Deutsche Herzen - Deutsche Helden - Karl May - E-Book + Hörbuch

Deutsche Herzen - Deutsche Helden E-Book

Karl May

3,8

Beschreibung

Empfohlen für alle, die sich für epische Abenteuer, deutsche Geschichte und komplexe Charaktere interessieren, ist 'Deutsche Herzen - Deutsche Helden' ein zeitloses Meisterwerk, das Leser aller Altersgruppen fesseln wird. Durch Mays meisterhafte Erzählkunst und seine Fähigkeit, den Leser in eine faszinierende Welt zu versetzen, bietet dieses Buch eine einzigartige Leseerfahrung, die sowohl unterhaltsam als auch lehrreich ist. Tauchen Sie ein in die Welt von Karl May und lassen Sie sich von 'Deutsche Herzen - Deutsche Helden' verzaubern.

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Karl May

Deutsche Herzen - Deutsche Helden

          Books

Inhaltsverzeichnis

1. Capitel. Eine deutsche Sultana.
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Zweites Kapitel. Die Königin der Wüste.
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Im Thale des Todes
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Dritte Abtheilung. Der Engel der Verbannten.
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1. Capitel. Eine deutsche Sultana.

Inhaltsverzeichnis

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Inhaltsverzeichnis

»Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Lob und Preis sei Gott, dem Weltenherrn, dem Allerbarmer, der da herrschet am Tage des Gerichtes. Dir wollen wir dienen, und zu Dir wollen wir flehen, auf daß Du uns führest den rechten Weg, den Weg Derer, die Deiner Gnade sich freuen und nicht den Weg Derer, über welche Du zürnest, auch nicht den Weg der Irrenden!«

Diese Worte enthalten die erste Sure aus dem Koran, welcher die heilige Schrift der Muhamedaner ist. Sie erklangen laut und scharf über den Kirchhof hinüber, und es war, als ob vor ihnen sich die Cypressen und die Wipfel der immergrünen Cedern beugten.

Der, welcher sie sprach, stand an einem Grabe, welches von kostbarem Marmor eingefaßt war. Zu Häupten des Hügels prangte ein Turban von Alabaster und eine goldverzierte Tafel mit der Inschrift:

»Hier schläft Melek Pascha, ermordet am sechszehnten des heiligen Monates Moharrem. Allah verderbe den Mörder! «

Derjenige, welcher das Gebet gesprochen hatte, war ein junger Mann im Alter von ungefähr achtundzwanzig Jahren. Er war in reiche türkische Tracht gekleidet und trug kostbare Waffen in dem seinen Kaschmirgürtel. Sein Gesicht war hager und zeigte scharf geschnittene Gesichtszüge. Die Nase war fast habichtsartig gebogen; von den dünnen, blutleeren Lippen hing ein dünner, schwarz gefärbter Schnurrbart zu beiden Seiten lang herab, so daß er die verächtlich nach unten gebogenen Mundwinkel bedeckte; die Augen waren klein, von unbestimmter Färbung, von blutigen Aederchen durchzogen und blickten spitz, kalt und mit grausamem Ausdrucke unter dem wimperlosen, gerötheteten Oberlide hervor. Die schmale, eckige Stirn verschwand fast ganz unter dem großen Turban, welchen der Mann trug.

Dieser hatte den Degen gezogen und die Klinge mehrere Zoll tief in das Grab gesteckt. Während seiner Rede ruhte seine Rechte wie beschwörend auf dem goldenen, mit Diamanten verzierten Griff des Degens.«

An der anderen Seite des Grabes stand ein alter, unbeschreiblich hagerer Mann in der rauhen Tracht der heulenden Derwische. Er hatte die Hände andächtig gefaltet und mit tief gesenktem Haupte die Worte des Anderen angehört. Jetzt erhob er den Kopf. Sein großes, fanatisch glühendes Auge richtete sich auf den Gegenüberstehenden, und er begann nun im salbungsvollen Tone:

»Du bist Ibrahim Effendi, der weise, reiche und tapfere Liebling des Sultans, welcher der Beherrscher der Gläubigen ist. Du bist zu mir gekommen, damit ich Zeuge sei des Schwures, den Du an diesem Grabe ablegen willst. So höre die Worte des heiligen Gesetzes, welches lautet: »Die Hand des Schwörenden soll verdorren, wenn er sein Gelübde nicht erfüllt; sein Leib soll austrocknen, sein Herz zu Stein werden, und seine Seele soll wandern in ewigem Grauen und unendlicher Qual!« Und nachdem Du dies vernommen hast, frage ich Dich, Ibrahim Effendi, ob Du noch immer bereit bist, den Schwur am Grabe Deines ermordeten Vaters abzulegen?«

»Ich will es,« ertönte die feste Antwort.

»Nun wohlan! Der Mörder Deines Vaters war ein Christ. Fluch ihm!« –

»Ja, Fluch ihm!«

»Er war ein Deutscher. Allah möge ihm keine Ruhe gönnen!«

»Keine Ruhe in alle Ewigkeit!«

»Du gelobst hiermit bei dem Propheten, bei allen heiligen Khalifen und bei der abgeschiedenen Seele des Ermordeten, daß Du den Mörder aufsuchen wirst, um ihn zu verderben, ihn und Alle, die seinen verruchten Namen tragen!«

»Ich gelobe es!«

»Du wirst keine Beschwerde und keine Leiden scheuen, Du wirst Deine Habe, Dein Blut und Dein Leben opfern, wenn dies nöthig ist, um Dein Gelübde zu erfüllen!«

»Bei Allah, das werde ich!«

»So ist Dein Schwur gesprochen, und ich nehme ihn entgegen, um ihn zu vergleichen in den Büchern der Geister, welchen Allah befohlen hat, dem Rächenden zu dienen. Auge um Auge, Blut um Blut, Zahn um Zahn, Leben um Leben! Wenn Du diesen Schwur vergissest, so soll die Luft Dich ersticken, das Wasser Dich ersäufen und das Feuer Dich verbrennen; der Blick Deines Weibes soll wie ein Dolch sein, und der Kuß der Geliebten soll Dich vergiften; Deine Freunde sollen Dich verlassen und Deine Verwandten sich Deiner schämen; Du mögest sein wie der Hund auf der Straße, wie die Ratte im Kothe und wie der Schakal in der Wüste, welcher Tag und Nacht vor Hunger heult. Und nun laß uns den Namen des Mörders übergeben den bösen Geistern, welche wohnen in der Hölle, wo sie am tiefsten ist. Wie lautet er?«

»Er ist ein deutscher Name und nicht für die Lippen der Gläubigen gemacht. Seine verfluchten Silben lauten Adlerhorst.«

Der Derwisch brachte ein Stück Papier und einen Schreibstift aus der Tasche, schrieb den ihm fremden Namen auf, so gut es ihm möglich war, grub mit dem Messer ein Loch in das Grab, legte den Zettel hinein und machte das Loch wieder zu. Dann kniete er nieder, legte die Linke auf die Stelle des Loches, erhob die Rechte gen Himmel und murmelte unverständliche Worte. Dann, als er sich wieder erhoben hatte, sagte er laut:

»Es ist geschehen! Du bist Ibrahim Effendi, der glorreiche Sohn Melek Pascha’s. Er war kein träger Türke, sondern er stammte aus dem wilden Kurdistan, welches auch meine Heimath ist. Dort gelten noch die Gesetze des Blutes, und nach diesen Gesetzen wirst Du handeln. Da, wo das Herz des Todten ruht, ist auch der Name seines Mörders vergraben. Wenn er über die Brücke geht, welche in das ewige Leben führet, wird er diesen Namen hinabschleudern in die Schluchten und Abgründe der Hölle, und alle Unterthanen des Teufels werden sich aufmachen, um Jeden zu verderben, der diesen Namen trägt. Ich bin zu Ende. Ist auch Deine Rache zu Ende, so weißt Du, wo Du mich findest. Allah sei bei Dir!«

Er entfernte sich, und nach kurzer Zeit verließ auch Ibrahim Effendi den Gottesacker. – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Nach zwei Jahren standen diese Beiden wieder an demselben Grabe, der Sohn des Ermordeten hüben und der Derwisch drüben. Ibrahim Effendi betete wieder die Worte der ersten Sure des Koran, und dann sagte der Derwisch:

»Du hast mich gerufen an den Ort, an welchem Dein Gelübde geboren wurde. Soll ich suchen nach dem Namen des Mörders?«

»Suche ihn!«

»Der Derwisch zog sein Messer hervor und grub da nach, wo er vor zwei Jahren den Zettel vergraben hatte. Das Papier war verschwunden – verfault natürlich.

»Was ich Dir verhieß, das ist geschehen,« sagte der Derwisch. »Der Name des Mörders fuhr zur Hölle. Daraus ersehe ich, daß Deine Rache gelungen ist.«

»Sie ist gelungen,« stimmte Ibrahim Effendi bei, indem seine Augen unheimlich leuchteten. »Der Mörder ist eines unbeschreiblich qualvollen Todes gestorben; sein Weib hat die Zunge und die Hände verloren, und seine Söhne und Töchter, alle seine Verwandten sind verachtet, verfolgt, in alle Welt zerstreut, ohne Heimath, ohne Ruhe, hungernd und durstend, seufzend und schmachtend in fluchbeladener Armseligkeit.«

»So entbinde ich, der Zeuge Deines Schwures, Dich jetzt nun Deines Gelübdes. Allah gebe Dir tausend glückliche Jahre hier auf Erden und hernach das ewige Leben mit allen Freuden und Wonnen des Paradieses.« – – – – – – – – – – – – – – – –

Diese beiden Scenen am Grabe des ermordeten Pascha mußten geschildert werden, denn sie bilden die Schlüssel zu all’ den geheimnißvollen Räthseln welche unsere »deutschen Herzen und deutschen Helden« zu lösen haben werden.

Seit jener Zeit war weit über ein Jahrzehnt vergangen. Ein schöner, nicht zu heißer Sommertag lag warm auf den schlanken Thürmen von Konstantinopel. Tausende von Anhängern aller Nationen erfreuten sich, über die beiden Brücken gehend, des zauberischen Panorama’s, welches die Stadt von Außen her bietet. An den Quais lagen die Dampf-und Segelschiffe aller seefahrenden Völker, und auf den glitzernden Wogen wiegten sich die eigenthümlich geformten türkischen Gondeln und Kähne, zwischen denen zuweilen ein kühner Delphin lustig aus dem Wasser emporschnellte oder eine Gesellschaft fliegender Fische eine schwirrende Lustparthie machte.

Von Osten her, aus der Gegend des schwarzen Meeres, kam eine kleine, allerliebste Dampfyacht geschossen, leicht und graziös zur Seite biegend, wie eine Tänzerin, welche sich am Arme ihres Tänzers, das schöne Köpfchen hingebend neigend, den berauschenden Tönen eines Strauß‘schen Walzers hingiebt.

Das schmucke, außerordentlich schnelle Fahrzeug bog um die Spitze des Stadttheiles Galata herum, ging unter den Brücken hindurch und legte sich vor Pera vor Anker. Pera ist derjenige Stadttheil von Constantinopel, welcher vorzugsweise von den Europäern und ihren Gesandten und Consuls bewohnt wird.

Die erwähnte Dampfyacht hatte eine Eigenthümlichkeit, welche bereits in europäischen Häfen auffallen mußte, hier aber, unter Orientalen, noch viel drastischer wirkte. Nämlich am Vordersteven, wo gewöhnlich der Name des Schiffes angebracht zu sein pflegt, erhob sich ein wohl zwei Meter hoher, sehr starker, aus Holz geschnitzter Rahmen, welcher ein ganz eigenthümliches Gemälde umfaßte.

Das Bild stellte einen Mann in Lebensgröße dar. Alles, was er trug Hose, Weste, Rock, Schuhe, sogar der hohe Cylinderhut, war grau und schwarz carrirt, aber mit ziemlich großen Carrees! Selbst der riesige Sonnenschirm, welchen er in der Hand hatte, war ebenso carrirt. Das Gesicht des Mannes war außerordentlich lang gedehnt. Eine lange Adler-oder Habichtsnase hätte dazu gepaßt, statt dessen aber saß in diesen langen Zügen ein kleines, dickes Stumpfnäschen, fast geformt wie eine dicke Fußzehe. Das gab diesem Gesichte einen wunderbar komischen Ausdruck. War dieses Bild das Portrait eines wirklich existirenden Menschen, so mußte derselbe einen höchst ungewöhnlichen Grad von Gutmüthigkeit und Wohlwollen besitzen.

Ueber dem Rücken hatte die Gestalt etwas Langes hängen. Entweder war das ein Blas-oder ein Fernrohr. Und aus der linken Brusttasche, außen am Rocke, ragten einige Gegenstände hervor, deren Natur und Bestimmung nicht wohl verrathen werden konnten. Ueber diesem Bilde stand in großen goldenen Lettern der Name der Yacht: » Lord Eagle-nest«.

Als der kleine Dampfer in den Hafen einlenkte, wurde das Bild von den am Lande stehenden Orientalen mit Staunen betrachtet. Nahe am Quai stand ein alter Derwisch, dessen große, dunkle, fanatisch blickende Augen auch verwundert auf dasselbe gerichtet waren. Er sah die Schrift und versuchte, sie zu entziffern. Ein eigenthümliches Zucken ging über sein Gesicht. Er blickte sich suchend um. Als er unweit von sich einen griechisch gekleideten Mann sah, welcher das Abzeichen eines Dragoman (Dolmetschers) trug, schritt er auf denselben zu, verneigte sich grüßend und sagte:

»Verzeihe, Herr! Bist Du in den Sprachen der Abendländer wohl bewandert?«

»Ja. Das ist mein Beruf.«

»Welcher Sprache gehören die Worte unter diesem Bilde an?«

»Der Sprache der Engländer.«

»Willst Du mir wohl sagen, wie sie klingen und was sie zu bedeuten haben?«

»Sie werden ausgesprochen »Ihglnest« und bedeuten so viel wie Adlernest oder Adlerhorst.«

Der Derwisch fuhr einen Schritt zurück, faßte sich aber schnell und sagte unter einer höflichen Verbeugung:

»Ich danke Dir. Ich bin arm. Allah mag Dich bezahlen.«

Er schritt wieder dahin, wo er vorhin gestanden hatte, nahm die Yacht scharf in die Augen und murmelte:

»Adlerhorst! Das ist ja jener verfluchte Name! Ist er denn nicht ausgerottet? Der Mörder war ein Deutscher; dieses Schiff aber kommt aus England. Giebt es auch dort diesen Namen? Ich werde hier bleiben, um zu beobachten. Das Weib jenes Deutschen beschimpfte mich. Mein war die Rache, und Ibrahim Effendi war nur mein Werkzeug. Sollte es noch Angehörige jener Familien geben? Ich werde forschen!«

Die Maschine des Dampfers hatte gestoppt, und der Capitain war von der Commandobrücke gestiegen. Da öffnete sich die Cajütenthür und heraus trat – – dieselbe Gestalt, wie sie vorn auf dem Bilde zu sehen war, ganz genau so. Sehr lang und hager, war sie in grau und schwarz carrirten Stoff gekleidet. Der übermäßig hohe Cylinderhut, der riesige Regenschirm, den er in der Hand hatte, auch diese Beiden waren carrirt. An einem über die Achsel gehenden Riemen hing ein unendlich langes Fernrohr, welches bereits vor der Sündfluth existirt zu haben schien, und aus der linken, äußeren Brusttasche ragten zwei Gegenstände hervor, über welche man sich schier zu verwundern hatte, nämlich – – ein gewaltiger Streichriemen und ein Rasirmesseretui. In der Rechten hielt dieser höchst ungewöhnliche Mann ein Buch, auf dessen Umschlag in deutscher Sprache der Titel zu lesen war:

»Textbuch. Die Entführung aus dem Serail. Große Oper von Wolfgang Amadeus Mozart.«

Auch das Gesicht glich ganz demjenigen auf dem Bilde, es war sehr lang gezogen, äußerst gutmüthig und hatte die erwähnte große Fußzehe anstatt der Nase, und darauf saß eine rundglasige Hornbrille, welche den komischen Eindruck um das Doppelte verstärkte.

Der Capitain verneigte sich und fragte:

»Wollen Euer Lordschaft an Land gehen?«

»Ja. Wohin sonst? An’s Land natürlich! Oder soll ich etwa auf dem Wasser laufen, he, wie?«

Er hatte das scherzend gesagt und lachte dabei im ganzen Gesichte. Auch der Capitain lachte und antwortete:

»Das würde schwerlich möglich sein. Aber warum so schnell an Land gehen? Constantinopel muß von hier aus betrachtet werden. Von hier aus wirkt es großartig; im Innern aber ist es eng, schmutzig und winkelig. Der Türke nennt seine Hauptstadt »Wangenglanz des Weltantlitzes«, und er hat Recht, nämlich von hier aus, wo wir uns befinden.«

»Wangenglanz? Unsinn! Weltantlitz? Blödsinn! Hat die Welt Wangen oder Backen? Horrende Dummheit! Diese Türken sind Esels. Das einzig Brauchbare an ihnen sind ihre Weiber, ihre Frauen und Mädchens.«

Ueber das Gesicht des Capitains ging ein ironisches Zucken. Er verbeugte sich zustimmend und fragte:

»Haben Eure lordschaftliche Herrlichkeit bereits eine türkische Frau oder ein türkisches Mädchen gesehen?«

»Ja, natürlich! Zwar nicht hier, aber in Berlin. Famose Oper, die Entführung aus dem Serail von Mozart. Ich gehe nicht eher fort, als bis ich mir so Eine aus dem Harem geholt habe. Hier, da, sehen Sie, Capitain, da ist das Textbuch dazu! Es fehlten nur noch Frau und Harem. Aber Beide sind sehr leicht zu finden, denn Weiber und Harems giebt es hier in Masse. Jetzt adieu!«

»Wann darf ich Euer Lordschaft erwarten?«

»Gar nicht. Ich komme, wenn es mir beliebt.«

Er turnte sich mit langen Schritten über den schmalen Landungssteg hinüber und gebrauchte dabei den großen, zugeklappten Regenschirm wie ein Seiltänzer seine Balancirstange.

Als er an dem Derwisch vorüberging und dessen Augen so prüfend auf sich gerichtet sah, spuckte er verächtlich aus und murmelte vor sich hin:

»Ein Derwisch! Fatales Gesicht! Ominöse Physiognomie! Könnte ihm einen Fußtritt geben, dem Kerl!«

Der Kapitain hatte ihm lächelnd nachgeblickt. Der Steuermann kam herbei und fragte, auch lächelnd:

»Spukt die Entführung noch immer?«

»Natürlich! Er sucht nach einem Harem.«

»Wird aber wie überflüssiger Dampf abgepfiffen werden.«

»Gott bewahre! Er schwärmt nur, bis er etwas Anderes findet. Eine Entführung aus dem Harem ist ein Unding. Es fällt ihm gar nicht ein, sich die Finger zu verbrennen; aber er ist einmal so, er muß irgend eine abenteuerliche, unmögliche Idee haben. Für uns ist das nur vortheilhaft, und da er außer seinen Schrullen ein unmäßig reicher und auch seelensguter Herr ist, so bin ich ganz und gern bereit, mit ihm auf unserem kleinen Dinge zehnmal rund um den Erdball herumzudampfen. Für so einen Master wagt man schon Etwas. Es giebt keinen Zweiten!«

Der, von welchem die Rede war, spazierte durch Pera langsamen Schrittes, und ganz vergnüglich Alles beobachtend, was sich seinen Blicken bot. Daher kam es, daß er sich zuweilen umblickte, und da bemerkte er, daß der Derwisch sich stets und genau hinter ihm hielt.

»Was will der Mensch von mir?« fragte er sich. »Werde gleich mit ihm fertig sein!«

Er trat hinter einer Gassenkrümmung in einen Winkel und blieb da stehen. Der Derwisch kam; er hatte den Engländer weit vor sich geglaubt und besaß nicht so viel Selbstbeherrschung, wie nöthig war, seine Ueberraschung zu verbergen.

»Warum läufst Du mir nach, Dummkopf?« schnauzte ihn der Carrirte an, natürlich in englischer Sprache.

Der Derwisch kannte die Bedeutung dieser Worte nicht. Er antwortete türkisch:

»Agnamaz-im (ich verstehe nicht)!«

»Agnamaz? Ja, Matz, fliege fort, sonst helfe ich nach!«

Der Derwisch merkte aus den Geberden des Engländers, daß er vorwärts gehen solle. Aber er wollte ihm doch folgen, nicht vor ihm hergehen. Darum blieb er stehen. Da machte der Carrirte kurzen Prozeß. Er hielt den riesigen Regenschirm vor sich hin und spannte ihn mit solcher Kraft und Schnelligkeit auf, daß die starken Fischbeinstäbe dem Derwisch in das Gesicht schlugen. Das war eine Beleidigung, zumal von einem Europäer; aber der Derwisch kannte die Macht und den Einfluß des englischen Gesandten; er schritt also weiter und rief dem Britten drohend zu:

»Köpek, intikamyny alarim (Hund, ich werde mich rächen)!«

»Was faselt er?« brummte der Lord vergnügt vor sich hin. »Dieses Türkisch ist doch eine dumme Sprache! Man möchte sie erst lernen, ehe man sie versteht. Die englische Sprache habe ich sogleich verstanden, schon als Kind.«

Er ging weiter, in ziemlicher Entfernung hinter dem Derwisch. Dann bog er um eine Ecke und abermals um eine und war nun ziemlich sicher, daß er dem Türken nicht wieder begegnen werde.

Indem er so dahinschritt, hörte er plötzlich Gesang. Die Töne kamen aus einem Hause, an welchem er eben vorüber wollte. Er blieb stehen und horchte. Das war keine türkische Musik, das war vielmehr eine abendländische Melodie! Er bemerkte über der Thür ein Schild und ersah aus der französischen Inschrift derselben, daß er vor einem europäischen Kaffeehause stehe. Er trat ein.

In dem dunklen Hausgange, welcher nicht viel versprach, war es ganz finster. Es gab da links eine Thür, welche er mehr mit der Hand fühlte, als er sie sah.

»Eine hübsche Budike!« brummte er. »Aber vielleicht giebt es ein Abenteuer.«

Er öffnete die Thür und fühlte sich angenehm überrascht, als er in ein geräumiges Zimmer trat, in welchem so viele Lampen brannten, daß es tageshell erleuchtet war. Fenster aber gab es hier nicht, sondern hoch oben an der Decke nur zahlreiche Oeffnungen, durch welche der Tabaksrauch abzog.

Er sah eine große Anzahl von Gästen. Die Einen waren orientalisch gekleidet, die Anderen europäisch. Die Ersteren saßen tief am Boden auf weichen, niedrigen Kissen, rauchten schweigend ihre Tschibuks oder ihre Wasserpfeifen und hatten auf kaum sechs Zoll hohen kleinen Tischchens winzige orientalische Kaffeetassen stehen. Die Letzteren aber hatten an hohen Tischen auf wirklichen Stühlen Platz genommen, tranken den Kaffee aus größeren Tassen und rauchten Cigarren oder Cigarretten.

Das Erscheinen des seltsam gekleideten Engländers erregte ungemeine Aufsehen.

»Müdschüzatly, tschok müdschüzadly (wunderbar, höchst wunderbar)!« murmelten die erstaunten Türken.

Auch die Unterhaltung, welche an den Tischen der Europäer geführt worden war, stockte augenblicklich. Die Aufmerksamkeit Aller richtete sich auf ihn, und über manches Gesicht flog ein munteres Lächeln, wobei Worte wie »Engländer – verrückt – Spleen – Hanswurst« leise von Mund zu Mund herüber-und hinüberflogen.

Ihn aber ließ diese Aufmerksamkeit sehr gleichgiltig. Er steuerte auf den einzigen Tisch zu, an welchem noch ein Sitz zu finden war, und nahm dort gemüthlich Platz, nachdem er den einzigen Herrn, welcher da saß, höflich um Erlaubniß gebeten hatte. Denn der Lord gehörte keineswegs zu jenen Engländern, welche sich über alle Nationalitäten erhaben dünken, alle Rechte nur für sich in Anspruch nehmen und es für eine große Ehre für einen Andern halten, wenn sie ihm einmal ein stolzes Wort gönnen.

Mehrere Negerknaben huschten mit Pfeifen, Tabak, glühenden Kohlen und Kaffee hin und her um die Gäste zu bedienen. Der Lord bestellte sich in französischer Sprache Kaffee und wurde verstanden und augenblicklich bedient. Er nahm das Fernrohr vom Rücken und lehnte es nebst dem Regenschirm an die Wand, streckte behaglich die langen Glieder aus und zog ein gut gefülltes Zigarrenetui aus der Tasche. Dabei warf er einen prüfenden Blick auf sein Gegenüber.

Dieser war ein vielleicht vierundzwanzigjähriger junger Mann von hoher, kräftiger Gestalt und einem wahren Adoniskopfe. Seine Züge waren ernst. Es lag ein Hauch von Weh-oder Schwermuth über sie ausgebreitet, welcher sie noch interessanter machte. Er hatte eine Cigarre zu Ende geraucht, legte den Rest von sich und stand im Begriff, in die Tasche zu greifen. Da streckte ihm der Engländer sein Etui entgegen und sagte:

»Bitte nehmen Sie von mir!«

Der Andere blickte überrascht auf und zögerte. Da langte der Carrirte in die Westentasche, zog ein Kärtchen hervor, gab es ihm und sagte:

»Nun dürfen Sie doch zulangen?«

Auf der Karte stand »Lord Eagle-nest.« Der junge Mann machte eine Bewegung des Erstaunens und schien einen Ausruf auf den Lippen zu haben, unterdrückte ihn aber, nahm eine von den angebotenen Cigarren und holte dann auch seine Karte hervor, um sie zu überreichen.

»Ach, Sie haben auch Karten?« fragte der Lord. »Ich dachte, so weit sei die Civilisation hier noch nicht vorgeschritten!«

»Ich bin kein Türke, wie Euer Lordschaft sehen.«

Auf seiner Karte stand: »Paul Normann, Maler,« und zwar in deutscher Sprache.

»Wie? Ein Deutscher sind Sie?« fragte der Lord im reinsten Hochdeutsch. »So lassen Sie uns deutsch sprechen. Ich habe in Deutschland Verwandte, zwar sehr entfernt, doch führen sie meinen Namen, nicht Eagle-nest natürlich, sondern Adlerhorst. Ich habe jüngst nach ihnen gesucht, aber leider alle Spuren verweht gefunden.«

»Kaum glaublich,« meinte der Andere. »Verwandte eines Lords von England können doch nicht spurlos verschwinden!«

Dabei warf er einen erwartungsvollen Blick herüber.

»Hätte es auch nicht für möglich gehalten. Die Besitzungen waren in anderen Händen, sämmtliche Glieder der Familie verschwunden. Eigentümliche Schicksale, hm! Brennen Sie doch an. Es ist eine Peru, habe sie selbst in Amerika geholt. Habe acht oder neun Tausend bei mir.«

»Hier in Constantinopel?«

»Ja. Bin nämlich auf eigener Yacht hier. Habe mich mit meiner Lieblingscigarre gut versorgen müssen, weil ich nicht weiß, wenn ich wieder nach Hause komme.«

»So haben Sie kein bestimmtes Ziel?«

»Nein. Suche Abenteuer.«

»Die sind leicht und auch schwer zu haben, je nachdem das Glück Einem günstig ist oder nicht.«

»Mir ist es nicht günstig. Da, lesen Sie einmal!«

Er zog das Textbuch hervor, welches er unterwegs eingesteckt hatte. Der Maler las den Titel.

»Eine Mozart’sche Oper,« sagte er. »Ich kenne sie.«

»Ich auch. Aber damit bin ich nicht zufrieden. Ich will nicht nur Publikum sein; ich will selbst entführen.«

»Selbst?« lachte Normann. »Wen denn?«

»Eine Türkin.«

»Ah! Und wo?«

»Hier in Constantinopel.«

»Sie scherzen!«

»Warum sollte ich scherzen? Es ist mein Ernst. Ich bin Mitglied der Trawellerclub in London, in welchem nur der aufgenommen wird, der mindesten eine Reise von fünftausend englischen Meilen gemacht hat. Ich war weit, sehr weit und habe viele Reiseerinnerungen mitgebracht. Jetzt nun will ich eine Türkin mitbringen. Die Oper ist gut; sie hat mir gefallen. Was den Schauspielern möglich ist, das bringe ich auch fertig. Ich entführe Eine, aber schön muß sie sein!«

Normann lächelte still, fast mitleidig vor sich hin. Er faßte die Meinung, daß der Lord an einer fixen Idee laborire, die jedoch für Andere glücklicherweise ganz ungefährlich sei. Ein mit dem Spleen Behafteter nimmt sich Vieles vor, was er nicht ausführt.

»Sie lächeln?« meinte der Engländer. »Sie täuschen sich in mir. Ich fahre seit drei Wochen die Dardanellen und den Bosporus auf und ab, um irgend einen Harem aufzugabeln, in welchen ich mich des Nachts einschleichen könnte.«

»Um den Kopf zu verlieren!« fiel der Maler ein.

»Oho! So schnell geht das nicht! Werde ich dabei erwischt, so bezahle ich das Frauenzimmer. Die Pascha’s pflegen sich doch ihre Frauen zu kaufen, können sie also auch wieder verkaufen. Übrigens bin ich Engländer und stehe unter dem Schutze der Königin von Großbritannien und Irland.«

Der Maler schien eine Entgegnung auf der Zunge zu haben, hielt sie aber zurück. Sein schönes, offenes Gesicht nahm einen eigenthümlichen Ausdruck der Spannung an, und wie unter einem plötzlichen Entschlusse sagte er:

»Wenn Sie in Wirklichkeit eine Entführung beabsichtigen, so geht das keineswegs in der Weise, wie Sie es für möglich zu halten scheinen.«

»Wie denn?«

»Hm! Darüber läßt sich nur schwer sprechen.«

»Reden Sie, reden Sie! Sie gefallen mir, und es wäre mir lieb, Ihre Meinung zu hören.«

»Ich meine, daß Sie sich vor allen Dingen mit einem gewandten Manne, welcher die hiesigen Verhältnisse ganz genau kennt, in Verbindung setzen müßten.«

»Ganz recht! Aber ich kenne eben keinen solchen Mann. Ich will eine Entführung, und ich zahle tausend Pfund Sterling, wenn das Abenteuer zu Stande kommt. Sind Sie etwa hier genauer bekannt?«

»Ich bereise bereits seit drei Jahren die Türkei und befinde mich seit neun Monaten hier.«

»Famos, famos! Sagen Sie, hätten Sie vielleicht Lust und Zeit, bei einer Entführung mitzuhelfen?«

»Hm! Unter Umständen, ja.«

»Welche Umstände meinen Sie?«

»Um darüber zu sprechen, müßte ich Sie besser kennen lernen. Man trägt bei so einem gewagten Abenteuer sehr leicht den Kopf zu Markte. Ich bin keineswegs muthlos; ich liebe im Gegentheile die Gefahr und habe sie schon sehr oft aufgesucht, nur zu dem Zweck, meine Kräfte zu üben und zu prüfen – –«

Er wollte fortfahren, aber der Lord fiel ihm in die Rede!

»Kräfte üben und prüfen! Ganz richtig! Ich werde die meinigen auch üben und prüfen, hier in Constantinopel. Man muß da Vieles können: über Mauern springen, Thüren einschlagen, Frauen fortschleppen und so weiter. Hören Sie, Sie sind mein Mann! Geben Sie mir eine Gelegenheit! Sie sollen sich gar nicht dabei betheiligen. Ich führe die ganze Geschichte allein aus. Sind Sie reich?«

»Leider nein!«

»Das freut mich!«

»Mich aber nicht.«

»Verstehen Sie mich recht! Es freut mich, weil es mir möglich macht, Ihnen dankbar sein zu können. Spüren Sie einen Harem auf, in welchem sich eine wirklich schöne Frau, oder ein wirklich schönes Mädchen befindet. Weiter sollen Sie nichts thun. Das Uebrige besorge ich Alles selbst. Aber sehen muß ich das Frauenzimmer erst.«

Der Maler blickte nachdenklich vor sich nieder. Nach einiger Zeit bemerkte er, indem ein überlegenes Lächeln um seine Lippen spielte:

»Sie sind ein Nobelmann, und ich will Ihnen vertrauen. Ich verspreche Ihnen, nachzudenken und nachzuforschen. Sagen Sie mir also, wie lange Sie hier zu bleiben gedenken!«

»Wie lange? Natürlich, bis ich eine Türkin habe!«

»Schön! Und wo kann ich Sie finden?«

»Auf meiner Yacht, welche unten im Hafen von Pera liegt. Sie kennen sie gleich heraus. Sie trägt meinen Namen und mein genaues Portrait.«

»Doch nicht so, wie Sie hier sitzen?«

»Ganz genau so!«

»Ah! Das ist interessant,« lächelte der Maler.

»Ja, ich bin sehr gut getroffen. Was sind Sie, Herr Normann? Landschafter? Portraitist?«

»Portraitist!«

»Das paßt ja herrlich! Wollen Sie mich malen?«

»Hm! Wenn Sie es ernstlich wünschen, ja.«

»Schön! Wir können gleich morgen beginnen. Und da ist es meine Eigenheit, einen Theil des Honorars pränumerando zu bezahlen. Erlauben Sie mir das?«

»Gern allerdings nicht; es liegt das nicht in meiner Gewohnheit.«

»Aber in der meinigen. Erlauben Sie mir also, diese Angelegenheit gleich jetzt in Ordnung zu bringen!«

Er zog aus einer seiner vielen Taschen ein großes, dickes Portefeuille hervor, nahm daraus ein Couvert und klebte es zu, nachdem er Etwas hinein gesteckt hatte. Dann reichte er es dem Maler hinüber. Dieser griff nur zögernd zu, mußte es aber doch nehmen, da der Lord über die Weigerung ernstlich bös werden wollte.

»Also morgen,« sagte der Letztere. »Kommen Sie am Vormittage. Und heute könnten wir – wie gesagt, ich finde Wohlgefallen an Ihnen. Haben Sie jetzt Zeit?«

»Nur wenig mehr. Ich habe eine Sitzung.«

»Also auch Portrait?«

»Ja. Und da Sie in dieser Weise freundlich mit mir sind, so will ich aufrichtig sein. Ich habe eine Dame zu malen.«

»Wie? Was? Etwa eine Türkin?«

»Eine Tscherkessin.«

»Das ist ja ganz egal! Donner und Doria! Ist sie schön?«

»Einzig, sage ich Ihnen, unvergleichlich!«

»Wenn Sie sie malen sollen, so müssen Sie sie doch auch sehen und sprechen!«

»Sehen wohl, aber sprechen darf ich sie nicht.«

»Aber wie kommt es, daß Sie, ein Fremder, ein Ungläubiger, die Frau oder das Mädchen sehen und malen dürfen?«

»Das ist sehr einfach und dennoch hoch interessant. Sie wissen, daß der Sclavenhandel verboten ist? Und dennoch währt er noch heimlich fort. Noch immer kommen die schönsten tscherkessischen Mädchen nach Constantinopel, um da an die Großen des Reiches verkauft zu werden. Da kenne ich nun drüben im tscherkessischen Viertel einen alten, berühmten Mädchenhändler, welcher nur Schönheiten ersten Ranges führt. Kürzlich nun hat er eine junge Tscherkessin erhalten, von einer Schönheit, wie er noch nie eine gehabt hat. Er will sie nur gegen die höchste Summe verkaufen, und darum hat er sie für den Sultan bestimmt. Er hat sich an den Obersten der Eunuchen gewendet und von diesem gehört, daß dies nicht so leicht und schnell zu ermöglichen sei. Der kürzeste und sicherste Weg sei, dem Sultan das Portrait des Mädchens vorzulegen. Da es nun keine muhammedanischen Maler giebt, so ist der Alte gezwungen, sich an einen Europäer zu wenden, und seine Wahl ist auf mich gefallen.«

Der Lord hatte mit der größten Spannung zugehört. Er zappelte förmlich vor Vergnügen. Er fragte:

»Sie hatten also bereits Sitzung mit ihr?«

»Bereits fünf.«

»Und sie ist wirklich so schön?«

»Wunderbar schön!«

»Verteufelt, verteufelt! Wollen wir sie entführen?«

»Sie ist ja in keinem Harem!«

»Kann man sie sehen?«

»Ja. Wer ein Mädchen kaufen will, muß es ja sehen.«

»Und es sind noch Mehrere da?«

»Gegen zwanzig.«

»Verteufelt, verteufelt! Wo wohnt der alte Kerl? Ich gehe augenblicklich hin. Aber ist man gezwungen, zu kaufen?«

»Nein. Man muß natürlich sagen, daß man zu kaufen beabsichtigt. Gefällt Einem Keine, oder ist der Preis zu hoch, so geht man eben wieder fort.« –

»Wollen wir hin? Jetzt gleich?«

»Mit einander nicht. Ich möchte dem Alten nicht wissen lassen, daß ich Ihnen Mittheilungen gemacht habe.«

»Gut, so gehe ich allein hin, und zwar sofort. Sagen Sie mir nur die Adresse!

»Ich führe Sie. Wir nehmen eine Gondel, das ist das Bequemste. Während Sie sich dann die Mädchen ansehen, warte ich in einem nahen Kaffeehause, wohin Sie kommen, um mir zu sagen, wie Sie sich amusirt haben.«

»Schön, schön! Verteufelt, verteufelt! Das ist höchst interessant! Sie haben Recht gehabt. Man muß sich an Einen wenden, welcher die Verhältnisse kennt, dann gehen die Abenteuer auf der Stelle los. Also kommen Sie!«

Sie bezahlten und gingen fort. Als sie aus dem Hause traten, stand der Derwisch, seine zuckerhutähnliche Kopfbedeckung weit im Nacken, wartend in der Nähe.

»Hat er es doch gemerkt, wo ich stecke!« sagte der Lord.

»Wer?«

»Jener Derwisch. Er ist mir heute nachgelaufen, weshalb, das weiß ich nicht!«

»Es ist ein Heulender. Ekelhafte Kaste! Jedenfalls will er Sie anbetteln. Beachten Sie ihn gar nicht.«

Sie gingen an das Wasser hinab und nahmen sich ein zweirudriges Kaik. Zwischen Tophana und Fonduki stiegen sie aus. Der Maler führte den Engländer, der auch hier wieder allgemeines Aufsehen erregte, durch einige Gassen und sagte dann, auf ein Café deutend:

»Da drinnen warte ich. Gehen Sie weiter. Sie treten in die Thür linker Hand und sagen, daß Sie eine Sclavin kaufen wollen. Der Alte heißt Barischa und versteht so viel Französisch, daß Sie mit ihm sprechen können.«

Der Lord folgte dieser Anweisung und verschwand bald hinter der angegebenen Thür. Normann aber setzte sich in das Café, um auf ihn zu warten. Hier öffnete er das Couvert. Es enthielt hundert Pfund, also zweitausend Mark.

»Das ist Gottes Schickung!« dachte der glückliche, junge Mann. »Unsere Kasse war beinahe gesprengt. Ich hätte dem Eunuchen nichts geben können und in Folge dessen auch nicht mehr mit Tschita sprechen können. Dieser Lord ist mir trotz seiner Eigenheiten außerordentlich sympathisch. Ich könnte ihn lieb haben. Was wird Hermann sagen, wenn ich ihm von diesem wunderbaren Zusammentreffen erzähle!«

Es verging über eine halbe Stunde, ehe der Lord kam. Sr hatte den grauschwarzen Hut »auf dem Pfiff« sitzen und die große Brille auf die Stirn hinauf gerückt. Sein Aussehen war dasjenige eines Mannes, welcher aus einer Gesellschaft kommt, wo er sich köstlich amusirt hat. Er setzte sich zu dem Maler und ließ sich Kaffee geben.

»Nun, haben Sie die Schönheiten gesehen?« fragte Normann.

Der Gefragte brannte sich eine Cigarre an und antwortete:

»Na, und ob! Das war ja eine Bildergalerie, und zwar eine lebende! Achtzehn Stück! Eine immer schöner als die Andere. Ich wollte, ich wäre ein Türke! Da hätte ich mir längst eine Frau genommen oder gekauft. Vielleicht hätte ich gar einige Dutzend oder einige Hunderte!«

»Sie sind also nicht vermählt?«

»Nein. Ich war Allen, aber auch Allen zu schön!«

»Ja, die Engländerinnen haben Geschmack!« lachte Normann.

»Hole sie der Teufel! Kann ich für mein Gesicht oder etwa gar für meine Nase? Ich bin häßlich, das weiß ich, aber ich bin steinreich und ein guter Kerl. Das wiegt diese ganze Nase wieder auf. Aber diese Lady’s bissen nicht an, und unter den Waschfrauen suchen, das wollte ich nicht. Sc bin ich also unverheirathet geblieben und brauche keine Putzmacherin zu bezahlen. Aber wäre ich ein Türke, so kaufte ich mir die schönsten Weiber, und sie müßten mir den Bart streicheln nach Noten.«

»Welche hat Ihnen am Meisten gefallen?«

»Alle haben mir gefallen. Alle! Und die Preise waren nicht zu hoch. Da gab es eine Georgierin, die war zum Malen; sie sollte einen halben Beutel in Gold kosten, das sind achthundertundvierzig Thaler. Eine Lesghierin, welche schöner war als selbst Kleopatra, kostete fünfzig Beutel in Silber, das sind vierzehnhundert Thaler. Dann gab es eine Schwarze aus dem Sudan, schlank wie eine Tanne und die Gestalt wie aus Ebenholz, zwanzig Beutel in Silber, also fünfhundertundsechzig Thaler.«

»Hat man Ihnen den Namen einer Jeden gesagt?«

»Ja.«

»War Tschita dabei?«

»Nein.«

»So haben Sie die Krone der Schönheiten doch nicht gesehen.«

»Dieser Schurke! Er sagte mir, daß er mir nun Alle gezeigt habe!«

»Er hat bemerkt, daß Sie Keine kaufen, und zwar Tschita am Allerwenigsten.«

»Was heißt Tschita?«

»Blume.«

»Nun, wenn diese noch schöner ist, als die Anderen, so ist es sehr gut, daß er sie mir nicht gezeigt hat; ich würde sonst vielleicht Renegat und träte zum Islam über. Aber das steht fest, daß ich mir Eine von Denen, die ich gesehen habe, entführe. Vielleicht die Schwarze. Als sie mich erblickte, drehte sie die Augen heraus wie eine Schnecke die Hörner und zeigte mir ein Gebiß, mit welchem man Kieselsteine zermalmen kann. Ich scheine also Eindruck auf sie gemacht zu haben. Sie waren überhaupt Alle höchst freundlich mit mir. Sie wurden mir vorgeführt. Eine nach der Andern, und Jede lachte mich an. Also Eine von ihnen wird entführt, das ist gewiß.«

»Ich glaube es nicht.«

»Warum nicht?«

»Ein Mädchen, welches man kaufen kann und welches sich nicht im Harem befindet, entführt man nicht. Eine solche Entführung wäre erstens unnöthig und zweitens kein Wagstück.«

»Das ist freilich wahr. Ich werde mich also bis zu einer anderen Gelegenheit gedulden müssen und verlasse mich da ganz auf Sie. Dennoch aber bin ich Ihnen großen Dank schuldig für die Adresse dieses Händlers. Lassen Sie sich die Tasse wieder füllen!«

»Danke! Ich möchte aufbrechen. Die bestimmte Zeit ist gekommen, und ich muß pünktlich sein.«

»So darf ich Sie nicht halten und werde nun allein nach Pera zurückkehren müssen. Also Sie kommen morgen Vormittag nach meiner Yacht?«

»Ganz gewiß.«

»Ich gestehe Ihnen aufrichtig, daß ich mich herzlich auf diese Sitzung freue, Leben Sie also wohl; ich bleibe zunächst noch ein Weilchen hier sitzen, bis die Cigarre alle ist.«

Das war gar nicht die Art und Weise eines hohen, englischen Aristokraten. Der Maler fühlte sich von diesem Manne außerordentlich eingenommen; er wäre gern länger bei ihm geblieben, aber mußte, wie er eben gesagt hatte, pünktlich sein.

Das Haus des Sclavenhändlers war, wie die meisten Häuser Stambuls, aus Holz gebaut. Es hatte nach der Straße zu keine Fenster; aber nach dem Hofe zu lagen Gemächer, welche von da aus Licht und auch Luft erhielten.

Der Eingang war unverschlossen. Der Flur war eng und niedrig. Man bemerkte rechts und links eine Thür. Normann klopfte an die Erstere. Es öffnete sich ein Schieber, und eine lange Nase kam zum Vorschein. Nachdem sie sich wieder zurückgezogen hatte, wurde geöffnet.

Diese Nase gehörte in das Gesicht des Eigenthümers dieses Hauses. Er erwiederte den Gruß des Malers mit erzwungener Höflichkeit; der Künstler wurde ja nur geduldet und bezahlt, weil ohne ihm das Portrait nicht fertig geworden wäre.

»Ich habe das Bild wieder angesehen,« sagte der Alte. »Es ist bisher gelungen. Wie lange bringst Du noch zu?«

»Das weiß ich nicht bestimmt. Die Farben trocknen langsam, weil es in Deiner Wohnung zu feucht ist.«

Daß er nur langsam arbeitete, um mit dem Original des Portraits so lange wie möglich beisammen sein zu können, das durfte er natürlich nicht sagen.

»Je schneller Du fertig wirst, desto größer wird das Bakschisch, welche ich Dir außer der Summe gebe, welche wir ausgemacht haben. Gehe nun weiter. Der Schwarze wartet schon auf Dich. Du kommst heute später als sonst.«

Durch eine weitere Thür gelangte Normann in eine zweite, dann in eine dritte Stube und endlich in einen Gang, welcher an der einen Seite des Hofes hinlief. Dort hockte ein dicker Neger auf einem Teppiche. Es war der Verschnittene, welcher den Maler während der Sitzung zu beobachten hatte. Er mußte aufpassen, daß Normann weder ein Wort mit der Tscherkessin sprach, noch gar sie etwa berührte.

Und doch war es Normann gelungen, sich das Herz des Schwarzen zu öffnen, und zwar mit dem Schlüssel des Goldes. Er hatte ihm begreiflich gemacht, daß Tschita sprechen müsse, damit er ihr Gesicht in den verschiedenen Bewegungen studiren könne. Der Verschnittene hatte sich anfangs geweigert, dann aber endlich seine Zustimmung unter mehreren Bedingungen gegeben. Er verlangte nämlich für jede Sitzung fünfzig Piaster, also zehn Mark Trinkgeld, sodann durfte sein Herr nichts erfahren, und endlich durften die gesprochenen Worte nichts Verfängliches an sich haben. Normann war auf diese Bedingungen eingegangen, indem er hoffte, daß der Schwarze nach und nach sich weniger streng zeigen werde.

Als er jetzt in den Gang trat, erhob sich der Wächter langsam und unter einem schmerzlichen Stöhnen von seinem Sitze und erwiederte den Gruß des jungen Mannes mit einem freundschaftlichen Zähnefletschen.

»Was ist Dir? Hast Du Schmerz?« fragte Normann.

»Frage nicht hier, sondern komme herein,« antwortete der Eunuche. »Der Herr könnte lauschen.«

Er öffnete eine Thür, und sie traten in einen hellen, freundlichen Raum, dessen blau bemalte Wände mit goldenen Sprüchen aus dem Koran verziert waren. An der einen Wand stand eine rothe Ottomane, und ihr gegenüber die Staffelei mit dem Bilde, welches von einem ganz feinen Shawl verhüllt war.

»Jetzt können wir sprechen,« sagte der Schwarze. »Was würdest Du thun mit einem Manne, welcher Dich schlägt?«

»Ich würde ihn zum Zweikampf fordern und ihn tödten.«

»Das kann ich nicht. Ich bin sein Sclave; er hat mich gekauft; ich darf nicht mit ihm kämpfen und darf ihn auch nicht tödten.«

»So bist Du geschlagen worden?«

»Ja.«

»Von Barischa, Deinem Herrn?«

»Von ihm. Von einem Anderen würde ich mich doch nicht schlagen lassen.«

»Weshalb hat er es gethan?«

»Weil ich einen Mann eingelassen habe, den ich nicht hätte einlassen sollen. Er war ein Engländer und trug fränkische Kleider mit lauter Vierecken. Er hatte einen Regenschirm und ein Buch in der Hand und trug ein ledernes Flintenrohr auf dem Rücken.«

»Warum solltest Du ihn nicht einlassen?«

»Ich soll überhaupt keinen Franken einlassen, weil ein Franke sich keine Frau kauft. Aber da noch keiner Einlaß begehrt hat, seit ich hier bin, so wußte ich es nicht. Vorhin war der viereckig Gefleckte hier. Mein Herr war freundlich mit ihm, weil die Engländer mächtig sind, aber zornig auf mich. Als der Fremde fort war, ergriff er die Peitsche, und ich mußte mich auf den Bauch legen. Ich erhielt so viel Hiebe, daß mir das Fleisch aufgesprungen ist.«

»Das bedaure ich sehr. Ich werde Dir morgen eine Salbe mitbringen, welche Deine Wunden heilt und Deine Schmerzen lindert.«

»Thue das! Ich werde Dir es danken. Ich darf den Herrn nicht wieder schlagen, aber ich werde mich an ihm rächen.«

»Nimm Dich nur in Acht! Du könntest Dir abermalige Schläge zuziehen.«

»Ich werde es sehr klug anfangen, und Du sollst mir helfen bei dieser Rache.«

»Ich? Wieso?«

Der Schwarze war wirklich zornig. Seine quiekende Stimme, die ja alle Verschnittene haben, war zu einem halblauten, zornigen Knirschen herabgesunken. Er antwortete:

»Du hast mir immer fünfzig Piaster gegeben, um mit Tschita sprechen zu dürfen. Ich habe Dir erlaubt, nur Worte zu reden, welche keine Gefahr haben. Ich will mich an dem Herrn rächen, indem ich Dir noch mehr erlaube. Ist Dir das recht oder nicht?«

Dem Maler hüpfte das Herz vor Entzücken. Er hatte mit Tschita kein Wort über sich selbst oder sie selbst, über ihre oder seine Verhältnisse sprechen dürfen. Der Schwarze hatte Beider Blicke und Mienen bewacht, wie der Teufel eine Seele, die man ihm entreißen will, bewachen würde. Normann wußte von dem herrlichen Wesen nichts, gar nichts. Er wußte nur, daß er die Unvergleichliche liebe und daß er sein Leben geben würde, wenn das sie glücklich machen könne. Darum antwortete er schnell:

»Ich will Dein Verbündeter sein.«

»Du willst also mit ihr sprechen, wie ein Bruder mit seiner Schwester spricht?«

»Ja.«

»O, Du sollst sogar mit ihr reden, als ob sie Deine Geliebte sei! Willst Du?«

»Ich weiß nicht, ob sie das dulden würde.«

»O, sie duldet es. Ich weiß, daß sie an Dich denkt und daß sie Dein Kommen mit großer Sehnsucht erwartet. Aber sage mir auch, ob Du Geld bei Dir hast!«

»Ich habe welches.«

»Wenn Du mir hundert Piaster giebst, anstatt fünfzig, so sollst Du sie auch berühren dürfen.«

»Ist das Dein Ernst?«

»Es ist mein Ernst und meine Rache. Du sollst bei ihr auf dem Divan sitzen und ihre Hände in den Deinigen haben. Du sollst sie küssen dürfen und mit ihr sprechen von Allem, was Du willst.«

»Und wenn Dein Herr uns überrascht?«

»Das kann er nicht. Ich werde hier an der Thür stehen und Wache halten. Ich werde nicht sehen, was Ihr thut, denn ich werde Euch meinen Rücken zeigen. Wenn der Großherr sich diese schöne Sultana kauft, so soll sie vorher von einem Ungläubigen umarmt und geküßt worden sein. Das ist meine Rache an dem Herrn. Bist Du nun auch einverstanden?«

»So gieb mir hundert Piaster!«

Das waren zwanzig Mark. Normann hätte mehr, viel mehr gegeben; er hätte Alles, was ihm gehörte, hingegeben für die Erlaubniß, die er jetzt gegen eine so geringe Summe erhielt. Er nahm das Goldstück aus der Tasche und gab es dem Schwarzen. Dieser betrachtete es mit gierigen Augen, steckte es ein und sagte dann:

»Ich danke Dir! Nun werde ich Tschita holen.«

Er ging und Normann trat an die Staffelei. Seine Hand zitterte, als er die Hülle von der Arbeit nahm.

Und es war ein Meisterstück, welches ihm hier entgegenblickte, ein Meisterstück der Schöpfung und zugleich ein Meisterstück des Künstlers. Er hatte mit einem liebeglühenden Herzen gearbeitet. Als sein Auge jetzt den herrlichen Kopf betrachtete, konnte er nicht anders, er bog sich auf die Leinwand und küßte den Mund, der doch nur sein eigenes Werk war. Und grad’ als er mit seinen Lippen das Gemälde berührte, erklang eine wunderliebliche, wohltönende Stimme:

»Allah grüße Dich!«

Er fuhr zurück, und sein schönes Gesicht erglühte in flammender Röthe. Dort an der Thür stand der Schwarze mit grinsendem Gesicht, und in der Mitte des Zimmers Tschita, die ganze Gestalt und selbst den Kopf in den weiten, weißen Schleiermantel gehüllt, welcher nur eine Oeffnung für ein Auge hatte.

Der weiche Teppich hatte ihre Schritte gedämpft, und Beide hatten den Kuß gesehen; das war sicher. Doch faßte sich der Maler und erwiderte den Gruß möglichst unbefangen. Tschita trat zur Ottomane und legte den Schleier und die übrigen Hüllen ab. Dann entfesselte sie das Haar, drehte sich zu ihm um und fragte:

»Ist es nun so richtig?«

So hatte sie stets gefragt mit genau denselben Worten, und doch war es heut’ ganz, ganz anders. Auf ihrem feenhaft schönen Gesichte lag die Scham wie holde Morgenröthe, und in ihrer Stimme fibrirte der Kuß, den sie absichtslos beobachtet hatte.

Er nickte bejahend und wandte sich zu seinen Farben, um während dieser Zeit seine Selbstbeherrschung wieder zu erlangen. Als er sich dann ihr wieder zuwendete, hatte sie auf der Ottomane Platz genommen.

Sie war nur ganz leicht bekleidet. Das Portrait hatte ja den Zweck, ihre Schönheit zur möglichsten Geltung zu bringen. Sie trug Hosen von feinster gelber Seide und ein kurzes Jäckchen von demselben Stoffe, aber in tief rosaner Färbung. Dieses Jäckchen, halb geöffnet, ließ das schneeweiße Hemd aus dem zartesten Gewebe von Messulan glänzend hervortreten. Die Aermel waren aufgeschnitten und hingen weit herab, so daß die Plastik der alabasternen Arme bis hinter den Ellbogen zu bewundern war. Das kleine, nackte Füßchen stak in blauseidenen Pantöffelchen, welche einem sechsjährigen Kinde anzugehören schienen.

Das Herrlichste aber war der Kopf dieses entzückenden Wesens. Tschita war blond, und zwar von jenem seltenen Aschblond, über dessen dunkleren Ton der Glanz des Silbers zittert. Ein solches Gesicht mit Worten zu beschreiben, ist eben eine Unmöglichkeit. Ihre großen Augen waren von der tiefen, gesättigten Bläue eines sternhellen Septemberabend, und dennoch war es, als ob hinter diesem Blau eine glühende Sonne strahlte. Sie hatte Brauen und Wimpern nicht mit Khol gefärbt, wie es orientalische Sitte ist. Sie fühlte instinktartig, daß jede künstliche Zuthat ihr nur Eintrag thun könne. Das fleischige Blüthenweiß ihrer Wangen war von jenem Roth überhaucht, welches man beobachtet, wenn hinter den Schneefeldern Norwegens das Nordlicht um den Pol aufflammt. Es lag über dem Gesichtchen eine ganze Fülle von Unschuld und reiner, unbewußter Jungfräulichkeit, und dazu kam ein rührender Anflug von Kümmerniß und Seelenleid, welcher die weichen, kindlichen Züge in bestimmtere Conturen bog. Und von diesem Engelsköpfchen wallte eine fast nicht zu bändigende Fülle des reichen Haares in natürlichen, neckischen Wellen herab, so daß die kleinen, weißen Händchen nur immer zu thun hatten, um eine völlige Umhüllung des ganzen, unaussprechlich reizenden Wesens zu vermeiden.

Auf all’ diese Pracht und Herrlichkeit glotzten die Augen des Negers mit einer thierischen Gleichgültigkeit, während Normann seine ganze Beherrschung anstrengen mußte, um wenigstens scheinbar ruhig zu bleiben.

Er hatte Pinsel und Palette in die Hände genommen.

»Willst Du nicht den Kopf Etwas tiefer senken!« bat er, um doch Etwas zu sagen.«

»So?« fragte sie, ihm gehorchend.

»Noch ein Wenig.«

»Wie jetzt?«

»Das ist zu viel. Warte!«

Er legte Pinsel und Palette wieder fort und trat zu ihr, um ihr die Hand leise an die zarten Schläfe zu legen und so dem Köpfchen die gewünschte Lage zu geben. Da aber fuhr dieses Köpfchen hoch empor. Aus ihren Augen blickte der helle Schreck, und mit vor Angst stockendem Tone fragte sie:

»Allah il Allah! Willst Du sterben?«

»Nein, nicht sterben,« antwortete er.

»Du mußt ja sterben; Du berührst mich ja!«

»Willst Du denn, daß ich da sterbe?«

»Nein, o nein! Aber wenn es der Herr erfährt!«

»Niemand wird es ihm sagen.«

»Hier Ali auch nicht?«

»Er wird schweigen.«

Da floh die Angst aus ihren Zügen; ihr Auge begann zu leuchten, und mit einem erwartungsvollen Tone fragte sie:

»Hast Du mit ihm gesprochen?«

»Ja. Siehst Du nicht, daß er sich abgewendet hat? Er mag nichts hören und nichts sehen.«

»Allah segne ihn, den Guten, den Barmherzigen!«

»So hast Du es gern, wenn ich mit Dir spreche?«

»O, so gern,« antwortete sie. »Ich denke an Dich am Tage, und ich träume von Dir des Nachts. Dann bist Du ein reicher Pascha und kommst, mich zu kaufen.«

Da knieete er vor ihr nieder, nahm ihre Hände in die seinigen und fragte in jenem Tone unendlicher Zärtlichkeit, dessen die menschliche Stimme nur ein einziges Mal im Leben fähig zu sein scheint:

»Würdest Du denn gern mit mir gehen, wenn ich Dich kaufte?«

»Ueber alle, alle Maßen gern. Der Herr sagt mir immer, daß der Sultan mich kaufen werde, daß ich da kostbare Gewänder und herrliches Geschmeide tragen und über seinen Harem herrschen und mit ihm über die ganze Erde regieren werde. Aber ich will nicht zum Sultan, nicht zum Padischa, nicht zum Grobherrn. Du, Du, nur Du allein sollst mich kaufen, und da mag ich kein Geschmeide, sondern nur Dein Lächeln, und da mag ich auch nicht herrschen, sondern ich will Dich lieben und Dir dienen all’ mein Leben lang. Aber kannst Du mich kaufen? Der Herr will viel, sehr viel für mich haben. Bist Du reich?«

»Nein,« gestand er traurig. »Ich bin arm.«

»Und doch bin ich lieber bei Dir. Ich mag zu keinem Anderen. Lieber möchte ich sterben!«

Und sich zu seinem Ohre niederbeugend, flüsterte sie ganz leise, so daß der Neger es nicht hören konnte:

»Entführe mich.«

»Ja, ich thue es,« flüsterte er zurück.

»Aber es kann Dein und mein Leben kosten!«

»Ich gebe es gern hin für Dich.«

Sie sagte darauf kein Wort, aber sie nahm seinen Kopf in ihre kleinen Händchen und sah ihm in die Augen mit einem Blick voll Wonne und Entzücken, in welchem ihre ganze Seele zu ihm überflog.

Da erhob er sich von den Knieen, setzte sich neben sie, ergriff abermals ihre Händchen und sagte:

»Tschita, Du bist mein Leben; Du bist mir lieber als Himmel und Erde, als Alles, was es giebt. Bin ich Dir denn wirklich lieber als der Padischa?«

»Tausendmal lieber!«

»So wird Allah helfen, das glaube mir!«

Sie blickte mit leuchtenden Augen zu ihm auf. Er bog sich nieder und legte seinen Mund aus ihre Lippen. Sie hatte ganz gewiß noch niemals geküßt; das fühlte er, aber sie ließ ihm den Mund, und als er ihn ihr endlich wieder frei gab, flüsterte sie leise, ihr schönes Köpfchen an seine Brust legend:

»So muß es im Himmel bei den Seligen sein. O, wie lieb, wie lieb habe ich Dich! Könnte ich doch stets, so wie jetzt, an Deinem Herzen liegen!«

»Das sollst Du!«

Und leise setzte er hinzu:

»Ich hole Dich ganz sicher; ich entführe Dich.«

»Und meine Mutter mit?« fragte sie. »Ohne diese würde ich nicht gehen, obgleich ich ohne Dich sterben möchte.«

Er drückte sie an sich und fragte nun wieder laut:

»Du hast eine Mutter?«

»Ja. Sie kann ohne mich nicht sein, denn man hat ihr die Zunge herausgerissen und die Hände abgehackt.«

Er schauderte zusammen und starrte sie voller Entsetzen an.

»Ist das wahr?« fragte er.

»Ach ja!«

»Wer hat das gethan?«

»Ich weiß es nicht; ich war damals noch so klein, daß sie mich auf dm Armen tragen mußte. Man wollte mich oft von ihr trennen, aber man that es doch nicht, weil man fürchtete, daß ich vor Sehnsucht sterben werde. Und auch jetzt gehe ich nicht von ihr; lieber tödte ich mich. Wer mich kauft, der muß auch sie kaufen.«

»Hast Du keinen Vater?«

»Nein, keinen Menschen auf der Erde als nur die Mutter.«

Es überkam ihn eine unendliche, mit Mitleid gepaarte Zärtlichkeit. Er schlang beide Arme um sie und sagte:

»Deine Mutter soll stets bei Dir bleiben, und – – –«

Da drehte sich der Eunuche zu ihnen um und sagte:

»Schnell fort von einander! Der Herr kommt!«

Im Nu stand Normann mit dem gleichgiltigsten Gesicht vor der Staffelei und strich die erste beste Farbe auf. Und da trat auch schon Barischa ein.

Er sagte in rücksichtslosem Tone zu dem Maler:

»Du kannst jetzt gehen. Komm morgen wieder!«

Norman drehte sich langsam zu ihm um und antwortete:

»Ich bin für heute noch nicht fertig.«

»Dafür kann ich nicht. Es ist Einer da, der Tschita sehen und sprechen will. Vielleicht wird sie von Einem gekauft, der gerade so viel bezahlt wie der Sultan.«

Er wendete sich zu dem Mädchen, musterte sie mit dem Blicke eines Kenners und sagte:

»Gerade so, wie Du jetzt bist, soll er Dich sehen. Ich werde ihn hierher führen. Also, Franke, komm morgen wieder. Ali mag Dich hinaus führen.«

Normann folgte dieser Weisung, um keinen Verdacht zu erwecken, möglichst schnell. Er warf nicht einmal der Geliebten noch einen Blick zu. Er verhing das Portrait und ging. Draußen in dem vorderen Raume stand der Wartende. Zum Erstaunen des Malers war es jener Derwisch, auf welchen ihn der Lord aufmerksam gemacht hatte.

Welche Absichten hatte dieser Mensch? Sollte er sich doch mit mehr als nur mit Betteln abgeben? Normann fühlte plötzlich eine Beklemmung, über welche er sich keine genügende Rechenschaft zu geben vermochte.

Er ging nach dem Landungsplatze und nahm sich ein Kaik, um sich nach Pera rudern zu lassen. Er hatte sich in einer der höheren Straßen dieses Stadttheiles eingemiethet, besaß aber seine Wohnung nicht allein, sondern er theilte dieselbe mit einem Freunde, welcher bei seinem Eintritte in Gedanken versunken am Fenster stand.

Dieser Freund war nicht so hoch und stark gebaut, wie der Maler. Blonden Haares und von hellem, fast mädchenhaft zartem Teint, konnte er nichts Anderes als ein Nordländer sein. Seine Züge hatten etwas ausgesprochen Aristokratisches, und als er sich jetzt umwandte, zeigte seine Bewegung jene anmuthige Gewandtheit, welche kaum anzuerziehen ist, wenn sie nicht angeboren wurde.

»Schon zurück?« meinte er. »Ich glaubte noch nicht, Dich erwarten zu dürfen.«

»Die Sitzung wurde leider unterbrochen, gerade als sie am interessantesten war.«

Der Andere blickte schnell auf und fixirte den Maler scharf. Dann sagte er im Tone der Spannung:

»Interessant! Du hast mit ihr gesprochen?«

»Ja.«

»Sie liebt Dich?«

»Ja, Hermann. Ich glaube, ich bin ein glücklicher Mensch, wenn Gott es zum Guten fügt.«

Da gab ihm der Freund die Hand und sagte herzlich:

»Ich gönne es Dir und gratulire.«

»Wie? Ich denke, Du bist ganz gegen diese romanhafte Schrulle, wie Du es nanntest?«

»Hm,« brummte Hermann verlegen, »ja, vom Standpunkte oder vielmehr von vielen Standpunkten aus muß ich dagegen sein. So ein Mädchen besitzt keine Bildung, keine Kenntnisse, kurz, gar nichts; freien kann man es nicht, kaufen will man es nicht, also – und so weiter. Es ist auf alle Fälle eine Dummheit. Und dennoch bin ich seit vorgestern nachsichtiger geworden.«

»Und wohl mit Grund?«

»Darf man diesen Grund erfahren?«

»Wenn Du mir versprichst, mich nicht auszulachen.«

»Natürlich verspreche ich es. Du pflegst Dich nicht mit Lächerlichkeiten abzugeben.«

»Hier aber doch wohl,« sagte Hermann, indem sein sonst sehr ernstes Gesicht einen schalkhaft verlegenen Ausdruck annahm. »Was würdest Du dazu sagen, wenn auch mir zwei Augen durch den Gesichtsschleier hindurch es angethan hätten?«

»Das kommt bei Dir nicht vor.«

»Nicht? Willst Du vielleicht die Güte haben, einmal nachzusehen, was hier auf dem Sopha liegt!«

Normann trat zu dem genannten Möbel und prüfte die Kleidungsstücke, welche auf demselben lagen.

»Was soll das?« fragte er. »Das ist ja ein vollständiger Straßenanzug für eine türkische Frau!«

»Allerdings. Ich werde ihn nachher anlegen, um damit auf die Straße zu gehen.«

»Bist Du toll, Hermann!«

»Nein. Ich gehe zu einem Stelldichein.«

»Mit einer Dame?«

»Ja.«

»Dann fällt geradezu der Himmel ein! Du hast noch nie das geringste Interesse für irgend eine Dame gehabt, obgleich es Dir oftmals nahe gelegt worden ist. Und hier, in Stambul, fängst Du an, Allotria zu treiben?«

»Vielleicht ist es nur Allotria, vielleicht aber dringt es auch tiefer. Und das ist sehr schnell, ganz überraschend schnell gekommen. Ich kenne mich selbst nicht mehr.«

»Darf man erfahren, um was oder wen es sich handelt? Natürlich ist es auf alle Fälle ein Mädchen?«

»Das weiß ich nicht. Es kann auch eine Frau sein.«

»Bist Du des Teufels!«

»Höre mich an! Ich habe nie gewußt, welch dummes, unüberlegtes, eigenwilliges Ding das Menschenherz ist. Jetzt traue ich mir selbst nicht mehr, denn ich habe meine bisherige Gewalt über das Herz vollständig verloren. Komm, ich will Dir erzählen. Brenne Dir – – ah. Du rauchst schon! Und zwar was für eine Sorte! Das ist ja etwas ganz und gar Hochfeines. Wo giebt es die?«

»Es ist geschenkte Waare.«

»Von wem?«

»Von Deinem Cousin,« antwortete der Maler, indem er den Freund von der Seite her beobachtete.

»Cousin? Sprich deutlicher!«

»Schön! Also ohne alle Einleitung: Ich habe heute Lord Eagle-nest getroffen.«

Da sprang Hermann von dem Stuhle, auf den er sich gesetzt hatte, wieder auf und rief:

»Willst Du mich etwa prüfen?«

»Nein. Höre, lieber Freund.«

Er erzählte ihm auf das Ausführlichste seine Begegnung mit dem seltsamen Engländer. Hermann ging dabei außerordentlich erregt im Zimmer auf und ab und fragte, als der Freund geendet hatte:

»Du hast doch nicht gesagt, daß ich ein Adlerhorst bin?«

»Von Dir ist gar nicht die Rede gewesen. Ich reise mit Dir, um jenen fürchterlichen Menschen zu entdecken, dessen Spur nach der Türkei führt, und dabei vielleicht die verlorenen Deinigen wiederzufinden; aber von unseren Geheimnissen sprechen, das thue ich nicht.«

»Gott sei Dank! Ja, dieser letzte Sproß des englischen Zweiges unseres Stammes soll ein gar wunderlicher Heiliger sein. Also er will partout eine Entführung haben?«

»Ja.«

»Lächerlich und unbegreiflich, wenn er nicht ein Engländer wäre! Hoffentlich ist es nur eine Schrulle?«

»Es ist ihm im Gegentheile sehr ernst, und vielleicht kann ich ihm den Willen thun. Es ist möglich, daß ich ihm in meiner Angelegenheit mit Tschita eine Rolle spielen lasse, natürlich aber, ohne ihn in Gefahr zu bringen. Doch, warten wir das ab, und beschäftigen wir uns lieber mit Deiner Herzensangelegenheit!«

»Bei welcher aber Du eine Rolle zu spielen hast, und zwar noch heute.«

»Gern. Ertheile mir nur die nöthige Instruction.«

»Du sollst unser Stelldichein bewachen.«

»Ganz gern; aber ich hoffe, daß sie ein solches Wagniß auch werth ist.«

»Ich möchte es wünschen. Also höre!«

Er setzte sich nun wieder nieder, steckte sich eine Cigarrette an und erzählte:

»Du weißt, daß das Thal der süßen Wasser ein bevorzugter Ausflugs-und Belustigungsort der hiesigen Bevölkerung ist. Vorzüglich gern wird er von Frauen besucht, welche auf den bekannten verhüllten Ochsenwagen hinausfahren, um sich einmal ohne Zwang im Freien zu bewegen. Kürzlich warst Du beschäftigt, und ich wußte nichts Besseres, als dieses Thal einmal zu besuchen. Ich durchstreifte es nach allen Richtungen und kam dabei in ein Platanenwäldchen, in welchem ich von lauten, lustigen Frauenstimmen und fröhlichem Gelächter überrascht wurde. Ich hätte mich zurückziehen sollen, aber ich will aufrichtig gestehen, daß die Neugierde siegte.

*

2

Inhaltsverzeichnis

Ich wollte einmal muhamedanische Damen beobachten. Ich schlich mich also vorsichtig näher, von Baum zu Baum und erblickte endlich einen offenen Tummelplatz, welcher von weiblichen Gestalten belebt war. Die Damen hatten die verunzierenden, sackförmigen Oberhüllen abgelegt und bewegten sich in den leichten Hausgewändern, welche die Schönheit der Formen so gut hervortreten lassen.«

»Hm! Wie bei Tschita.«

»Na, gut! Bald hing mein Auge nur noch an Einer. Ich sage Dir – doch, ich kann eben nichts sagen; kurz und gut, sie war ein herrliches Wesen, voller Anmuth und Zierlichkeit, und doch eine Juno von Plastik und Körperfülle. Besonders fielen mir die kleinen Füßchen auf und das weiße, köstliche Händchen, an welchem ein Solitär blitzte, wie ich genau sah, als sie mir einmal näher kam, ohne zu ahnen, daß ein Franke hinter dem starken Baumstamme verborgen sei. Ich war so enthusiasmirt, daß ich das Versteck erst verließ, als sie aufbrachen und zu den Wagen gingen, welche am Rande des Haines gewartet hatten. Ich mußte einen Umweg einschlagen, holte aber dann doch die Wagen ein. Als ich an ihnen vorüberging, wurde das Gespann derselben scheu. Der Führer wurde niedergerissen, und die beiden dummen Thiere rannten mit dem Wagen davon, ich natürlich hinterher. Die Insassinnen schrieen natürlich aus Leibeskräften um Hilfe. Es gelang mir, das eine Thier zu fassen. Ich bin nicht von herkulischen Gliedern, aber Du weißt, daß ich eine Muskelstärke besitze, welche man mir nicht zutraut. Ich brachte die Ochsen zum Stehen. Die Gardinen des Wagens hatten sich gelüftet, so daß also Retter und Gerettete sich gegenseitig erblicken konnten. Ich grüßte und wollte mich entfernen; da aber streckte die Eine der Verhüllten ein feines, weißes, köstliches Händchen aus dem Mantel mir entgegen, und eine süße Stimme sagte:

»Du bist ein Franke; nimm meinen Dank nach der Sitte Deiner Heimath!«

An diesem Händchen blitzte der Solitär. Ich küßte es ein – zwei – drei – erst beim dritten Male entzog sie es mir unter dem leisen Kichern der Andern. Später trennten sich die Wagen in der Stadt. Ich hatte nicht auffällig beobachten wollen, wurde also irre und konnte die Wohnung der Betreffenden nicht erspähen.«

»Jammerschade!«