Die Abenteuer des Schwarzen Gerard - Karl May - E-Book

Die Abenteuer des Schwarzen Gerard E-Book

Karl May

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Beschreibung

Waldröschen oder Die Rächerjagd rund um die Erde (später auch: Das Waldröschen oder die Verfolgung rund um die Erde) ist der erste von fünf Kolportageromanen von Karl May, erschienen zwischen zwischen 1882 und 1884 in 109 Fortsetzungen. Dies ist Band 6, Teil 1.

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Die Abenteuer des Schwarzen Gerard

Karl May

Inhalt:

Karl May – Biografie und Bibliografie

Die Abenteuer des Schwarzen Gerard

1. Kapitel.

2. Kapitel.

3. Kapitel.

4. Kapitel.

5. Kapitel.

6. Kapitel.

7. Kapitel.

8. Kapitel.

9. Kapitel.

10. Kapitel.

11. Kapitel.

12. Kapitel.

13. Kapitel.

14. Kapitel.

15. Kapitel.

16. Kapitel.

17. Kapitel.

18. Kapitel.

19. Kapitel.

20. Kapitel.

21. Kapitel.

22. Kapitel.

23. Kapitel.

24. Kapitel.

25. Kapitel.

26. Kapitel.

27. Kapitel.

28. Kapitel.

29. Kapitel.

30. Kapitel.

31. Kapitel.

32. Kapitel.

33. Kapitel.

34. Kapitel.

35. Kapitel.

Die Abenteuer des Schwarzen Gerard, Karl May

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849609566

Karl May – Biografie und Bibliografie

Am 25. Februar 1842 wird Karl May wird als fünftes Kind des Webers Heinrich May und dessen Ehefrau Wilhelmine (geb. Weise) in Ernstthal (Sachsen) geboren. Obwohl er kurz nach seiner Geburt erblindet wird er im Alter von 5 Jahren von der Krankheit geheilt. Bereits mit 14 Jahren beginnt er eine Ausbildung zum Volksschullehrer, die er 1861 besteht. Noch im gleichen Jahr verliert May seinen Arbeitsplatz als Lehrer wegen wiederholten Diebstahls. Ab 1863 wird es ihm verboten zu unterrichten.

Von 1865 bis 1869 wird May immer wieder straffällig und muss von 1870 bis 1874 ins Gefängnis. Danach beginnt May zu schreiben und in "Der Deutsche Hausschatz" erscheinen erste Erzählungen: "Reiseabenteuer in Kurdistan", "Die Todeskaravane" oder "Stambul". Seine Romane erfahren immer mehr Zuspruch und 1893 erscheint die Winnetou-Reihe. Bis 1898 veröffentlicht May über 30 Bände mit immer steigender Auflage.

Erst 1899 unternimmt May erstmals eine Reise in den Orient, 1908 sieht er zum ersten Mal die Vereinigten Staaten. Alles was er geschrieben hatte war pure Fiktion! Er stirbt am 30. März 1912 an einem Herzschlag.

Zu seinen wichtigsten Werken zählen Durch die Wüste und Harem (1892) ,Durchs wilde Kurdistan (1892), Von Bagdad nach Stambul (1892), In den Schluchten des Balkan (1892), Durch das Land der Skipetaren (1892), Der Schut (1892), Winnetou I (1893), Winnetou II (1893), Winnetou III (1893), Orangen und Datteln (1893), Am Stillen Ozean (1894), Am Rio de la Plata (1894), In den Cordilleren (1894),  Old Surehand I (1894), Old Surehand II (1895), Im Lande des Mahdi I (1896), Im Lande des Mahdi II (1896), Im Lande des Mahdi III (1896), Old Surehand III (1897), Satan und Ischariot I (1896) ,Satan und Ischariot II (1897), Satan und Ischariot III (1897), Auf fremden Pfaden (1897), „Weihnacht!“ (1897), Im Reiche des silbernen Löwen I (1898), Im Reiche des silbernen Löwen II (1898), Am Jenseits (1899), Der Sohn des Bärenjägers (1887), Der Geist des Llano estakato (1888), Der blaurote Methusalem (1888), Die Sklavenkarawane (1889/90), Der Schatz im Silbersee (1890/91), Das Vermächtnis des Inka (1891/92), Der Ölprinz (1893/94) und Der schwarze Mustang (1896/97).

Die Abenteuer des Schwarzen Gerard

1. Kapitel.

»Ich zieh' ins weite, ferne Land, Der Zukunft denk' ich mit Entzücken, Des Friedens Zepter in der Hand, Will ich ein mutig Volk beglücken.

Ich trotz' der Franken Trug und List Und glaub' an seines Schwures Treue, Wie doch mein Herz so selig ist! Geb' Gott, daß ich es nicht bereue!«

Im Westen von Neumexiko liegt eine weite Ebene, die am besten mit der Sahara zu vergleichen ist. Viele Tagereisen weit ist kein Baum, kein Strauch zu finden; kein Quell dringt aus dem Boden, um eine grüne Vegetation zu erzeugen. Nur der Kaktus fristet ein einsames, trockenes Leben; er bildet Felder von ungeheurem Umfang; aber er wird ebenso vom Menschen, wie vom Tier gemieden, denn seine Stacheln sind gefährlich. Tritt sich ein Pferd einen solchen Stachel in den Huf, so ist es unrettbar verloren. Es beginnt zu hinken, der Huf schwillt; es tritt Brand dazu, und der einsame Reiter, seines treuen, schnellen Tieres beraubt, kann zu Fuß das Ende der Wüste nicht erreichen und muß elend verschmachten. Er fällt den Geiern zur Beute, die hoch oben in der glühenden Luft ihre weiten Kreise ziehen, um mit scharfem Auge ihren Fraß zu suchen.

Aber auch noch in anderer Beziehung ist diese Wüste gefährlich. Da nämlich weder Baum noch Strauch als Wegweiser dienen kann, so hat man den Weg, der durch sie führt, mit langen, kahlen Stangen bezeichnet, daher sie den Namen Llano estacado, das ist die abgesteckte Wüste, führt. Nun gibt es dort allerlei Gesindel, deren Anführer diese Pfähle herausreißen und in falscher Richtung stecken lassen. Wer ihnen dann folgt, gerät immer tiefer in die Öde hinein, muß elend verhungern und verdursten, und ist er dann tot, so wird sein Leichnam von den feigen Räubern beraubt.

Diese Wüste geht mit ihrem Westrand fast bis zum Rio Puercos – auch Rio Pecos –, der ein Nebenfluß des Rio Grande del Norte ist. An diesem Rio Puercos liegt das Fort Guadeloupe, das unseren Lesern bereits von früher her bekannt ist. Emma Arbellez war mit ihrer Freundin Karja in Guadeloupe auf Besuch gewesen. Die erstere hatte dort eine befreundete Familie besucht, war auf dem Rückweg von den Komantschen überfallen und gefangengenommen, dann aber von Helmers und Bärenherz befreit worden.

Die erwähnte Familie war diejenige des einzigen Warenhändlers in Fort Guadeloupe. Er war mit dem Haziendero Pedro Arbellez verwandt, hieß Pirnero und galt als der reichste Mann der ganzen Gegend. Er war in das Land gekommen, man wußte nicht recht, woher, hatte sich eine hübsche, wohlhabende Neumexikanerin, eine Cousine von Pedro Arbellez, zur Frau genommen und einen Handel angefangen, der immer größeren Aufschwung nahm, bis Pirnero sich einen gemachten Mann nennen konnte.

Seine Frau war bald gestorben und hatte ihm ein einziges Kind, eine Tochter, hinterlassen. Dieser Todesfall traf ihn nicht tief. Er besaß ein heiteres Gemüt, das nicht zum Gram geschaffen war. Er lebte glücklich und sorglos, das heißt, ohne alle Sorge außer einer einzigen. Seine Tochter, die hübsche Resedilla, machte nämlich keine Anstalt, sich einen Mann zu nehmen. Dies war ihm früher ziemlich gleichgültig gewesen; jetzt aber trat das Alter an ihn heran, und er wünschte sich einen tüchtigen Nachfolger, um die Tochter versorgt zu wissen. Sie hatte Anbeter genug gehabt, das hübsche, blonde Mädchen, auch mit allen gescherzt und gelacht, aber keinen vorgezogen und begünstigt. So war sie zwanzig Jahre geworden, dann fünfundzwanzig, endlich fast dreißig. Sie war noch immer hübsch; es war gar nicht, als ob sie zu den Mexikanerinnen gehöre, die ja bekanntlich in diesen Jahren bereits vollständig verblüht sind. Ihr hellblondes Haar zeigte auch auf eine andere, vielleicht germanische Abstammung, doch war es selten, daß sie oder ihr Vater darüber sprach, denn er wußte, was zu seinem Vorteil diente.

Pirnero besaß ein großes Haus und außerhalb des Forts bedeutende Weiden, auf denen er eine Anzahl Vaqueros beschäftigte. Sein Haus hatte außer dem Erdgeschoß große Kellereien und ein Stockwerk. In den Kellern befand sich seine Niederlage, im Erdgeschoß war ein Verkaufsladen und eine Schenkstube, und das Stockwerk enthielt seine Wohn- und Schlafzimmer.

Heute wehte draußen ein steifer Wind über den Fluß herüber, ein Wind, wie ihn kein Jäger und kein Hirt liebt, und dennoch befand sich kein einziger Gast in dem Schenkzimmer, das doch bei solchem Sturm den besten Aufenthalt bot.

Señor Pirnero war in nicht ganz guter Laune. Er saß am Fenster und blickte schweigend in die Gegend hinaus, über die der Staub in dichten Wolken wirbelte. Resedilla saß am anderen Fenster und nähte an einem roten Busentuch, das eine der Mägde zum Geschenk erhalten sollte.

Da begann der Vater an der Fensterscheibe zu trommeln. Dies war ein sicheres Zeichen seiner schlechten Laune, und wenn er an dieser litt, so bekam Resedilla die bekannten Vorwürfe zu hören, aus denen sie sich aber nicht viel machte. Es gab ihr vielmehr Spaß zu beobachten, mit welchen wunderbaren Einleitungen und Sprüngen er immer wieder auf das Heiratsthema kam.

»Fürchterlicher Wind!« brummte er verdrießlich.

Sie antwortete nicht; darum fügte er nach einer Weile hinzu:

»Fast ein Sturm!«

Sie zog auch jetzt noch vor, zu schweigen; da richtete er die direkte Frage an sie:

»Nicht wahr, Resedilla?« – »Ja«, antwortete sie einsilbig. – »Ja? Was denn?« fragte er, aufgebracht über die Kürze ihrer Antwort. – »Nun, fürchterlicher Sturm.« – »Gut! Und ebenso fürchterlicher Staub!«

Resedilla antwortete abermals nicht; nun wandte er ihr das Gesicht zu und sagte:

»Wenn du dir kein besseres Mundwerk anschaffst, wie willst du denn da mit deinem Mann auskommen, wenn du einmal heiratest?« – »Eine schweigsame Frau ist besser als eine Plaudertasche!« antwortete sie.

Pirnero hustete einige Male. Er fühlte sich geschlagen und war verlegen um die Fortsetzung des Gespräches. Endlich fing er nach einer Weile abermals an:

»Außerordentlicher Wind! Unendlicher Sturm!«

Sie hielte diese geistreiche Bemerkung keiner abermaligen Antwort für wert.

Er schüttelte den Kopf, trommelte an die Scheibe und sagte:

»Und kein einziger Gast da!«

Da sie auch hierauf keine Antwort hatte, drehte er sich ihr wieder zu und fragte:

»Habe ich etwa nicht recht? Oder siehst du etwa einen Gast hier in der Stube?« – »Hältst du mich etwa für blind?« lachte sie jetzt. – »Na also! Kein Gast, gar keiner! Das ist schlimm für ein Mädchen, das sich nach einem Mann umzusehen hat! Oder hast du etwa bereits...« – »Nein«, antwortete sie abweisend. – »Nicht? Warum nicht?« – »Ich mag keinen!« – »Keinen! Hm! Dummheit! Ein Mann ist für ein Mädchen das, was für einen Schuh die Sohle ist.« – »Man muß auf ihn treten, nicht?« lachte sie. – »Dummheit! Ich meine, man kann ohne ihn nicht laufen.«

Aber trotz seiner Rechtfertigung fühlte er doch den Stich, den er erhalten hatte. Das wurmte ihn, und er sann darüber nach, wie er von neuem auf eine unbemerkte Weise auf sein Thema kommen könne, als ein Holzriegel draußen herabfiel, den der Sturm vom Dach gerissen hatte.

»Hast du es gesehen?« fragte er. – »Was?« – »Den Riegel da draußen!« – »Ja.« – »Nun ist ein Loch im Dach. Wer muß es reparieren, he? Ich allein!« – »Wer sonst? Doch wohl nicht ich?« – »Du? Dummheit! Der Schwiegersohn! Denn seine Pflicht ist es, auf Ordnung zu sehen. Wo kein Schwiegersohn ist, da ist keine Ordnung. Verstanden?«

Der gute Papa Pirnero war ein wenig sparsam, und der kleine Schaden, den ihm der Sturm verursacht hatte, ärgerte ihn. Wenn etwas Derartiges vorlag, dann wurde er doppelt redselig und sprach auch von Dingen, über die er sonst gewöhnlich Schweigen zu beobachten pflegte. Darum fuhr er jetzt fort:

»Aber ein ordentlicher Schwiegersohn muß es sein! Nicht so ein abgerissener und zerlumpter wie der lange Kerl, der jetzt zuweilen kommt!«

Pirnero bemerkte gar nicht, daß ein leichtes Rot die Wangen der Tochter überflog. Dieser zerlumpte Kerl schien ihr denn doch nicht so ganz gleichgültig zu sein.

»Du weißt doch, wen ich meine?« fragte der Vater. – »Ja«, antwortete sie. – »Nun also, den nicht, den bringst du mir nicht. Ich bin Ambition gewöhnt, schon von meinen seligen Eltern her. Weißt du, was mein Vater war?« – »Ja. Schornsteinfeger.« – »Gut. Das sind Leute, die hoch hinaus müssen. Und mein Großvater?« – »Meerrettichhändler.« – »Schön! Du siehst also ein, daß schon in ihm das Spekulationstalent gesteckt hat, durch das ich zum reichen Mann geworden bin. Man kann eine Tochter gar nicht genug an eine solche Abstammung erinnern, das Vaterland und die Vaterstadt mit eingerechnet. Oder hast du etwa vergessen, aus welchem Land ich bin?« – »Nein«, sagte sie, das Lachen verbeißend. – »Nun?« – »Aus Sachsen.« – »Ja, aus Sachsen, wo die schönen Mädchen wachsen. So schöne gibt's nirgends, aber heiraten müssen sie, sonst werden sie schimmelig. Verstanden? Auch du bist nicht weit vom Stamm gefallen. Ich war ein hübscher Kerl, schon von meiner Mutter und Großmutter her, und darum kannst du dich auch sehen lassen, das liegt so in der Natur der väterlichen Abstammung zur Tochter hinüber. Darum habe ich dich auch Reseda oder Resedilla genannt Und was meine Vaterstadt betrifft, so kennst du ja wohl ihren Namen?« – »Jawohl.« – »Nun?« – »Pirna.« – »Ja, Pirna. Das ist die schönste Stadt in der ganzen Welt. Sie ist berühmt wegen ihrer schönen Sprache, darum habe ich auch das Spanische so leicht gelernt, denn das Pirnsche und Spanische sind einander sehr verwandt; Pirnaisch und Spanisch ist beinahe egal; das siehst du schon aus dem Namen, den ich hier zu Ehren meiner Vaterstadt angenommen habe: Pirna und Pirnero. Darum hat mich deine Mutter sogleich geheiratet. Du aber magst keinen, ich glaube, selbst dann nicht, wenn er aus Pirna wäre. Wer soll mir da die Dachriegel fest machen, die der Wind herunterreißt!«

Der biedere Pirnero hätte in seinem Sermon noch weiter fortgefahren, wenn nicht von draußen Pferdegetrappel zu hören gewesen wäre. Ein Reiter kam herbeigesprengt, sprang aber nicht draußen vor dem Fenster vom Pferd, sondern ritt es in die offene Umzäunung hinein, die sich an der Giebelseite des Hauses befand. Dann erst schritt er an den Fenstern vorüber, um nach der Stube zu kommen. Der Wirt hatte ihn im Vorübergehen bemerkt und sagte jetzt höchst ärgerlich:

»Das ist er, der Lump! Der braucht gar nicht zu kommen, selbst wenn ich keine Gäste habe. So einer soll mir nicht sagen, daß er mein Schwiegersohn werden will!«

Resedilla beugte sich tiefer auf ihre Arbeit hinab, um die Röte ihres Gesichts nicht merken zu lassen, und unterdessen trat der Gast in die Stube.

Er grüßte höflich, setzte sich auf einen der Stühle und verlangte ein Glas Julep, der in den Vereinigten Staaten und deren Grenzgebieten gern getrunken wird.

Der Gast war hoch und stark gebaut, und sein Gesicht war von einem dunklen Vollbart umrahmt. Er mochte bereits ein Stück in die dreißig hinein sein, konnte aber recht gut als bedeutend jünger gelten. Er trug eine sehr fadenscheinige, mexikanische Hose und darüber eine wollene Bluse, die vorn offenstand und die bloße Brust sehen ließ, die er dem Sturmwind geboten hatte. Ein schmaler Ledergürtel ging um seine Hüften. In demselben steckten zwei Revolver und ein Messer. Die Büchse, die er neben sich an den Tisch gelehnt hatte, schien keinen Groschen wert zu sein, wie überhaupt seine ganze Bekleidung einen abgeschabten Eindruck machte. Wer aber in seine kräftigen, etwas melancholischen Züge blickte und sein großes, dunkles Auge sah, der hätte ihn sicher nicht nach diesen Kleidern beurteilt.

Als er jetzt den breitkrempigen Hut auf den Tisch legte, sah man, daß eine tiefe, kaum erst zugeheilte Narbe quer über seine Stirn lief. Doch waren seine Bluse und seine Hose von so frischen Blutflecken beschmutzt, daß man leicht sehen konnte, diese Flecken stammten nicht von der Stirnwunde her.

»Was für Julep wollt Ihr?« fragte der Wirt rauh. »Minze oder Kümmel?« – »Ich bitte, Señor, gebt mir Minze«, lautete die Antwort.

Sie war höflich und bescheiden. Ihr Ton hatte eine eigentümliche Weichheit, fast als ob er irgendeinen Fehler begangen hätte, den er sich verzeihen lassen müsse. Und doch klang diese Stimme so fest wie diejenige eines Mannes, der nicht Lust hat, mehr zu leiden, als er leiden will.

Der Wirt ging hinaus in den Laden und brachte das Verlangte. Dann setzte er sich wieder an das Fenster. Der Gast nippte an dem Branntwein und schien ebenso wie der Wirt seine Aufmerksamkeit durch das Fenster zu konzentrieren; ein aufmerksamer Beobachter aber hätte bemerken können, daß sein Blick zuweilen verstohlen hinüber zu dem Mädchen flog, das dann die Augen errötend senkte. Und das war wirklich kein Wunder, denn ein unparteiisches Urteil hätte sicherlich dahin gelautet, daß dieser Mann recht gut geeignet ist, noch selbst das jüngste Mädchenherz zu erobern.

Der Alte fand das lange Schweigen denn doch zu drückend. Er räusperte sich ein wenig und sagte zum dritten Mal, allerdings jetzt zu dem Gast:

»Fürchterlicher Wind!«

Der Fremde antwortete nicht, und erst als der Wirt nach einer weiteren Pause fragte: »Nicht? Was?« lautete die gleichgültige Antwort: »Nicht schlimm.« – »Aber schrecklicher Staub!« – »Pah!« – »Pah? Was meint Ihr? Das soll kein Staub sein?« – »Staub ist es. Aber was tut das?« – »Was das tut? Welche Frage!« rief der Wirt ärgerlich. »Fliegt einem dieser Staub in die Augen, so ...« – »So macht man sie zu«, fiel der Fremde ein. – »Zumachen? – Ah, ja, das wird das beste sein.«

Der geistreiche Wirt fühlte sich zum dritten Mal geschlagen, fügte aber hinzu:

»Doch die Kleider, die Kleider werden zu Schanden.« – »So zieht man schlechte an!«

Das war Wasser auf die Mühle des Wirtes. Er machte eine rasche Wendung nach dem verhaßten Gast zu und sagte:

»Ja, die Eurigen sind schlecht genug. Habt Ihr denn keine besseren?« – »Nein.«

Dieses Wort wurde so gleichmütig gesprochen, daß es den Alten empörte. Der Mexikaner hält sehr viel auf sein Äußeres. Er kleidet sich in eine bunte, höchst malerische Tracht, trägt gern schimmernde Waffen und schmückt sein Pferdegeschirr mit goldenen und silbernen Zierraten. Von alledem war bei dem Fremden nichts zu bemerken. Er hatte an seinen groben Stiefeln nicht einmal Sporen, die der Mexikaner stets mit ungeheuren Rädern trägt.

»Warum denn nicht?« fragte der Wirt. – »Sie sind mir zu teuer.« – »Ah, so seid Ihr ein armer Habenichts?« – »Ja«, antwortete der Gefragte gleichmütig. Er bemerkte aber wohl, daß die Tochter unwillig errötete und ihm einen Blick zuwarf, in dem es wie eine Bitte um Verzeihung lag.

Der Wirt bemerkte dies nicht; er fuhr in seinen Fragen fort

»Was seid Ihr denn eigentlich?« – »Jäger.« – »Jäger? Und davon lebt Ihr?« – »Allerdings.«

Der Alte warf ihm einen höchst verächtlichen Blick zu.

»Da sollt Ihr mich dauern«, sagte er stolz. »Wie kann ein Jäger jetzt leben? Es gibt keinen mehr. Ja, früher war es etwas anderes. Da gab es Kerle, vor denen man Respekt haben mußte. Habt Ihr einmal von Bärenherz gehört?« – »Ja, es war ein berühmter Apache.« – »Oder von Büffelstirn?« – »Ja, er war der König der Büffeljäger.« – »Und von Donnerpfeil?« – »Ja, er war ein Deutscher.« – »Mein Landsmann!« sagte der Wirt stolz. »Ich bin nämlich aus Pirna, von woher sie in Dresden die Elbe beziehen. Der größte Jäger aber ist der ›Fürst des Felsens‹ gewesen, der eigentlich auch ein Deutscher war. Er war früher Arzt und hat Sternau geheißen...« – »Sternau«, unterbrach ihn der Fremde schnell. – »Ja, Sternau.« – »Wie lautet sein Vorname?« – »Carlos, Señor Carlos Sternau. Mein Vetter hat mir von ihm erzählt, als ich ihn vor einigen Jahren besuchte.« – »Und wer ist dieser Euer Vetter?« – »Das ist der Señor Pedro Arbellez, Besitzer der Hacienda del Erina.« – »Ist dieser Señor Sternau verheiratet?« – »Ja. Nämlich mit der Gräfin Rosa de Rodriganda.« – »Er ist's, er ist's; es ist derselbe«, sagte der Jäger für sich, aber so, daß es der Wirt und dessen Tochter hörten. – »Wer ist er? Wer ist ganz derselbe?« fragte der erstere. »Kennt Ihr ihn?« – »Ja, sehr gut.« – »Woher?« – »Er hat meine Schwester aus dem Wasser gezogen.« – »Seht Ihr, was für ein Kerl er ist! Er zieht sogar die Leute aus dem Wasser heraus. Ja, er war ein großer Jäger, wie es keinen wieder gibt. Wir haben jetzt keinen berühmten Wald- oder Prärieläufer mehr, einen höchstens ausgenommen, der soll aber auch ein ganz verteufelter Kerl sein. Habt Ihr von ihm gehört?« – »Wen meint Ihr denn?« – »Den Schwarzen Gerard. Ihr müßt nämlich wissen, daß sich die Waldläufer einander gern beim Vornamen nennen und dann noch irgendeine Bezeichnung dazusetzen. Ich muß Euch das sagen, weil Ihr zwar ein Jäger seid, aber jedenfalls kein solcher, der diese Gebräuche kennt. Dieser Mann heißt Gerard und soll einen schwarzen Bart haben; daher wird er der Schwarze Gerard genannt. Kennt Ihr ihn?« – »Ich habe von ihm gehört.« – »Nun, so werdet Ihr wissen, daß dies der einzig berühmte Kerl ist, den wir jetzt hier an der Grenze haben. Er fürchtet sich vor dem Teufel nicht; sein Schuß geht niemals fehl, und sein Messer trifft stets den richtigen Fleck. Vor so einem Mann muß man Respekt haben. Er hat es besonders auf die Raubbanden in dem Llano estacado abgesehen. Seit er von Norden droben heruntergekommen ist, sind die Wege von ihnen fast gesäubert worden. Ich habe ihm sehr viel zu verdanken, denn früher fingen sie mir meine Waren zehnmal ab, ehe ich sie einmal bekam. So ein Kerl sollte mein Schwie...« Er besann sich und hielt mitten im Wort inne. In Gegenwart dieses Gastes durfte er unmöglich in seine Lieblingslitanei verfallen. Darum fuhr er fort: »Ich möchte wissen, was für ein Landsmann er ist. Wohl auch ein Deutscher und am Ende gar aus Pirna, denn die Leute dort sind ganz ungeheuer tapfer. Wie hatte denn der Königstein nach Pirna kommen können, wenn sie ihn nicht für sich erobert hätten? Und dies hat ihnen bis jetzt noch niemand nachgemacht. Aus welchem Land seid Ihr denn eigentlich gebürtig?« – »Aus Frankreich«, entgegnete der Jäger. – »O weh! So seid Ihr ein Franzose?« – »Natürlich!« – »So! Hm! Hm! Das ist gut, Señor!«

Pirnero drehte sich schnell um und machte keinen Versuch, das Gespräch fortzusetzen. Es war klar, daß die Franzosen aus irgendeinem Grund bei ihm in Mißkredit standen. Nach einer Pause erhob er sich und verließ das Zimmer, gab aber vorher seiner Tochter einen Wink, ihm zu folgen. Sie gehorchte und fand ihn in der Vorratskammer.

»Du«, sagte er, »hast du gehört, was er ist?« – »Ja, ein Franzose«, antwortete sie. – »So maß ich dich warnen.« – »Warum?« – »Das darf ich dir nicht sagen, aber da das Schweigen gefährlich werden könnte, so muß ich mit dir darüber reden. Weißt du, daß uns die Franzosen einen deutschen oder vielmehr einen österreichischen Prinzen herübergebracht haben, der Kaiser von Mexiko werden soll?« – »Warum sollte ich dies nicht wissen, man spricht doch überall davon.« – »Nun, so will ich dir sagen, daß die Österreicher alle gute Kerle sind. Sie rechnen zwar nach Gulden, die bloß siebzehn Groschen gelten, aber mich gehen die übrigen drei Groschen ja gar nichts an. In Pirna ist man nobel. Ich habe gegen die Österreicher gar nichts, und dieser Prinz Max soll ein guter Mensch sein. Den Mexikanern gefällt es jedoch nicht, daß er sich von den Franzosen bringen läßt, und darum wollen sie von ihm nichts wissen. Sie sagen, der Napoleon sei ein Lügner, er werde seine Versprechungen nicht erfüllen und auch den Prinzen Max später sitzenlassen. Sie wollen keinen Kaiser haben, sie wollen einen Präsidenten, und der soll Juarez sein.« – »Der jetzt in Paso del Norte ist?« – »Ja. Die Franzosen wollen ihn daher gern fangen. Sie haben bereits das ganze Land besetzt und ihn in Chihuahua beinahe ergriffen. Er ist ihnen aber glücklich nach Paso del Norte entkommen. So weit zur Indianergrenze wagen jene sich zwar nicht herauf, aber man spricht davon, daß sie ein Streifkorps absenden wollen, um ihn aufzuheben. Darum muß man vorsichtig sein und sich vor jedem Franzosen hüten.« – »Du doch nicht. Was geht dich Juarez an?« – »Oh, sehr viel«, antwortete er mit wichtiger Miene, »ich habe es dir bisher verschwiegen, daß ich eine außerordentliche Begabung für Politik habe.« – »Du?« unterbrach sie ihn im höchsten Grad erstaunt. – »Ja, ich. Alle Leute in Pirna sind groß in Politik. Das haben wir noch vom Finkenfang bei Maxen her. Ich habe drüben in Präsidio noch einige Ländereien, und weil ich daselbst eine Stimme besitze, so ist es mir nicht gleichgültig, ob wir den Prinzen Max bekommen oder den Juarez. Der Max ist gut, aber er kann sich unmöglich halten. Er hängt von den Franzosen ab. Der Napoleon hat, um ein mexikanisches Kaiserreich zu gründen, zwei Anleihen gemacht; davon ließ er Mexiko lumpige vierzig Millionen zukommen, fünfhundert Millionen aber hat er für Frankreich selbst behalten. Das ist der offenbarste Betrug, und der arme Max weiß sich nun keinen Rat. Juarez hingegen kennt unser Land; er will nichts von den Franzosen wissen, und darum wollen wir ihn. Dazu gehört aber Geld. Darum hat er zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gesandt, um sich mit ihm zu verbinden und eine Anleihe zu machen. Vor einigen Tagen nun ist der Bote zurückgekehrt und hat die Nachricht gebracht, daß die Staaten von einem mexikanischen Kaiser, den der Franzose bringt, nichts wissen wollen und uns dreißig Millionen Dollar bewilligt haben. Einige Millionen sind bereits unterwegs. Sie sollen durch die Llano estacado zu Juarez transportiert werden. Davon aber haben die Franzosen Wind bekommen, und es ist wahrscheinlich, daß sie den Geldtransport überfallen wollen. Er kommt in schleunigen Tagemärschen heran. Im Fall der Not soll er, wenn es unmöglich ist, ihn weiterzubringen, hierher nach Fort Guadeloupe geschafft und in unserem Haus einstweilen versteckt werden. Deshalb wird Juarez eine stärkere Besatzung herlegen, deshalb haben wir aber auch die Franzosen doppelt zu fürchten. Sie werden Kundschafter senden, um uns auszuhorchen, und ich ahne, daß der Kerl, der jetzt drin sitzt, ein solcher Spion ist. Er spricht nur wenig und verwendet keinen Blick vom Fenster, um ja genau zu sehen, was draußen vorgeht. Nicht einmal dich sieht er an.«

Resedilla wußte dies besser; sie hütete sich aber, es zu verraten.

»Ich glaube nicht, daß er das Auge eines Spions hat«, meinte sie. – »Nicht? Da irrst du! Nun muß du aber wissen, daß man es einem Diplomaten gleich ansieht, was für ein großer Mann er ist. Darum will ich mich lieber vor diesem Franzosen gar nicht sehen lassen. Er könnte es meiner Miene ansehen, daß ich zur großen Schule gehöre, und Verdacht schöpfen. Darum sollst du allein ihn bedienen. Aber ich bitte dich um des Himmels willen, laß dir nicht merken, daß ich ein Anhänger von Juarez bin.«

Resedilla unterdrückte ein Lächeln und antwortete:

»Habe keine Sorge! Ich habe von dir eine diplomatische Ader. Er soll mich nicht fangen.« – »Ja, ich glaube selbst, daß du diese Ader hast. Das ist die Erbschaft vom Vater auf die Tochter, ohne daß man weiß, woher es eigentlich kommt. Also kehre in die Schenkstube zurück und mache deine Sache gut. Sei sogar etwas liebenswürdig mit ihm, um ihn kirrezumachen. Ein guter Diplomat muß seine Feinde mit dem Lächeln fangen, ich kenne das von Pirna her!«

2. Kapitel.

Resedilla ging in die Schenkstube zurück, wo der Gast während der langen und sonderbaren Unterredung ganz allein gesessen hatte. Auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck allerliebster Schelmerei. Sie nahm an ihrem Fenster wieder Platz, ohne ein Wort zu sagen, da er aber auch schwieg, so wurde ihr diese Stille denn doch zu drückend, und sie beschloß, eine Unterredung zu beginnen und dabei sofort auf ihr Ziel loszugehen.

»Seid Ihr wirklich ein Franzose, Señor?« fragte sie. – »Ja«, antwortete er. »Sehe ich etwa aus wie ein Mann, der Euch belügen könnte, Señorita?« – »Nein«, gestand sie aufrichtig. »Ich glaubte nur, Ihr hättet Scherz gemacht. Man liebt hier in dieser Gegend nämlich die Franzosen nicht« – »Ich liebe sie auch nicht.« – »Ah!« sagte sie erstaunt. »Und doch seid Ihr selbst ein Franzose?« – »Ja. Ich meine aber damit nur, daß ich zwar in Frankreich geboren bin, daß ich jedoch niemals wieder in mein Vaterland zurückkehren werde.« – »Habt Ihr es denn gezwungen verlassen?« – »Nein, ich bin freiwillig gegangen, aber ich habe mit meinem Vaterland nichts mehr zu schaffen.« – »Das muß traurig sein.« – »Nicht so traurig wie andere Dinge, zum Beispiel Untreue und Verrat.« – »Habt Ihr die erduldet?« – »Leider.«

Bei diesem Wort trat der melancholische Ausdruck seiner Züge und seines Blickes deutlicher hervor. Aber seine Antwort hatte die Wißbegierde des schönen Mädchens in hohem Grad erregt. Es wollte nun auf alle Fälle mehr erfahren und fragte daher:

»So ist Euch vielleicht eine Geliebte untreu geworden?« – »Allerdings.« – »Das muß ein böses, hartes, herzloses Mädchen gewesen sein, Señor.«

Resedilla sagte dies so eifrig, und ihr Gesicht hatte den Ausdruck solcher Aufrichtigkeit, daß der Gast bemerken mußte, sie selbst würde ihm gegebenenfalls wohl nicht untreu werden. Dennoch änderte sich kein Zug seines ernsten Gesichtes, und er erwiderte nur:

»Sie war mehr als das, sie war schlecht.« – »Darf ich ihren Namen wissen?« – »Sie wurde Mignon genannt.« – »Mignon? Erst konnte ich diesen Namen sehr gut leiden, nun aber gewiß nicht mehr. Doch, Señor, Ihr grämt Euch wohl gar noch über sie?« – »Ja, Señorita.« – »So habt Ihr sie sehr liebgehabt?« – »Sehr«, antwortete er kurz und einfach. Aber gerade dies zog das unerfahrene Mädchen am meisten an. Ein anderer hätte einer Dame gegenüber wohl das alles verschwiegen, so wenigstens dachte sie und sagte dann:

»So müßt Ihr sie zu vergessen suchen, Señor!« – »Das geht nicht. Ich habe sie zwar jetzt nicht mehr lieb, doch hat sie mich so unglücklich gemacht, daß ich sie unmöglich vergessen kann.« – »Das begreife ich nicht, Señor. Wie könnt Ihr unglücklich sein, wenn Ihr sie nicht mehr liebt?« – »Weil mein Unglück eigentlich nicht eine Folge ihrer Untreue, sondern ihres Verrates ist.« – »Ah, sie hat Schlimmes von Euch gesagt?« – »Ja.« – »Und es war eine Lüge?« – »Nein, Señorita, es war leider die Wahrheit.«

Resedilla war bei diesen Worten ganz sonderbar und fremd zumute geworden. Sie konnte sich keine Rechenschaft über ihr Verhalten geben, aber sie fragte weiter:

»Nicht wahr, jetzt habt Ihr doch nur im Scherz gesprochen?« – »Warum sollte ich mit Euch scherzen, Señorita? Nein, nein, ich sagte Euch die volle Wahrheit.«

Da senkte sie den Kopf, ein Gefühl der Enttäuschung war auf ihrem Gesicht zu lesen, und ihre Stimme klang kälter als vorher, als sie sagte:

»So verzeiht, daß ich Euch mit meinen Fragen belästigt habe! Aber so oft Ihr jetzt auch zu uns gekommen seid, habt Ihr stets so still und traurig dagesessen, daß es mich gedauert hat. In Eurem Auge ist es ja stets, als ob eine Träne daraus hervorbrechen wollte.« – »Ja, man findet zuweilen Menschen, die eine ganze Flut von Tränen in sich tragen und doch zu stolz sind, dies merken zu lassen.« – »Oh, ich habe es wohl bemerkt. Und da dachte ich mir, daß Euch ein freundliches Wort vielleicht erfreuen würde. Es gibt ja Personen, die einem gar nicht fremd erscheinen können, Señor. Habt Ihr das nicht auch schon erfahren?« – »Ja, doch erst hier bei Euch, Señorita.«

Sie errötete. Er fuhr daher entschuldigend fort:

»Ihr dürft mir diese Worte nicht übelnehmen. Wenn sie Euch weh tun, werde ich gehen und nie wiederkommen.« – »Nein, das dürft Ihr nicht, Señor«, entgegnete sie rasch. »Es würde mir jedoch sehr angenehm sein, Euch etwas weniger traurig zu sehen, als bisher, und wenn Ihr mir von Euch auch gar nichts sagen wollt, so möchte ich doch Euren Namen gern erfahren.« – »Nennt mich Mason, Señorita.« – »Mason? Ja, das ist ein französischer Name. Und Euer Vorname?« – »Ihr wollt ihn auch noch wissen?« – »Ja. Wir Frauen denken uns einen Mann gern bei seinem Vornamen und bringen die Bedeutung desselben mit den Eigenschaften des Trägers in Verbindung.« – »Ich heiße Gerard.« – »Gerard? Ah, gerade wie der ›Schwarze Gerard‹, von dem mein Vater vorhin sprach. Ihr habt auch einen solchen schwarzen Bart, wie er ihn tragen soll. Aber könnt Ihr mir sagen, welche Bedeutung der Name Gerard hat?« – »Er bedeutet der Kraftvolle oder der Verteidiger, so hat mir einst mein Lehrer gesagt.« – »Der Kraftvolle? Ja, das paßt für Euch. Und wer kraftvoll ist, der kann auch gut ein Verteidiger sein.« – »Leider bin ich es nicht gewesen, sondern gerade das Gegenteil.« – »Wie meint Ihr das, Señor?«

Der Gefragte blickte traurig hinaus in das Weite und antwortete:

»Ich war Garotteur.« – »Garotteur? Das verstehe ich nicht. Was bedeutet das?« – »Ja, Eurem unschuldigen Sinn ist es wohl noch nie zu nahe getreten. So wißt denn, Señorita, daß in großen Städten, in denen Millionen beisammenwohnen, viele Tausende des Abends kaum wissen, woher sie des Morgens Brot nehmen sollen. Noch schlimmer daran aber sind die Tausende, die sich des Abends sagen: ›Wenn du dir nicht des Nachts dein Brot stiehlst, so mußt du morgen hungern.‹ Diese sind die Sklaven des Verbrechens. Die meisten sind nicht ganz schuldig, und viele sind sogar unschuldig. Der Vater erzieht den Sohn und die Mutter die Tochter zum Verbrechen, ein Rechtsgefühl wird nicht entwickelt, und so leben diese Leute auf der Stufe des Fuchses oder des Löwen, deren Natur den Raub oder Diebstahl gebietet. Sie sind die Raubtierklasse des Menschengeschlechts.« – »Mein Gott, das muß doch sehr, sehr traurig sein!« – »Trauriger, als Sie denken.« – »Und Ihr, Señor? Ihr wolltet doch wohl von Euch reden?« – »Allerdings. Auch ich war ein solches Raubtier.« – »Unmöglich!« fuhr sie erschrocken auf. – »Doch, leider! Ich klage zwar niemand an, doch gehorchte ich meinem Vater. Wir waren arm und lernten die Arbeit verachten. Mein Vater war schwach und stahl, ich aber war stark und garottierte, das heißt, ich ging des Nachts auf die Straßen, zog den mir Begegnenden mit einer Schlinge den Hals zusammen und leerte ihnen dann, wenn sie die Besinnung verloren hatten, die Taschen. Wir verführten auch meine Schwester. Sie widerstand uns und warf sich in den Fluß, um sich zu ertränken. Doktor Sternau aber, von dem vorhin Euer Vater sprach, sprang ihr nach und rettete sie.« – »O mein Gott, wie ist dies doch so schrecklich!« rief Resedilla erbebend.

Sie war leichenblaß geworden. Da saß der Mann, der einzige, dem sie ihre Liebe hätte schenken mögen, und er erzählte ihr, daß er ein Verbrecher sei. Warum diese fürchterliche Aufrichtigkeit? Sie schauderte an allen Gliedern.

»Ja, schrecklich ist es«, fuhr er mit jener Gleichgültigkeit, welche bereits das Schlimmste hinter sich weiß, fort. »Aber es kam noch schlimmer. Kein ehrliches Mädchen hätte mich geliebt. Ich lernte jene Mignon kennen. Wir liebten einander, und ich gab ihr alles, was ich raubte. Dann lernte ich einst einen schlechten Menschen kennen, vielleicht erfahrt Ihr einmal, wer es gewesen ist. Er bot mir große Summen an, für ihn ein Verbrechen zu begehen. Ich ging scheinbar darauf ein, aber ich schützte den Bedrohten und nahm dem Mörder zur Strafe sein ganzes Geld ab. Nun wollte ich ein ehrlicher Mann werden und gab Mignon alles, sie aber betrog mich, indem sie einen vornehmen Herrn betörte, den sie mir vorzog und mit dem sie den Raub verpraßte. Und als ich ihr drohte, sagte sie, daß sie mich anzeigen werde.« – »Was habt Ihr da getan? Sie getötet?« – »Nein«, antwortete er verächtlich. – »Oder ihren Verführer?« – »Nein, auch das nicht. Ich bin gegangen und habe gearbeitet. Oh, damals habe ich viel gelitten und gestritten und gekämpft, ich selbst war ja mein schlimmster Gegner. Aber ich hatte mir nun einmal vorgenommen, ein ehrlicher Mensch zu werden, und ich bin es geblieben, denn was ich einmal ernstlich will, das pflege ich auch durchzuführen. Aber in der Gesellschaft guter Leute ist mir erst das volle Bewußtsein meiner Sünden gekommen, und es hat mich hinausgetrieben, fort von der Heimat, in die Fremde, wo ich sühnen und dann sterben will.«

Es entstand eine lautlose Stille. In dem Auge des Mädchens perlte eine Träne. War es eine Träne des Schmerzes, der Entsagung, oder lag in dem feuchten Glanz derselben ein Widerschein des Bibelwortes von dem bußfertigen Sünder, über den im Himmel mehr Freude ist, als über neunundneunzig Gerechte? Ein voller, tiefer Atemzug entquoll ihrer Brust, und sie erhob das Auge fest zu ihm, sah ihm ernsthaft in das seinige und fragte:

»Aber, Señor, warum erzähltet Ihr denn mir dies alles?« – »Das will ich Euch sagen«, antwortete er. »Als ich glaubte, jene Mignon zu lieben, und getäuscht wurde, als ich nach Amerika ging, die Berge, die Wüsten und Savannen durchwanderte und während dieser langen Jahre ein Jäger, ein Scout – Pfadfinder – wurde, der einen guten Namen hat, da ließ mich die Einsamkeit mein Herz erkennen, und als ich dann Euch erblickte, da wußte ich, was wahre Liebe sei, und ich konnte ohne Euren Anblick nicht mehr sein, es zog mich zu Euch, wie es den Gläubigen zu den Füßen der Madonna zieht. Nun ich aber bemerkte, daß auch Euer Auge voll Teilnahme auf mir ruhte, da erwachte in mir das Bewußtsein meiner Pflicht. Ihr durftet Euer Herz nicht an einen Unwürdigen verschenken, und darum, darum, Señorita, habe ich Euch erzählt, was ich gewesen bin, damit Ihr mich verabscheuen lernen sollt. Und außerdem ist es mir gewesen, als ob ich jetzt zu meinem Beichtvater oder zu Gott selbst gesprochen hätte: Wer seine Sünden bekennt und bereut, dem werden sie vergeben. Ich werde jetzt gehen und nicht wiederkehren. Ihr aber werdet vor der Verunreinigung mit dem Verdammten bewahrt bleiben! Doch ich bitte Euch, über das, was ich Euch erzählt habe, zu schweigen. Ihr würdet sonst viele in Schande bringen, denen ich jetzt nützlich bin, denn ich müßte ja diese Gegend dann verlassen.«

Gerard erhob sich und ergriff sein Gewehr. Er wollte gehen, ohne sein Glas ausgetrunken zu haben. Da aber stand sie auch auf und trat ihm in den Weg. Ihr Antlitz war noch bleicher geworden als vorher.

»Señor«, sagte sie, »Ihr seid bisher so außerordentlich aufrichtig gegen mich gewesen, seid es nun auch zum letzten Mal und sagt mir, ob Ihr ein Spion der Franzosen seid.« – »Nein, ich bin es nicht.« – »Darf ich dies wirklich glauben?« – »So, als ob Gott es Euch gesagt hätte.« – »Und Ihr haltet Euch nicht zu den Franzosen?« – »Nein. Ich hasse den Kaiser, der nur durch Blut und Lüge regiert. Ich könnte ihn töten, ihn, der jetzt wieder einen wohlgesinnten, ehrlichen Fürsten in das Verderben führt! Aber seine Zeit wird einst kommen. Ich stehe zu den Mexikanern, und ich liebe Juarez. Ist dies Euch genug, Señorita?« – »Ja, vollständig; ich bin beruhigt.« – »So lebt denn wohl!« – »Wollt Ihr wirklich gehen, Señor?« – »Ja.« – »Für immer?« – »Für immer von Euch, aber nicht von Guadeloupe. Man wird mich hier wiedersehen.«

Er senkte seinen Blick tief in den ihrigen; beider Augen standen voller Tränen, und es war, als ob er jetzt seine Arme um sie schlingen dürfe, ohne sie zu beleidigen, und als ob sie bereit sei, ihr Köpfchen an sein Herz zu legen, ohne sich vor ihm zu grauen; aber er beherrschte sich, er durfte ihr Schicksal ja nicht an das seinige ketten und ging.

Als er die Stube verlassen hatte, stand Resedilla noch immer auf demselben Fleck, auf dem sie vor ihm gestanden, verbarg das Gesicht in beide Hände und brach in ein jähes Schluchzen aus, unter dem ihr ganzer Körper erbebte.

»Gerard heißt er«, sagte sie weinend. »Ja, er verdient diesen Namen, er ist wirklich der Kraftvolle, denn er hat sich selbst besiegt, er ist der Beschützer, denn er hat mich vor sich selbst beschützen wollen. Wie schwer muß es ihm geworden sein! Und wie schwer wird es mir werden – vielleicht unmöglich, nun erst recht unmöglich!«

3. Kapitel.

Gerard hatte ihr ausbrechendes Schluchzen noch unter der Tür gehört, aber er kehrte nicht um, sondern trat in die Umzäunung, bestieg sein Pferd, befestigte das Sturmband seines Hutes straff unter dem Kinn und warf die Flinte über den Rücken, um sein Pferd darauf vorn emporzuziehen und ihm die unbespornten Fersen zu geben. Mit einem kühnen Sprung setzte es, den Ausgang vermeidend, über die hohen Planken hinweg und flog im Galopp gerade auf das Wasser zu. Dort warf es sich in die tiefen Fluten des Rio Puercos und schwamm an das andere Ufer. Gerard achtete der Nässe nicht, die seine Kleider durchdrang, und auch des Sturmes nicht, der ihm entgegenheulte. Mitten in der Prärie endlich stand das Pferd. Er sprang ab und warf sich zu Boden, um das erschöpfte Tier ruhen und grasen zu lassen, er hatte seiner Liebe entfliehen wollen, ohne gewiß zu sein, ob dies überhaupt möglich sei.

Der freundliche Leser weiß nun wohl, daß dieser Mann kein anderer war als Gerard, der Pariser Garotteur, den Alfonzo de Rodriganda einst mit nach Deutschland genommen hatte, um durch ihn die Gräfin Rosa töten zu lassen. Aus dem einstigen Sünder war ein Bußfertiger geworden, aber nicht ein Büßender in Sack und Asche, der elend seine Tage verjammert, sondern ein Büßer mit der Büchse in der Faust, der es sich zur Aufgabe gestellt hatte, das Verbrechergesindel der Savanne auszurotten. Er hatte es vorgezogen, Resedilla zu verschweigen, daß er selbst es sei, den man allgemein den Schwarzen Gerard nenne.

So hatte er, ohne zu wissen, lange, lange Zeit, dagelegen. Sein Pferd hatte sich satt gefressen und lag nun still im Gras. Da plötzlich sprang es auf, sträubte die Mähne, spitzte die Ohren und stieß glühenden Auges jenes Schnauben aus, das dem Besitzer ein sicheres Zeichen ist, daß sich ein Mensch oder irgendein feindliches Wesen naht.

Sofort schnellte auch Gerard empor und überflog mit scharfem Auge die weite Prärie. Er bemerkte einen Reiter, der im Galopp gerade auf ihn zugesprengt kam. Seine erst so gespannten Zöge nahmen den Ausdruck der Befriedigung an.

»Beruhige dich!« rief er dem Pferd zu. »Es ist Bärenauge, unser Freund.«

Das Pferd hatte den Mann so gut verstanden, daß es sich augenblicklich niederlegte und kein weiteres Zeichen von Unruhe gab.

Der Nahende war von einem Kenner bereits von weitem als ein Indianer zu rekognoszieren. Er trug zwar nicht indianisches Kostüm und wilden Rabenfederschmuck, sondern die neumexikanische Kleidung; aber seine weit vorn auf dem Hals des Pferdes liegende Gestalt bezeichnete ihn mit Sicherheit als einen Roten. Nur ein langjähriger Savannenmann reitet auf diese Weise.

Er sprang, bei dem Wartenden angekommen, mit einem einzigen Satz und im vollen Galopp vom Pferd. Er wußte, daß sein weiterstürmendes Tier in einem Bogen zu ihm zurückkehren werde. Jedenfalls handelte es sich hier um ein Stelldichein, und es war ein Beweis für den scharf ausgeprägten Ortssinn der beiden Männer, daß sie sich so präzis auf einem freien Punkt der offenen Prärie zu treffen wußten. Weniger erfahrene Jäger hätten dies nicht fertiggebracht.

Der Indianer war noch jung, und jemand, der einst mit Bärenherz bekannt gewesen war, der hätte wohl zwischen beiden eine große Ähnlichkeit konstatieren müssen.

»Mein roter Bruder hat lange auf sich warten lassen«, empfing ihn der Franzose. – »Glaubt mein weißer Bruder, daß Schosheinta nicht reiten kann?« antwortete der Indianer. »Ich bin lange geblieben, weil ich lange lauschen mußte.« – »Lauschen? Wo?« – »Ich war in Paso del Norte bei Juarez, dem Häuptling der Mexikaner, um ihm zu sagen, daß ich ihm fünfhundert tapfere Apachenkrieger bringen werde, um Chihuahua wiederzunehmen. Ich teilte ihm auch mit, daß ich meinen weißen Bruder hier treffen würde, und er bat mich, dir zu sagen, daß du Señorita Emilia besuchen solltest.« – »Ich werde es sogleich tun, denn ich selbst halte es für notwendig.« – »Wie lange wirst du bleiben?« – »Ich weiß es nicht, vielleicht eine Woche.« – »So wirst du mich in Paso del Norte finden. Ich ritt über die Sierra del Diablo – das Teufelsgebirge – und war bereits dem Fluß nahe, als ich die Spuren dreier Männer fand.« – »Indianer?« – »Weiße.« – »Zu Fuß?« – »Zu Pferd.« – »Wie erkanntest du an den Spuren der Pferde, daß die Reiter weiß seien?« – »Sie waren nicht hintereinander geritten, sondern nebeneinander. Das tun nur die dummen Bleichgesichter, wir Indianer aber niemals.« – »Du rittest den Spuren nach?« – »Ja. Ich ritt über eine Stunde und fand, daß die Weißen abgestiegen waren und sich niedergelassen hatten. Sie hatten den Pferden die Sättel abgenommen und wollten also eine lange Ruhe halten. Ich schlich mich heran, um sie zu belauschen. Der eine konnte die Sprache des Landes reden, er war ein Mexikaner und machte den Dolmetscher; die beiden anderen sprachen nur die Sprache der Franzosen.« – »Ah! Was hatten sie für Kleider?« – »Sie hatten sich gekleidet wie Jäger, waren aber keine.« – »Woran erkanntest du dies?« – »Ihre Messer waren neu und schön und ihre Hände weiß wie der Schnee des Gebirges; sie hatten noch nie eine schwere, rauhe Rifle – Büchse – ergriffen.« – »Wahrscheinlich waren es Offiziere!« – »Mein weißer Bruder hat recht. Sie sprachen zu dem dritten, wie nur der Offizier zu den Soldaten redet. Auch hatte der eine Schnur am Hals, an der zwei runde Gläser hingen. Er setzte sie auf die Nase und blickte hindurch wie einer, der vier Augen hat, anstatt zwei.« – »Ah, ein Nasenklemmer! Es ist kein Zweifel, es sind verkleidete Offiziere. Hat mein roter Bruder etwas von ihrem Gespräch verstanden?« – »Nein. Ich lag hart hinter ihnen und konnte alles hören, aber nichts verstehen, denn sie redeten in der schnellen Sprache, der sich die Franzosen bedienen. Ich wartete lange, ob einmal ein spanisches Wort fallen würde, aber vergebens; daher ritt ich schnell zu dir, um dir diese Sache mitzuteilen.« – »Wie weit ist es von hier?« – »Wir reiten den vierten Teil der Zeit, den Ihr eine Stunde nennt.« – »So laß uns aufbrechen, denn ich muß hin.«

Sie bestiegen eiligst ihre Pferde und flogen im schnellsten Galopp der Gegend zu, aus welcher Bärenauge gekommen war. Dieser ritt voran und Gerard so genau hinter ihm, daß sein Pferd stets genau in die Spuren des indianischen Rosses trat.

Nach Verlauf von zehn Minuten erhöhte sich die Prärie zusehends. Es entstanden Hügel und Berge, die ziemlich dicht bewaldet waren und von tiefen Schluchten getrennt wurden. In eine derselben ritt der Indianer hinein. Dort sprang er ab und band sein Pferd an einen Baumstamm. Gerard tat dasselbe.

»Folge mir!« sagte Bärenauge dann leise, indem er an der einen Seite der Schlacht emporklomm and zwischen den Bäumen über den Kamm hinüberschritt, worauf es drüben in eine zweite Schlucht hinabging. Dabei aber bewegten sie sich nicht auf den Füßen, sondern legten sich auf den Boden nieder und glitten, jedes Geräusch vermeidend, den Abhang hinunter.

Fast unten angekommen, erblickten sie durch das Laub der Zweige in einer runden Öffnung des Gesträuchs drei Männer, die unbesorgt ihre Zigaretten rauchten. Nicht weit davon sah man drei Pferde grasen.

Sie sprachen französisch, und zwar so laut, als ob sie sich auf einem Jahrmarkt und nicht mitten in der mexikanischen Wildnis befänden.

»Ja, mit dem Juarez ist es aus«, sagte der eine. »Er hat seine letzte Pfeife geraucht und mag nun sehen, ob die roten Halunken ihn zu ihrem Kaiser machen.« – »Pah, was liegt überhaupt an ihm!« meinte der zweite. »Der ganze Feldzug war ja nur ein Kinderspiel. Es war gerade, als ob man Fliegen mit dem Taschentuch zerstreute. Mehr Mühe hätte ich mir für diesen Erzherzog auch nicht geben mögen.« – »Für den? Was denkst du denn! Für ihn ist nicht das mindeste geschehen. Er wurde als Strohmann mitgenommen, damit die Invasion bei den Mächten nicht als eine französische Eroberung betrachtet werden möchte. Der Strohmann wird der Sache bald müde sein und herzlich gern abdanken. Ja, er wird jedenfalls noch gute Worte geben, nach Hause gehen zu dürfen. Dann wird Bazaine Präsident von Mexiko, und seine Sache ist es, derartige Konflikte herbeizuführen, daß der Kaiser gezwungen ist, einzuschreiten und das Land für eine französische Provinz zu erklären.« – »Und die Mächte?« – »Pah! Die Sache ist dann bereits fertig; niemand kann es ändern. Übrigens ist das Land wunderschön; am besten gefallen mir jedoch die Damen.« – »Ich billige deinen Geschmack!« – »Sie sind wirklich allerliebst!« – »Sogar schön!« – »Voll Geist und Feuer!« – »Nicht sehr penibel.« – »Sage lieber hingebend.« – »Ja, Mexiko ist das Land der Eroberungen auch in Beziehung auf die schöne Welt. Sahst du in Paris jemals eine solche Schönheit wie diese Señorita Emilia?« – »Der Teufel hole sie!« – »Warum? Hat sie dir einen Korb gegeben?« – »Einen förmlichen Tragkorb! Und doch ist sie es, der vor allen der Preis gebührt.« – »Ja, sie ist eine wirkliche Schönheit.« – »Eine Venus!« – »Eine Diana!« – »Eine Juno!« – »Pah, sie hat das Göttliche und Menschliche von allen andern Göttinnen zusammen.« – »Mich berauscht am meisten ihr prickelndes Wesen. Berührt man ihren wunderschönen, herrlich geformten, alabasterweißen Arm, so ist es bei Gott, als ob man die überspringenden elektrischen Funken knistern hörte!« – »Ja. Und dieser Hals!« – »Diese Büste! Es ist gerade zum Verzweifeln, in der Nähe dieses Weibes zu weilen, ohne es anbeten zu dürfen.« – »Alle Teufel, ich wäre froh, wenn sie mir einmal ihre Huld schenkte.« – »Oh, Emilia ist wählerisch, mein Lieber, und du bist nur Leutnant.« – »Und du nur Kapitän; das ist kein großer Unterschied.« – »Den Major hat sie ganz in Händen. Ich habe kürzlich ihre Augen studiert. In diesen dunklen, sprühenden Sternen liegen tausend Himmel und zehntausend Höllen, sie ist ein Engel und ein Teufel zugleich.«

Bei dem Lob dieses wunderbar schönen Wesens glitt ein eigentümlicher Zug über das Gesicht Gerards. Fast schien es, als ob er für die Sprecher Mitleid fühle.

»Laßt diese Sirene sein!« sagte endlich der Leutnant. »Wann brechen wir auf?« – »Wir können es sogleich tun. Du hast einen weiten Weg.« – »Ja, du bist besser dran. Du kannst in anderthalb Stunden an deinem Ziel sein, ich aber habe noch fünf Tage zu reiten, ehe ich Chihuahua erreiche. Also du warst bereits einmal in diesem Fort Guadeloupe?« – »Bereits viermal, um zu rekognoszieren. Jetzt bleibe ich für längere Zeit, um meine Kompanie zu erwarten, die das Nest erstürmen und besetzen soll.« – »Da wirst du dort diese Donna Emilia sehr vermissen. Oder gibt es dort ähnliche Akquisitionen?« – »Ich kenne nur eine einzige.« – »Ah, also doch eine! Wer ist es?« – »Die einzige Tochter eines gewissen Pirnero. Er ist Kaufmann und der reichste Mann des Ortes.« – »Ist sie schön?« – »Ja, aber nicht mehr ganz jung.« – »Liebenswürdig?« – »Mehr freundlich möchte ich es nennen.« – »Leicht zu erobern?« – »Verteufelt schwer!« – »Also gar kein Feuer oder doch ein wenig Koketterie?« – »Nicht die Spur. Sie ist das personifizierte, kalte Pflichtgefühl, aber in verdammt vollendet plastischen Formen. Eine zärtliche, aufrichtig liebevolle Zuneigung von ihr dürfte mehr wert sein, als selbst die von Donna Emilia.« – »Verdammt! Das Mädchen möchte ich sehen!« – »Und ich möchte es küssen!« – »Das wird dir schwer werden, vielleicht gar unmöglich.« – »Oho, da dürfte ich kein Franzose sein. Es wäre dies überhaupt eine ganz treffliche Belohnung für die Anstrengung unserer gegenwärtigen Rekognoszierungsreise.« – »So nimm sie dir. Aber dazu gehört Mut in diesem Land.« – »Glaubst du etwa, daß er mir fehlt?« fragte der Kapitän beleidigt. – »Ein wenig«, lächelte der Leutnant. »Wenn diese mexikanischen Damen nicht wollen, so pflegen sie zu beißen.« – »Pah! Wollen wir wetten?« – »Um was?« – »Tausend Stück der feinsten Puros – Zigarren –.« – »Topp! Auf Ehrenwort?« – »Auf Ehrenwort! Topp!«

Sie schlugen ein, und dann fragte der Leutnant im Ton der Neugierde:

»Aber wie willst du es anfangen?« – »Hm!« brummte der Kapitän. – »Ist's ein Geheimnis?« – »Das nun eben nicht.« – »Nun, so schieß los!« – »Also, ich habe dir gesagt, daß ich bereits viermal dort gewesen bin.« – »Und ich habe gnädigst geruht, es anzuhören«, lachte der Neugierige. – »Ich habe dann jedes Mal dort gewohnt.« – »Alle Teufel! Und eine Attacke gemacht?« – »Noch nicht. Doch bin ich so klug gewesen, mir die Türen und Schlösser genau anzusehen.« – »Das nenne ich, seine Vorbereitungen gut treffen! Was sind es für Schlösser?« – »Keine Pariser. Kannst du dich besinnen, daß es in unseren Knabenjahren auf den Dörfern und in kleinen Städten noch Schraubenschlösser gab?« – »Schraubenschlösser? Hole dich der Teufel! Hältst du mich etwa für einen Schlosser oder Hufschmied, daß du mir zumutest, solche Fachausdrücke zu verstehen?« – »Ich meine jene altmodischen Schlösser, zu denen man keinen Schlüssel braucht.« – »Ah, ich beginne nachzudenken!« – »Es wurde ganz einfach mit dem Drücker geöffnet, der zugleich als Schlüssel diente. Im Schloß befindet sich ein großes Schlüsselloch mit Schraube, und im Drücker ist die korrespondierende Schraubenmutter ausgehöhlt Steckt man den Drücker ein und dreht ihn ein paarmal um, so öffnet sich die Tür.« – »Jetzt, jetzt besinne ich mich! Aber die Schlösser sind verteufelt altmodisch!« – »Hier in Mexiko noch nicht. Die Türen des Señor Pirnero haben alle solche Schlösser, und hierauf baue ich meinen Plan.« – »Das wird dich nicht sehr fördern.« – »Sogar ganz außerordentlich. Du vergißt nämlich zweierlei, Kamerad.« – »Ich bin neugierig, es zu hören!« – »Wenn man den Drücker abzieht und mit in die Stube nimmt, hat man sich eingeschlossen; daher sind diese Türen nicht mit einem besonderen Nachtriegel versehen.« – »Alle Teufel! Ich beginne zu ahnen, was nun folgen wird.« – »Ferner sind diese Schlösser und Drücker einander alle ungeheuer ähnlich. Sie sind alle über eine Schraube gemacht Der Drücker der einen Tür schließt also auch alle anderen auf.« – »Dann ist aber das Einschließen ja ganz illusorisch geworden.« – »Allerdings; aber daran scheint man in diesem glücklichen Land gar nicht zu denken. Übrigens weiß ich, wo Señorita Resedilla wohnt.« – »Resedilla? Ein sehr duftiger Name; ganz wie Kresse und Ranunkel!« – »Meinetwegen! Und zweitens weiß ich auch ganz genau, wo ich wohnen werde.« – »Das ist von ungeheurem Vorteil.« – »Und drittens habe ich bereits bei meiner letzten Anwesenheit probiert, ob mein Drücker die Tür der Señorita öffnet.« – »Klug wie ein Kadi des Morgenlandes!« spottete der Leutnant. »Wie fiel diese Probe aus?« – »Sehr gut. Schmiere ich meinen Drücker ein wenig mit Öl oder Talg ein, so gelange ich unbemerkt zu der Señorita. Das übrige ist meine Sache. Ich denke, eine Eroberung kann nicht leichter sein als diese.« – »Sie wird um Hilfe rufen!« – »Pah! Ich bin überzeugt, daß ich nicht das mindeste zu befürchten habe.« – »So stehen dir also Erfahrungen zu Gebote?« – »So viele du willst. Ich weiß sicher, daß ich auch heute siegen werde.« – »Ich wünsche dir Glück dazu! Du wirst mir aber ausführlich berichten?« – »Natürlich!« – »Über Glück oder Unglück!« – »Das versteht sich. Es geht ja auf Ehrenwort. Du sollst alles so ausführlich erfahren, als ob dieser Schuft, den sie den Schwarzen Gerard nennen, zugesehen hätte.« – »Ja, ein Schuft ist dieser Kerl. Ihn hat unser Heer mehr zu fürchten als zehn andere Spione.« – »Zehn? Sage hundert!« – »Zumal er nicht nur listig ist wie ein Wiesel, sondern auch tapfer wie ein Teufel. Ich möchte mir wohl den Preis verdienen, den Bazaine auf ihn gesetzt hat.« – »Wieviel war es?« – Erst drei- und dann fünftausend Franken. Er hat Juarez mehr genützt als eine ganze Armee. Dieser Mensch ist gefährlicher als der Panther des Südens, der doch auch berühmt oder vielmehr berüchtigt ist. Er erfährt fast alle unsere Vorbereitungen; auf welche Weise, das ist ein wahres Rätsel. Und wird ja einmal einer seiner Berichte aufgefunden, so ist er genauer und ausführlicher als unser Original. Es sollte mich wundern, wenn er nicht bereits wüßte, daß wir bei den Komantschen gewesen sind. Unseren Kontrakt, daß uns sechshundert dieser Teufel zur Verfügung stehen werden, wird er allerdings nicht sogleich erfahren, wenigstens nicht vor der Zeit. Und dann ist es für Juarez und ihn ja viel zu spät.«

Wie gern hätte Gerard diesen Männern gesagt, daß er bereits jetzt alles wisse, aber mit diesem Spaß hätte er ja ebenso alles verdorben.

»Also wann wird deine Kompanie Fort Guadeloupe erreichen?«

– »Von heute an in fünf Tagen. Sie wird am Rio Conchas hinuntergehen, unterhalb dessen Einmündung den Rio del Norte überschreiten und dann direkt das Fort anlaufen. Dieser Coup kann gar nicht mißlingen, es weiß kein Mensch davon, nicht einmal der Major, der denkt, daß es sich nur um eine Demonstration handelt.« – »So wirst du vielleicht Kommandant des ganzen Presidio.« – »Das hoffe ich. Jetzt aber laß uns aufbrechen. Draußen auf der Ebene weht ein verdammter Wind, und ich muß noch vor Nacht das Fort erreichen.«

Die beiden Offiziere brachen auf. So lange warteten die Lauscher, dann kehrten sie zu ihren Pferden zurück. Der Apache hatte bis jetzt geschwiegen, nun aber fragte en

»Hat mein Bruder etwas gehört?« – »Ja.« – »War es wichtig?« – »Sehr. Heute über fünf Tage wird eine Kompanie Franzosen das Fort überfallen.« – »Uff! Was wirst du tun?« – »Ich rufe deine Hilfe an.« – »Ich werde kommen.« – »Mit deinen fünfhundert Apachen?« – »Mit den fünfhundert. Aber du mußt mir versprechen, Juarez nicht vorher etwas zu sagen.« – »Warum?« – »Er würde dann seine Leute senden, die uns die Beute nehmen. Meine Krieger erhalten keinen Sold. Ich muß darauf sehen, daß sie Beute bekommen.« – »Beute und Skalpe, gut. Aber ich werde dabeisein.« – »Wo treffen wir uns?« – »Genau um Mittag an der großen Eiche auf den Teufelsbergen.« – »Wirst du um diese Zeit wieder von Chihuahua hier sein können?« – »Ja. Ich werde viele Pferde nehmen und gebe dir jetzt das meinige mit, daß es dann frisch und kräftig ist. Aber noch eins habe ich gehört.« – »Was?« – »Diese Leute sind bei den Komantschen gewesen, von denen sechshundert ihnen beistehen werden, den Präsidenten Juarez zu besiegen.« – »Wann kommen sie?« – »Ich weiß es nicht.« – »Welcher Häuptling ist ihr Anführer?« – »Auch das haben sie nicht gesagt; ich werde es aber sicher noch erfahren.« – »So werde ich jetzt von meinem Bruder scheiden, denn er wird das Fort Guadeloupe allein finden können.« – »Dort wird heute der eine von den beiden Leuten schlafen, die wir belauschten.« – »Uff!« sagte der Häuptling verwundert. – »Er ist der Kapitän der Kompanie, die wir vernichten werden. Er bleibt im Fort, um sie zu erwarten und das Fort vorher kennenzulernen.« – »Was wird mein Bruder mit ihm tun?« – »Ich werde ihn vielleicht töten, um ihn für eine Tat zu bestrafen, die er begehen will.« – »Darf ich meinen Bruder fragen, welche Tat dies sein soll?« – »Er will ein Mädchen überfallen.« – »Dann ist er ein Hund, der geschlagen werden muß, bis er stirbt. Hat mein weißer Bruder mir noch etwas zu sagen?« – »Heute nicht mehr.« – »So möge ihn der große Gott beschützen. Ugh!«

Die Männer trennten sich. Bärenauge ritt, das Pferd Gerards an der Leine führend, nach Westen zurück, der Franzose aber wanderte zu Fuß auf das Fort Guadeloupe zu. Er nahm sich dabei Zeit, denn er durfte sich nicht sehen lassen. Erstens hatte er ja von Resedilla für immer Abschied genommen, und zweitens konnte er, wenn ihn der Kapitän sah, leicht erkannt werden. Es war also Zeit, wenn er das Fort noch vor Schlafenszeit erreichte.

4. Kapitel.

Um die Zeit der Dämmerung saß der alte Pirnero abermals am Fenster und seine Tochter an ihrem gewöhnlichen Platz. Der Alte hatte noch immer schlechte Laune, und da der Wind auch noch immer den Staub aufwirbelte, so war es kein Wunder, daß Wind, Laune und Staub in seinem Inneren zu einem trüben Ganzen zusammenschmolzen.

Er trommelte kräftig an die Fensterscheibe und sagte:

»Verdammter Wind!«

Die Tochter achtete auf ihre Arbeit und antwortete nicht; daher brummte er weiter:

»Ganz armseliger Staub!«

Auch für den Staub wollte sich das Mädchen nicht interessieren; darum beschloß der Alte, einen spitzen Pfeil zu versenden, und fuhr fort:

»Den ganzen Tag kein Gast dagewesen; nur der zerlumpte Kerl.«

Als auch jetzt die Tochter nicht antwortete, fuhr er zornig auf und rief:

»Nun, war er es etwa nicht? War es etwa ein anderer?« – »Er war's«, antwortete sie kurz. – »Das will ich dir auch geraten haben. Wie hast du ihn denn behandelt?« – »Wie du es wolltest.« – »Wie denn? Hast du ihn diplomatisch angelächelt?« – »Ja.« – »Hast du in ihm einen Spion entdeckt?« – »Nein.« – »So sind deine diplomatischen Blicke keinen Heller wert, und die Vererbung vom Vater auf die Tochter existiert nicht. Nun weiß ich endlich auch, warum du gar nicht daran denkst, einen Mann zu nehmen. Dir fehlt nämlich die Begabung, ihn politisch zu behandeln. Aber das soll sich schon noch finden. Ich selbst werde dir einen Mann suchen, und wenn du den nicht nimmst, schicke ich dich ins Kloster. Da ist der rechte Ort für dich. Es ist freilich ein sonderbarer Schritt, nämlich vom Pirnschen Stammbaum mit Schornsteinen und Meerrettich in das Kloster; aber du willst es ja nicht anders haben! Halt, dort kommt ein Reiter! Wenn er hier einkehrt, so fragst du ihn, ob er ledig ist!« – »Das schickt sich nicht« – »Was? Das schickt sich nicht? Ich muß wissen, wer bei mir verkehrt Ich habe eine heiratsfähige Tochter und leide keinen Gast der verheiratet ist. Ah, Himmel, es ist der reiche Goldsucher, der schon viermal bei uns geblieben ist Kannst du dich besinnen, ob er eine Frau hat oder nicht?« – frage ihn doch selbst«, antwortete sie, ärgerlich über die Launen des Vaters, die sich zu manchen Zeiten fast zur Manie verwandelten. – »Ja, das werde ich auch tun; ich bin es ja, der das richtige Geschick dazu hat, denn ich bin drüben in Pirna drei Jahre lang Kurrendaner gewesen und habe gesungen wie eine Heidelerche.«

Bei diesen Worten ging Pirnero hinaus, um den willkommenen Gast zu empfangen. Er trat bald mit ihm ein. Es war der französische Kapitän, der sich also hier für einen Goldgräber ausgegeben hatte.

»Kann ich diese Nacht abermals hier bleiben, Señorita?« fragte er höflich. – fragt meinen Vater«, antwortete sie. – »Er hat es mir erlaubt« – »So bedarf es meiner Zusage nicht. Vater ist Herr im Hause.«

Sie sagte dies in einem zwar höflichen, aber doch kurzen Ton. Der Mann, der sie immer mit verlangenden Blicken verfolgte, war ihr nicht sympathisch.

Er bestellte sich ein Glas Pulque, das ihm der Alte selbst brachte, dann setzte sich der letztere an das Fenster und überlegte, in welch glanzvoller Weise er dem Fremden entlocken werde, ob er noch ledig sei.

»Starker Wind!« begann er endlich. – »Sehr unangenehm«, meinte der Fremde. – »Entsetzlicher Staub!« – »Nur hier am Ort, draußen aber ist es reine Luft« – »Reine Luft? Ja, das ist die Hauptsache. Da muß man aber verheiratet sein, damit die Frau darauf sieht, daß die Türen und Fenster offen sind. Habt Ihr auch eine Frau, Señor?« – »Nein, ich bin unverheiratet«

Der Alte warf einen triumphierenden Blick auf seine Tochter und fragte weiten

»Aber Vater und Mutter habt Ihr?« – »Nein.« – »Auch keine anderen Verwandten?« – »Nein.« – »O Dios! Was tut Ihr denn da mit dem Gold, was Ihr findet?« – »Ich hebe es für meine Verheiratung auf.« – »Ach so! Da seid Ihr also bereits verlobt?« – »Auch noch nicht.«

Der Blick des Kapitäns fiel dabei auf das Mädchen; der Alte bemerkte dies und wurde dadurch in die beste Laune versetzt.