzlich allein an der großen Buche. Sie hatte entschieden, vorerst vor Ort zu bleiben. Alle wurden vergattert, ihr unverzüglich jegliches Vorkommnis zu melden. Dann dachte sie: „Ich muss doch mal sehen, was bei Lutz los ist“, und ging Richtung Scheune.

3.

Sonntag, 12. September, 18:30 Uhr

Hauptkommissar Lutz Waski war auf dem Weg von der abseits gelegenen alten Scheune zum Hauptgebäude der THOMASHÜTTE, als seine Kollegin Leitner auf ihn zukam. Das Gespräch, welches die beiden gerade beginnen wollten, wurde unmöglich durch den Lärm, den ein sehr tief fliegender Hubschrauber verursachte. Da klingelte das Handy der Kommissarin. Sie presste dies an das eine Ohr, hielt sich das andere zu und nahm die Nachricht entgegen.

Nachdem der Hubschrauber abgedreht hatte, wandte sie sich ihren Kollegen zu: „Lutz, man hat mir eben mitgeteilt, dass man die Suche aus der Luft mit einer Wärmebildkamera unterstützen und unmittelbaren Kontakt mit dem Leiter des Suchtrupps der Bereitschaftspolizei halten würde. Aber sagen Sie, was ist dahinten in der Scheune los?“

Kommissar Waski antwortete: „Die Scheune macht einen sehr verwahrlosten Eindruck und besteht in der Hauptsache aus einem großen Raum, in dem alte, schrottreife Landmaschinen und anderes Gerümpel herumstehen. Hinten in der Ecke gibt es aber einen kleinen separaten Raum, der vorn eine Tür und hinten ein ganz kleines Fenster hat.