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Die Erzählung, aus der Sicht einer der Wandernden eines Pärchens aus Frankfurt, beschreibt den Pfad, den Camino, den Jakobsweg, von Porto in Nordportugal bis nach Santiago de Compostela, im Süden Spaniens. Neben dem, was sein Hauptanliegen ist – nämlich die Offenbarung einer tatsächlichen, realen Liebe in unserem Leben – aufgezeigt in den Worten des "Wanderers", vermag der Text auch die wunderschöne Landschaft der Strecke dem Herzen der Leser näher zu bringen. Mit leichter Feder geschrieben, erhebend, könnte man beinahe formulieren, jedenfalls ein Lesestück, das durch und durch Vergnügen bereitet. Das Buch "Der Wanderer" von Th. Om ist mit Sicherheit kein einfacher Lesestoff – die Reden des "Candle" gehen an die Substanz unseres Lebensverständnisses und erfordern große Aufmerksamkeit.
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“Wir können den Kater nicht mitnehmen.” sagte Bettina. Sie stand an dem großzügigen Wohnzimmerfenster unseres Appartements in einem gepflegten Viertel Frankfurts, blickte auf die nächtliche Skyline. Wir arbeiten beide für die Geldgesellschaft, für ein System, an dem wir mittlerweile ernsthafte Zweifel hegen. Mein Job in einer großen Bank brachte mir ganz erstaunliche Einblicke, die ich natürlich mit Mickey teilte – und auch sein Beruf als Verleger verschaffte ihm einiges an Information. Nun, beide befinden wir uns in einem Alter, in dem andere mit Burnouts in Psychiatrien eingeliefert wurden, - vielleicht handelte es sich um die berühmte Midlifecrisis? Wir hatten uns ausführlichst mit diesem Themen befasst. Nein. Was uns jedoch wirklich beschäftigte, das bedeutete wesentlich mehr. Vielleicht könnte man sagen, es ging uns um den Sinn des Lebens? Beide von uns konnte man als Macher bezeichnen. Wir blieben nicht faul, die Suche nach diesem Sinn zu betreiben. Doch irgendwo, so mussten wir einsehen, brachten uns die herkömmlichen Religionen, auch die kleineren Strömungen, (wir hatten es unter anderem mit Tantra probiert, weil uns dieser Weg beiden affin erschien) keinen wirklichen Schritt vorwärts. So war es, nach langen nächtlichen Überlegungen zu dem Entschluss gekommen, den Jakobsweg nach Santiago de Compostela zu wandern. Wir würden uns auf die Socken machen, auf diesem Pfad, der Wahrheit ein wenig näher zu kommen. Was immer denn diese Wahrheit denn auch sein mochte.“ „Nein der Kater muss bei deiner Schwester bleiben“ sagte Mickey. Er stand neben der schlanken Bettina, hatte den Arm um ihre Hüfte gelegt, wie sie es mochte. „Die Rucksäcke mit “Immer noch Konventionen” sind gepackt. Wir verstehen die Gesellschaft nicht mehr – besser vielleicht – wir kapieren jenes winzige Stückchen zu viel. Wir erkennen unsere Zahnradfunktion – doch so weit – sind wir doch ehrlich – ist sehr bald jeder einzelne auf dieser Erde, auch wenn er es vielleicht nicht ausformulieren kann. In diesem Sinne scheint der Wille, an dieser nicht wirklich zufrieden stellenden Situation etwas zu ändern, bei uns beiden etwas ausgeprägter. Was gewiss noch immer untertrieben ist, denn unser beider Wille ist es, einen dicken Schlussstrich zu ziehen. Ùber das “Wie” besaßen wir nur vage Ideen. Der Jakobsweg, von Porto bis Santiago de Compostela, etwa 300 Kiloometer Marsch, so der Plan, sollte Inspiration zeitigen. Denn – unser beider Problem, darin waren wir uns nach nächtelangen Diskussionen einig, - stellte die Umsetzung der Spiritualität dar – es ging uns um ein bewusstes, liebevolles Leben und Handeln im Jetzt – doch wir fanden nicht den leisesten Schimmer einer Möglichkeit, dies in, auch nur ungefährer Konformität mit der Gesellschaft, zu probieren, umzusetzen, zu erfahren. Viel zu überwältigt eingebunden in die Mechanik des gesellschaftlichen Uhrwerks des Urteils. Ganz oder gar nicht, schien die Devise – vor allem auch in Bezug auf finanzielle Mittel. Bettina sass wohl (und ich möchte mich nicht ausschließen) gerade eine Midlife-Crisis ab – ihr Zyklus hatte geendet – damit auch der riesengroße Wunsch, der Traum von einem eigenen Kind. Meinen Traum, als Verleger, einmal den großen Treffer mit einem Buch zu landen, hatte die Zeit aufgegessen. Längst musste ich mir selber zusehen, wie ich den Fokus entsprechend in Richtung des reinen Geldverdienens verschob. “
Anfang Mai kamen wir am Flughafen von Porto an, einer netten kleinen Stadt im Norden Portugals. Ohne die Katze, die wir bei Bettinas Schwester ließen. Hier, an der Küste verlief eine Route des Jakobsweges, eher, ein wenig zumindest, unbekannt unter den Pilgern. Mit viel Glück und Selbstvertrauen ergatterten wir in der nächtlichen Stadt ein Himmelbett in einer zwielichtigen Pension – obwohl die Glocke der naheliegenden Kirche gerade drei Uhr morgens einläutete. Wie wir am nächsten Morgen beim Frühstück erfuhren, hatte es die letzten 14 Tage durchgehend geregnet, man empfahl uns für unseren Weg dringend wasserdichte Kleidung. Der Himmel jedoch, als wir uns auf den Weg machten, die Stadt ein wenig zu erkunden, klarte auf. Porto ist wahrhaftig, sieht man von den riesigen Vororten ab, keine allzu große Stadt. Sie liegt am Meer an einem Hügel, - entsprechend geht es dem Meer zu, bergab. Wir hatten ein paar tolle Stunden in gemütlichen Cafés, Restaurants, am Hafen. Am nächsten Morgen, ausgeruht und akklimatisiert, ging es los. Etwa 10 Kilometer liefen wir an den Häuserschichten Portos auf der linken entlang, immer in Nähe der Küste – die Gegend ärmlicher, doch mit stetig mehr ländlichem Charme. Bis zur ersten Unterkunft, die wir mit unseren Pilgerpässen, die wir uns am Vortag besorgten, in Anspruch nehmen konnten, lagen etwa 20 Kilometer vor uns. Bettina und auch mir gefiel der stetige Verkehr, die asphaltierten Straßen nicht, doch wir wussten, der Weg würde am nächsten Tag nicht wieder durch die graue Vorstadt führen – ein französischer Pilger (übrigens ein Genosse, ein Sprengstoffspezialist aus der „Action directe“-Zeit), der die Strecke allerdings bei Regen bewältigt hatte, beschrieb uns den Weg am Meer entlang. Die Herberge in Rates, einem kleinen Örtchen, natürlich an der Küste, der Endpunkt der ersten Etappe, sollte uns das Wunderbare, dass der Weg wohl für jeden in irgendeiner Form bereit hält, jedoch bereits an diesem Abend aufzeigen. Der Beginn einer Transformation unseres Denkens, dass doch, wie wir bald erkennen würden, größere Dimensionen inne hatte, als wir es bis dahin vermutet, auch nur geahnt hätten. Wie auf dem Weg noch häufiger, hatte man vom Pilgerpfad bis zur Unterkunft, der Albuerge, noch eine gute Weile zu laufen. Den Schlüssel für die Unterkunft zu finden, erwies sich ein wenig tricky, doch schließlich, durch den hilfsweisen Besuch einer Bar, in der sich der gesuchte Verantwortliche befand, saßen wir in der großen, heimeligen Küche, auf dem Ofen kochte Teewasser. Wir verspeisten eine Päckchensuppe. Nicht lange genossen wir die Zweisamkeit und die Stille, als eine verspätete Gruppe Wanderer eintraf. Ein Zahnarzt aus Russland und seine vielleicht 15-jährige Tochter. Der Arzt, er durfte etwa 35 bis 40 Jahre sein, trug ein gewaltiges Backpack auf dem Rücken, nahezu doppelt so hoch (und wohl auch schwer) wie der Rucksack seiner Tochter, der, schon groß, doch noch als „normal“ durchgehen würde. Arzt und Tochter begrüßten uns überschwänglich in gebrochenem Englisch, dann begannen sie, sich um ihr Gepäck zu kümmern. Vielleicht eine Viertestunde nach der Ankunft der Beiden, klopfte es erneut an die Tür. Ein Pilger offensichtlich, trat in den Raum, in ein schwarzes buddhistisches Gewand gekleidet, mit langen, weißem Bart, die Haare im Nacken zu einem langen Zopf gebunden. Als Bagage trug er lediglich eine kleine Umhängetasche mit einer aufgeschnallten Decke. Lächelnd stand er nun da, mitten in der Küche, verneigte sich mit gefalteten Händen und verkündete: „Meine Freunde nennen mich Candle. Ich freue mich, euch als Weggefährten begrüßen zu dürfen.“ Seine Augen strahlten freundlich. Bettina und ich sahen uns an – sein Blick, sein Dasein machte uns lächeln, wir freuten uns, da war ein gutes Gefühl. Bald, auch die anderen nahmen eine kleine Mahlzeit zu sich, saßen wir alle an dem großen Holztisch, jeder eine Tasse dampfenden Tees vor sich und erzählten. Der Mann mit dem schwarzen Gewand und dem weißen Bart trug nicht viel zur Unterhaltung bei. Er saß da, fühlte sich offensichtlich wohl und verfolgte das Gespräch aufmerksam. Erst als unser Thema sich dem Religiösen zuwandte, beteiligte er sich nach einer Weile wirklich, will meinen, er hob zu sprechen an: „Es ist mir eine große Ehre, hier an diesem Abend zu euch reden zu dürfen. Ihr alle – und alle die noch kommen mögen – seid aus ganz besonderem Grund hier und unterwegs. Um zu verstehen. Wenn ihr von meinen Worten in den nächsten Tagen verwirrt seid – nehmt es hin. Ihr werdet merken, ich spreche nur zu eurem Guten.“ Bevor Candle nun das Wort ergriffen hatte, versuchten wir in unserer Gesprächsrunde am Tisch zu klären, was für uns denn Gott sei. Der Russe malte ein entsprechendes Bild aus der Bibel – Bettina und ich blieben eher inkonsequent und flüchteten uns in buddhistische Ideen, die uns so bruchstückhaft (neben Aktienkursen, Verkaufszahlen und Margen) über den Weg gelaufen waren. „Ihr spracht über Gott,“ begann der Weißbart, „ihr sucht ihn fortwährend, gerade darum seid ihr auch hier, nicht wahr? Und natürlich ist der liebe Gott bei euch. So nahe wie es eben geht. Und was ist für einen Gott unmöglich? Hört mir zu, denn nun geht es um eure Suche. Um euch. Um den absoluten Menschen.“Er sah uns einen nach dem anderen an, lächelte, irgendwie verschmitzt. Dann kramte er einen verblassten, blauen Tabakbeutel hervor und begann sich eine Zigarette zu drehen. “Das, was ihr da sucht, das besitzt weder Anfang noch Ende. Wenn wir tief in uns selbst blicken, werden wir weder einen wahrhaftig definierten Anfang noch ein solches Ende finden. Das liegt an der absoluten Konzeption der Ewigkeit, die unser Erbe als Kinder der alles umarmenden Liebe ist. Die mehr als einfache Wahrheit ist, dass wir, als Geschöpfe der singulären Absolutheit, nur selber in höchster Form vollendet sein können, wie es unsere Mutter, unser Vater, wie „es“, die Alleinheit, es ist.” Er sah in die Runde. Ich schwieg, wie Bettina, denn eigentlich verstand ich erst einmal nichts. Auch die anderen beiden senkten die Augen. “Versteht ihr? Wir sind träumende Götter! Im Absoluten!” Er packte Tabak auf das Papierchen. “Das heißt ausgesprochen geradlinig, dass wir, ein jeder von uns, der Gott eines „singulären“, nichtsdestotrotz absoluten Universums „in“ der Alleinheit „sind“. Jeder von uns ist absoluter, träumender Gott, Schöpfer, Teil der Liebe. Das meint, unser Geist füllt ALLES, wirklich „Alles“ aus - in welcher Definition auch immer. Das ist mit „Ich bin“ gemeint. Wir sind. In Absolutheit mit allen Konsequenzen. Wirklich,“Er drehte geschickt eine kleine Röhre Tabak und leckte den Klebestreifen ab. “Das ist die Konsequenz der Absolutheit! Seht! Welch unglaubliches, wunderbares Königreich! Wir könnten darin wohnen, durch kniehohes Gras toben, uns an Pusteblumen ergötzen, Schmetterlinge jagen – denn ALLES ist ABSOLUT in Ordnung. Das ist die Wahrheit – wir aber vegetieren in einer gigantischen Selbsttäuschung dahin - in dem Glauben, unsere Verantwortung an ein, nur schemenhaft gedanklich zurecht gezimmertes, „Außen“ abgeben zu können.“ Candle zündete den Glimmstengel an, hustete kurz. “Ihr denkt euch eine strafende Schöpfung! Wir alle – wir sind der Überzeugung, dieses, mit unseren Sinnen, unserer Wahrnehmung nicht weiter zu hinterfragende Etwas, - Gott - was auch immer, sei böswillig, nachtragend, strafend. So bereitet uns das Leben unsägliche Angst. Trotzdem versuchen wir verzweifelt, Regeln in dem Chaos zu etablieren, sind bemüht, einen Sinn zu konstruieren. Unsere Absolutheit, unser Dasein als Gott, ist in diesen Bemühungen völlig untergegangen. Was ihr da in euren Köpfen habt, das ist ein Bekenntnis zur Kleinheit! “ Er blies mit erbostem Gesichtsausdruck Rauch an die Decke. “Wir haben uns, weil unser Geist so trainiert wurde, sehr großartig, zur Kleinheit bekannt. Bewusst ist das niemandem, die Kleinheit ist, grundlegend, in Potenzierung ihrer selbst angelegt. Kleinheit ist das Prinzip dieser Gesellschaft, so entstammt auch jede vorgebliche Großartigkeit nur einer übermächtig tristen Auslegung unseres „Seins“. Um diesem Problem, dem Zweifel ob der Sinnhaftigkeit „auf den Grund zu gehen“ – partitionieren wir, wir zerteilen. Wir nennen das dann „Wissenschaftliche Betrachtung“. Er lachte leise, wiederholte. “Wir zerteilen in immer kleinere Stücke, nennen das Wissenschaft. So entfernen wir uns mehr und mehr von der Ganzheit, fallen in Bedeutungslosigkeit, in dem Bemühen, unser Bestreben in Kleinheit und Zerteilung zur Suche nach Gott, zu gestalten. Nicht umsonst der Satz in allen Religionen: „Haltet ein! Kehrt um!“ Dem hinzuzufügen wäre: Es ist ohne Sinn, es gibt nichts zu tun, alles ist. „ES IST“. Du brauchst dich nicht zu sorgen. Mother Earth (in der Idee der Ganzheit) will care for you! Es geht um Fehlendes Vertrauen!” Er sah jeden von uns kurz in die Augen. “Wenn nun da in der Gesellschaftsidee ein Vertrauen zueinander möglich wäre, dass wirklich ursächlich wäre, könnte der Pfad der Umkehr quasi „blind“ gegangen werden, nur im Vertrauen auf den Bruder, die Schwester. Doch die Dynamik des urteilenden Systems lässt das nicht zu. Diese Möglichkeit existiert hier nicht, alles an der Konstruktion wirft zurück. Es gibt keinen festen Punkt im Dualismus, an dem man ein wirkliches Vertrauen fest machen könnte. “ Er nahm einen Schluck des Tees, mittlerweile wohl schon kalt. „Die Freiheit von der Versklavung ist außerhalb der Versklavung zu finden. Logisch, oder?” Er ließ die Zigarettenasche seiner Kippe in einen Plastikdeckel auf dem Tisch fallen. Seine Hände fuhren durch die Luft. “Es muss deutlich werden, dass unser wirkliches Dasein “außerhalb“ dieses vom Egogedanken der Vergänglichkeit und Sünde als alleinig projiziertem „Außen“ - unserer Versklavung eben - liegt – durch es hindurch, sozusagen, weil das, was wir als Wahrnehmung festlegen, pure Illusion ist. Weiter ist aufzuzeigen, dass im Absoluten (der Wahrheit also) keine Aktion notwendig ist, da es, (die Wahrheit, das Absolute) die Aktion als auch die Nichtaktion ohnehin enthält, sie so, als nichtig erkannt, auflöst.” Er atmete durch. Beinahe wie um Verzeihung bittend, blickte er uns an, die wir verzweifelt versuchten, seinen Worten zu folgen. “Es geht darum, nicht in Untätigkeit zu verfallen! Versteht Ihr? Das Absolute ist Nichts und alles. Wir dürfen nicht in Untätigkeit verfallen! Egal, ob wir uns selbst im Außen sehen, das unablässig unsere Lebensangst generiert - wir uns also lediglich zu Blättern im Wind des Unbestimmten erklären – oder wir uns der Erkenntnis über unsere Absolutheit nähern – unser Körper ist uns als Instrument der Wahrheitsfindung geschenkt – das Ziel der Liebe steht fest und wird erreicht, ist bereits erreicht. Lediglich unsere Art und Weise, die Dinge zu erklären, macht es uns unmöglich, dies zu erkennen.” Wieder dieser Blick. Auch Trauer meinte ich zu sehen. Er sprach weiter: „So brachial es klingt: Wir müssen bestehende Regeln ignorieren!”Ein letzter Zug von der Kippe, er drückte sie aus. “Es ist möglich, sich gegen den Wind der Gesellschaft zu stellen!”Voller Überzeugung. “ Wer es versucht, wird feststellen, dass ehrliche Liebe zum Leben von der Schöpfung reich belohnt wird. Und ob du auch wanderst in tiefem Tal … Es ist möglich, wahre Erfüllung zu finden, indem man die Richtung des Pfades um 180 Grad ändert. „Ohne Rücksicht auf Verluste“. Es ist möglich, in vollkommener Umkehr dessen, was vorher gesehen wurde, den „heiligen“ Weg des „JETZT“ einzuschlagen. Nur das zu tun, zu „ arbeiten“ was man liebt. Immer. Das funktioniert nur außerhalb vorgegebener Algorithmen!” Ein, zwei Schlücke Tee,- dann, über den Becherrand: “Der Gesellschaft fehlt schlichtweg das Bewusstsein, der Glaube, die Zuversicht. Nicht einmal wirkliche Hoffnung ist vorhanden. Wir leben, sind uns eines grausamen Daseins bewusst, haben es verinnerlicht, sind überzeugt von seiner totalitären Negativität, in dessen Einzelteilen wir verzweifelt nach Sinn suchen.“ Er stellt den Tee ab. „Es gibt grundsätzlich nichts anders. Alles und jedes ist in Algorithmen gepackt – und auch die Quantenphysik gehört dazu. Was die Menschen sehen, das ist, dass die Welt eine strafende Unbedingtheit ist. Sehr einfach:” Candle hob kurz den Zeigefinger: “Wir leben unsere Welt als eine negative, eine strafende Unbedingtheit. Und dieser deterministische Negativismus ist uns hochheilig. Wir haben diese Sichtweise auf die Welt, auf unser Sein, unser Dasein, verinnerlicht. Sie ist uns, im wahrsten Sinne des Wortes, in Fleisch und Blut eingegangen. Doch es ist nicht die Wahrheit! Also: „Haltet ein! Kehrt um! Die Welt ist ein Paradies! Die Unbedingtheit ist liebend!“ Es wird Dir nie etwas anders als Liebe zustoßen. Und das stimmt (absolut) – auch wenn Du es nicht erkennen kannst. Vertrauen ist der Weg.” Er stand auf. Beeindruckend seine Gestalt, irgendwie, trotzdem er nicht gerade riesig war. Er hob nun die Stimme: “DEIN Denken spiegelt die Welt! Es ist vollständig DEIN Universum, das Du lebst. Komplett, durch und durch. Keine Ausnahme. Male es schwarz an und es ist schwarz. Denke über Kriege, Krankheit, Tod, Hunger und Leid nach – und Du wirst sie finden. So viel davon, wie Du möchtest. Das geht leider so tief, dass Du es nicht erkennst, unter Deinem Götzenschutz. Was Du mit Deiner Wahrnehmung, respektive Deinem Körper, manifestiert, hält Dich in dunkelster Blindheit.” Noch ein wenig lauter: “Wir sind reine Liebe! Nochmals - die stringente Logik ruft: Wir sind EINGEBORENE Kinder einer absoluten Schöpfung, die nur reine Liebe, Wahrheit sein kann. Die Begrifflichkeit des Absoluten in dieser „Formel“ führt in direkter, „zwingender“, vollkommen abstrakter Logik, zu der Erkenntnis, dass wir uns in derselben Situation „befinden“ wie unser Schöpfer. Wir sind absolute Liebe, absolute Schöpfung – sind absolut GOTT. Es ist. Liebe.” Er atmete tief durch, verharrte einen Moment schweigend. “Und erneut: Wer sich von den zahlreichen Zeugen, die das Ego zu Gunsten seiner Daseinsauslegung anschleppt, weiterhin täuschen lässt, der wird die Suche nach einem Sinn, die eines jeden Aufgabe auf dem Pfad ist, ohne Aussicht auf irgendeinen spürbaren Erfolg, in einem geschlossenen Labyrinth mit mehreren Ebenen betreiben – bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sich dieses eine Tor öffnet, das ihn eben dieses, nämlich die Beschaffenheit seines Daseins als sinnlose Flucht durch die Zeit, ohne jeden weiteren Zweifel, erkennen lässt. Ich sage euch,”er lehnte sich mit beiden Händen auf den Holztisch, “Vom heiligen Augenblick des tatsächlichen Sehens an, verändert sich die mit den Sinnen und dem Geist wahrgenommene Konstellation der Dinge. Der Pfad führt nunmehr direkt zur Quelle. Eine wahrhafte transformierende Abstraktion von Zeit und Gewahrsein lässt die nun immer mehr greifbare Urkraft der (absoluten) Liebe zur alles umarmenden, zur unendlich zärtlichen Realität werden. Immer lauter wird der alte Gesang, immer heller unser Geist.” Mit einer Drehbewegung setzte er sich an seinen Platz. Ein eher ohnmächtiges Schweigen herrschte – keiner von uns hatte ihn unterbrochen. Nun bat er mit leiser Stimme: „Lasst es für heute bleiben, bei dem, was ich versucht habe zu erklären. Stellt euch alle Fragen selber.” Er lächelte strahlend. “Bitte entschuldigt mich meine Freunde, die Wanderei war anstrengend. Ich wünsche euch eine gute Nachtruhe!” Damit erhob er sich und verschwand in seiner Bettstätte.