Der Weg - Rick Joyner - E-Book

Der Weg E-Book

Rick Joyner

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Beschreibung

Unter dem Titel 'Feuer auf dem Berg' startet Rick Joyner hier eine Trilogie von Botschaften für unsere Zeit. Ueber diesem Buch 'Der Weg' liegt ein österliches Geheimnis. Rick Joyner wirft das Netz 'auf der rechten Seite' aus. In einer ungewöhnlichen Offenheit lotet er die Tiefen seines eigenen Lebens und seiner Leiterschaft aus. Er begibt sich in Gemeinschaft mit andern selber wieder auf einen Weg. Wohl in keinem andern Buch werden so viele Fragen gestellt und Antworten darauf versucht. Da findet der Leser jene 153 grossen Fische, welche die Jünger an Land zogen. Wie eine Kernspaltung wetterleuchtet der Begriff der Koinonia, einer im Vaterherzen Gottes gegründeten Gemeinschaft, durch dieses Buch. Es ist mehr als ein Bestseller, vielleicht eines der wichtigsten und notwendigsten Bücher, das in den letzten Jahren weltweit geschrieben worden ist.

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Rick Joyner

Der Weg

Feuer auf dem Berg

Titel der OriginalausgabeFire On The Mountain: The Path© 2013 Rick Joyner

Published by MorningStar Publications, Inc.Fellowship Church375 Star Light DriveFort Mill, SC 29715 USA

1. Auflage Juni 2014© Schleife Verlag, Pflanzschulstr. 17Postfach 85, CH-8411 Winterthur, SwitzerlandTel. 0041 (0) 52 2322424Email: [email protected], www.schleife.ch

Druckausgabe ISBN 978-3-905991-20-8 / Bestellnummer: 120.104

E-Book ISBN 978-3-905991-78-9

Die Bibelzitate in diesem Buch sind der Luther Bibel, Revidierte Fassung von 1984 entnommen, wenn nicht anders angegeben.

Die Bibelzitate aus der Neues Leben Übersetzung der Bibel, sind mit NLB. gekennzeichnet. © 2002/2006 SCM Verlag in Witten.

Die Bibelzitate aus der Elberfelder Bibel, Revidierte Fassung von 1985, sind mit Elb. gekennzeichnet.

Übersetzung: Tina PompeLektorat: Michael Herwig, Mario SchaubUmschlaggestaltung: Atelier Pia MaurerSatz und E-Book-Erstellung: Nils GroßbachDruck: Optimal Media, DE-Röbel

Alle Rechte vorbehalten, auch für auszugsweise Wiedergabe und Fotokopie.

Inhaltsverzeichnis

Die Stimme

Der Ruf

Die Entscheidung

Der Weg

Die Prüfung

Der Lehrer

Das Leben

Die Herausforderung

Der Leiter

Die Suchenden

Der Grund

Der Wendepunkt

Der Hirte

Der Prophet

Kapitel 1

Die Stimme

Jeder Schritt schien mir mein letzter zu sein. Hunger, Durst und Erschöpfung machten dieses Erlebnis zur grössten Krise, die ich je durchgemacht hatte. Der Tod musste mir schon sehr nahe sein. Der Nebel war so undurchdringlich, dass ich nur ein paar Schritte weit sehen konnte, und er schien perfekt zu meinem inneren Zustand zu passen. Ich war wild entschlossen, nicht stehen zu bleiben, solange ich noch bei Bewusstsein war, aber es war mir ebenso klar, dass es nicht mehr lange dauern konnte.

Ich schleppte mich auf einem schmalen Weg durch einen dichten Wald. Meine Augen brannten. Meine Kleider waren so zerfetzt, dass sie mir kaum noch Schutz boten vor den Dornen und spitzen Ästen, die unaufhörlich auf mich einstachen. Ich war schon weit über den Punkt hinaus, an dem ich dachte, ich könnte nicht mehr weiter. Jeder Schritt war eine Qual und ich begann, den Tod herbeizusehnen. Ich wollte aber nicht einfach nur deswegen sterben, weil ich aufgegeben hatte. Da ich wusste, dass ich mich nicht wieder würde aufraffen können, wenn ich erst einmal stehen geblieben wäre, trottete ich weiter, einen qualvollen Schritt nach dem anderen.

Ich dachte darüber nach, weshalb ich mich überhaupt in diese Wildnis hineingewagt hatte. Wenn ich es erst einmal hindurch geschafft hätte, wartete auf der anderen Seite eine grosse Bestimmung. Aber inzwischen wollte ich nur noch sterben, während ich gleichzeitig versuchte, immer noch weiter zu gehen. Das sollte zumindest ein kleiner Sieg über die Wildnis sein, die nun mein sicheres Ende zu sein schien.

Gerade als ich sicher war, dass der nächste Schritt mein letzter sein würde, konnte ich vor mir ein schwaches Glitzern durch den Nebel ausmachen. Ich dachte, dass es Einbildung gewesen sein musste und dass mein Verstand mir einen Streich gespielt hatte. Aber dennoch nahm ich alles an Entschlossenheit zusammen, was mir noch geblieben war, und stolperte einige Schritte weiter. Da sah ich es wieder. Es konnte nicht weit sein, und so beschloss ich, es bis dorthin zu schaffen, was auch immer es sein mochte.

Der Wald öffnete sich vor mir und ich stand am Ufer eines kleinen Teiches. Sein Wasser war das schönste, das ich jemals gesehen hatte. Das lag nicht nur daran, dass ich so durstig war, sondern der ganze Ort sah aus wie ein Paradies. Das Wasser war tiefblau und schien von unten her zu glitzern. Am Ufer schienen grosse Felsen und Bäume speziell angeordnet worden zu sein, um dem Ort eine besondere Schönheit zu verleihen. Er sah völlig naturbelassen aus, und schien doch gleichzeitig von einem göttlichen Landschaftsgärtner gestaltet worden zu sein.

Ich versuchte niederzuknien, aber stattdessen warf ich mich am Rand des Wassers zu Boden. So durstig ich auch war, starrte ich für einen langen Moment nur hinein. Das Wasser schien lebendig und von Licht erfüllt zu sein. Da durchfuhr mich der Gedanke, dass der Teich vermutlich radioaktiv verseucht war. Es könnte mich umbringen, daraus zu trinken.

«Na und?!», dachte ich. «Ich werde auch sterben, wenn ich es nicht trinke. Also kann ich es genauso gut versuchen.» Dennoch tauchte ich zunächst vorsichtig meine Fingerspitze ins Wasser und berührte dann damit meine Zunge. Es fühlte sich ungewohnt an und schmeckte seltsam. Es war mit einer Art Energie geladen, aber gleichzeitig war es auch süss. Ich konnte die Energie spüren und trank weiter. Je mehr ich trank, desto stärker fühlte ich mich.

Ich trank immer weiter, bis ich mich stärker fühlte als je zuvor in meinem Leben. Es war, als wäre jede Zelle meines Körpers erweckt worden. Es war nur wenige Augenblicke her, dass ich mich schlechter gefühlt hatte als je zuvor; und jetzt ging es mir besser denn je. Ich war direkt von der Hölle in den Himmel gelangt, von einem Zustand am Randes des Todes dahin gekommen, mich lebendiger zu fühlen als jemals in meinem ganzen bisherigen Leben. Ich war überwältigt.

Nun fing ich an, mich umzusehen. Meine Augen waren geschärft, sodass ich durch den Nebel hindurch sehen konnte. Das Wasser hatte nicht nur meinen Durst gelöscht, sondern auch meinen Hunger gestillt. «Was für Wasser ist das?», fragte ich mich. Dann kam mir wieder, dass das Wasser doch radioaktiv verseucht gewesen sein und etwas Unheimliches mit meinem Körper gemacht haben musste. Ich hielt es für wahrscheinlich, dass es mich schon sehr bald umbringen würde; aber das wäre doch eine wunderbare Art zu sterben! Ich fühlte mich so gut, dass es richtig schwer war, negativ über irgendetwas zu denken.

Die neu gefundene geistige Klarheit war ebenso belebend wie die Energie, die ich durch meinen Körper strömen fühlte. Ich konnte mich nicht erinnern, mich jemals so gut oder aufgeweckt gefühlt zu haben. Als ich mich umsah, schien ich jedes Detail sofort aufzunehmen. Ich sah Dinge, die mir früher niemals aufgefallen wären, selbst wenn ich längere Zeit darauf gestarrt hätte. Mein Verstand arbeitete mit Hochgeschwindigkeit, aber dennoch systematisch und präzise.

Ich überlegte, dass meine Wanderung durch die Wildnis die angenehmste Reise aller Zeiten gewesen wäre, wenn ich dabei dieses Wasser gehabt hätte. Niemals wäre es dann so ein Todesmarsch geworden wie der, den ich hinter mir hatte. Ich schreckte auf, als ich plötzlich einen Mann dicht vor mir stehen sah. Ich konnte es gar nicht fassen, dass ich ihn nicht hatte herankommen sehen, vor allem nicht jetzt, wo ich doch so viel mehr sehen und erfassen konnte.

«Wer bist du?», fragte ich. «Gehört dieses Wasser dir?»

«Dieses Wasser gehört allen, die es trinken wollen», entgegnete er.

«Bist du ein Engel?», fragte ich.

«Nein, ich bin ein Mensch wie du», antwortete er. Er sah mich einen Moment lang unverwandt an und fuhr dann fort: «Der Bach, der diesen Teich speist, war dir in der Wildnis, durch die du gerade gegangen bist, ganz nah. Du hättest dich jederzeit daran erfrischen können.»

Ich protestierte: «Ich habe in der Wildnis keinen Bach gesehen.»

«Du hast ihn nicht gesehen, weil du nicht danach Ausschau gehalten hast», erwiderte er leidenschaftslos.

Das war ein schockierender Gedanke.

Wenn ich in der Wildnis dieses Wasser gehabt hätte, dann wäre ich laut singend und Gott preisend hindurch gelaufen, statt die Qualen zu erleiden, die ich durchgemacht hatte!

«Niemand hat mir etwas von diesem Wasser in der Wildnis gesagt», beklagte ich mich.

«Selbst die unerfahrensten Jünger lernen, wo sie dieses Wasser finden, und wie sie jeden Tag davon trinken können. Gibt es denn keine Jüngerschaft mehr? Hattest du keinen Mentor, der dir das beigebracht hätte?», fragte er.

«Nein, ich hatte keinen Mentor», antwortete ich. «Und es gibt nicht mehr viel Jüngerschaft.»

Der Besucher liess den Kopf hängen, als wäre er tief bekümmert.

Schliesslich fuhr er fort: «Nun, dein Durchhaltevermögen war beeindruckend. Du wirst es auf dieser Reise noch gut brauchen können, aber du musst dir deine Beharrlichkeit für die Kämpfe aufsparen, die noch vor dir liegen. Die Wildnis soll hart sein, aber nicht so hart, wie du es dir gemacht hast. Das lebendige Wasser ist für jeden Reisenden jederzeit und an jedem Ort da, solange du nur auf dem richtigen Weg bleibst. Wenn du auf dem richtigen Weg bist, wird es dir immer nahe sein. Suche es, trinke regelmässig davon, und entferne dich nie davon. Das ist eine der grundlegendsten Lektionen, die du lernen musst, um dein Ziel zu erreichen und deine Berufung zu erfüllen.»

«Ich glaube nicht, dass du mir das noch einmal sagen musst», erwiderte ich. «Aber woher weisst du, wo ich hingehe und wozu ich berufen bin?»

«Ich habe auf dich und die anderen gewartet. Ich bin hier, um euch zu helfen. In letzter Zeit sind hier nicht viele durchgekommen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass es nicht mehr viel Jüngerschaft gibt. Sind denn keine Väter mehr übrig?»

«Geistliche Väter und Mütter sind selten geworden», erklärte ich.

«Ich glaube, dass sich die Leiter im Grossen und Ganzen mehr damit beschäftigen, Organisationen aufzubauen als Menschen. Es gibt grossartige Dienste und Organisationen bei uns, aber grossartige Heilige werden selten.»

«Was ist mit dir?», wollte er wissen.

«Ich bin genauso schuldig wie alle anderen. Ich bin weder ein guter Vater noch Mentor gewesen. Auch ich habe mehr Zeit auf den Aufbau von Organisationen als von Menschen verwendet», antwortete ich.

«Würdest du es anders machen, wenn du noch einmal die Möglichkeit hättest?», fragte der Besucher, und sah mich dabei so durchdringend an, als wäre das die wichtigste Frage, die er mir stellen konnte.

«Ich würde es gerne versuchen», meinte ich. «Ich war schon immer unbeholfen, was Beziehungen angeht, aber ich weiss, wie wichtig sie sind. Ich habe nur nicht viel deswegen unternommen.»

«Du hast Recht», bestätigte der Besucher. «Die Welt hat in deiner Zeit die grösste Zunahme an neuen Gläubigen in der gesamten Kirchengeschichte gesehen, aber nur sehr wenige finden diesen Weg. Wenn sie aber nicht hierher kommen, werden sie nicht auf das vorbereitet sein, was noch über die Erde kommen wird. Wenn sie nicht vorbereitet sind, werden sie verloren gehen.»

«Was kommt denn?», fragte ich.

«Weisst du denn nicht, wohin du gehst?»

«Ich weiss, dass ich zu dem Berg muss; aber du hast von etwas gesprochen, das kommt. Was kommt?», fragte ich erneut.

«Ich weiss, dass du schon früher auf dem Berg warst und dort Kämpfe durchgestanden hast; aber das, was noch kommt, ist der grösste Kampf, den es jemals auf Erden gegeben hat. Es ist die letzte Schlacht.

Wir sind hier, um dich auf deine Bestimmung vorzubereiten und um das zu vervollständigen, was in deiner Ausbildung noch fehlt. Leider ist das sehr viel mehr, als ich erwartet hatte. Wir müssen anfangen. Ich habe das hier für dich mitgebracht», sagte er und hielt einen Satz neuer Kleider hoch, die er über einen tiefhängenden Ast legte.

Ich sah zunächst die Kleider an, dann blickte ich zu ihm zurück, aber er war verschwunden. Ich war sicher, dass er sich gar nicht schnell genug hätte bewegen können, um so rasch aus meinem Gesichtsfeld zu kommen, aber dennoch konnte ich ihn nicht sehen. Ich überlegte, dass es doch ein Engel gewesen sein musste, und wandte mich wieder den Kleidern zu.

Sie waren aus einem so dünnen und leichten Material, dass sie keinerlei Gewicht zu haben schienen. Ich fürchtete schon, sie könnten zu zart sein, um sie zu tragen. Ich versuchte probehalber, das Hemd etwas einzureissen, aber so sehr ich auch daran zerrte, gelang es mir nicht. Dann nahm ich einen spitzen Ast, um ein Loch hinein zu stechen, aber auch hier hinterliess ich trotz aller meiner Anstrengung nicht einmal einen Fleck.

Ich zog meine zerfetzten Lumpen aus, wusch mich im Teich und zog die neuen Kleider an. Dann waren da noch Stiefel, ein Umhang und ein Hut. Alles bestand aus dem gleichen Material und passte wie angegossen. Da hörte ich aus dem Wald die Stimme des Mannes, der eben noch bei mir gewesen war.

Aber ich konnte niemanden in der Richtung sehen, aus der die Stimme zu kommen schien.

«Das sind mehr als Kleider. Sie sind ein Teil deiner Waffenrüstung. Dort, wo du jetzt hingehst, wirst du sie brauchen.»

«Wohin gehe ich denn jetzt?», forschte ich nach.

«Du gehst jetzt nach Hause.»

«Wer bist du?», wollte ich wissen, immer noch auf der Suche nach dem Ausgangsort der Stimme. «Wo ist mein Zuhause?»

«Ich bin die Stimme, die in der Wildnis ruft», erwiderte er und trat direkt neben mir aus dem Wald. Er war so nahe, dass ich es nicht fassen konnte, ihn nicht gesehen zu haben. Als hätte er meine Gedanken gehört, fuhr er fort:

«Du hast mich nicht gesehen, weil ich erst zu sehen bin, wenn ich mich bewege. Bist du bereit für diese Reise?», fragte er mich und sah mich durchdringend an.

«Mit diesem lebendigen Wasser fühle ich mich für alles bereit; aber wenn ich ganz ehrlich bin, muss die Antwort wohl eher ‹Nein› lauten. Ich bin nicht bereit. Ich weiss, dass ich zum Berg gehe; aber ich weiss nicht, wie ich dorthin komme, ausser dass ich diesem Weg folgen muss. Hier bin ich noch nie gewesen», gab ich zu.

«Das überrascht mich nicht. Die Leute, die jetzt noch hierher kommen, sind wie eine Armee, die noch nicht einmal weiss, wie sie ihre Waffen halten soll, ganz zu schweigen davon, wie sie sie einsetzen muss. Selbst diejenigen, die hier auftauchen und schon Tausende angeführt haben, sind schwach, und ihr Sinn ist weder erneuert noch verändert. Sie sind weltlich, töricht und nicht einmal für diese Reise bereit. Wie viel weniger sind sie bereit für das, was noch über die Erde kommen wird», bedauerte er.

«Es tut mir leid. Ich trage ebenso viel Schuld wie alle anderen. Aber was können wir jetzt tun?», fragte ich.

«Wir müssen aus dem, was wir haben, das Beste machen; aber wir stehen schon kurz vor der letzten Schlacht. Darin gipfelt der Ablauf der gesamten Geschichte; es wird die letzte, alles entscheidende Schlacht zwischen Licht und Finsternis sein. Du bist noch lange nicht bereit dafür», klagte die Stimme weiter.

«Mein ganzes Leben lang habe ich immer nur gekämpft. Ich wusste, dass die letzte Schlacht nahe ist; seit Jahren lehre und schreibe ich darüber. Aber nur wenige wollen das hören, und von denen, die es hören, sind nur wenige bereit, danach zu handeln. Ich glaube, dass ich noch nicht einmal selbst viel unternommen habe, um danach zu handeln. Nur wenige streben nach den Dingen aus der Höhe, statt nach den Dingen hier auf der Erde.

Ich bin noch nie hier gewesen», fuhr ich fort, «aber irgendwie erscheint mir alles so bekannt. Ich weiss nicht genau, was du mit ‹Zuhause› meinst. Ich war schon an vielen Orten zu Hause. Gehe ich an einen dieser Orte?»

«Erinnerst du dich noch, was du suchtest, als du dich auf diese Reise gemacht hast?», fragte er mich.

«Ja, ich erinnere mich», antwortete ich.

«Du suchst die Stadt, deren Baumeister Gott ist. Du willst ein Teil dessen sein, was er tut, nicht nur was Menschen tun. Genau das suchen alle, die hierher kommen», fuhr die Stimme fort. «Dir kommt hier alles so bekannt vor, weil du hier schon gewesen bist. Du bist ein paar Mal hier vorbei gekommen, weil du bei deiner Reise immer wieder im Kreis gelaufen bist. Du wirst all das zur rechten Zeit verstehen, aber du hast auf jeden Fall Recht, wenn du meinst, dass du für diese Reise nicht bereit bist. Du bist nicht bereit.»

«Was muss ich tun, um bereit zu sein?», fragte ich.

«Das Wichtigste tust du schon – du folgst diesem Weg. Du hast zugegeben, dass du noch nicht einmal die Grundlage des lebendigen Wassers verstanden hast. Du fühlst dich nicht bereit. Vielleicht bist du demütig genug, das Nötige schnell genug zu lernen. Es sind immer die, die meinen, sie seien bereit, die sich hier als erste verirren.»

«Ich kann mich wirklich nicht erinnern, jemals an diesem Teich gewesen zu sein, aber alles fühlt sich so vertraut an», sagte ich. «Ich habe sogar das Gefühl, dich zu kennen.»

«Alles hier verändert sich im Laufe der Zeit», fuhr die Stimme fort. «Du bist bereits hier gewesen, aber es sah anders aus. Das musst du für deine Reise lernen. Die vertrauten Dinge, nach denen du suchst, um dich daran zu orientieren, sind nicht mehr die gleichen, und du bist nicht mehr der gleiche. Deshalb muss deine Wegweisung aus deinem Herzen kommen, aus deinem Geist. Du musst mit den Augen deines Herzens besser sehen als mit diesen Augen, sonst wirst du vom richtigen Weg abkommen.»

«Gibt es denn mehr als einen Weg?», fragte ich verwundert.

«Ja, und alle ausser einem einzigen führen an einen Ort, wo du nicht hin willst. Es gibt überall unterwegs Irreführungen und Täuschungen, Ablenkungen und Fallen. Sie sollen dich von deinem Ziel ablenken. Niemand hat genug Unterscheidung, Weisheit und Mut, die nötig sind, um auf dem richtigen Weg zu bleiben.»

«Wie kann ich es dann schaffen?», wollte ich wissen.

«Du wirst Hilfe brauchen. Du wirst den Helfer brauchen. Du wirst dich auf ihn verlassen müssen und du wirst demütig genug bleiben müssen, in der Abhängigkeit von ihm zu leben.

Und du musst das lebendige Wasser haben. Du darfst es nie wieder aus dem Blick verlieren. Du musst sofort daraus trinken, wenn du wieder durstig wirst. Trinke auch, wenn du nicht durstig bist, sooft du kannst. Es wird dich am Leben erhalten. Wenn du nahe am Wasser bleibst, wird es dir helfen, auf dem richtigen Weg zu bleiben.»

Seine Worte schienen tief in mein Herz zu fallen, weil meine Wahrnehmung so geschärft war. Ich hatte das Gefühl, mich bei Bedarf jederzeit vollkommen an alles erinnern zu können. Ich war immer so sehr auf Konzepte ausgerichtet gewesen, dass es mir stets schwergefallen ist, mich an Details genau zu erinnern; das habe ich schon immer für eine meiner grössten Schwächen gehalten. Nun war ich begeistert darüber, mit welcher Klarheit und Tiefe ich jedes Detail aufnehmen und mich daran erinnern konnte. Es fühlte sich an, als sei ein ganz neuer Teil meines Verstands geöffnet worden.

Die Stimme wandte den Kopf, als hätte mit einem Mal etwas sein Interesse erregt, und er sagte:

«Du hast Einsicht. Du hast deshalb jetzt einen so klaren Verstand, weil der Geist deinem sterblichen Leib Leben gibt. Der Geist verwandelt deine Schwächen in Stärken. Wenn du im Geist lebst, wirst du immer stark sein in allem, was du brauchst. Du musst im Geist bleiben, um es an dein Ziel zu schaffen. Das Wasser, das du trinkst, ist Geist und Leben. Der Geist hat auch Moses belebt, so dass er mit zunehmendem Alter nicht schwächer wurde, sondern immer stärker. Selbst seine Augen wurden nicht schwach.»

«Heisst das, dass ich mich von jetzt an immer so fühlen kann?», fragte ich.

«Du kannst es, und sogar noch mehr als das. Es liegt an dir. Wie gut du es lernst, wird bestimmen, wie gut es dir auf dieser Reise geht und ob du sie beenden wirst oder nicht. Dich so zu fühlen wie jetzt, so zu denken wie jetzt und so zu sehen wie jetzt, ist der natürliche Zustand der neuen Schöpfung, die du bist.»

«Ich glaube nicht, dass ich dem Tod jemals so nahe war, wie noch vor ein paar Minuten», sagte ich. «Aber jetzt, nachdem ich dieses Wasser getrunken habe, habe ich mich noch nie so lebendig gefühlt. Mein Verstand ist so klar wie noch nie zuvor, ausser zu dem Zeitpunkt, als ich vor dem Thron Gottes stand. Vor ein paar Minuten noch konnte ich kaum einen klaren Gedanken fassen. Und jetzt sagst du mir, dass ich beständig so sein kann?»

Die Stimme trat unmittelbar vor mich und sah mir direkt in die Augen.

Er sagte: «Du kannst nicht nur, sondern du musst so bleiben, wie du jetzt bist. Wenn du im Geist bist, bist du vor dem Thron. Sein Reich ist in dir. Der König ist in dir. Du bist sein Tempel. In der Wahrheit zu leben, bedeutet, das zu wissen, und in seiner Gegenwart zu leben.

Wenn jemand nicht von Neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen. Aber nur, weil er wiedergeboren ist, heisst das noch nicht, dass er es auch wirklich sieht», fuhr er fort. «Nur wenige, die in dieser Zeit wiedergeboren werden, öffnen auch tatsächlich ihre neuen Augen. Nur wenige, die jetzt hierher kommen, haben das Reich Gottes gesehen. Es ist ein Wunder, dass überhaupt jemand mit so wenig Vision so weit kommt. Deshalb sind es so wenige, die es auch nur ein Stück weit durch die Wildnis schaffen.

Der Herr hat eine Warnung ausgesprochen: ‹Weh aber den Schwangeren und den Stillenden zu jener Zeit!›, oder auch: ‹Weh denen, die ihre Leute in Unmündigkeit halten›. Seine Warnung war richtig; es ist die grösste Tragödie deiner Zeit.»

«Ich weiss, dass es stimmt. Ich habe seit Jahren darüber gepredigt», stimmte ich zu.

«Ja, das hast du. Aber was hast du diesbezüglich unternommen?», fragte er.

«Ich vermute, nicht allzu viel. Nicht so viel, wie ich hätte sollen», gab ich zu.

«Das ist die Tragödie deiner Generation. Ihr habt die grösste Ernte aller Zeiten eingebracht, aber dann das meiste davon verloren. Es kommt eine sogar noch grössere Ernte, und da darf nicht das Gleiche wieder passieren.

Es herrscht grosse Freude über jeden Sünder, der Busse tut, und es gibt lautes Wehklagen, wenn nur ein einziger wieder abfällt. Es gibt nicht mehr viele echte Jünger, weil es nicht mehr viele echte Hirten gibt. Ihr seid unübertroffen, wenn es darum geht, Bekehrte zu machen; aber ihr macht sie nicht zu seinen Jüngern. Der Missionsbefehl besagt, dass wir Jünger machen sollen. Der Herr selbst legte fest, was einen Jünger ausmacht, und wir haben wenige, die es auch nur bis hierher schaffen, weil ihr keine Jünger macht. Das ist der Fluch deiner Zeit.»

«Ich bin schuldig», bekannte ich. «Ich wusste es besser, und es hat mir auch etwas ausgemacht, aber ich habe nichts unternommen.»

«Deswegen werden die Lehrer auch strenger gerichtet», sagte die Stimme. «Ihr Hirten habt euch selbst geweidet und euch nicht um die Leute gekümmert. Jetzt steht die letzte Schlacht vor der Tür und wir haben eine Armee, in der noch nicht einmal die Anführer wissen, wie sie kämpfen sollen. Im Moment würden nur wenige auch nur den ersten Angriff überleben. Schon jetzt gibt es deswegen viele unnötige Verluste.»

«Wie können wir da gewinnen?», fragte ich. «Denn wir werden ja gewinnen. So steht es geschrieben.»

Wir werden wegen unseres Kommandanten gewinnen, aber den Kampf muss sein Volk ausfechten. Er hat den Sieg bereits errungen. Jetzt müsst ihr gewinnen. Ich kam damals am Anfang dieses Zeitalters, um zu helfen, für ihn den Weg zu bereiten. Jetzt bin ich am Ende des Zeitalters noch einmal gekommen, um wiederum den Weg für ihn zu bereiten. Ich tue das, indem ich helfe, sein Volk vorzubereiten. Das erste, was nötig ist, um sich auf ihn und die kommende Zeit vorzubereiten, ist die Leiter zu Jüngern zu machen. Sie werden nicht wissen, wie sie Jünger machen können, wenn sie selbst nie Jünger waren.

Keiner, der selbst kein Jünger ist, wird es auf diesem Weg schaffen. Und ohne Jünger zu sein, wird man auch nur sehr kurze Zeit in der Schlacht überleben. Eigentlich sollten Scharen von Menschen hier auf diesem Weg entlang kommen, aber es sind nur wenige.

Ihr seid die Generation, der die grössten Ressourcen anvertraut wurden, das meiste Wissen, die grösste Freiheit; aber nur wenige sind zur Erkenntnis der Wahrheit gelangt. Wo sind die Hirten?», klagte die Stimme.

«Ich bin in allen Punkten schuldig», bekannte ich. «Ich war ein schlechter Lehrer, und ein noch schlechterer Hirte.»

«Du beurteilst dich richtig. Weil du dich aber selbst gerichtet hast, musst du nicht gerichtet werden. Du musst aber umkehren. Wahre Busse bringt Veränderung. Sowerden ‹die Letzten die Ersten sein’», sprach die Stimme weiter. «Die Generation, die nun hervorkommt, ist berufen, die grösste von allen zu sein. Jetzt gerade ist sie aber noch im schlimmsten Zustand von allen. Und all das ist unter eurer Obhut passiert. Aber trotzdem gilt: ‹Als dasAusmass der Sünde unter den Menschen immer grösser wurde, ist Gottes wunderbare Gnade noch grenzenloser geworden.› (NLB.) Da ist Gnade für Veränderung, wenn du nur Busse tust.»

«Du bist doch derjenige, der dem Herrn den Weg bereitet. Du bist hier, um uns für ihn bereit zu machen. Wie können wir diese riesige Veränderung schaffen? Das Gefüge des Christentums in unserer Zeit ist äusserst labil. Wie du sagst, sind wir fürchterlich schwach und schlecht vorbereitet. Was müssen wir tun?», flehte ich.

«Wie ich schon sagte, ist der nächste Schritt der nächste Schritt auf diesem Weg. Der Weg selbst wird dich vorbereiten, und ich werde dir helfen. Ich war auch mit Johannes, dem Täufer, um das Gleiche zu seiner Zeit zu tun. Alles fängt mit Busse an. Ohne ein solides Fundament an Busse wirst du dich nicht lange auf diesem Weg halten können. Du musst deine Sünde schnell erkennen – schnell deine Sünde und Fehler erkennen und bereinigen. Du bist schon schnell, deine Sünde und Fehler zu erkennen. Das ist nützlich. Aber du bist nicht so schnell, sie zu bereinigen und zu beheben – und das kann dir zum Verhängnis werden. Busse ist mehr, als dass einem die Sünde nur leid tut; es ist ein Abwenden von der Sünde.

Nur ein Fundament von Busse wird dich demütig genug halten, um in der Gnade Gottes zu leben. Demut bedeutet, belehrbar und abhängig vom Heiligen Geist zu sein. Nicht viele haben in deiner Zeit ein solches Fundament gelegt. Du musst damit anfangen, Busse zu predigen und zu lehren. Du musst anfangen, dafür zu beten, dass der Geist kommt, um von Sünde zu überführen. Deine Generation weiss ja kaum noch, was Sünde ist.

Ich habe gebetet, dass das Gericht Gottes auch auf meine eigene Nation kommt. Dann musste ich den falschen Lehrern und Propheten meiner Zeit entgegentreten. Das ist die wichtigste Aufgabe von Propheten. Wo sind eure Propheten? Wo sind eure Apostel? Wo sind die Hirten, die das Volk Gottes vor den grossen Täuschungen eurer Zeit bewahren? Weshalb können die Wölfe das Volk Gottes direkt vor ihren Augen verschlingen, und sie unternehmen nichts?

Ich wurde entrückt, damit ich den Tod nicht sehen sollte und deshalb zurückkehren konnte, um den Weg des Herrn zu bereiten. Der Täufer liebte die Menschen so sehr, dass er sie warnte. Er liebte sie so sehr, dass er bereit war, sein Leben aufs Spiel zu setzen, um ihnen die Wahrheit zu sagen und für die Wahrheit einzustehen, die sie frei machen würde. Wo sind die, die in deiner Zeit gebraucht werden können, um den Weg für den Herrn zu bereiten? Wo sind die, die sogar bereit sind, um der Wahrheit willen Ablehnung in Kauf zu nehmen?»

«Es gibt einige», entgegnete ich, «aber nicht viele. Sie sind nicht bekannt, weil nicht viele bereit sind, auf sie zu hören; aber es gibt einige.»

«Wir brauchen nicht viele. Wenn sie nur Mut und Entschlossenheit haben, reicht es schon. Wenn sie nur Mut und Entschlossenheit haben, werden sie diesen Weg finden», erklärte die Stimme.

«Viele meinen, sie seien auf dem Weg des Lebens, aber in Wirklichkeit sind sie längst davon abgekommen. Nur wer ein Fundament der Busse hat, kann diesen Weg finden und darauf bleiben. Mit einem starken Fundament der Busse gibt es auch Sieg über Sünde, nicht nur ein schlechtes Gewissen. Die tödliche Falle für deine Generation besteht darin, dass sie kaum noch wissen, was Sünde ist, und noch viel weniger, wie sie davon umkehren können.»

«Alles, was du sagst, ist wahr», räumte ich ein. «Vielleicht bin ich der grösste aller Sünder in dieser Zeit. Ich habe mich stets damit getröstet, dass ich keine der grösseren Sünden begangen habe, seit ich zum Glauben gekommen bin; aber dafür habe ich eine viel schwerwiegendere begangen. Ich habe den Herrn gesehen, ich habe seine Herrlichkeit und seinen Thron gesehen, und bin dennoch lau geworden. Ich bin leichtfertig geworden und habe meine Zeit vergeudet. Ich hätte in viel Grösserem leben sollen als ich es tat. Aber wie du selbst sehen konntest, hatte ich nicht einmal ausreichend geistlichen Verstand, um in der Wildnis das lebendige Wasser zu suchen.

Ich weiss, dass mir die Hingabe fehlt, die der Herr eigentlich verdient hat. Das ist das Schwierigste an der ganzen Sache – ich eifere nach all meinen Kräften für den Herrn, und bin dennoch lau. Der König hat etwas Besseres verdient.

Du bist mit Recht enttäuscht, dass ich nicht stärker war, als ich hier ankam; aber es kann sein, dass es mit den nächsten Neuankömmlingen nicht besser wird. Sie kommen möglicherweise alle in einem ziemlich schlimmen Zustand hier an. Aber sie werden auf dich hören. Sie werden Busse tun und dann mit grossem Mut auf diesem Weg weitergehen.»

«Du beurteilst dich und deine Generation richtig. Die Herde des Herrn ist in einem sehr schlimmen Zustand. Wie schon Jeremia beklagte, haben sich die Schafe verlaufen und sind zu verlorenen Schafen geworden, weil die Hirten sie in die Irre geführt haben, indem sie sie auf allen Hügeln und Bergen herumirren liessen und sie zu Dingen geführt haben, die ihre Begeisterung anstacheln und sie immer weitertreiben. Sie führen die Menschen zu den Dingen des Herrn, aber nicht zum Herrn selbst. Viele sind inzwischen selbst lau geworden, weil sie solchen Überfluss haben, weil so vieles sie ablenkt. Andere sind lau geworden, weil sie von dem ganzen Rummel und der ständigen Rennerei ermüdet sind.

Du hast Recht, was deine Generation anbelangt. Und dennoch können die grössten Siege nur in den grössten Schlachten errungen werden. Deine Generation hat versagt, aber sie muss nicht im Versagen enden. Wer Busse tut, wird die Gnade zur Veränderung empfangen. Dann wird ihnen eine der grössten Ehren aller Zeiten zuteilwerden; sie werden in der letzten Schlacht kämpfen dürfen. Alle Propheten und Gerechten haben diese Tage herbeigesehnt. Ihr lebt in ihnen.

Ich war überrascht, in welchem Zustand du und die wenigen anderen, die es bis hierher geschafft haben, waren. Aber jetzt sehe ich auch eine Stärke. Wenn die anderen, die kommen, diese Stärke auch haben und sie erhalten können, werdet ihr den Sieg erringen.»

«Was ist diese Stärke?», erkundigte ich mich.

«Du tust schnell Busse. Du scheust dich nicht, dich selbst nüchtern und zutreffend zu beurteilen. Du versuchst nicht, deine Fehler zu verstecken oder sie zu entschuldigen. Das ist eine Grundlage, auf der der Sieg aufgebaut werden kann. Nur im Licht dieser zutreffenden Beurteilung kannst du das Kreuz voll und ganz als deine Hoffnung erfassen. Die Kraft Gottes ist das Kreuz, und alle, die das Leben des Kreuzes leben, werden auch in Kraft leben.

Um in das Bild des Herrn verwandelt zu werden, musst du seine Herrlichkeit mit aufgedecktem Gesicht ansehen. Entschuldigungen sind der dickste Schleier, der die Menschen davon abhält, ihn zu sehen, wie er wirklich ist, und auch davon, sich selbst zu sehen, wie sie wirklich sind. Wer einen solchen Schleier trägt, wird sich nicht verändern. Selbst wenn sie seine Herrlichkeit dann sehen, ist sie durch den Schleier vor ihren Augen so verzerrt, dass sie nicht davon verändert werden. Wenn du dir diese Demut bewahrst, wird es nicht lange dauern, bis du für deine Bestimmung bereit bist.»

«Was ist denn meine Bestimmung?», wollte ich wissen.

«Du bist ein Wegbereiter der Wegbereiter. Du sollst helfen, die vorzubereiten, die dem König den Weg bereiten werden. Das sind die Gewaltigen, deren Kommen immer wieder prophezeit wurde, seit Henoch von ihnen sprach. Sie leben jetzt. Das ist ihre Zeit, und du bist berufen, sie mit vorzubereiten.»

«Auch Henoch sah den Tod nicht; hat auch er Anteil daran, dem Herrn den Weg zu bereiten?», fragte ich.

«Nach dem Sündenfall war Henoch der erste, der die grundlegende Bestimmung des Menschen wiedererlangte, nämlich in enger Gemeinschaft mit Gott zu leben. Henochs Botschaft galt jeder Generation. Auch ihn holte Gott zu sich als ein Zeugnis für den Sieg über den Tod und als ein Vorbild für ein Leben in enger Gemeinschaft mit Gott. In Gemeinschaft mit Gott zu leben heisst, vom Baum des Lebens zu essen. Die Gewaltigen, die er am Ende der Zeiten kommen sah, werden ihre Autorität erhalten, weil sie in enger Gemeinschaft mit Gott leben werden, so wie Henoch es tat.

Henoch hat in dieser Zeit eine besondere Aufgabe. Wer auf diesem Weg bleibt und bis zur Stadt Gottes durchhält, schafft das, weil er von Henoch gelernt hat. Nachdem du von mir gelernt hast, musst du auch noch von ihm lernen. Fast alle von denen, die nicht zuerst Busse gelernt haben, fallen in Stolz. Die schlimmste Form des Stolzes ist es zu denken, dass wir dem Herrn näher sein können als andere. Ihr müsst umkehren, um den Weg des Herrn bereiten zu können, so dass ihr mit ihm leben könnt und nicht vom Weg abkommt.»

Dann gab mir die Stimme ein Zeichen, ihm weiter auf dem Weg hinterherzugehen. Ich folgte ihm. Das lebendige Wasser und die Freude an dieser Reise liessen mich wieder jung fühlen. Ich war so dankbar, dass ich endlich einmal mit jemandem darüber hatte sprechen können, was für ein schlechter Leiter, Lehrer und Hirte ich gewesen war. Ich wusste, dass es stimmte, und das gab mir Hoffnung. Ich empfand überschäumende Freude, noch einmal von vorn beginnen zu können. Es war mir klar, dass ich eine zweite Chance erhalten hatte. Ich hatte Gnade gefunden und fragte mich, ob es irgendein wunderbareres Geschenk geben konnte, als eine zweite Chance zu erhalten.

Als hätte er meine Gedanken gehört, drehte sich die Stimme um und sagte: «Die Gabe der Wiedergeburt ist das grosse Geschenk. Es ist das Geschenk, noch einmal von vorne anfangen zu dürfen.»

«Das ist absolut richtig», stimmte ich zu. «Ich habe das Gefühl, einen kompletten Neuanfang geschenkt bekommen zu haben, als wäre ich von Neuem wiedergeboren worden. Selbst wenn ich wieder versagen sollte, ist es immer noch besser, hierbei umzukommen und in dieser Wildnis zu sterben, als es gar nicht erst versucht zu haben.»

«Der Herr hat uns Tag und Nacht gegeben, damit wir jeden Morgen zu einem neuen Tag erwachen können. Jeder Tag ist ein Neuanfang. Busse bedeutet, wieder zu einem neuen Tag zu erwachen», erklärte die Stimme.

Ich war so wach wie schon seit Jahren nicht mehr, vielleicht noch nie zuvor. Ich war wieder auf dem richtigen Weg zum grössten Abenteuer, das man in diesem Leben haben kann, auf der Suche nach der Stadt, die von Gott erbaut ist.

Kapitel 2

Der Ruf

Ich lief eine ganze Strecke lang schweigend hinter der Stimme her. Nach und nach wurde der Weg breiter, sodass ich schliesslich neben ihm gehen konnte. Ich hatte noch so viele Fragen und wollte die Zeit, die mir mit ihm blieb, nicht verschwenden.

«Ich würde dich gerne etwas zu den ‹Gewaltigen› fragen, über die Henoch prophezeite», fing ich an.

«Du kannst alles fragen», antwortete die Stimme.