Der Verfluchte - Karl May - E-Book

Der Verfluchte E-Book

Karl May

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Beschreibung

Der Verfluchte ist ein spannendes Werk von Karl May! Auszug: Drei volle Wochen hatte ich mich in Engyrijeh, der Hauptstadt des gleichnamigen kleinasiatischen Vilajets, aufgehalten und stand nun im Begriff, mich von meinem Gastfreunde zu verabschieden. Dieser war der höchststehende Mann dieser Provinz, nämlich der durch seine eiserne Strenge bekannte und gefürchtete Wali Said Kaled Pascha, welcher von seinen Unterthanen den Beinamen Sert Jumruk, die "harte Faust", erhalten hatte. Ich war während meines Aufenthaltes Zeuge mehrerer Gerichtssitzungen gewesen und hatte da allerdings den Beweis erhalten, daß er diesen Namen nicht mit Unrecht führte; aber mochte seine strenge Gerechtigkeit auch zuweilen nahe an Härte streifen, so war er eben gerade darum der richtige Mann für seinen schwierigen Posten.

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Der Verfluchte

123AnmerkungenImpressum

1

Drei volle Wochen hatte ich mich in Engyrijeh, der Hauptstadt des gleichnamigen kleinasiatischen Vilajets, aufgehalten und stand nun im Begriff, mich von meinem Gastfreunde zu verabschieden. Dieser war der höchststehende Mann dieser Provinz, nämlich der durch seine eiserne Strenge bekannte und gefürchtete Wali Said Kaled Pascha, welcher von seinen Unterthanen den Beinamen Sert Jumruk, die ›harte Faust‹, erhalten hatte. Ich war während meines Aufenthaltes Zeuge mehrerer Gerichtssitzungen gewesen und hatte da allerdings den Beweis erhalten, daß er diesen Namen nicht mit Unrecht führte; aber mochte seine strenge Gerechtigkeit auch zuweilen nahe an Härte streifen, so war er eben gerade darum der richtige Mann für seinen schwierigen Posten.

Die Bevölkerung des Vilajet Engyrijeh (Angora) ist eine sehr gemischte. Sunniten und Schiiten, armenische und griechische Christen leben da in beständiger Feindschaft unter und gegen einander, und es kommt gar nicht selten vor, daß bei der Frage, welcher Glaube der richtige ist, zum Messer gegriffen wird. Wo so scharfe Gegensätze vorhanden sind, jeder Mann und jeder halbwüchsige Knabe eine Waffe trägt und selbst von den Anfängen einer Volksbildung keine Rede sein kann, da bedarf es freilich einer festen und oft harten Hand, die rücksichtslosen, gewaltthätigen Geister im Zaume zu halten. Die Vorgänger Said Kaled Paschas waren Schwächlinge gewesen, welche mit Zagen gekommen und mit Freuden wieder gegangen waren. Da hatte sich der Sultan Said Kaled Paschas, seines alten Lieblings, erinnert und ihn nach Kleinasien geschickt, um da Wandel zu schaffen. Der Alte war Ferik gewesen, also Divisionsgeneral, und infolge einer Verwundung in Ruhestand versetzt worden, doch folgte er dem Rufe des Padischah mit Freuden, und noch war er nicht lange im neuen Amte, so sah man bereits die Früchte seiner Thätigkeit. Der Stock begann zu regieren; Hunderte und aber Hunderte erhielten die Bastonnade; wer Blut vergoß, wurde ohne großes Federlesen gehenkt, und unter dem Stabe Wehe kehrten die zügellosen Geister zur Botmäßigkeit zurück, wenn auch nur äußerlich zunächst; der Religionshaß blieb ja derselbe, der er gewesen war. Der Pascha war gefürchtet, ja gehaßt, und ich habe während meines Aufenthaltes bei ihm nicht eine einzige Person gesehen, von welcher ich behaupten möchte, daß sie ihm aufrichtig zugethan gewesen sei.

.Gegen mich war er von geradezu ungewöhnlicher Freundlichkeit. Er bekümmerte sich täglich wiederholt und persönlich um mein Wohlbefinden, und seine Diener hatten die Anweisung, jeden meiner Wünsche sofort zu erfüllen. Ich durfte ihn nach Belieben in seinem Bureau aufsuchen und alles sehen und hören, was dort geschah. Des Abends saßen wir rauchend beisammen und unterhielten uns über alles, was ihn interessierte. Er war da gar nicht zurückhaltend, wie strenggläubige Muselmänner sonst gegen Christen zu sein pflegen, und zeigte mir ein Vertrauen, auf welches ich mir wohl hätte etwas einbilden können. Wie ich dazu kam, der Gast dieses Mannes zu sein und von ihm eine so freundliche Behandlung zu erfahren, das zu erzählen, mangelt mir der Raum; ich mußte es aber erwähnen, weil das Vertrauen, welches er mir noch beim Abschiede schenkte, sonst wohl befremdlich erscheinen würde.

Ich hatte meine wenigen Habseligkeiten dem Diener übergeben und ihm den Auftrag erteilt, mein Pferd zu satteln und sie dann hinten aufzuschnallen. Dann ging ich zum Pascha, um Dank zu sagen und Abschied zu nehmen. Er wußte, daß dies geschehen werde, und hatte sich darauf vorbereitet. Im Vorzimmer standen zwei baumlange und bis an die Zähne bewaffnete Arnauten, welche mich militärisch grüßten und in das Bureau wiesen. Die beiden Räume waren nicht durch eine Thüre, sondern nur durch einen dünnen Musselinvorhang voneinander getrennt, so daß man in dem einen hören konnte, was in dem andern gesprochen wurde, ein Umstand, welcher mir jetzt nicht mehr so gleichgültig wie seither erschien.

Der Wali stand am glaslosen Fenster und schaute durch das Holzgitter in den Hof, wo eben die Huftritte meines Pferdes zu hören waren. Er ließ mich keinen Augenblick warten, schnitt meine Dankesworte mit einer energischen Handbewegung ab und versicherte, daß es ihm sehr lieb gewesen wäre, wenn ich noch länger hätte bleiben können. Nach einigen weiteren freundlichen Bemerkungen trat er abermals an das Fenster, deutete in den Hof und sagte:

»Ich sehe dein Pferd, Effendi. Ich möchte es gern als Andenken an dich behalten. Willst du es mir verkaufen?«

Ich hätte es ihm, obgleich ich nicht wohlhabend war, als Geschenk angeboten, wenn dies nicht zu kühn gewesen wäre; darum antwortete ich:

»Du wünschest es. Bestimme selbst den Preis! Ich werde mir ein anderes kaufen.«

»Das hast du nicht nötig. Ich gebe dir einen Tenbih (schriftlichen Befehl) mit, auf welchen hin du mit deinen Begleitern Überall, wohin ihr kommt, gesattelte Pferde, Wohnung, Speise und alles, was ihr braucht, ohne Bezahlung bekommen werdet. Dieser Befehl gilt nicht nur für mein Vilajet, sondern auch für Adanah und Haleb. Dann bist du bei weidenden Araberstämmen, wo du für billigen Preis ein besseres Pferd haben kannst als hier.«

»Mit meinen Begleitern, sagst du? Ich reise allein.«

»Nein. Die beiden Arnauten, welche du draußen gesehen hast, haben den Befehl, dich bis an die Grenze meiner Provinz zu bringen und in jeder Beziehung für dich zu sorgen; ihre Pferde sind bereits gesattelt, und es steht auch eines für dich dabei. In Jachschah Khan, Baltschyk oder Denek Maden könnt ihr dann frische Tiere nehmen, ganz wie es dir gefällig ist. Ich danke für die Erlaubnis, den Preis selbst zu bestimmen. Ich sah das voraus und habe ihn in diesen Beutel gethan. Stecke ihn ein.«

Er gab mir einen kleinen, seidenen Beutel in die Hand und reichte mir dann auch das Dokument, von welchem er gesprochen hatte. Als ich beides unter Dank in die Tasche schob, fuhr er fort:

»Und nun möchte ich dich um eine Gefälligkeit bitten, welche du mir wohl erweisen wirst, obgleich ich dich dadurch zu einem Umwege zwinge. Du willst zunächst nach Kaisarijeh und müßtest also über Sofular und Mudschur reiten; aber ich habe in Urumdschili einen alten Freund, dem ich durch dich eine Botschaft senden möchte. Willst du sie übernehmen?«

»Sehr gern!«

»So will ich dir sagen, um was es sich handelt, damit du weißt, daß du ihm willkommen bist, obgleich er sehr einsam lebt und ganz besonders ein Feind der Christen ist. Er war Mir Alai (Oberst) im Heere des Großsultans, focht unter der Fahne des Propheten mit großer Tapferkeit und wurde in Ehren verabschiedet, hat aber niemals seine Pension erhalten. Er hat um dieselbe gebeten und sie, als man seine Bitte nicht hörte, wiederholt mit Nachdruck gefordert, doch vergebens, denn er hatte es mit Haushaltern des Sultans zu thun, welche nicht ehrlich waren. Die Pension wurde fünfzehn Jahre lang in Stambul ausgezahlt, ist aber nicht in seine Hände gekommen. Als ich Wali von Engyrijeh wurde, wendete er sich an mich, und ich habe den Fall genau untersucht und dem Großherrn direkte Anzeige gemacht. Gestern Abend kam der Bescheid. Ich soll dem Mir Alai die fünfzehnjährige Pension nebst Zinsen und Zinseszinsen sofort auszahlen. Wäre dieser Befehl vorgestern hier eingetroffen, so hätte ich das Geld seinem Sohne mitgeben können, welcher bei mir war; nun aber möchte ich die Gelegenheit benutzen, welche mir dein Ritt nach Kaisarijeh bietet, und ich frage dich, ob du mir den Gefallen thun willst, meinem Freunde und Kriegskameraden seine Pension zu bringen?«

»Gern, wenn du sie mir anvertrauen willst.«

»Sie ist in deinen Händen sicherer als in der Tasche einer bewaffneten Estafette. Der Mir Alai heißt Osman Bei und wohnt nicht in der Stadt Urumdschili selbst, sondern in der Nähe derselben. Bekannter ist er unter dem Namen Abdal (der Einsiedler), und wenn du dich nach seiner Wohnung erkundigst, mußt du dich dieses Namens bedienen. Kannst du ihm verschweigen, daß du ein Christ bist, so thue es, denn er haßt die Anhänger deines Glaubens grimmig und hat auch Veranlassung, dies zu thun; das Kreuz hat ihm das größte Unglück gebracht, welches ein Mann und Vater erleben kann, und ich schicke dich zu ihm nicht nur des Geldes wegen, sondern auch weil ich dich kennen gelernt habe und nun glaube, daß es dir vielleicht gelingen wird, sein Leid zu mildern, da dir eine Sprache gegeben ist, welche, wenn du willst, tief zu Herzen geht.«

»So darf ich vielleicht fragen, welcher Art das Leid ist, von welchem du sprichst?«