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11. September 1944 - das andere "Nine-Eleven", ein symbolisch wichtiges Datum des Zweiten Weltkriegs: Erstmals überschreiten alliierte Soldaten die Grenze zum Deutschen Reich. Vom Ourtal in Luxemburg aus dringen fast zeitgleich zwei Spähpatrouillen der 5. US-Panzerdivision auf deutschen Boden vor und erkunden die verwaisten Westwallstellungen. Die eine Patrouille wird angeführt von dem aus Deutschland emigrierten US-Seargent Warner Holzinger, die andere von dem 19jährigen französischen Dolmetscher Olaf Tillette de Mautort. Nachdem die Spähtrupps ihre Mission erfüllt haben, geht die Meldung um die Welt. Panikartig läßt Adolf Hitler den Westwall wiederbesetzen. Das Buch schildert die Geschichte Holzingers und de Mautorts auf den Etappen des letzten Kriegsjahres: die Route der Befreiung Frankreichs, Paris im August 1944, der Spähkrieg am Westwall im Herbst 1944, die Schlacht von Wallendorf in der Südeifel, schließlich das Kriegsende. Zugleich gibt es - basierend auf in Deutschland bislang unveröffentlichten Zeugnissen - eine überraschende Antwort auf die Frage: Wer überquerte tatsächlich als Erster die "Siegfried-Linie"? Für die Recherchen zu diesem Buch hat der Autor auf deutscher wie luxemburgischer Seite die Kriegsschauplätze von einst besucht. - Illustriertes eBook mit zahlreichen Fotos und Karten. Auch als Taschenbuch erhältlich.
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Inhaltsverzeichnis
Die Amis kommen!
Kai Althoetmar
11. September 1944. Als die Amerikaner deutschen Boden erreichten
Impressum:
Titel des Buches: „Die Amis kommen! 11. September 1944. Als die Amerikaner deutschen Boden erreichten“.
Erscheinungsjahr: 2018.
Inhaltlich Verantwortlich:
Edition Zeitpunkte
Kai Althoetmar
Am Heiden Weyher 2
53902 Bad Münstereifel
Deutschland
Text: © Kai Althoetmar.
Titelfoto: Höckerlinie, Ardennen. Foto: Archangel 12, Creative Commons.
Verlag und Autor folgen der bis 1996 allgemeingültigen und bewährten deutschen Rechtschreibung.
Die Recherchen zu diesem Buch erfolgten eigenfinanziert und ohne Zuwendungen oder Vergünstigungen Dritter.
Westwall und Maginot-Linie. Karte: Wikimedia, CC BY-SA 3.0.
Stolzembourg, Gemeinde Putscheid, ein 190-Seelen-Dorf an der deutsch-luxemburgischen Grenze, fünf Kilometer nördlich von Vianden, keine zehn von Diekirch entfernt. Die Our trennt in dem dichten Ardennental das Großherzogtum von der Südeifel, nach Bitburg sind es 20 Kilometer ostwärts. Wer große Städte sucht, hat hier weit zu fahren.
Zwei aufgepflanzte Fahnen hängen matt da, „Stars & Stripes“ und Rot-Weiß-Blau, die der Befreier und die der Befreiten. Gemächlich zieht die Our nach Süden. In Wallendorf, zehn Kilometer südlich von Vianden, strömt sie in die Sauer, die sich bei Wasserbillig mit der Mosel vereint. Von einer Anhöhe überragt das neuzeitliche Schloß den Ort und die Pfarrkirche, alt ist nur der Glockenturm von 1585. Die Burg von Stolzembourg wurde schon 1454 zerstört. Als sie wiederaufgebaut war, legten sie 1679 die Belagerungstruppen Ludwigs XIV. erneut in Schutt und Asche.
In der alten Schule in der Rue Principale 5A, Lëtzebuergesch Haaptstrooss, ist das Musée Koffergrouf, das Kupfergrube-Museum, untergebracht, einen Kilometer abseits des Ortes führt ein Stollen in die jahrhundertealte Geschichte der Kupfererzgewinnung. 1944 wurde die Mine geschlossen. Die deutschen Besatzer waren die letzten, die das Erz abbauten.
Einen Steinwurf von der Brücke über die Our entfernt sind drei Höckerhindernisse in den Boden eingelassen - Panzersperren, Symbole des Westwalls. Der Beton ist verwittert, der Boden mit Steinplatten aus Ardennenschiefer verlegt. Am mittleren Höcker informiert eine Metalltafel auf Englisch in großen Lettern: „ON SEPTEMBER 11 1944 THE FIRST ALLIED SOLDIERS BELONGING TO THE 5.TH US ARMORED DIVISION CROSSED HERE INTO GERMANY.“ Von hier, lautet die offizielle Version, haben US-Soldaten, die der 5. US-Panzerdivision angehörten, am 11. September 1944 erstmals deutschen Boden betreten. Die Our ist kaum 30 Meter breit, gegenüber auf deutscher Uferseite liegen zerstreut sechs Häuser, Keppeshausen, ganze 15 Menschen leben dort. Die Dorfstraße windet sich aus dem Ort. Der Blick nach Osten folgt der K 47. 150 Höhenmeter geht es hoch, rechts im Hang eine Fichtenschonung, der Rest der Bergseite ist Mischwald in allen Grüntönen. Es ist ein windstiller Junitag, der 15. Juni 2015, reglos hält der dichte Wald Wacht am Fluß.
Grenzübergang Stolzembourg. Foto: Kai Althoetmar.
So muß es schon für Seargent Warner Willi Holzinger, dem Rang nach Oberfeldwebel, und seinen kleinen Spähtrupp ausgesehen haben, als sie sich am Freitag, den 11. September 1944, gegen 16.30 Uhr aufmachten, die Reichsgrenze zu überqueren. Sein Zugführer Leutnant Loren Lamont Vipond hatte Holzinger noch angespornt, sich zu beeilen, wenn er der erste alliierte Soldat sein wolle, der deutschen Boden betritt. Das ließ sich der 28jährige mit deutschen Vorfahren, der im zivilen Leben einen Milchlaster fuhr, nicht zweimal sagen. Holzinger, am 31. März 1916 in Deutschland geboren, Sohn deutscher Eltern aus Fulda, die 1921 in die USA emigrierten, war seit September 1940 amerikanischer Staatsbürger.
Die Soldaten um Seargent Holzinger gehörten dem zweiten Zug der B-Kompanie der 85. Kavallerieaufklärungsschwadron der 5. US-Panzerdivision an. Die 5th Armored Division war Teil der 1. US-Armee, der Ende Juli 1944 der Ausbruch aus dem Normandie-Brückenkopf gelungen war - Auftakt für den rasanten Vormarsch der westlichen Alliierten Richtung Belgien und deutscher Reichsgrenze. Erst am Morgen hatte sie Diekirch eingenommen und war von der Bevölkerung frenetisch begrüßt worden, nachdem die Wehrmacht sich kampflos hinter die „Siegfriedlinie“ zurückgezogen hatte.
Omaha-Beach, Normandie, 9. Juni 1944. Foto: U.S. National Archives.
Am 24. Februar 1944, 20 Tage nach ihrer Abreise aus New York, war die Division in England an Land gegangen. In Frankreich war sie am 24. Juli 1944, sieben Wochen nach dem D-Day, im Strandabschnitt Utah in der Normandie gelandet. Am 8. August 1944 eroberte sie Le Mans zurück, wandte sich wieder nach Norden und erreichte am 12. August 1944 Argentan, acht Tage, bevor die deutschen Truppen im Kessel von Argentan-Falaise abgeschnitten wurden - es war der finale K.O. von Wehrmacht und Waffen-SS in der Normandie und letzten Endes in ganz Frankreich. 6.000 Gefallene und weitere 50.000 Mann Verlust durch Gefangenschaft waren die verheerende Bilanz auf deutscher Seite.
Die 5. US-Panzerdivision war danach in heftige Kämpfe im Korridor der Flüsse Eure und Seine verwickelt, passierte Paris, den Wald von Compiègne, die Flüsse Oise, Aisne und Somme, erreichte am 2. September 1944 die belgische Grenze bei Condé, legte dann binnen acht Stunden 100 Meilen ostwärts zurück, überquerte bei Charleville-Mézières die Maas, ließ Sedan hinter sich und befreite am 10. September 1944 Luxemburg-Stadt. 96 Tage lag die Landung in der Normandie am 11. September 1944 zurück.
Die Alliierten überrollten Frankreich und Belgien, die deutschen Truppen waren auf die Linie Scheldemündung - Antwerpen - Albert-Kanal - Aachen - Luxemburg - Moseltal - Nancy zurückgeworfen. Am 9. September 1944 erreichten die westlichen Streitkräfte Luxemburg, am 11. September 1944 war das Großherzogtum vollständig befreit. „Für kein Volk, das das Nazi-Joch tragen mußte, kann die Befreiung mehr bedeuten als für das Großherzogtum Luxemburg“, erklärte US-Präsident Franklin Delano Roosevelt. „Vom deutschen Militär im Mai 1940 rücksichtslos angegriffen und besetzt, war ihr Land nicht nur dem Dritten Reich einverleibt und ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft aufgedrängt worden, sondern wurden seine Söhne zum Militärdienst und dem Tragen der verhaßten Uniform des Unter-drückers gezwungen.“1
Adolf Hitler hatte die Wehrmacht am 10. Mai 1940, als der Frankreichfeldzug startete, das neutrale Luxemburg durchqueren lassen - ohne im Großherzogtum auf Widerstand zu treffen. In Stolzembourg war die Gegenwehr eher symbolischer Natur. Ein Betonblock versperrte die Fahrbahn der alten Buckelbrücke, so daß die deutschen Soldaten auf einem Notsteg, den Pioniere rasch errichteten, über die Our kamen.
Der Verletzung des Völkerrechts folgte die De-facto-Annexion. Luxemburg wurde zum „Gau Moselland“, der Gauleiter des Gaus Koblenz-Trier Gustav Simon wurde zum Chef der Zivilverwaltung ernannt, deutsches Recht eingeführt, der Gebrauch des moselfränkischen Lëtzebuergesch und des Französischen untersagt, französisch klingende Namen wurden eingedeutscht, der Bevölkerung wurde mit einer „Heim ins Reich“-Kampagne weisgemacht, die Luxemburger wären Volksdeutsche. Der Schuß ging nach hinten los: Als Simon im Oktober 1941 eine Personenstandsaufnahme plante, zeigten vorherige Stichproben, daß die Befragten bei „Staatsangehörigkeit“, „Sprache“ und „Volkszugehörigkeit“ der NS-Propaganda zum Trotz zu über 95 Prozent nicht „deutsch“, sondern „luxemburgisch“ angaben.
Die Nationalsozialisten zahlten es den Luxemburgern mit einem harten Besatzungsregime heim. Am 30. August 1942 führten sie - wie im Elsaß und in Lothringen - völkerrechtswidrig die Wehrpflicht ein. Betroffen waren die Jahrgänge 1920 bis 1927. Ab Ende 1942 wurden die jungen Luxemburger in den Reichsarbeitsdienst und in die Wehrmacht eingezogen. Mehr als ein Drittel der Betroffenen weigerte sich, die deutsche Uniform zu tragen, und tauchte unter. Die Hälfte schaffte es ins Ausland, vor allem nach Großbritannien. Ein Bataillon Luxemburger ging später mit den alliierten Truppen in der Normandie an Land und war am 3. und 4. September 1944 an der Befreiung Brüssels beteiligt. 10.211 Luxemburger taten während des Krieges in der Wehrmacht Dienst. 2.848 zahlten es mit dem Leben, weitere 96 blieben später vermißt.
Allmählich keimte der Widerstand gegen den NS-Apparat. Die Zwangsrekrutierung führte ab 31. August 1942 zu Streiks, ausgehend von den IDEAL Lederwerken in Wilz. Die Besatzer verhängten das Standrecht und ließen im Wald beim Konzentrationslager Hinzert 20 Streikende erschießen. Es folgten Inhaftierungen in Konzentrationslager, Deportationen in den Osten, weitere Hinrichtungen. Etwa 1.200 der 3.700 Juden, die vor dem Krieg im Großherzogtum lebten, wurden von der SS ermordet. Die übrigen konnten rechtzeitig emigrieren, tauchten unter oder überlebten die Deportation in den Osten. Die Einheimischen standen der Judenverfolgung überwiegend passiv gegenüber. Vor allem Volksdeutsche, aber auch andere Kollaborateure, vor allem in der Verwaltung, machten mit den Besatzern gemeinsame Sache.