Detective John Bennet - Dieter Kermas - E-Book

Detective John Bennet E-Book

Dieter Kermas

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Beschreibung

John Bennet und sein Partner Mark O’Brian sind seit Jahren ein erfahrenes und erfolgreiches Ermittlerteam. Mit den neuen Fällen werden sie vor fast unlösbare Aufgaben gestellt. • Mysteriöse Giftmorde lenken den Verdacht auf einen Wissenschaftler, der verzweifelt darum bemüht ist, die Familie zu beschützen. • Ein tragisches Erlebnis in der Kindheit verwandelt einen Jugendlichen in einen Psychopathen. Seine unstillbare Rache richtet sich auf die Familie, die er für sein Unglück verantwortlich macht. • Eine grausame Mordserie erschüttert San Francisco und versetzt die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Zwei Serienkiller haben es auf die Vertreter der Justiz und auf die der Kirche abgesehen. Die Gejagten sind den Ermittlern immer einen Schritt voraus. Reicht die Zeit, um weitere Taten zu verhindern?

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Seitenzahl: 317

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Tödliche Delikatesse

Endstation Friedhof

Das Duell

Vorwort

Der Sonnenstaat Kalifornien mit seiner lebenslustigen und heiteren Metropole San Francisco hat auch eine dunkle Seite.

Hierfür ist das San Francisco Police Department SFPD zuständig.

Das eingespielte Ermittlerteam, John Bennet und Mark O’Brian, ist Tag für Tag gefordert, die Kriminellen zu verfolgen und vor Gericht zu bringen. Für diese Herausforderungen sind ihre über Jahre gesammelten Erfahrungen von unschätzbarem Vorteil und helfen, selbst in gefährlichen Situationen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Begleiten Sie unsere Detectives auf der Jagd nach den Tätern.

***

TÖDLICHE DELIKATESSE

Wie so oft, zwischen Juni und September, liegt eine tief hängende, dicke Nebeldecke über San Francisco.

Doktor Sam Brown trennt sich wieder einmal nicht von seinen Experimenten und arbeitet bis spät abends im Labor der biochemischen Forschungsanstalt. Er hat es nicht eilig nach Hause zu kommen. Frau und Tochter weilen für ein paar Tage auf einem Reiterhof. Dem Wunsch von Tochter Grace, reiten zu lernen, waren sie zu ihrer unbändigen Freude endlich nachgekommen. Übermüdet, mit rotgeränderten Augen, steigt er in den Wagen. Am Tor wünscht ihm der Wachmann einen guten Abend.

Brown gedenkt auf dem Weg nach Hause einen kurzen Halt bei seinem Stammlokal einzulegen. Ihm steht der Sinn nach einem kleinen Schlummertrunk zur Entspannung. Aus dem einen Glas werden zwei und mehr.

»Doktor Brown, sie haben es nicht mehr weit bis nach Hause, wie ich weiß. Wollen Sie nicht lieber das kurze Stück zu Fuß gehen? Um diese Zeit fahren die Streifen verstärkt, um die Nachtschwärmer zu kontrollieren«, mahnt der Barkeeper, der Brown schon einige Jahre kennt.

»Danke Charles, ist gut gemeint. Wie Sie soeben erwähnten, ist es nicht mehr weit und da ist das Risiko erwischt zu werden, wohl eher gering«, wehrt Brown den Ratschlag ab und begibt sich leicht schwankend zum Parkplatz.

Corey Coleman, der um diese Zeit vom Büro auf den Weg zu seiner Villa im Simons Loop ist, wartet an der Ecke, um in den vorfahrtsberechtigten Presidio Boulevard einzubiegen. Von links kommt ein kleines europäisches Auto angeschossen und verschwindet im Nebel. Er ist im Begriff abzubiegen, als er aus der Richtung, in die der Wagen verschwunden ist, einen dumpfen Knall hört. Der Nebel ist so dick, dass er nur vorsichtig, fast im Schritttempo, die Hauptstraße entlangfahren kann. Über das Lenkrad gebeugt, starrt er angestrengt nach vorn. Vor ihm tauchen zwei rote Rücklichter auf. Er tritt auf die Bremse. Ein Wagen steht mitten auf der Fahrbahn. Coleman vermutet, was ihn erwarten wird. Bei dem dumpfen Knall kann es sich nur um einen Unfall handeln. Er schaltet die Warnblinkanlage ein, steigt aus und nähert sich dem Fahrzeug. Er bleibt stehen. Im Scheinwerferlicht des kleinen Wagens sieht er eine Gestalt auf der Straße liegen. Vom Anprall, mehrere Meter weit geschleudert. Er eilt zu dem leblos daliegenden Körper, bückt sich und ahnt, dass der Mann nicht mehr lebt. Um sich zu vergewissern, fühlt er nach der Halsschlagader, spürt aber kein Pulsieren mehr. Coleman tritt an die Fahrerseite des Autos und erblickt einen Mann, der vornübergebeugt auf dem Lenkrad liegt. Aus den Augenwinkeln sieht er die gesplitterte Frontscheibe auf der rechten Seite. Er klopft an die Seitenscheibe. Der Fahrer ist so durcheinander, dass er nicht den Schalter findet, um sie zu öffnen. Er stößt die Tür mit dem Ellenbogen auf und Coleman blickt in seine glasigen Augen.

»Hey Mann, ich denke, wir sollten die Polizei rufen«, schlägt er vor. Der Fahrer nickt und macht keine Anstalten zu telefonieren.

»Okay, dann rufe ich jetzt die Polizei«, bietet sich Coleman an und läuft zu seinem Auto, wo sein Mobiltelefon liegt. Er hat das Fahrzeug noch nicht erreicht, als er den Motor des kleinen Wagens aufheulen hört und sieht, wie er schnell und in Schlangenlinien im Nebel verschwindet. In diesem Augenblick durchzuckt Coleman eine Idee. Nur er hat den Unfall gesehen. Nur er vermochte auszusagen, was geschehen ist. Der Gedanke besteht nur aus einem Wort »Erpressung«. Die Strafe, die den Fahrer für Trunkenheit am Steuer, Fahrerflucht und unterlassene Hilfeleistung erwarten würde, wäre hart. Das Unfallopfer lässt Coleman unbeachtet liegen. Für ihn ist es nur ein toter Gegenstand, der auf der Straße herumliegt. Er springt in das Auto und fährt so schnell es die Sicht erlaubt in die Richtung, in die der Wagen verschwunden ist.

Nicht einmal einen Kilometer weiter, leuchten die Rücklichter eines Autos auf einer Auffahrt zu einem Haus auf der linken Seite. Coleman parkt, schaltet die Scheinwerfer aus und beobachtet das Fahrzeug. Ja, das ist der kleine Wagen. Das Tor der Garage öffnet sich und das Auto verschwindet. Coleman wartet, ob sich das Tor wieder schließt. Das geschieht aber nicht. Der Fahrer ist von der Garage aus direkt ins Haus gegangen. Nach einer Weile schleicht Coleman in den Raum, zückt das Mobiltelefon und fotografiert die Unfallschäden an der Frontscheibe und auf der Motorhaube. Zum Schluss knipst er ein Foto vom Nummernschild. Ehe er sich entfernt, wirft er einen Blick auf das Haus, das einen teuren Eindruck macht. Er ist sich sicher, hier ist einiges an Geld zu holen. Beim Wegfahren hat er kurz daran gedacht, die Polizei anonym vom Unfall zu informieren, verwirft den Gedanken aber wieder.

Am nächsten Tag macht er sich über den Unglücksfahrer kundig. Schau an, denkt er und pfeift durch die Zähne, als er herausfindet, wen er da im Visier hat. Er hat herausgefunden, dass es sich um einen leitenden Wissenschaftler aus einem biochemischen Institut handelt.

Die nächsten Tage liest er aufmerksam die Unfallnachrichten in der Zeitung. Im Fernsehen gibt es einen kurzen Bericht über den Toten, einem Familienvater mit zwei Kindern. Die Polizei bittet um Hinweise zu dem Fahrer, der nach dem Unfall geflüchtet ist. Die Suche nach dem Unfallfahrzeug in den Autowerkstätten brachte bisher keinen Erfolg. Der Wagen bleibt verschwunden. Coleman wartet zwei Wochen, ehe er die Zeit für gekommen sieht, sich mit seinem Opfer zu befassen. Er vermutet, dass Brown sich inzwischen in Sicherheit wiegt und umso fügsamer sein wird, wenn er plötzlich wieder mit der Fahrerflucht konfrontiert wird.

Er ruft in Browns Institut an und verabredet ein Treffen nach Dienstschluss. Browns Fragen, worum es ginge, beantwortet er ausweichend. Er meint nur, es wäre in seinem Interesse. Zu Colemans Überraschung schlägt Brown vor, sich bei ihm zu Hause zu treffen.

Um sechzehn Uhr steht Coleman vor dem Haus. Der Wissenschaftler bittet ihn, freundlich einzutreten. Im Wohnzimmer stellt er dem Gast seine Frau und die Tochter von achtzehn Jahren vor. Coleman erkennt sofort, hier träfe sein Vorhaben auf keinen großen Widerstand. Ein Familienvater würde alles vermeiden, die Familie zu gefährden. Um seine Absicht, ohne Zeugen darzulegen, bittet er Brown, ihm den Garten zu zeigen. Etwas verwundert kommt dieser dem Wunsch nach.

Kaum sind sie im hinteren Teil des Gartens angekommen, lässt Coleman die Maske fallen. In knappen Worten teilt er ihm mit, dass er Zeuge des Unfalls ist und entsprechende Beweise hat. Der Schock steht Brown deutlich ins Gesicht geschrieben. Doch er fasst sich und fragt nach den angeblichen Beweisen. Es liegt nicht in Colemans Absicht, die Karten jetzt schon aufzudecken. Deshalb meint er nur mit einem Grinsen.

»Sie können es mir glauben, sonst wäre ich nicht so sicher, dass Sie zahlen werden.«

»Sie sind ein hundsgemeiner Erpresser«, stellte Brown angewidert fest und fährt fort: »Sollten Sie vorgeben, den kleinen Wagen in dieser Nacht gesehen zu haben, so muss ich Sie leider enttäuschen. Er wurde mir am Tag des Unfalls, vermutlich am Nachmittag, aus der Garage gestohlen. Das habe ich am Tag darauf der Polizei gemeldet. Bisher ist die Suche danach erfolglos verlaufen.«

»Netter Versuch, so aus der Sache herauszukommen. Das nützt Ihnen nichts, denn erstens bin ich Augenzeuge des Unfalls und zweitens habe ich aussagekräftige Fotos von den Unfallschäden an dem Wagen, hier in der Garage aufgenommen«, kontert Coleman. Trotz der Kühle des späten Nachmittags bilden sich Schweißperlen auf Browns Stirn. Er macht einen kläglichen Versuch, Coleman zu verunsichern, und argumentiert:

»Den Wagen wird die Polizei nie und nimmer finden. Dazu habe ich ihn zu perfekt entsorgt.«

Mit den Worten:

»Selbst wenn Sie ihn von der Golden Gate Bridge geworfen hätten, nützt Ihnen das absolut nichts. Dazu sind meine Beweise viel zu hieb- und stichfest. Außerdem könnten Sie der Polizei nicht erklären, wie Sie vom Büro aus, nach Hause gekommen sind. Ihr eigener Wagen stand an diesem Tag in der Werkstatt, wie ich herausgefunden habe. Deshalb nahmen Sie das Auto ihrer Frau. Der Parkplatzwächter der Firma wird sich sicher daran erinnern.«, entkräftet Coleman das Argument.

Brown hat den Eindruck, der Boden unter den Füßen würde schwanken. Er wankt und hält sich am Stamm einer Palme fest. In seine Ohren beginnt es zu rauschen. Er fühlt, dass er kurz davor ist, ohnmächtig zu werden. Ehe ihn die Beine wegknicken, setzt er sich auf den Sockel einer Statue.

Mühsam stößt er hervor:

»Sagen Sie, was Sie von mir wollen, aber lassen Sie bitte meine Familie aus der Sache raus.«

»Das hört sich schon vernünftiger an«, stellt Coleman kalt lächelnd fest. »Für heute ist das alles. Meine Forderungen werde ich Ihnen noch mitteilen« Er hilft ihm sogar beim Aufstehen, verabschiedet sich von Frau und der Tochter und lässt einen fassungslosen, tief verunsicherten Brown zurück.

*

Tage später teilt Coleman dem entnervten Brown mit, welche Summen er zu zahlen hat. Anfangs sind die Beträge zu erbringen, ohne dass er in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Als Coleman immer unverschämter wird, und größere Summen fordert, ist Brown nicht mehr in der Lage, ihn zu bezahlen. Da er die Beträge nicht mehr ohne weiteres aufbringen kann, ist er gezwungen, ohne Wissen seiner Frau, Hypotheken auf das Haus aufnehmen. Auch dieses Geld ist in kurzer Zeit restlos in Colemans gierige Hände geflossen. Immer wieder hat Brown in langen, wachen Nächten überlegt, seiner Frau die Erpressung zu gestehen. Stets verließ ihn der Mut, wenn er am Morgen von Frau und Tochter fröhlich begrüßt wurde und sie unbelastet über den zu erwartenden Tagesablauf plauderten. Er ahnt, irgendwann käme der Zeitpunkt, an dem er alles gestehen müsste. Seine Unentschlossenheit lässt es darauf ankommen. Ehe Brown sich nach einer anderen Möglichkeit umsieht, Coleman zu bezahlen, schlägt das Schicksal erneut zu.

*

Die morgendliche Tagesroutine im Police District läuft noch nicht auf vollen Touren. Kaffeeduft und Stimmengewirr wehen durch das Büro. Es ist Montag und die Kollegen unterhalten sich gedämpft über das vergangene Wochenende. Mark O’Brian steht gegen den Schreibtisch des Partners und älteren Vorgesetzten John Bennet gelehnt und berichtet vom Ergebnis seines Forellenangelns. Mit beiden Händen zeigt er die Länge der Forelle und der verkneift sich nicht, zu lästern:

»Bei der Größe war die wohl recht teuer im Fischgeschäft.« O’Brian stützt sich mit den kräftigen Händen auf Bennets Schreibtisch ab, sieht seinem Partner vorwurfsvoll in die Augen und brummt:

»Wollte dich zum Fischessen einladen. Aber so…«

Bennet setzt zu einer Entschuldigung an, da schrillt das Telefon und er meldet sich.

»Ja, in Ordnung, wir sind schon auf dem Weg«, und wiederholt: »Frauenleiche in der Toilette des Chinarestaurants in der Powell Street 212«, und an O`Brian gewandt: »Der Chef hat die Spurensicherung bereits informiert.«

Von Weitem sehen sie die gelben Flatterbänder und die Mannschaft des Streifenwagens, die zuerst am Tatort war. Sie betreten das Lokal und tappen die spärlich beleuchtete Treppe hinunter zu den Toiletten. In eine Ecke der Damentoilette liegt zusammengesunken eine junge Frau, fast ein Mädchen. Bennet bittet den Spurenleser, einen Moment aus dem Toilettenabteil zu gehen, damit er sich die Tote ansehen kann. Er entdeckt eine Spritze, die im linken Arm der Frau steckt.

»Nichts für uns«, ruft er seinem Kollegen zu, der im Vorraum steht und fährt fort: »So wie es aussieht, hat sie sich mit einer Überdosis ins Jenseits befördert. Sie ist erstaunlich teuer gekleidet. Nicht so, wie die meisten Junkies. Wir geben den Fall an die Kollegen vom Rauschgiftdezernat ab. Wir fahren zurück ins Büro.« Ehe sie den Raum verlassen, reicht ihm ein Mann von der Spurensicherung den Ausweis der Toten. Bennet liest flüchtig den Namen Grace Brown.

*

Es ist der letzte Arbeitstag und Brown fährt erschöpft ins Wochenende, um es mit der Familie zu verbringen. Er wundert sich über einen fremden Wagen, der in der Auffahrt steht. Ahnungslos betritt er das Wohnzimmer und findet seine verweinte und völlig verstörte Frau und zwei Herren vor, die sich als Polizeibeamte ausweisen. Sie versuchen, ihm so schonend wie nur möglich beizubringen, dass man seine Tochter tot in einer Toilette in Chinatown gefunden hat. Brown kann und will nicht begreifen, was die Beamten ihn berichten. Er sitzt auf dem Stuhl am Tisch und hat das Gesicht in den Händen vergraben. Ihre Tochter Grace soll rauschgiftsüchtig gewesen sein? Sein Beruf nimmt ihn so in Anspruch, dass er wenig Zeit gefunden hat, sich um sie zu kümmern. So hat er nicht bemerkt, wie sie sich in den letzten Monaten veränderte. Grace selber wusste, sie würde sich auf dem falschen Weg befinden und so hoffte sie, mit dem Reiturlaub die Kraft zu finden, sich von ihrem zerstörerischen Freundeskreis zu lösen. Zurück in ihrer Clique gerät sie immer tiefer ins Abseits. Die Mutter hatte schon bemerkt, wie sich ihre Tochter wandelte, fand aber keinen Zugang zu ihr, um ihr zu helfen. Der Doktor glaubt, dass es sich um eine Verwechslung handeln müsse. Erst als er in der Pathologie die Tochter identifizieren muss, gibt es keinen Zweifel mehr.

Die Nachricht lässt seine Frau in tiefe Depressionen verfallen. Sie wird apathisch und nimmt kaum etwas von dem wahr, was um sie herum geschieht. Drei Wochen später unternimmt sie einen Selbstmordversuch. Daraufhin lässt sie ihr Mann zu ihrer eigenen Sicherheit in ein Heim für psychisch Kranke unterbringen. Diese Schicksalsschläge verändern den sonst so besonnenen und nüchtern denkenden Wissenschaftler. Er geht zwar wie gewohnt, der Arbeit nach, aber bleibt immer länger im Büro, weil er sich vor dem verwaisten Heim fürchtet. Selbst seine Kollegen bemerken mit Sorge, wie er mehr und mehr verfällt. Darauf angesprochen weicht er den Fragen aus, reagiert mürrisch und abweisend. In ihm ist etwas zerbrochen, das nicht mehr zu reparieren ist. Viele Tage und Nächte hat er mit sich gekämpft, sich das Leben zu nehmen. Er hat nichts mehr zu verlieren. Allein es fehlen ihm der Mut und die Kraft, es auszuführen. Dann, eines Tages, steigert sich seine Wut schlagartig auf Coleman, der ihn wie ein Blutegel aussaugt.

*

Brown zermartert sich das Gehirn, um einen Weg zu finden, sich den Erpresser vom Hals zu schaffen. Eines Nachts schreckt er aus dem Schlaf empor. Er hat die Lösung für das Ende der schier ausweglosen Lage gefunden. Brown weiß, dass Coleman, wenn es sich ergab, mit Rauschgift dealt. Darauf baut er den Plan auf.

Coleman ist überrascht, als Brown eines Tages in seinem Büro in der Market Street auftaucht.

»Nanu«, wundert er sich, »was hat Ihr Besuch für einen Grund, wollen Sie etwa freiwillig die Zahlungen erhöhen?« Bei diesen Worten verzieht Coleman das Gesicht zu einer abstoßenden Grimasse.

»Nein, im Gegenteil, ich kann nicht mehr zahlen«, gesteht Brown. »Das Haus ist überschuldet und weitere Geldquellen habe ich nicht.«

Coleman lehnt sich lässig zurück, sieht ihn mit zusammengekniffenen Augenlidern an und zischt durch die Zähne:

»Denken Sie an Ihre Familie, besonders an Ihre Tochter. Ihnen könnte doch aus Versehen etwas zustoßen. Also regen Sie mich nicht auf, sondern kommen Sie meinen Forderungen nach.« Coleman, der nichts von den tragischen Ereignissen im Haus von Brown ahnt, beschwört mit diesen Worten sein Todesurteil herauf. Nach einer Weile, Brown hat sich die nächsten Sätze gut überlegt, schlägt er eine andere Art der Bezahlung vor. Coleman wird hellhörig.

»Wie Sie wissen, arbeite ich in einem biochemischen Institut. Als Leiter der Abteilung für biologische Grundstoffe habe ich Zugriff auf Drogen, wie zum Beispiel Kokain. Es wäre mir möglich, Ihnen von diesem absolut reinen Stoff etwas zukommen zu lassen.«

Colemans Augen beginnen begehrlich zu glänzen.

Brown fährt fort: »Sicher wollen Sie sich vorher von der Qualität überzeugen. Ich schlage deshalb Folgendes vor. Sie parken Ihren Wagen auf dem Parkplatz vom Institut, lassen die Seitenscheibe etwas offen und ich werfe durch den Spalt eine Probe des Kokains. Sie können sie dann in Ruhe prüfen. Wenn Sie zufrieden sind, werde ich versuchen, die Mengen, die Sie verlangen, heranzuschaffen.«

Coleman frohlockt, hier hat er einen Goldfisch an der Angel und stimmt mit den Worten zu: »Damit wäre ich einverstanden. Versuchen Sie aber keine Tricks.«

Am nächsten Montag, so hatten sie es vereinbart, steht das Auto auf dem Parkplatz. Coleman steigt aus und überbrückt die Wartezeit in einem sich in der Nähe befindlichen Café. Danach schlendert er zum Wagen zurück. Mit einem Blick erkennt er ein braunes Kuvert auf dem Beifahrersitz. Na also, die Sache beginnt zu laufen, denkt er, und fährt mit dem Kokain ins Büro. Browns Idee ist, mit der ersten Probe eventuelles Misstrauen vom Erpresser zu zerstreuen. Einer zweiten Probe würde der Mann trauen, und ohne weitere Untersuchung ausprobieren. Coleman hat die Möglichkeit, den Stoff auf seine Qualität zu testen. Das Ergebnis der ersten Probe ist überwältigend. So reines Kokain hat er noch nie in den Händen gehalten. Wenn Brown demnächst mehr lieferte, ginge er rosigen Zeiten entgegen. Während er den Stoff untersucht, taucht Juana auf und sieht interessiert zu.

»Mein Bärchen, beginnt sie und schmiegt sich an ihn«, »das ist doch so viel Stoff. Ob da ein wenig für deine Pussycat übrig bleibt?«

Coleman lächelt geschmeichelt und erwidert jovial: »Na gut, den Rest kannst du dir durch die Nase ziehen, aber ich erwarte einen Bericht, ob dir das Zeug zugesagt hat.« Sie schnappt sich das Tütchen mit dem Rest, drückt ihrem Bärchen einen dankbaren Kuss auf und verschwindet, wie immer Hüften schwingend, aus dem Büro. Seine rechte Hand Lennox Malone sitzt derweil still in der Ecke und hat zugesehen.

»Boss«, beginnt er mit der stets rauen Stimme, »kann´ste nicht ein Tütchen für mich besorgen. Gegen Bezahlung versteht sich.«

»Werd´ sehen, was sich machen lässt«, murmelt Coleman, der mit seinen Gedanken bereits dabei ist, Brown den nächsten Schritt zu diktieren.

*

Malone hat seinen Boss oft genug aus brenzlichen Situationen geholfen. Deshalb will Coleman ihm den Gefallen tun und bei Brown ein weiteres Probetütchen anfordern. Am Abend teilt er dem Doktor den Wunsch mit und verlangte die Übergabe für den nächsten Tag, zur gleichen Zeit auf dem Parkplatz. Der verspricht zu liefern. Brown ist erleichtert, dass Coleman so schnell eine zweite Probe möchte.

Was Coleman nicht weiß, der Wissenschaftler hat inzwischen erkannt, dass er ihn nie wieder aus den Klauen lassen würde. Am Abend vor der Lieferung sitzt Brown lange im Büro und durchdenkt die Aktion. Im Geiste geht er alle Gifte durch, die für diesen Zweck als geeignet erscheinen. Sie müssen in der Farbe genau dem Kokain gleichen. Außerdem sollte das Gift in kleinster Menge tödlich sein. Da huscht ein befreiendes Lächeln über sein müdes Gesicht. Er fährt in den Keller, wo die Gifte in einem hoch abgesicherten Raum verwahrt werden, gibt den Code am Türschloss ein und eilt zielstrebig auf einen Schrank zu, auf dessen Tür in roten Warnbuchstaben steht: Achtung Guanidinium Gifte! Mit äußerster Vorsicht füllt er etwa ein Gramm aus einem Glas ab und steckt es ein. Im selben Raum lagert auch eine kleine Menge reinstes Kokain. Ohne ein Zeichen der Erregung füllt er beiden Substanzen danach in ein Tütchen und verschließt es sorgfältig. Die Mischung reicht aus, um mehrere Menschen zu töten. Mit einem undefinierbaren Gefühl der Erleichterung fährt er nach Hause. Bald, ja bald würde der Albtraum vorbei sein.

So geschieht es, dass Coleman am besagten Tag wieder ein Kuvert mit einem Tütchen auf dem Vordersitz entdeckt und es in das Büro bringt. Malone ist nicht da und so legt er die Kokainprobe in das Schubfach des Schreibtisches. Dann verlässt er das Büro. Am späten Nachmittag taucht Juana auf und wundert sich, dass niemand im Büro ist. Der Kokainrausch ist längst verflogen und sie hatte vor, sich von Coleman mehr von dem Stoff geben zu lassen. Sie ist enttäuscht, dass er nicht da ist. Vielleicht hat er davon etwas versteckt, denkt sie, und beginnt zu suchen. Im Schubfach wird sie fündig. Sie zögert kurz, kennt sie doch die aufbrausende Art Coreys, überwindet sich, und steckt die Probe ein. Sie schließt das Büro ab und fährt in ihre kleine Wohnung in der Missouri Street. Das ist der Tag, an dem der Kleinganove Sweeney Juana aus dem Büro kommen sieht.

*

Auf dem Rückweg von einem Einsatz zum Department unterbricht O’Brian das Schweigen im Wagen mit den Worten:

»Wir kommen gleich nach Chinatown und meine Nase wittert ein zweites Frühstück in Form von ein paar leckeren Frühlingsrollen.« Bennet schüttelt den Kopf und murrt: »Vergiss es. Erst schreibe ich den Bericht und danach kannst du dir in der Kantine etwas Gesünderes zum Essen holen. Könnte deiner Figur nicht schaden.« O’Brian schaut den Kameraden enttäuscht von der Seite an und meint:

»Selbst wenn ich nur noch Salat äße, würde ich nie so mager werden wie du.«

Bennet setzt nach: »Kein Wunder, wenn du bei den Verfolgungen so schnell außer Atem bist und ich vorneweg rennen muss.« Der Rapport ist flink geschrieben. Ehe sie zur Kantine laufen, bringen sie die Ergebnisse ins Büro des Vorgesetzten. Bennet ergänzt mit einigen Erläuterungen den Bericht. Das Telefon lärmt dazwischen.

Captain Norris hebt den Hörer ab und eine aufgeregte Stimme meldet den Fund einer Leiche in der Missouri Street. »Immer langsam Officer«, beruhigt Norris den Anrufer. Dieser berichtet in knappen Sätzen die Sachlage.

»In Ordnung Officer, ich schicke Ihnen die Detectives.« Nach kurzer Information setzt er Bennet und O’Brian in Trab.

O’Brian knurrt: »Können die Leute sich nicht etwas später umbringen, wenigstens nach meinem Frühstück?« Ein paar Häuser hinter der Kreuzung Missouri - Mariposa Street sehen sie den Streifenwagen vor einem zweistöckigen, älteren Haus. Sie weisen sich aus und werden kurz von den Streifenpolizisten informiert.

An einen Officer gewandt ordnet Bennet an: »Sorgen Sie dafür, dass uns keine neugierigen Reporter bei der Arbeit stören.« »Sie können sich auf mich verlassen, Sir«, bestätigt der Cop die Anweisung und hebt das gelbe Absperrband für die beiden hoch.

Sie müssen nicht fragen, wo sich die Leiche befindet, sie riechen sie bereits. Im Obergeschoss, im Wohnzimmer, sehen sie eine junge Frau. Sie liegt rücklings auf dem Boden, mit einem Bein über dem umgestürzten Stuhl. Die langen schwarzen Haare bedecken teilweise ihr Gesicht. Die Klimaanlage arbeitet und verwirbelt den dumpfen Geruch gleichmäßig im Raum.

»Sie muss einmal sehr hübsch gewesen sein«, bemerkt Mark, als er in ihr vom Tod gezeichnetes Gesicht schaut.

»Der Tod scheint vor längerer Zeit eingetreten zu sein«, stellt der erfahrene Ermittler fest.

»Okay, ich rufe jetzt die Jungs von der Spurensicherung an«, entscheidet sein Partner Bennet. Er ist der Dienstältere und somit der Vorgesetzte von O’Brian. Das hat in den Jahren ihrer gemeinsamen Ermittlertätigkeit nie eine Rolle gespielt. Im Laufe der Zeit sind sie ein eingeschworenes Team geworden, wo sich jeder auf den anderen verlässt. Oft ohne Worte.

O’Brian hat, dank der enormen Körperkraft, manche heikle Situation geklärt. Gelang das nicht im Guten, reichten ein Hieb oder zwei Hiebe seiner Pranken aus, die Lage zu bereinigen. Abgesehen von dem Namen verraten die rotblonden Haare, die blauen Augen und die Sommersprossen seine irische Abstammung. O’Brian tritt an den Tisch. Auf der Tischplatte liegen eine Plastikscheckkarte und eine zusammengerollte Dollarnote dicht neben den kaum sichtbaren Spuren eines weißen Pulvers.

»Hat etwas zu viel von dem Zeug geschnupft«, murmelt er halblaut.

»Ich befrage die Frau, die die Tote gemeldet hat«, beschließt Bennet und stapft die Treppe hinunter ins Erdgeschoss.

»Nein, Officer, viel kann ich ihnen nicht über die Frau sagen. Sie hat die Wohnung vor einem Jahr gemietet, die Miete pünktlich gezahlt und hatte nie Männer mit nach oben mitgebracht. So gesehen war sie eine ideale Mieterin. Mich wunderte nur, dass sie nie hier übernachtete.«

» Ma’am, wodurch haben sie bemerkt, dass oben etwas nicht in Ordnung ist «, erkundigt sich Bennet.

»So gesehen hat sie Pepper entdeckt, nicht ich«, bei diesen Worten weist sie auf einen kleinen schwarz-weißen Hund, der unter dem Tisch liegt und den Detektiv misstrauisch beäugt.

»Er ist immer wieder nach oben gelaufen, hat leise gejault und an der Tür gekratzt. Das hat mir zu denken gegeben. Mit einem Zweitschlüssel, den ich für alle Fälle besitze, habe ich dann nachgesehen. Als ich mich gefasst hatte, habe ich sofort die Polizei gerufen.«

O’Brian hat in der Zwischenzeit den Ausweis der Toten in der Handtasche entdeckt.

»Juana López«, murmelt er halblaut. Wohl eine Latina, geht es ihm durch den Kopf. Er wühlt weiter in der Tasche und findet ein kleines Mobiltelefon. Er öffnet die Kontakte und liest. Er hofft, auf den Namen López zu treffen, um so eine Spur zur Familie oder zu Verwandten zu finden. Vergeblich.

Die Spurensicherung ist mit zwei Fahrzeugen eingetroffen. Die Männer in den Schutzanzügen werden augenblicklich von Pepper mit wütendem Gekläff empfangen. Sie betreten den Raum und bitten O’Brian hinauszugehen, um nicht Spuren zu verwischen. Missbilligend sehen sie, dass er die Handtasche untersucht hat.

O’Brian lehnt entspannt am Türrahmen und schaut zu. Ein junger Mann namens Miller, der sicher noch nicht lange in dieser Spezialabteilung ist, betätigt sich übereifrig. Er entdeckt die Pulverreste auf dem Tisch, befeuchtet seinen Handschuhfinger, tupft ein wenig von dem Pulver auf und leckt daran. Er dreht sich zu den anderen um und erklärt mit wichtiger Miene:

»Ja, eindeutig Kokain.« In den nächsten Minuten überschlagen sich die Ereignisse. Miller packt heftig einen der Kameraden am Arm, zeigt auf seinen Mund und versucht etwas zu sagen. Doch was er sagt, ist kaum zu verstehen. Die Worte sind undeutlich und der Kollege bemerkt mit Entsetzen, dass Miller schwankt, seine Arme Hilfe suchend in der Luft herumrudern und er nach Luft ringt. Sie begreifen sofort, dass es sich hier um eine Vergiftung handelt, die garantiert nicht von der kleinen Menge an Kokain herrührt.

O’Brian hat zum Mobiltelefon gegriffen und den Rettungsdienst alarmiert. Der kurz danach eintrifft. Miller liegt am Boden. Seine Arme und Beine werden von Krämpfen geschüttelt. Das Atmen fällt ihm immer schwerer. In kurzen Worten informieren sie die Helfer. Sie bringen den Kollegen in eine auf Vergiftungen spezialisierte Klinik. Der Leiter der Spurensicherung befiehlt, nur mit äußerster Vorsicht weiterzuarbeiten. Reste von dem unbekannten Stoff werden gesichert. Unter dem Tisch entdecken sie ein kleines Tütchen, das Reste weißen Pulvers enthält.

»Hoffentlich handelt es sich um denselben Stoff. Dann haben wir genug Material, um herauszufinden, was das für ein Teufelszeug ist«, bemerkt einer der Männer.

Sie arbeiten zügig und routiniert. Doch jeder denkt an den jungen Kollegen und wie es ihm ginge. Nachdem Juana untersucht ist, gibt man sie frei zur Abholung in die Gerichtsmedizin. Bennet ist in der Zwischenzeit nach oben gekommen.

»Das ist eine echt mysteriöse Sache«, grübelt er und, indem er sich an O’Brian wendet, äußert er:

»Morgen werde ich mich bei Dr. Parker von der Pathologie erkundigen, ob sie eine Ahnung hat, was das für ein Gift sein könnte.«

O’Brian grinst und spottet:

»Du suchst doch nur einen Grund um mit Kaylee zu sprechen.« Bennet geht auf die Bemerkung nicht ein und mahnt zum Aufbruch. Im Wagen resümiert er:

»Das sieht nach einer Vergiftung aus. Vorsätzlich, oder vielleicht aus Versehen. Trotzdem sind wir nicht aus der Sache raus, wenn es darum geht, denjenigen zu finden, der das Kokain mit dem unbekannten Gift versetzt hat.«

Im Büro hört sich Captain Norris den Bericht an und entscheidet: »Sollte sich der Fall ausweiten, dann werden Sie ihn weiter bearbeiten. Vorerst keine Information an die Presse, dass es sich hier um vergiftetes Kokain handelt. Wir sollten erst die Untersuchung abwarten.« Vor der Tür meint Bennet:

»Hab´s dir doch gesagt, dass wir dranbleiben werden.«

*

Corey Coleman läuft zur selben Zeit wie ein hungriges Raubtier im Büro auf und ab. Bei jedem Schritt seines massigen Körpers klirren die Gläser und Flaschen auf dem Tisch. Die Klimaanlage surrt auf vollen Touren. Der kühle Windzug verhindert nicht, dass sich Schweißperlen auf der Stirn bilden. Wütend zerdrückt er die halb aufgerauchte Zigarette im übervollen Aschbecher. Wo ist Juana? Seit zwei Tagen hat er nichts mehr von ihr gehört. Am Freitag hatte er ihr ein paar Bucks in die Hand gedrückt und sie grinsend ermahnt:

»Teil sie dir gut ein und denk daran, das Geld hab ich schwer verdient.« Sie hatte ihn heftig umarmt und sich mit einem Kuss ihrer vollen Lippen bedankt. Dann verließ sie mit ihrem aufreizenden Gang das Büro.

Er bleibt kurz stehen, sieht aus dem Fenster auf die vorbeieilenden Menschen in der Market Street und hofft sie zu entdecken. Seine Vermutungen überschlagen sich. Hat sie einen anderen Mann kennen gelernt? Gegen diesen Gedanken wehrt sich sofort sein Besitzerstolz. Nie hinterginge sie ihn. Davon ist er felsenfest überzeugt, denn Juana kennt ihn gut genug, um zu wissen, dass das ihr und das Ende des neuen Partners bedeuten würde. Es bleibt nur ein Unfall als Erklärung. Die beiden vorangegangenen Tage hatte er seine Spitzel beauftragt, herauszufinden, was geschehen sein könnte. Ohne Erfolg.

Vor einigen Jahren schmuggelte er sie als Sechzehnjährige mit falschen Papieren aus einem ärmlichen Nest in Mexiko über die Grenze. Sie dankt es ihm mit der Hingabe ihres jungen Körpers. Niemand würde es wagen, sich ihr unziemlich zu nähern. Bereits eine anzügliche Bemerkung brachte dem Sprecher ein paar ausgeschlagene Zähne ein.

Jetzt, da er unangefochten einen Bezirk für sich beansprucht, bereichert Juana sein Leben auf das Angenehmste. Coleman hat seinen Einflussbereich so ausgewählt, dass die großen Gangsterbosse ihn nicht für eine ernsthafte Konkurrenz ansehen. Für den Lebensunterhalt reichen ein paar Spieltische in dunklen Hinterzimmern, einige Damen, die anschaffen, Schutzgeld von unter Druck gesetzten Geschäftsleuten und ab und zu, wenn sich die Gelegenheit bietet, ein wenig Drogenhandel. Sein Leben verlief, bis vor zwei Tagen, so wie er es geplant hatte.

*

Lennox Malone stürzt, ohne anzuklopfen, in Colemans Büro. »Was´n los, dass du hier rein stürmst, als ob das Haus in Flammen steht«, brummt der Boss.

»Wirst gleich sehen, warum«, entgegnet Malone und knallt die heutige Ausgabe des San Francisco Examiners auf den Schreibtisch.

»Die haben ´ne Leiche gefunden. Die Beschreibung könnte auf deine Juana zutreffen. Lies, was ich dir unter Polizeinachrichten angestrichen habe.« Coleman überfliegt den Artikel und schüttelt zweifelnd den Kopf. »Das verstehe ich nicht. Seit wann hat Juana eine Wohnung in der Missouri Street? Sie ist nie eine Nacht weggeblieben. Vielleicht ist das ´ne Bleibe von ´ner Freundin. Hier steht, dass es Kokain war, das sie umgebracht hat. Da ist etwas faul. Juana kannte die Grenzen. Entweder man hat sie gezwungen, zu viel zu nehmen, oder das Zeug war mit weiß was gestreckt.

Coleman liest weiter und Malone sieht, wie er die Lippen zusammenkneift und schwer atmet. Mit vor Erregung zitternder Stimme befiehlt er: »Sieh zu, was du in Erfahrung bringen kannst.« Malone führt jeden Befehl Colemans bedingungslos aus. Ehe er aus dem Raum ist, ruft er ihm nach: »Pinky soll die Ohren aufsperren und seine Kontakte aktivieren.«

Pinky hat sich vor Jahren, um einer längeren Haftstrafe zu entgehen, als Polizeispitzel in Colemans Gang eingeschlichen. So gibt er einerseits Informationen über die Gang an die Polizei und andererseits warnt er Coleman vor Razzien. Er weiß, wie gefährlich das doppelte Spiel für ihn ist. Er keine andere Chance, seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Kaum hat Malone den Raum verlassen, steckt Sam Sweeney den Kopf zur Tür herein.

»Boss,´tschuldige, aber mir ist etwas eingefallen«, nuschelt er durch die Zahnlücken. Coleman verachtet den schmierigen Kleinganoven zwar, setzt ihn aber ab und zu für seine Zwecke ein.

»Komm schon rein und mach´s kurz«, knurrt Coleman ungehalten.

»Na ja, vor drei Tagen saß ich gegenüber, hab ein Hotdog gegessen und auf dich gewartet. Da sehe ich Juana angestöckelt kommen. Sie verschwindet im Haus und kommt nach kurzer Zeit wieder raus, hatte es sichtlich eilig zu verschwinden.«

»Ist schon gut, Sweeney, danke für die Beobachtung. Du kannst jetzt ´ne Fliege machen, im Moment habe ich nichts für dich«, mit diesen Worten ist er entlassen.

*

Im Police Department herrscht eine gedrückte Stimmung. Soeben haben sie von der Klinik erfahren, dass ihr Kollege Ben Miller an den Folgen der Vergiftung verstorben ist. Captain Norris beordert Bennet und O’Brian zu sich.

Ohne Einleitung poltert er los: »Wissen Sie, wer das mit dem vergifteten Stoff herausposaunt haben könnte? Ein Kollege vom Rauschgiftdezernat hat mich gerade angerufen und sich darüber beklagt, dass einer von unseren Jungs nicht dichtgehalten hat. Ich habe den Verdacht umgehend zurückgewiesen, aber irgendwie ist etwas durchgesickert.« Bennet zieht die Stirn in seine bekannten Dackelfalten und meint:

»Eine Schwachstelle könnte unter Umständen bei der Vermieterin von Juana liegen. Ich sah, wie sie sich mit der Mannschaft des Rettungswagens unterhielt. Vielleicht haben die eine Vermutung geäußert?«

O’Brian: »Wird nicht lange dauern und die Geschichte landet bei den Pressefritzen. Dann werden die wie die Aasgeier über uns herfallen und uns mit Fragen löchern.«

»Danke für die erfreuliche Prognose«, schnaubt Norris. »Beinahe hätte ich vergessen, zu erwähnen, dass unser Labor das Gift zur Untersuchung an ein Speziallabor des FBI gesandt hat. Bei uns konnten sie nur herausfinden, dass es so etwas wie organisches Arsen ist. Die Kollegen der forensischen Abteilung haben bestätigt, dass keine Spuren einer anderen Person, als die des Opfers, in der Wohnung zu finden waren.«

Im Vorzimmer des Captains bleibt O’Brian kurz bei Nora White stehen, die für Norris die Schreibarbeiten erledigt, und raunt ihr zu: »Bitte nicht vergessen, um dreizehn Uhr in der Kantine.« Bennet, der ein paar Schritte weiter ist, lässt O’Brian herankommen und flüstert ebenso geheimnisvoll: »Ich dachte, du angelst nur Forellen?« Sein Partner wechselt leicht die Farbe, weil er sich ertappt fühlt, und knurrt zurück: »Mir ist ein Mädchen, das mit Bleistiften und PC hantiert angenehmer als eine, die tagtäglich Leichen zerschnippelt.« Wobei er mit einem Grinsen auf Bennets Bekanntschaft aus der Pathologie abzielt. Bennet weiß, dass O’Brian unter der Scheidung gelitten hat und monatelang mürrisch und nachlässig seinen Dienst verrichtete. Umso mehr freut er sich, dass er durch Nora White wieder neuen Lebensmut an den Tag legt. Was die gemeinsame Arbeit enorm erleichtert.

»Verdammt«, murmelt O’Brian, »wenn wir wüssten, um welches Gift es sich handelt, dann hätten wir wenigstens einen kleinen Ansatzpunkt, um nach der Quelle zu suchen. Ich habe da eine Idee. Wir sollten Pinky unauffällig aufsuchen und ihn bitten, sich umzuhören, ob in den gewissen Kreisen Gerüchte kursieren. Ich schlage vor, dass das unser neuer Kollege McDuffy übernehmen kann. Er ist in der Szene unbekannt und kann so unbefangen mit Pinky reden. Bennet ist einverstanden und instruiert McDuffy. Der findet den Informanten in Chinatown. Dieser ist anfangs misstrauisch, da er McDuffy nicht kennt. Erst als er ihn heimlich den Dienstausweis zeigt und Grüße von Mark O’Brian bestellt, wird er zugänglicher.

»Auf die Antwort, wer die junge Lady gekillt hat, wartet Juanas Boss Coleman ebenfalls. Ich habe von ihm den Auftrag, mich vorsichtig bei der Polizei umzuhören.«, vertraut er McDuffy an.

»Ja und was hast du bisher herausgefunden?«, erkundigt sich der Detektiv. Pinky sieht ihn von der Seite an, tippt ihn mit dem Zeigefinger auf die Brust und knurrt: »Das Duzen müssen Sie sich erst einmal verdienen. Für Sie bin ich Mister Pinky, kapiert.«

»Entschuldigung, war nicht so gemeint. Ich werde daran denken«, erwidert McDuffy.

»Schon gut, aber es ist überall ruhig, absolute Funkstille. Besonders die aktuelle Mitteilung in der Presse, dass der Stoff mit Gift gemischt war, treibt einigen Dealern den Schweiß auf die Stirn. Der Umsatz soll enorm zurückgegangen sein.«

Sie verabreden sich für die kommende Woche nicht in Chinatown, sondern im Mission Commons Park zu treffen, der einen Block südlich des Departments liegt.

An diesem Tag überrascht er McDuffy mit der Nachricht: »Seit einer Weile war ich nicht bei Coleman im Büro. Kurz nach dem Tod von Juana hatte mir Malone vom Boss ausrichten lassen, ich soll meine Ohren aufsperren und dann berichten. Da ich erst mit der Polizei sprechen wollte, wie ich mich verhalten soll, habe ich mich vorerst nicht in Colemans Büro sehen lassen. Gestern hat mich Malone in Chinatown erwischt und mich ausgequetscht, ob ich etwas Neues wüsste. Als ich verneinte, tat er geheimnisvoll und ließ nur durchblicken, dass sich Coleman Tag und Nacht den Kopf zermartert, wer dahinter steckt.«

McDuffy bedankt sich mit den Worten: »Recht vielen Dank Mister Pinky für die Information«, wobei er das »Mister« besonders betont. Der grinst nur und trollt sich.

*

McDuffy steht vor Bennet und tritt unruhig von einem Bein auf das andere.

»Und, was haben Sie von Pinky erfahren?«, wendet sich Bennet an den neuen Kollegen. »Viel hat er nicht herausgefunden, aber er meinte, ein gewisser Coleman wäre sehr daran interessiert, denjenigen zu finden, der die junge Frau getötet hat«, berichtet McDuffy.

O’Brian, der neben Bennet steht, zieht die buschigen Augenbrauen zusammen, sodass es aussieht, als näherten sich zwei behaarte Raupen und sinniert: »Coleman, Coleman, da war doch etwas. Ja, ich erinnere mich wieder. Den haben wir mehrfach festgenommen, aber seine Anwälte haben ihn stets vor einer Verurteilung gerettet. Wenn der wissen will, wer die López vergiftet hat, dann muss sie für ihn irgendwie wichtig gewesen sein. So wie die aussah, war sie wohl eine seiner Lieblingsgespielinnen«, fügt er grinsend hinzu.

Bennet ergänzt: »Jetzt kommt es darauf an, wer den Giftmischer zuerst findet. Ich könnte mir denken, dass er lieber von uns gefunden werden will. Denn Coleman brächte ihn langsam und mit Genuss um, da bin ich mir sicher.« Aufgrund dieser neuen Sachlage ordnet Captain Norris an, Coleman zu einer Befragung vorzuladen.

Mit einem unguten Gefühl betritt Coleman das graue Gebäude, dessen andere Abteilungen er in unangenehmer Erinnerung hat. Mehrfach war er festgenommen worden und jedes Mal hatten seine hoch bezahlten Verteidiger es nicht zur Verhandlung kommen lassen. Ein Officer bittet ihn, im Befragungszimmer Platz zu nehmen und notiert die Personalien. Dann verlässt er den Raum und die Ermittler übernehmen. Bennet sieht, wie Coleman das Gesicht verzieht, als er die beiden erblickt.

Mit: »Wie ich sehe, freuen Sie sich, uns zu sehen«, nimmt Bennet die Unterhaltung auf. Der Gangster quetscht ein: »Könnte drauf verzichten«, heraus. Beide Detectives befragen ihn abwechselnd in bewährter Weise. Colemans Bitte rauchen zu dürfen, lehnen sie ab. Sie bieten ihm ein Glas Wasser an, das er mir sichtlichem Abscheu von sich wegschiebt. Er bestätigt, ja, Juana war eines meiner Mädchen und ja, ich bin brennend daran interessiert, denjenigen zur Rechenschaft zu ziehen, der sie ins Jenseits befördert hat. Bennet sieht in die hellgrauen, ausdruckslosen Augen seines Gegenübers und ahnt, zu welcher Grausamkeit dieser Mann fähig sein könnte. O’Brian: »Das ist allein Aufgabe der Justiz und es wäre für uns hilfreich, wenn Sie mit uns zusammenarbeiten.«