Die Anfänge des Baptismus zwischen Harz und Heide - Peter Muttersbach - E-Book

Die Anfänge des Baptismus zwischen Harz und Heide E-Book

Peter Muttersbach

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Beschreibung

Den Anfängen des Baptismus in der Region zwischen Harz und Heide ab Ende der 1830er Jahre wird nachgespürt und seine weitere Ausbreitung bis um 1900 verfolgt. Unterhaltsam und informativ wird eine Zeit voller Entwicklungen und Umbrüche erschlossen. Das kirchliche Miteinander war noch weit entfernt von ökumenischer Zusammenarbeit, dafür umso spannungsgeladener, wenn eine der aufkommenden Freikirchen im Wirkungsfeld einer Landeskirche auftrat. Die Autoren vermitteln aufgrund ihrer Nachforschungen eine erstaunliche Entwicklung, die ihren Ausgangspunkt in und um Othfresen bei Salzgitter hatte und bis in die ganze Region hinein nachhaltig ausstrahlte. Hier wird ein bisher unbekanntes Stück Kirchengeschichte Ostniedersachsens aufgeblättert. Dem interessierten Leser wird auf gut lesbare Weise Verständnis vermittelt für die Zusammenhänge des damaligen Geschehens mit der Gegenwart. Durch ihre gründlichen Recherchen nehmen uns die beiden Autoren mit in eine Zeit, die eng verbunden ist mit den Wurzeln der Baptisten-Gemeinden im östlichen Niedersachsen heute.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Teil I: Allgemeine Entwicklungen

1. Freikirchen – Baptismus – Ökumene

1.1 Freikirchen

1.2 Baptisten

1.3 Ökumene

2. Anfänge des Baptismus in Deutschland

3. Politische, wirtschaftliche und soziale Verhältnisse in der Braunschweiger Region

3.1 Die politische Situation

3.2 Die wirtschaftlichen Veränderungen

3.2.1 Landwirtschaft

3.2.2 Die beginnende Industrialisierung

3.2.3 Verkehrsentwicklung, Eisenbahnbau

3.2.4 Die sozialen Veränderungen

3.3 Die weitere Entwicklung bis 1900

4. Die allgemeine kirchliche Situation im Lande

4.1 Nachwirkungen des „Königreichs Westfalen“

4.2 Aufklärung und Rationalismus, Konfessionalismus und Pietismus

4.3 Veränderungen nach der Reichsgründung

5. Die Anfänge der Mission im Überblick

5.1 Von Hamburg über Stuttgart nach Othfresen

5.2 Ausstrahlung ins Land hinein

5.3 Missionsmethoden

5.4 Abwehrmaßnahmen

5.5 Weitere rechtliche Probleme

5.6 Baptistischer Einfluss auf rechtliche Änderungen

6. Kirchenaustritte, Taufverweigerungen und Zwangstaufen

(P. Muttersbach / G. Wefel)

6.1 Die Konfliktlage

6.2 Kirchenaustritt und Taufzwang

6.2.1 Königreich Hannover

6.2.2 Herzogtum Braunschweig

6.2.3 Die weitere Entwicklung

6.3 Die Zwangstaufen im Königreich Hannover

6.4 Die Zwangstaufen im Herzogtum Braunschweig

6.4.1 Bethmann / Lutter a. B.

6.4.2 Voss / Hallensen

6.4.3 Weitere Zwangstaufen

6.5 Ein Sonderfall: Wiederaufnahme eines ehemaligen Baptisten und Taufe dessen fünfjähriger Tochter in der Landeskirche

Teil II: Die Entwicklung in den Regionen

7. Die Kernzelle Othfresen-Salzgitter

(G. Wefel)

7.1 Heinrich Sander und die Anfänge in Ohfresen

7.1.1 Elizabeth Frey in Othfresen

7.1.2 Die 1840er Jahre – verfolgte Gemeinde

7.2 Die Anfänge in Salzgitter und Goslar

7.2.1 Heinrich Cramme – „des Heilandes Trüffelsucher“

7.2.2 Friedrich Rißling, Goslar

7.3 Die Ausweitung der Mission zwischen Harz und Heide

7.3.1 Exkurs: Die Schwestergemeinde Einbeck – Heinrich Sander und Carl Steinhoff

7.4 Jahre der Bewährung

7.4.1 Ernste Krise – Neuer Aufbruch

7.4.2 Fortgang der Gemeindearbeit in Salzgitter

7.4.3 Exkurs: Die Gemeinde „verströmt sich“

7.5 Die weitere Entwicklung und Crammes überötliches Wirken

7.5.1 Eine Ära geht zu Ende

7.5.2 Eine neue Generation übernimmt die Verantwortung

7.6 Ausblick und Fortgang der Entwicklung

8. Das Missionsgebiet Wittingen-Brome-Parsau-Platendorf

8.1 Die Anfänge in Wittingen

8.1.1 Ausstrahlung in die Umgebung

8.1.2 Mitarbeiter

8.1.3 Versammlungs- und Tauforte der Anfangszeit

8.2 Probleme mit Pfarrern und Behörden

8.3 Die Auswanderungen

8.3.1 Wilkens’ Weg in den USA

8.3.2 Die „Station von Brome“ in den USA

8.4 Die Entwicklung nach der Auswanderungswelle

8.5 Parsau und Platendorf werden selbständig

8.6 Kapellenbauten

8.7 Die weitere Entwicklung im Missionsgebiet

9. Mission im Raum Schöningen-Helmstedt bis 1869

9.1 Die Anfänge in Schöningen

9.2 Andreas Freitags Wirken (bis 1869)

9.3 Die Entwicklung bis zur Gründung der Doppelgemeinde Braunschweig-Helmstedt

10. Doppelgemeinde Braunschweig-Helmstedt

10.1 Die Vorgeschichte zur Gemeindegründung

10.2 Die Gemeindegründung 1869

10.3 Andreas Freitags Wirken in Braunschweig

10.4 Freitags Auswanderung und amerikanische Zeit

10.5 Krisenzeit in Braunschweig

10.5.1 Problematische Entwicklung

10.5.2 Ermutigender Neustart

10.6 Festigung der Arbeit in Braunschweig und Kapellenbau

10.7 Der Fortgang im Helmstedter Raum bis 1900

11. Blick in die weitere Entwicklung

Anhang

1. Abkürzungsverzeichnis

2. Literaturverzeichnis

3. Dokumentenquellen (Akten, Protokolle usw.)

4. Bildnachweis

5. Namensregister

6. Ortsregister

Vorwort

Vor 175 Jahren, im Jahre 1840, wurde die Baptistengemeinde Othfresen, heute Salzgitter, gegründet.

Dieses Gründungs-Jubiläum ist ein willkommener Anlass, die Anfänge von damals und ihre Auswirkungen für die ganze Region genauer ins Blickfeld zu nehmen. Der Ursprung in Othfresen wurde zur Initialzündung für eine Fülle von missionarischen Aktivitäten im Bereich des östlichen Niedersachsen. Bis um 1900 – also nach nur 60 Jahren – sind aus diesem Anfang in Othfresen die Gemeinden Wittingen/Brome, Einbeck, Parsau, Neudorf-Platendorf, Schöningen, Hannover, Braunschweig, Magdeburg, Peine und natürlich Salzgitter und Goslar hervorgegangen. Seit der Wende zum 20. Jahrhundert entstanden aus diesem Grundstock sechzehn weitere Gemeinden: Braunschweig-Heidberg, Celle, Gifhorn, Halberstadt, Hillerse, Lüchow, Oebisfelde, Salzwedel, Schwülper, Uelzen, Uhry, Unterlüß, Wasbüttel, Wernigerode, Wolfenbüttel und Wolfsburg. Dabei sind die vielen weiteren „Ableger“ Hannovers und Einbecks nicht mitgezählt.

Mit dem vorliegenden Band soll dieser Anfang mit seinen nachfolgenden Entwicklungen bis um 1900 im Bereich zwischen Harz und Heide erhellt werden. Bisher gab es hierzu keine zusammenhängende Darstellung; viele Einzelheiten waren unerforscht. Die Geschehnisse sind aber hoch interessant; es lohnt sich, ihnen nachzugehen und sie zu veröffentlichen. Somit stellte sich uns Autoren die Aufgabe, erst einmal Archivmaterial verschiedenster Art zusammenzutragen, zu sichten und miteinander zu verknüpfen. Das weitete sich zwangsläufig zu einem recht umfangreichen Forschungsprojekt aus. So erschlossen sich aus den Quellen bisher zum Teil völlig unbekannte Vorgänge. Als Beispiel sei eine Reihe von Zwangstaufen in den 1840er und 1850er Jahren genannt. Insgesamt vermitteln die vorliegenden Akten einen erstaunlich guten Einblick in die damalige Denk- und Vorgehensweisen seitens der Landeskirchen und staatlichen Behörden, aber auch in die Vorstellungswelt und das Glaubensverständnis der damaligen Baptisten.

Die räumliche Zuordnung – „zwischen Harz und Heide“ – ist erklärungsbedürftig. Im Blick ist ein Gebiet, das allgemein auch als „Braunschweiger Region“ oder „Braunschweiger Land“ bezeichnet werden kann. Das sollte allerdings nicht zu der Verwechslung führen, als sei nur das Herzogtum Braunschweig gemeint. Dies spielt zwar eine wesentliche Rolle, ist aber nur ein Teil der Region „zwischen Harz und Heide“. Um als Leser eine Vorstellung zu gewinnen, mag man sich das Gebiet vom Harz bis Wittingen und von Helmstedt bis Peine vorstellen. Damit ist keine exakte Abgrenzung gemeint. Das ergibt sich schon durch die weiterreichende Ausstrahlung der baptistischen Aktivitäten z.B. bis ins Wendland oder in den anhaltinischen Teil des damaligen Preußen. Die Region zwischen Harz und Heide umschließt das Kernland des Herzogtums Braunschweig. Dieser Kleinstaat bestand aus einzelnen größeren und zum Teil ganz kleinen Gebietsinseln. Diese Inseln lagen umgeben entweder vom Königreich Hannover oder dem Königreich Preußen. Reisende in dieser Region mussten deshalb ständig Grenzen passieren. Weil die Aktivitäten der damaligen Baptisten nicht Grenzsteine im Blick hatten sondern Menschen, brachte ihnen das häufig Ärger und oft genug einen Gefängnisaufenthalt ein.

Der hier bearbeitete Zeitraum umfasst vor allem die 1840er Jahre bis zur Jahrhundertwende, wobei den ersten Jahrzehnten das größere Gewicht beigemessen wurde. Dass diese Anfangszeit der Baptisten in der Region konfliktbeladen war, ist typisch für alle entstehenden Freikirchen im Deutschland des 19. Jahrhunderts. Im Braunschweiger Raum wird deutlich, was auch anderswo geschah: Die Braunschweigische Landeskirche als privilegierte Territorialkirche duldete in ihrem Bereich keine konkurrierenden Angebote, erst recht nicht, wenn die entstehenden Baptistengemeinden ihre Mitglieder aus der Landeskirche gewannen. Viele kirchlichen und behördlichen Abwehrmaßnahmen, die aus heutiger Sicht absurd wirken, waren damals für alle Beteiligten bitterer Ernst.

Der zeitliche Abstand zum damaligen Geschehen versetzt uns heute in die Lage, ohne eigene Verletzungen über das Vergangene nüchterner und im ökumenischen Sinne nachzudenken. Dazu gehört es nicht nur, die Erinnerung wachzuhalten und auszuhalten, sondern es bedarf auch einer wertenden Einordnung. Der im Zusammenhang mit der Reformationsdekade 2017 angestoßene Prozess „Heilung der Erinnerung“ als Forschungsprojekt1 rückt die Geschehnisse des 19. Jahrhunderts in diesem Sinne ins Blickfeld.

Manche Begebenheiten von damals sind schwer nachvollziehbar, wenn man die Lebensverhältnisse des 19. Jahrhunderts nicht kennt. Wer ahnt schon, was es wirtschaftlich für eine Familie bedeutete, 10 Taler Strafe wegen einer Taufverweigerung zu zahlen? Deshalb erläutern einige Kapitel die Lebensumstände aus dieser Zeit. Der weniger geschichtskundige Leser kann so ein besseres Verständnis gewinnen für die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kirchlichen Zusammenhänge mit der baptistischen Mission in dem hier dargestellten Zeit- und Lebensraum.

Ebenso ist in diesem Band ein Teil vorgeschaltet, der allgemein Wissenswertes über Freikirchen und Baptismus enthält. Das erleichtert das Verständnis für die kirchengeschichtlichen Zusammenhänge damals und in der Gegenwart und kann hilfreich sein zur Einordnung des Geschehens auch in die gegenwärtige gesamtkirchliche Landschaft.

Blicken wir zurück in das Geschehen der baptistischen Gemeindegründungen des 19. Jahrhunderts, so lässt sich schlicht festhalten, dass Menschen an sich selbst erlebt hatten, wie durch das Evangelium ihr eigenes Leben eine entscheidende Wende erfuhr. Wie sollten sie anderen dies vorenthalten? So sahen sie sich in den Dienst Gottes gerufen und verstanden sich als Missionare. Sie brachten die Bibel und ihre Botschaft unter die Leute. Das Evangelium sollte zur Erfahrung für jeden Einzelnen werden und neue Formen der Gemeinschaft ermöglichen. Dazu gehörte das Verständnis von der Gemeinde als „Gemeinde der Glaubenden“, zu der die gehören, die Christus als ihren Herrn und Retter bezeugen. Weil Glaube und Taufe nach dem neutestamentlichen Vorbild zusammengehören, war die Gläubigentaufe Teil der bewusst begonnenen Nachfolge Jesu und Zugehörigkeit zur Gemeinde. So verstanden sich die Baptisten als Alternative zur damaligen landesherrlichen lutherischen Kirche. Diese zeigte kaum Interesse am persönlichen Glauben des Einzelnen, bestand aber auf seiner Mitgliedschaft – notfalls auch zwangsweise (s. Kap. 6). Die Ausbreitung des baptistischen Einflusses damals war – trotz aller Widerstände – in so kurzer Zeit so gewaltig, dass es sich aus heutiger Sicht nur als segensreiches Wirken Gottes beschreiben lässt. So ist auch die Rückbesinnung auf diese Zeit ein Grund zur Dankbarkeit.

Teile dieses Bandes – besonders in den Kapiteln 1, 2 und 9 – sind überarbeitet aus meinem Buch „Wegmarken einer Freikirche. 160 Jahre Baptisten in Schöningen“ aus dem Jahr 2010 übernommen worden.

Dem Leser des vorliegenden Buches seien einige Anmerkungen nahegebracht. Im Stil versucht die Darstellung des Geschehens zweierlei Anforderungen gerecht zu werden. Wissenschaftliche Gründlichkeit und Genauigkeit soll sich mit angenehmer Lesbarkeit verbinden. Das ist eine Gratwanderung, aber für interessierte Leser annehmbar.

So sind die vielen Fußnoten unverzichtbar. Ihre Zählung beginnt in jedem Kapitel neu. Sie dienen vor allem dazu, die Herkunft der Informationen zu belegen. Manche bieten auch interessante Zusatzinformationen, die aber den Lesefluss im Haupttext beeinträchtigen würden. Das Schöne an ihnen ist, dass man sie beim Lesen auch einfach ignorieren kann. Trotzdem sei zu ihrer Organisation einiges kurz erläutert: Alle Quellenangaben in den Fußnoten sind bei ihrer ersten Nennung je Kapitel komplett ausgeschrieben. Bei erneuter Angabe erfolgen sie als Kurztitel oder Abkürzung. Der Anhang dieses Buches mit seinem Abkürzungs- und Literaturverzeichnis hilft bei Unsicherheiten, alle Quellen aufzufinden. Das Namens- und Ortsregister ist der Natur des Forschungsgegenstandes entsprechend sehr umfangreich ausgefallen. Es kann so aber dem eigenen Interesse an bestimmten Orten oder Personen sehr entgegenkommen.

Mein Dank gilt besonders denen, die dazu beigetragen haben, den vorliegenden Band zu verwirklichen. In erster Linie ist Gotthard Wefel als Mit-Autor zu nennen. Seine völlig eigenständige Forschungsarbeit über den Beginn der baptistischen Anfänge in und um Othfresen, Salzgitter und Goslar findet im Kapitel 7 („Die Kernzelle Othfresen/Salzgitter“) durch ihn selbst ihren sehr ausführlichen Niederschlag. Aber schon das Kapitel 6 („Kirchenaustritte, Taufverweigerungen und Zwangstaufen“) wäre ohne seinen wesentliche Beitrag so nicht denkbar.2 Er hat gründliche Recherchen in den verschiedensten Archiven durchgeführt und eine Fülle von Material ausgewertet. Auf seine Gründlichkeit geht manche Entdeckung zurück. Gerade sein Beitrag zu den von ihm untersuchten Anfängen baptistischer Missions- und Gemeindearbeit in Othfresen und Umgebung erschließt uns die Wurzeln der Ausbreitung des Baptismus von dort ausgehend in die weitere Region zwischen Harz und Heide.

Ebenso gilt mein Dank den drei Mitstreitern Helmut Fink (Braunschweig), Bernd Kuhrs (Parsau) und Rüdiger Hermes (Tülau). Sie trugen durch ihre Informations- und Dokumentenbeschaffung vor Ort zum Gelingen außerordentlich bei.

Dankbar bin ich für die staatlichen, kommunalen und kirchlichen Archive. Sie bilden mit ihrer Fülle an Materialien dem Forschenden immer wieder Momente enttäuschenden Suchens und entzückten Findens. Besonders erwähnt sei das Niedersächsische Landesarchiv (Hannover und Wolfenbüttel), die Landeskirchen-Archive in Wolfenbüttel und Hannover, die Stadtarchive Salzgitter und Braunschweig, sowie das Oncken-Archiv in Wustermark-Elstal bei Berlin. Von manchem Archiv wünschte ich mir mehr Entgegenkommen, dem Suchenden, wenn er denn gefunden hat, das Material auch mit zeitgemäßer Technik zur weiteren Forschung zugänglich zu machen. Lesesäle sind gut für das Suchen von Informationen. Sie sind aber keine Dauerarbeitsplätze für das Sichten, Auswerten und Sichern umfangreicher Akteninhalte. Loben möchte ich gerade darin das Oncken-Archiv. In seiner Leiterin, Ines Pieper, findet der Archiv-Nutzer eine sehr verständnisvolle Ausnahme. Nicht unerwähnt bleiben sollen die vielen kleinen Gemeindearchive. Sie enthalten oft außerordentlich wertvolles Material (z. B. alte Mitgliedsregister und Protokolle) und sind dadurch wahre Fundgruben. Leider führen sie in der Regel ein unbeachtetes Dasein. Für die Erhaltung des Bestandes sich wirkt das häufig ungünstig aus.

Dieser Band versteht sich nicht als Erbauungsliteratur. Der interessierte Leser soll mit Gewinn Einblick erhalten in die Anfänge des Baptismus in der Region. Die häufigen Zitate eröffnen aber auch gute Einblicke in die Art, damals zu glauben, zu denken und zu reden bzw. zu schreiben. Gerade dieser gelebte und manchmal erstrittene und erlittene Glaube an Christus, mag eine Anfrage an uns Heutige sein, wie ernsthaft, gut begründet und hingebungsvoll wir Nachfolge Jesu leben.

Mir schien es angebracht, trotz des wissenschaftlichen Anspruches nicht ganz auf kommentierende Bemerkungen zu verzichten. Manches bietet sich geradezu an, eine Brücke der Nachdenklichkeit zwischen dem Geschehen von damals zur Gegenwart zu schlagen. – Es sei jedem Leser gewünscht, die vorgelegte Arbeit mit Gewinn zu lesen.

Peter Muttersbach

1 Vgl. epd-Dokumentation (9/2014) des Symposions „Heilung der Erinnerungen. Das Verhältnis der evangelischen Frei- und Landeskirchen im 19. Jahrhundert“, Hachenburg/Westerwald vom 20.–21.09.2013.

2 Darin begründet sich die gesonderte Kennzeichnung zur Autorenschaft für Kapitel 6 und 7.

I. Allgemeine Entwicklungen

1. Freikirchen – Baptisten – Ökumene3

Die Entwicklung baptistischer Gemeinden in der Region zwischen Harz und Heide geschah nicht aus heiterem Himmel und ohne Zusammenhang mit anderen Einflüssen. Um die Vorgänge – besonders für „Nicht-Insider“ – einordnen zu können, soll hier der Bezugsrahmen erläutert werden. Alle Kirchen waren und sind an den gesellschaftlichen Prozessen beteiligt und umgekehrt von ihnen betroffen. So ist es logisch, in diesem Zusammenhang nach der Rolle, dem Selbstverständnis und der Wirkung einer kirchlichen Gruppierung zu fragen, erst recht, wenn sie sich nicht nahtlos einpasst in das, was „man“ macht und denkt.

So wird immer wieder die Frage gestellt, was eigentlich Baptisten seien, was eine Freikirchen ist und wie sich das alles einordnen ließe in das heutige Spektrum der Kirchen usw. Um die nachfolgenden Kapitel zur Anfangsgeschichte der Baptistengemeinden im östlichen Niedersachsen aus einer erweiterten Perspektive sehen zu können, soll deshalb auf die eben genannten Fragen eingegangen werden.

1.1 Freikirchen

Schon ab dem Mittelalter gab es verschiedene christliche Bewegungen, die recht unabhängig von kirchlichen Vorgaben eigene Ideen zur Verwirklichung christlichen Lebens ins Spiel brachten. Das war die Zeit vieler Ordensgründungen, die einen Verbleib innerhalb der Kirche ermöglichten. Andere gerieten mit ihren Ansichten schnell in den Geruch, aus dem kirchlichen Rahmen zu fallen, also Ketzer zu sein. Häufig stellte sich die Frage, wie ein erneuertes Christsein auch die Strukturen der Kirche erfassen kann. Das führte zu entsprechenden Konflikten. An den Reformbemühungen Luthers und Zwinglis wird das deutlich. Aus den gleichen Beweggründen entstand in dieser Zeit der Reformation die Täuferbewegung.

Im Allgemeinen beschränkt sich die Kenntnis der Täuferbewegung auf wenige, dafür aber irreführend plakative Elemente: das „Täuferreich zu Münster“ mit seinem Terror und dessen ebenso grausamer Niederschlagung, sowie Luthers unglaubliche Polemik gegen alles, was er unter „Wiedertäufer“ und „Schwärmer“ miteinander vermengte und verdammte. Kaum bekannt ist die eigentliche, die schweizerisch-süddeutsche Täuferbewegung.4 Sie wollte nichts anderes sein als eine dem Neuen Testament entsprechende Gemeindebewegung.5 In der Konsequenz strebten die Täufer eine Trennung von staatlich-kirchlichen Vorgaben an, wollten nur mündige Menschen taufen und mit ihnen Gemeinden bilden. So entstand der „linke Flügel der Reformation“.6 Nach ihrer Meinung blieben die Reformatoren mit ihren Bestrebungen auf halbem Wege stecken.

[Die Täufer] suchten nach Alternativen zur reformbedürftigen Kirche Roms und, mehr noch, nach Alternativen zu den reformatorischen Kirchen, die nicht bereit waren, mit der Kritik an der alten Kirche auch die engen Bindungen zwischen Kirche und Obrigkeit, zwischen christlicher Gemeinde und bürgerlicher Kommune zu lösen.7

Der Konflikt drehte sich also weniger um das Taufverständnis als um „zwei sich gegenseitig ausschließende Auffassungen von der Kirche.“8 Das vertraten die Täufer friedlich, ja sie entsagten ausdrücklich jeglicher Gewalt.9 Da sie sich schnell ausbreiteten, galten sie als Gefährdung von kirchlicher und staatlicher Ordnung, was zu brutalen Ausrottungsfeldzügen gegen sie als „Ketzer“ führte.10 So wurde z.B. Felix Mantz (geb. 1498) am 5. Januar 1527 als erster Märtyrer unter evangelischer(!) Herrschaft durch geradezu jämmerliches Ertränken in der Zürcher Limmat hingerichtet. Damit war der Beginn einer grausamen Verfolgungszeit gegen die Täufer eingeläutet.

Titel der „Schleitheimer Artikel“, dem ersten Glaubensbekenntnis der Täufer von 1527

Mit dem Wunsch nach Trennung von Kirche und Staat wird ein Grundanliegen von Freikirchen deutlich. „Freikirche“ als Begriff stammt allerdings aus dem angelsächsischen Raum und wurde erstmalig in Schottland benutzt.11 Das geht zurück auf eine Entwicklung von Reformbewegungen in England und Schottland am Ende des 16. Jahrhunderts. Deren Vertreter bezeichnete man zunächst als „Dissenters“ oder „Nonkonformisten“. Sie sprachen dem König das Recht ab, Oberhaupt aller Christen im Lande zu sein. Zu ihnen gehörten die Puritaner, aus denen die Presbyterianer, Kongregationalisten und Baptisten hervorgingen. Eine schottische Abspaltung von der Church of Scotland nannte sich durchaus sinnfällig Free Church of Scotland. Diese Begrifflichkeit „Frei-Kirche“ übertrug sich später auf die meisten neuen Kirchengemeinschaften, weil die Unabhängigkeit vom Staat ihr gemeinsames Grundanliegen war.

Dass sich Freikirchen mit ihrer Forderung nach Trennung von Kirche und Staat bei denen unbeliebt machten, die bei dieser Trennung ihren Machtverlust befürchten mussten, dürfte klar sein. Wie Mächtige auf drohenden Machtverlust reagieren, ist aus der Geschichte hinlänglich bekannt. Bemerkenswert in dem Zusammenhang ist, dass z.B. in den USA unter diesem Gesichtspunkt alle Kirchen Freikirchen sind, auch Lutheraner und Katholiken. Dort gibt es keine Staats- oder Landeskirchen. Wer deshalb Freikirchen mit Sekten gleichsetzt, ordnet die Dinge nicht sachgerecht ein.

Da wir in Deutschland heute keine Staatskirche mehr haben, stellt sich die Situation anders dar als früher.12 Ein Unterschied zu den aus dem Staatskirchen-Denken hervorgegangenen Landeskirchen ergibt sich schon von Anfang an in der Freiwilligkeit der Mitgliedschaft in den Freikirchen.13 Damit verbindet sich auch die Tauffrage. Die meisten Freikirchen taufen keine Säuglinge. Getauft wird, wer sich zu Christus als seinem Herrn bekennt und damit bewusst als Christ leben will. Das gilt auch für die Kinder der Mitglieder.14 Freikirchen sind deshalb immer auch Missionskirchen nach dem Prinzip: erst das Evangelium verkünden und zum Glauben einladen, dann den gläubig Gewordenen taufen15 und als Glied der Gemeinde aufnehmen. Das entspricht ganz schlicht dem, was im Neuen Testament erkennbar und nachvollziehbar wird.

Dadurch wird sicher auch klar, weshalb gerade am Beginn des Baptismus in Deutschland – und damit auch in diesem Band – von „Missionaren“ die Rede ist. Traditionell verbindet sich mit dieser Begrifflichkeit eine Tätigkeit in der Außenmission. Aber vergessen wir nicht ähnliche Begriffe und Anliegen in der „Inneren Mission“ und in der „Stadtmission“.

Aus der Abneigung gegen Kirchenhierarchien folgert ein anderes Merkmal: Freikirchen regeln ihre Angelegenheiten selbst. So ergibt sich aus der Freiwilligkeit der Mitgliedschaft auch die Freiheit – aber ebenso die Verantwortung – zur Mitsprache, Mitarbeit und Mitfinanzierung. Eine Kirchensteuer statt der freiwilligen Spenden widerspräche dem freikirchlichen Selbstverständnis. Die Ortsgemeinden haben in der Regel einen besonders hohen Stellenwert. In den meisten Freikirchen ist die Gemeindeversammlung das höchste Gremium (Kongregationalismus). Das zeigt schon eine völlig andere Struktur als sie in ein Obrigkeitsdenken früherer Jahrhunderte passen würde. So können sich die Freikirchen als die eigentlichen Förderer von demokratischen Gemeinwesen sehen in einer Zeit, in der dies als staatsgefährdend galt. Sehr viele mussten deshalb in früheren Jahrhunderten nach Amerika auswandern. Dort konnten sie die Geschichte der USA entscheidend beeinflussen.16 In der weiteren Entwicklung haben deutsche Freikirchen allerdings für ein gesellschaftliches Engagement oft nur geringes Interesse gezeigt.

Theologisch basieren alle evangelischen Freikirchen auf den Grunderkenntnissen der Reformation und können zu Recht als „Kinder der Reformation“ bezeichnet werden. Allerdings verstehen sie sich auch als Kinder einer „unvollendeten Reformation“17. Gerade darin zeigt sich, welche Bedeutung für sie das reformatorische Anliegen hat, denn dieses Anliegen gilt es für sie nicht nur als Erbe zu bewahren, sondern in biblisch begründeter Konsequenz weiterzuführen.

1.2 Baptisten

Mit rund 37 Millionen Mitgliedern18 stellen die Baptisten eine der größten protestantischen Gruppierung in der Welt dar. Ihr Anfang geht auf das Jahr 1609 zurück. Eine kleine Gruppe von englischen Separatisten wich wegen der staatlichen Verfolgung nach Holland aus. In Amsterdam bekamen sie Kontakt zu niederländischen Mennoniten, einer historisch direkt mit der Täuferbewegung der Reformationszeit im Zusammenhang stehenden Gemeinde. Für die kleine Flüchtlingsgruppe verdichtete sich die Erkenntnis, dass nur getauft und der Gemeinde hinzugetan werden sollte, wer zuvor durch die Verkündigung des Evangeliums an Christus gläubig geworden war. Weil in anderen Punkten Uneinigkeit mit den Mennoniten bestand,19 gründeten sie eine eigene Gemeinde. In ihr praktizierten sie nun, was Baptisten „Gläubigenstaufe“ nennen. Weil nach außen diese Praxis so auffällig war, bekamen die Leute später den Spitznamen „Baptisten“, also Täufer. Genau genommen sind Baptisten aber keine Taufbewegung, sondern – wie schon die Täufer der Reformationszeit – eine Gemeindebewegung.

Baptisten waren und sind bei weitem keine einheitliche Kirche. Schon in ihrer Geschichte gab es verschiedene Spielarten. Leider gibt es auch gegenwärtig manchmal auch recht abwegige Gruppierungen, die aber nicht zum Weltbund der Baptisten gehören. Das ist gut zu wissen, wenn in den Medien Berichte auftauchen, in denen genüsslich oder besorgt über christlich-fundamentalistische Gruppen informiert und häufig polemisiert wird, die sich Baptisten nennen, aber recht wenig mit dem zu tun haben, was die Mitgliedskirchen des Baptistischen Weltbundes vertreten.

In unserem Land nennt sich der Gemeindeverband der Baptisten Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland.20 Er besteht nicht nur aus Baptistengemeinden. Zu ihm gehören auch Gemeinden mit pfingtlerischer Herkunft (Elimgemeinden), sowie ein größerer Anteil aus Gemeinden der Brüderbewegung. Dadurch war ein Name sinnvoll, der alle mit einschließen kann. Das ändert aber nichts an der eigenen Tradition und auch nichts an der Zugehörigkeit zum Baptistischen Weltbund.

Für den Baptismus – wie wir ihn verstehen und leben – sollen hier einige Grundanliegen21 zusammengefasst werden:

1. Das Evangelium von Jesus Christus sehen wir als ein Geschenk der Liebe Gottes zu uns Menschen. Wir sind eingeladen, dieses Geschenk ganz bewusst im Glauben anzunehmen. Damit geschieht durch Gottes Gnade etwas völlig Neues im Leben eines Menschen. In seiner Taufe wird dies bestätigt und bekräftigt durch Gott selbst, durch die Gemeinde und durch das Zeugnis des Täuflings. Somit ist die Taufe wie schon in den Zeiten des Neuen Testamentes stets Missionstaufe geblieben. Von daher erklärt sich die Reserviertheit der Baptisten gegenüber der Säuglingstaufe.22

2. Zum Glauben des Einzelnen gehört immer auch die Gemeinde der Glaubenden.

– In ihr gilt die Bibel als Richtschnur für Glauben und Leben.

– Sie lebt und fördert das „Priestertum aller Glaubenden“.

– Sie organisiert ihre Angelegenheiten selbstverantwortlich.

– Sie tritt ein für die Freiheit von Glauben und Gewissen, für soziale Gerechtigkeit23 und die Trennung von Kirche und Staat.

3. Baptisten sehen sich als Teil der weltweiten Kirche Jesu Christi. Das verbindet sie mit allen, die an Christus glauben – unabhängig von ihrer Konfessionszugehörigkeit.

1.3 Ökumene

Hier soll nur die Einbindung der Baptisten als Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) in die kirchliche Landschaft und deren Netzwerke dargestellt werden. Die ökumenische Zusammenarbeit ergibt sich zunächst aus der Zugehörigkeit zur Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF), deren Mitbegründer die Baptisten sind. Die VEF ist praktisch die Ökumene zwischen den Freikirchen. Typisch sind die Gemeinsamkeiten. In den Kernaussagen der Präambel zur Ordnung der VEF heißt es:

Sie [die Freikirchen] bekennen Jesus Christus als Haupt der Gemeinde sowie als Herrn und Heil der Welt. Mit allen Kirchen der Reformation bezeugen sie die Errettung der Sünder um Jesu Christi willen aus Gottes freier Gnade allein durch den Glauben.

Sie verstehen die Kirche bzw. Gemeinde Jesu Christi als Gemeinschaft der Gläubigen, geschaffen durch das Wort Gottes und gestaltet als Lebensund Dienstgemeinschaft im Sinne des Priestertums aller Gläubigen.

Sie erwarten von den Gliedern ihrer Gemeinden ein Bekenntnis des persönlichen Glaubens an Jesus Christus sowie die ernsthafte Bereitschaft, ihr Leben dem Willen Gottes entsprechend zu führen.

Sie halten an der rechtlichen und organisatorischen Unabhängigkeit vom Staat fest und finanzieren ihre Arbeit durch freiwillige Beiträge der Mitglieder.24

Darüber hinaus gehört der BEFG zur Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), an der neben den im Ökumenischen Rat vertretenen Kirchen auch die römisch-katholische Kirche beteiligt ist.

Unter „ökumenisch“ hat sich in den letzten Jahren die Vorstellung verstärkt, als ginge es um die zweiseitige Beziehung zwischen den evangelischen Landeskirchen und der römisch-katholischen Kirche. Das ist eine typisch deutsche Vorstellung, weil sie von der staatskirchlichen Geschichte und den volkskirchlich geprägten Größenordnungen ausgeht. Im weltweiten Rahmen (siehe Ökumenischer Rat der Kirchen) entspricht dies ohnehin nicht der Wirklichkeit. Obendrein kann man aus der Geschichte der Landeskirchen (besonders vor 1945) nicht entnehmen, dass diese ausgeprägte ökumenische Ambitionen gehabt hätten. Das erklärt sich schon aus deren Prägung als privilegierte Territorialkirchen.

Ebenso gibt es zurzeit eine Diskussion über Möglichkeiten einer engeren Kirchengemeinschaft im Bereich der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE). Die sehr gründlichen Gespräche darüber führten – besonders mit der lutherisch geprägten Seite – bisher zu einer Annäherung in zentralen theologischen Fragen (Rechtfertigung, Glauben, Kirche, Amt, Abendmahl). Lutheraner wie auch Baptisten verstehen sich als protestantische Kirchen, deren Auslegung des Evangeliums von den Prinzipien der Reformation geleitet ist: sola fide, sola gratia, sola scriptura und solus Christus.25 Der Problemfall ist aber immer noch die Taufe. Keine Kirche bezweifelt die Gültigkeit einer Gläubigentaufe. Sie wird ohnehin von den meisten Freikirchen vertreten. Das Problem ergibt sich aus der Praxis der Säuglingstaufe bei den Volkskirchen. Biblisch-theologische Einsichten dazu liegen auf beiden Seiten recht nahe beieinander. Aber deren Umsetzung in der Praxis scheint für eine Volkskirche grundsätzlich inakzeptable Konsequenzen zu haben. Deshalb bleibt es zunächst beim status quo. Aber das schließt eben auch die bisher praktizierte Gesprächsbereitschaft ein und den Willen, weiterhin ökumenisch zusammenzuarbeiten.

3 Dieses Kapitel ist in überarbeiteter Fassung übernommen aus: Peter Muttersbach: Wegmarken einer Freikirche. 160 Jahre Baptisten in Schöningen, Norderstedt 2010, 9-17.

4 Beginnend im Zusammenhang der Reformation Zwinglis in Zürich um 1523/24 mit der dann folgenden ersten Gemeindegründung 1525.

5 Sie nannten sich „Gemeinde Gottes“ oder „Brüder in Christo“.

6 Vgl. Heinold Fast: Der linke Flügel der Reformation. Klassiker des Protestantismus, Bd. 4, Bremen 1962. Allgemein werden dem „linken Flügel der Reformation“ auch die Bauernbewegungen zugerechnet. Das ist berechtig, wenn man beide Bewegungen als Folge oder Begleiterscheinung der Reformation ansieht. Es gibt auch eine gegenseitige Beeinflussung, jedoch wäre es historisch unzulässig, beide Bewegungen miteinander zu vermengen.

7Hans-Jürgen Goertz: Die Täufer. Geschichte und Deutung, München 1980, 11.

8Franklin H. Littell: Das Selbstverständnis der Täufer, Kassel 1966, 33.

9 Die aus ihnen hervorgegangenen Mennoniten gelten als klassische Friedenskirche. Das „Täuferreich zu Münster“ (1534/35) ist ein trauriges Gegenbeispiel, wird aber leider als bezeichnend für „die“ Täufer bzw. „Wiedertäufer“ herangezogen.

10Goertz: Die Täufer, 128ff.

11 Vgl. Erich Geldbach: Freikirchen – Erbe, Gestalt und Wirkung, Göttingen 22005, 30f.; vgl. auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Freikirche.

12 Diskussionswürdig bleiben aber die aus der Geschichte hervorgegangenen Privilegien der Landeskirchen.

13 Hier ist verallgemeinernd von den sog. „klassischen“ Freikirchen die Rede. Zu ihnen zählen die Mennoniten, Methodisten, Baptisten (in Deutschland Evangelisch Freikirchliche Gemeinden), die Freien evangelischen Gemeinden. Diese vier genannten Freikirchen decken nicht das gesamte gegenwärtige Freikirchen-Spektrum ab.

14 Das hat oft missverständliche statistische Auswirkungen, da aus diesem Grunde in den Mitgliederzahlen nicht automatisch die Kinder enthalten sind.

15 Das gilt in dieser Weise für die täuferisch gesinnten Freikirchen. Die anderen verfahren zwar ebenso, können aber eine schon empfangene Säuglingstaufe akzeptieren bzw. praktizieren sie selbst (z. B. Methodisten).

16 Der Gründer des Staates Rhode Island/USA, der Baptist Roger Williams, entwarf um 1643 eine Verfassung, in der zum ersten Mal in der Geschichte die völlige Trennung von Staat und Kirche und damit auch Religionsfreiheit verankert war. Diese Verfassung bildete später eine Grundlage zur Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika. Schon 1683 wurde die Sklaverei verboten.

17Walter Fleischmann-Bisten: Kinder einer unvollendeten Reformation, in: Freikirchenforschung (FF) 20 (2011), 12-29.

18 Dies ist nur die Zahl der im Baptistischen Weltbund zusammenarbeitenden Baptistenbünde. Da Baptisten keine Säuglingstaufe praktizieren, bezieht sich die Zahl nur auf die gläubig getauften Mitglieder, also ohne Kinder und weitere Angehörige.

19 Mennoniten verweigerten jeden Eid, sowie die Übernahme politischer Ämter.

20 Mit fast 82.000 Mitgliedern in 694 Gemeinden und über 70.000 Gottesdienstbesuchern (Jahrbuch des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland von 2013).

21 Ausführlicher in: „Rechenschaft vom Glauben“, Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland (Hg.), Kassel 2004.

22 Der Zusammenhang verdeutlicht: Nicht die Taufe ist heilsentscheidend, sondern die gnädige Zuwendung Gottes zum Menschen. Sie wird im Glauben empfangen (Römer 5,1). In der Taufe wird dies dem Täufling bestätigt. Somit gehören Glaube und Taufe stets zusammen (nach Markus 16,16).

23 Das ist leider z. T. mehr Wunsch als Wirklichkeit.

24http://www.vef.de/unsere-ordnung.

25 „Allein aus Glauben, allein aus Gnaden, allein die Schrift [Bibel], allein Christus.“ Auf beiden Seiten, scheint es, hat sich das Gewicht verschoben zugunsten von „allein die Taufe“. Hier könnte eine Rückbesinnung auf die reformatorischen Grundlagen hilfreich sein.

2. Die Anfänge des Baptismus in Deutschland26

Baptisten gibt es schon seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts. Die Entstehung der Baptistengemeinden in Deutschland zwei Jahrhunderte später ging aber auf jemanden zurück, der gar kein Baptist war, Johann Gerhard Oncken (1800–1884). Er stammte aus ärmlichen Verhältnissen in Varel/Oldenburg. Ein englischer Kaufmann nahm sich des damals 14-Jährigen an und nahm ihn mit in die Lehre nach England. Das brachte Oncken offensichtlich bei seinen vielen Reisen eine erhebliche Horizonterweiterung ein. Durch eine Predigt in einem Londoner Methodistengottesdienst hatte er 1820 ein Bekehrungserlebnis. Das machte ihn nicht nur zu einem überzeugten Christen, sondern auch zu einem Menschen, der die Gute Nachricht von der Liebe Gottes auch anderen zukommen lassen wollte.

Im Auftrag verschiedener überkonfessionell arbeitender britischer Bibelgesellschaften ließ Oncken sich 1823 in Hamburg nieder. Seine Aufgabe war nun die Verbreitung von Bibeln in Deutschland. Von ihm und seinen Mitarbeitern heißt es, sie hätten im 19. Jahrhundert 15 Prozent aller deutschsprachigen Bibeln verbreitet. In Hamburg schloss Oncken sich einer Ausländergemeinde an, der Englisch-Reformierten Gemeinde.

In Zusammenarbeit mit Pfarrer Rautenberg (1791–1865) von St. Georg richtete er in Hamburg Sonntagsschulen ein. Was heute der Kindergottesdienst ist, war damals tatsächlich ein Angebot für arme Bevölkerungsschichten, Lesen und Schreiben zu lernen. Das geschah dann mit Bibel und Katechismus. Johann Hinrich Wichern (1808–1881), der spätere Begründer der Inneren Mission, bekam durch diese Sonntagsschularbeit Einblick in das Ausmaß an Armut und Verwahrlosung in den Hamburger Häusern.

Neben seinem Beruf und seiner Zusammenarbeit mit den Kirchen hielt Oncken Stubenversammlungen ab. Das erregte den Argwohn der Behörden und brachte ihm manchen Ärger ein. Entscheidend wurde für ihn die aus der Bibel gewonnene Einsicht, „daß nur Gläubige an Christum durch Untertauchung getauft werden und daß solche alsdann sich zur Gemeine vereinigen sollten.“27 Da zur Erkenntnis immer auch die Tat gehört, ließ Oncken sich mit sechs weiteren heimlich in der Elbe taufen. Der Täufer war ein baptistischer Theologe aus Amerika, der sich gerade in Deutschland aufhielt.28 Anschließend wurde mit den Getauften die erste Baptistengemeinde in Deutschland gegründet. Das geschah am 23. April 1834.

Diese „evangelisch-taufgesinnte Gemeinde“ führte natürlich zu Irritationen in der Hamburger Kirchenlandschaft. Herumgesprochen hatte sich unter den Informierten, dass es derartige Gemeinden – „Baptisten“ genannt – in angelsächsischen Ländern recht zahlreich gab. Im staatskirchlich geordneten Deutschland sollten diese „Dissidenten“ aber weder Anerkennung noch Duldung erfahren. Doch gerade die Inhaftierungen, Verbote und Polemiken stärkten das Selbstbewusstsein dieser „Wiedertäufersekte“. Oft wurden missliebige Leute einfach des Landes oder der Stadt verwiesen. Aber Oncken ließ sich nicht aus Hamburg abschieben, weil er inzwischen das Bürgerrecht erworben hatte. Eine ihm nahegelegte Auswanderung ins klassische Land der Religionsfreiheit, nach Amerika, wäre für ihn Flucht gewesen. Er war zutiefst vom Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit überzeugt und sah dies als eine Art christliches Grundrecht an. Typisch für ihn ist seine schlichte Antwort auf die Frage, weshalb er Baptist geworden sei und sich damit praktisch außerhalb der gängigen Vorstellungen von Kirche und Glauben in Deutschland bewegte: „Die Bibel hat die Schuld daran, und besonders das Neue Testament.“29

Julius Köbner

Durch seine ausgedehnte Reisetätigkeit blieb es nicht bei dieser Gemeindegründung in Hamburg. Oncken warb stets und überall für eine ernstzunehmende Nachfolge Christi. Deshalb suchte er vor allem den Kontakt zu „erweckten Christen“. So entstanden durch ihn, aber auch durch wandernde Handwerker oder regelrecht eingesetzte Missionare in relativ kurzer Zeit viele Gemeinden in Deutschland.30 Sie schlossen sich schon im Jahre 1849 zu einem Bund zusammen, weil sich Aufgaben wie Ausbildung, Diakonie, Außenmission usw. besser gemeinsam tragen ließen.

Recht untypisch für deutsche Freikirchen sind einige Geschehnisse um die Revolution von 1848. Während Baptisten sich in ihrer pietistisch geprägten Frömmigkeit31 weitgehend aus der Politik heraushielten und zumeist als obrigkeitstreu galten,32 griff einer der engsten Mitarbeiter Onckens, Julius Köbner (1806– 1884),33 damals in das Geschehen ein. Er nutzte die vorübergehende Liberalisierung und forderte öffentlich Religionsfreiheit in seinem „Manifest des freien Urchristentums an das deutsche Volk“. Darin schreibt er:

Wir behaupten nicht nur unsere religiöse Freiheit, sondern wir fordern sie für jeden Menschen, der den Boden des Vaterlandes bewohnt, wir fordern sie in völlig gleichem Maße für Alle, seien sie Christen, Juden, Mohammedaner oder was sonst.34

Das Verbot seiner freimütigen Forderung erfolgte umgehend, zumal er sich außerordentlich deutlich für eine Trennung von Kirche und Staat aussprach.

Auch unabhängig von derartigen „Unbotmäßigkeiten“, galten die eigentlich recht harmlosen Baptisten als Unruhestifter. In der Konsequenz mussten deshalb täuferisch gesinnte Christen im 19. Jahrhundert nicht nur wegen ihrer „baptistischen Umtriebe“ unter Verdächtigungen leiden, sondern obendrein auch mit erheblichen Druckmitteln von Seiten des Staates und der Landeskirchen rechnen.

Um das aus unserer Zeit heraus noch verstehen zu können, müssen wir etwas von der damaligen Stellung der Landeskirchen im Blick haben. Sie hatten als privilegierte Territorialkirchen kein Verständnis für „Fremde“, die in ihr Gebiet „eindrangen“ und auch noch Vorstellungen abtaten oder ignorierten, die als gottgegeben galten. Das betrifft kirchliche wie auch gesellschaftliche Vorgaben. Ein Kirchenaustritt z. B. galt als nicht nachvollziehbar – geradezu exotisch – und wurde auch rechtlich nicht anerkannt. Die eigenen Kinder nicht als Säuglinge taufen zu lassen, rückte in die Nähe einer kriminellen Handlung. Das ließ den behördlichen Machtapparat in Aktion treten bis hin zu Zwangstaufen.35 Das Halten von Gottesdiensten, das Taufen von Gläubigen, die Feier des Abendmahles oder Trauungen und Beerdigungen – alles führte zu derartigen Querelen, dass dies bei vielen den Wunsch nach Auswanderung beflügelte. Als Vorreiter der Gewissens- und Religionsfreiheit kann man die Landeskirchen kaum ansehen.

Interessant ist, dass die damalige Bischöfin Maria Jepsen/Hamburg 2009 für die durch ihre Kirche entstandenen Bedrängnisse der Baptisten im 19. Jahrhundert öffentlich um Vergebung bat.36 So haben sich die Zeiten positiv verändert. Der zeitliche Abstand, der heute zu den Geschehnissen besteht, macht es sicher möglich, die Dinge anders zur Sprache zu bringen, als es Betroffene damals taten. Das kann und sollte aber geschehen, gerade weil die Zeiten sich geändert haben.

Wie sich der gegenwärtige Baptismus in Deutschland ganz allgemein darstellt, ist nicht Gegenstand dieser Publikation, klang aber schon in einigen Punkten an. Ohnehin war es Aufgabe dieser beiden Anfangskapitel, einige Zusammenhänge verständlich werden zu lassen. Gerade so aber kann die Anfangsgeschichte der Baptistengemeinden in der Braunschweiger Region nicht mehr missverstanden werden als ein lediglich exotisches Einsprengsel im „Normalfall“ unserer Gesellschaft.

26 Dieses Kapitel ist in überarbeiteter Fassung übernommen aus: Peter Muttersbach: Wegmarken einer Freikirche. 160 Jahre Baptisten in Schöningen, Norderstedt 2010, 18–23.

27 Text aus dem 1974 bei Baggerarbeiten in der Grundsteinkassette der Missionskapelle Hamburg-Böhmkenstraße von 1866 gefundenen Gründungsdokument; zit. in: Dietmar Lütz (Hg.): Die Bibel hat die Schuld daran, FS zum 175. Jubiläum der Oncken-Gemeinde in Hamburg 2009, Hamburg 2009, 49.

28 Prof. Barnas Sears, USA (1802–1880).

29Hermann Windolf (Hg.): Licht und Recht. Eine Sammlung von Predigten und Reden, gehalten von J. G. Oncken, weiland Prediger der Baptistengemeinde in Hamburg, Cassel 1901, 234.

30 1854, also innerhalb von 20 Jahren, waren es offiziell 31 Gemeinden mit zusammen 4.213 Mitgliedern, nach: Rudolf Donat: Das wachsende Werk, Kassel 1960, 214.

31 Der Pietismus war ursprünglich eine Bewegung, die Frömmigkeit, christliche Lebensführung und persönliche Glaubensgewissheit fördern wollte. Man könnte ihn als eine Bibel-, Laien- und Heiligungsbewegung bezeichnen. Diese Strömung kam einem emotionalen Bedürfnis entgegen in einer Zeit blutleerer orthodoxer Theologie und dem aufkommenden Rationalismus.

32 In den USA z.B. ist die Mitgestaltung des gesellschaftlichen und politischen Lebens durch die Freikirchen eine Selbstverständlichkeit. Die angeführte Obrigkeitstreue deutscher Baptisten hatte viel mit dem Wunsch zu tun, trotz der Widerstände als anerkennungswürdig zu gelten; schließlich sei ein guter Christ auch ein guter Bürger.

33 Julius Köbner war Judenchrist aus Dänemark. Er wirkte als Prediger, Liederdichter und Literat. Von ihm stammen viele Verteidigungs- und Lehrschriften. Mit Oncken zusammen verfasste er das erste Glaubensbekenntnis der deutschen Baptisten.

34 Zit. nach: Erich Geldbach / Markus Wehrstedt / Dietmar Lütz (Hgg.): Religions-Freiheit. FS zum 200. Geburtstag von Julius Köbner, Berlin 2006, 135.

35 Es gibt eine Reihe von Belegen für vollzogene Zwangstaufen (s. Kapitel 6). So stellt sich – wenigstens in heutiger Zeit – die Frage nach der Gültigkeit derartiger Taufen auch aus theologischer Sicht der Landeskirchen. Das lässt sich noch erweitern im Blick auf die Zwangstaufen bei der „Christianisierung“ der Sachsen im 8. Jahrundert mit Priester und Schwert. Hier fehlt bisher in der theologischen Literatur jeglicher Klärungsversuch, der schließlich auch Rückwirkungen hätte im Blick auf aktuelle Tauftheologien. Für Interessierte: Eine hervorragende Darstellung gegenwärtiger Tauftheologien bietet Wolfram Kerner: Gläubigentaufe und Säuglingstaufe. Studien zur Taufe und gegenseitiger Taufanerkennung in der neueren evangelischen Theologie, Norderstedt 2004; Kurzfassung in: Zeitschrift für Theologie und Gemeinde (ZThG) 12 (2007), 225–240.

36 Am 21. Mai 2009 auf dem Bundesrat des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden im Hamburger Congress-Centrum in ihrem Grußwort anlässlich des 175. Jubiläums zur Gründung der ersten Baptistengemeinde in Deutschland (1834 in Hamburg).

3. Politische, wirtschaftliche und soziale Verhältnisse in der Braunschweiger Region

Unter welchen politischen Rahmenbedingungen lebten und wirkten die Menschen in dem Zeitraum, der uns hier beschäftigt? Auf welche wirtschaftlichen Entwicklungen und deren Folgen hatten sich die Menschen einzurichten? Welchen Einfluss nahm der Wandel in der Landwirtschaft und die beginnende Industrialisierung auf die allgemeinen Lebensumstände in der Region? Das sind Fragen, die auch die baptistischen Missionsbemühungen berührten.

Das Gebiet zwischen Harz und Heide umfasste den zentralen Teil des Herzogtums Braunschweig. Das gesamte Herzogtum reichte allerdings von der Altmark im Osten (Calvörde) über das Weserbergland im Süden (Holzminden) bis vor Bremen im Westen (Thedinghausen). Wenn dies imposant klingt, so reich ein Blick auf die Landkarte, um zu sehen, dass es sich um einen geradezu erbärmlich wirkenden Flickenteppich von elf sehr unterschiedlichen Einzelteilen handelt. Politisch und wirtschaftlich machte das kaum einen entwicklungsfähigen Eindruck. Selbst das Kernland um Braunschweig, Wolfenbüttel und Helmstedt wirkt klein und verloren zwischen den Königreichen Hannover und Preußen.

Wie es zu diesem seltsamen Gebilde kam, soll hier nicht erörtert werden. Wichtig ist aber, dass die Baptisten in der Mitte des 19. Jahrhunderts diese Grenzen so vorfanden. Die ersten Gemeinden entstanden außerhalb des Herzogtums Braunschweig und gehörten zum Königreich Hannover: Othfresen/Salzgitter und Wittingen/Brome. Ihr Einfluss reichte aber weit ins Herzogtum Braunschweig hinein. Daraus ergaben sich für die baptistischen Missionare oft genug Probleme bei ihrer Reisetätigkeit. Sie wechselten ständig Staatsgrenzen, mussten sich ausweisen, galten als Ausländer und konnten mit Einreiseverboten belegt, verhaftet und abgeschoben werden.

3.1 Die politische Situation

Mit der kurzen „Franzosenzeit“ (1807 bis 1813) schien die bis dahin herrschende Ordnung völlig aufgehoben zu sein. Das Herzogtum Braunschweig und weite Teile des Königreichs Hannovers gingen auf im Königreich Westfalen. Bisherige Grenzen verloren ihre Bedeutung. Die Stadt Braunschweig wurde Hauptstadt des Departements Oker.

Nicht nur diese regionale Neugliederung war bedeutsam, sondern vor allem die veränderte Rechtssituation. So wurden die Adelsvorrechte abgeschafft; alle Bürger waren von nun an vor dem Gesetz gleich; Religionsfreiheit war angesagt, eine Justizreform, Gewerbefreiheit durch Auflösung der Zünfte und Gilden usw. Ein Hauch von Französischer Revolution durchwehte die bisher scheinbar unveränderbaren Gegebenheiten.

Nach dem Ende der französischen Herrschaft 1813 strebten die traditionell Einflussreichen danach, möglichst schnell den früheren Zustand wieder herzustellen. Das „herkömmliche“ Recht und die alten

Grenzen galten wieder. Allerdings begann bald ein gehöriger Reformdruck zu wirken. Das mag einerseits begründet sein im veränderten Denken der Aufklärung, andererseits in der Erfahrung aus der napoleonischen Ära, dass eine Reform der Gesellschaftsordnung sehr wohl praktikabel und in mancherlei Hinsicht wünschenswert sein könnte. Vor allem aber bahnten sich radikale Änderungen im wirtschaftlichen Bereich an. Das betraf zuerst die Landwirtschaft und ergab sich später durch die beginnende Industrialisierung.

Die geographische Lage des Herzogtums Braunschweig brachte besondere Probleme in der Zoll- und Handelspolitik mit sich. Das nach dem Wiener Kongress (1815) vergrößerte Preußen hatte seine Landesteile unter ein einheitliches Zollgesetz gestellt. Andere deutsche Länder konnten sich dem anschließen und bildeten so ab 1834 den gemeinsamen Zollverein. Hannover und Braunschweig gehörten nicht dazu. Der Grund: Braunschweig orientierte sich stark an Hannover. Dort aber bestand eine Abwehrhaltung gegenüber der preußischen Dominanz. Außerdem nahm man Rücksicht auf die traditionellen Beziehungen zu England.37 Damit verbunden war eine gewisse Industriefeindlichkeit. Man befürchtete die Entwicklung einer Arbeiterschaft,

[…] die, wie man ja aus England und Frankreich wisse, für allerlei politische und soziale Unruhe sorgen könne. […] Besser sei es, ein Land biederer Bauern und einfacher Handwerker zu bleiben und Industriegüter billig in England zu erwerben.38

Der verspätete Beitritt Braunschweigs (1841) und Hannovers (1854) zum Zollverein hatte einen Entwicklungsrückstand zur Folge.

Da das Herzogtum Braunschweig – wenn auch verspätet – dem Deutschen Zollverein beitrat, verband sich damit auch die Beteiligung am Dresdner Münzvertrag. So galt der preußische Taler bzw. Reichstaler (auch „Vereinstaler“ genannt wegen des Zollvereins) auch hier.39 Das ist bedeutsam für die Orientierung über die Zahlungsmittel, die in den Akten und Protokollen zu den baptistischen Aktivitäten der damaligen Zeit genannt werden.

Die oben angesprochene Sorge vor einer entstehenden Arbeiterschaft war durchaus begründet in den schon bestehenden Problemen mit Studenten und Handwerkern. Denn gerade Handwerker sorgten für unliebsames Gedankengut. Das verband sich mit der Sitte der Wanderschaft von Gesellen nach der Lehrzeit. Teils war dies erwünscht und sogar gefordert, denn es entsprach der Vorstellung, dass durch die Kenntnis neuerer Produktionsweisen das heimische Handwerk konkurrenzfähiger werde. Andererseits waren die zum Teil weitgereisten und erfahrenen Gesellen suspekt. Wer ganz Deutschland bereist hat, ist z.B. für die Idee eines deutschen Nationalstaates offen. Das galt als umstürzlerisch und als Bedrohung kleinstaatlicher Existenz. Schlimmer noch: Manche hatten sogar sozialistisch anmutende Ideen aus der Schweiz oder Frankreich mitgebracht. Deshalb wurde für alle Länder des Deutschen Bundes ein einschränkender Beschluss gefasst, der auch im Herzogtum Braunschweig umgesetzt wurde:

Da es im Interesse des Deutschen Bundes liegt, daß die deutschen Handwerksgesellen an keinen Associationen und Versammlungen theil nehmen, wodurch die öffentliche Ruhe im In- und Auslande bedroth oder gestört werden könnte, so soll

1.) das Wandern der den deutschen Bundesstaaten angehörigen Handwerksgesellen nach denjenigen Ländern und Orten, in welchen offenkundig dergleichen Associationen und Versammlungen geduldet werden, so lange diese Duldung notorisch besteht, verboten sein. […]

3.) Ueber die in Deutschland wandernden Handwerksgesellen wird strenge polizeiliche Aufsicht, insbesondere rücksichtlich der Verbindungen, in welche sie sich einlassen könnten, geführt werden.40

Im weiteren Text wird für Handwerker der Aufenthalt in der Schweiz verboten. Bei einem Verstoß dagegen droht der Entzug des Meisterrechts. Fremde Handwerker, die sich in der Schweiz aufgehalten haben, müssen umgehend das Herzogtum verlassen. Damit wird deutlich, dass wandernde Gesellen oft mehr als die Studenten verdächtig waren, Träger neuer Ideen zu sein.41 Handwerker erreichten die einfachen Schichten viel eher als aufmüpfige Studenten. Es verwundert also nicht, dass gerade durch wandernde Gesellen baptistisches Gedankengut Verbreitung fand.42

Politisch standen sich in der Zeit des Deutschen Bundes (1815– 1866) miteinander konkurrierende Kräfte gegenüber. Einerseits die monarchisch-konservativ agierende Kraft, deren Macht vor allen Dingen auf ihren bürokratischen und militärischen Möglichkeiten beruhte. Andererseits gab es eine bürgerlich-nationale Strömung, die vor allem an politischer Mitbestimmung interessiert war. Sie wollte einen Rechts- und Verfassungsstaat.43 Die Februarrevolution 1848 in Frankreich löste eine ganze Revolutionswelle in Europa aus. Die Repräsentanten der deutschen Obrigkeit waren vorgewarnt. Die Kampfhandlungen hielten sich in Grenzen, führten sie doch schnell zum Einlenken der Obrigkeiten. Neue Möglichkeiten wurden von ihnen zugestanden oder versprochen: Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit, ein reformiertes Wahlrecht usw. Das gab den Nationalgefühlen Auftrieb. Der eigentlich ausgediente Bundestag in Frankfurt bekam eine zukunftsträchtige Funktion. Die Paulskirchenversammlung konnte sogar im März 1849 eine neue Verfassung verabschieden. In ihr ist auch die von den entstehenden Freikirchen in Deutschland sehnlichst erhoffte Religionsfreiheit verankert. In §147 heißt es:

Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen.

Keine Religionsgesellschaft genießt vor andern Vorrechte durch den Staat; es besteht fernerhin keine Staatskirche.

Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden; eine Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht.

Und – nicht ganz unwichtig angesichts der Erfahrung mit Zwangstaufen – heißt es in §148:

Niemand soll zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden.44

Gerade die Freikirchen konnten das Glück kaum fassen. So nutzte Julius Köbner (1806–1884) die Gunst der Stunde und veröffentlichte sein „Manifest des freien Urchristentums an das deutsche Volk“ (s. Kap. 2).

Die Paulskirchenverfassung wurde nie umgesetzt. Die Bewegung zur Erneuerung Deutschlands war zu schwach. Die alten politischen Herrschaftsstrukturen stabilisierten sich sehr schnell wieder. Köbners Manifest fiel umgehend der wieder eingeführten Zensur zum Opfer. Das alte Staatskirchensystem zeigte sich unangetastet. Nicht nur kirchenpolitisch blieb alles beim Alten. Auch allgemeinpolitisch zeigte sich für die Bevölkerung das alte Bild der Verhältnisse. Im Hannoverschen verliefen die Auseinandersetzungen ohnehin glimpflich ab, weil der König den liberalen Führer der Opposition (Carl Bertram Stüve) einbezog und zum Minister ernannte. Im Herzogtum Braunschweig hinterließ die Revolution weniger Spuren als die Revolte von 1830 (s.u.). Insgesamt kann man die 1848er Revolution als gescheitert betrachten.

So nützte es auch nichts, wenn sich Baptisten gegenüber den Behörden auf eine anscheinend gültige oder einklagbare Religionsfreiheit beriefen. Selbst die schon vor der Revolution verfasste Landschaftsordnung (Verfassung) Braunschweigs von 1832 half nichts. Auf sie berief sich der Missionar Andreas Freitag.45 Darin heißt es im § 29:

Jedem Einwohner wird vollkommene Freiheit des Gewissens und des religiösen Glaubens, auch das öffentliche Bekenntniß desselben in einer der im Staate jetzt gestatteten kirchlichen Gesellschaften gewährt. Niemand darf jedoch seine Religion vorschützen, um sich einer gesetzlichen Verpflichtung zu entziehen. Äußere Religionsübung ist der Oberaufsicht des Staates unterworfen.46

Das klingt zwar großzügig, aber Freitag rechnete nicht mit der völlig anderen und sehr einschränkenden Auslegung dieses Paragrafen durch die Behörden, die diese Freiheit nur für die „anerkannten Religionsgesellschaften“ gelten ließen.

3.2 Die wirtschaftlichen Veränderungen

3.2.1 Landwirtschaft

Nach einer Volkszählung von 1855 lebten 70 % der Bevölkerung des Herzogtums Braunschweig auf dem Lande.47 Im Königreich Hannover wird es nicht anders gewesen sein. Zum Beginn des 19. Jahrhunderts war die Landwirtschaft noch von der Feudalordnung früherer Jahrhunderte geprägt. Abgabepflichtige Bauern beackerten die gepachteten herrschaftlichen Ländereien. Je nach Art der Pflichten unterschieden sich die Landwirte in Ackerleute, Halbspänner, Kothsassen und Brinksitzer.48 Landlose Dorfbewohner waren sogenannte Häuslinge. Sie wohnten zur Miete, arbeiteten als Knechte oder Tagelöhner. Die Ländereien bestanden vielfach aus kleinen Feldern, die oft ungünstig hintereinander lagen. Manch Bauer musste also über das Feld des anderen hinweg, um sein Land zu bestellen oder abzuernten. Das führte zu Behinderungen und Abhängigkeiten (Flurzwang).49 Zudem wurde Landwirtschaft anfangs immer noch in der Drei-Felder-Wirtschaft betrieben. Dadurch lag ein Drittel der Flächen stets brach und diente höchstens als Weide. Die hohen Abgaben und die geringe Produktivität führten im Ergebnis zu großer Armut und zu Problemen in der Versorgung der wachsenden städtischen Bevölkerung. Das wiederum hatte in Braunschweig eine Revolte zur Folge.

Brand des „Grauen Hofes“ bei der Revolte 1830

In Braunschweig herrschte nach der Missernte 1830 Arbeitslosigkeit, Hunger und große Unzufriedenheit. Karl II. hatte die Bevölkerung durch seinen ungeschickten Regierungsstil und sein absolutistisches Gehabe gegen sich aufgebracht, was in einen Volksaufstand mündete: Der […] „Graue Hof“[50]wurde 1830 von Kleinbürgern, Handwerkern und Arbeitern gestürmt und eingeäschert, Karl II. blieb nur die Flucht in die Schweiz.51

Spannungen gab es auch innerhalb der Dorfgemeinschaften zwischen Bauern und Habenichtsen. Nach den Hungerjahren 1846/47 drohte die Situation auch innerhalb der Dörfer in Gewalt umzuschlagen, so dass die Bauern sich gegen den „Pöbel“ zu bewaffnen suchten.52 Ebenso ist eine Hungerrevolte im April 1847 für Schöningen überliefert – die „Kartoffel-Revolution“.53

Verschärft wurde die Versorgungssituation zusätzlich durch den technologischen Rückstand Deutschlands gegenüber dem Ausland. Getreide musste ausgeführt werden, um industrielle Erzeugnisse importieren zu können. Bei schlechten Ernten hatte dies katastrophale Folgen.

Die Preise für Kartoffeln stiegen zwischen 1850 und 1855 um 125 Prozent, für Roggen um 150 Prozent, Weizen verdoppelte seinen Preis. Die Reallöhne dagegen sanken. Sie lagen im Durchschnitt der Jahre 1852 bis 1855 nur ein wenig höher als für die Jahre unmittelbar vor 1848. Und gemessen an der Einwohnerzahl erreichte die Auswanderung aus Deutschland damals ihren Höhepunkt.54

Eine 1834 beginnende Landwirtschaftsreform – vor allem ab den 1850er Jahren – brachte sehr langsam Verbesserungen mit sich. Die Bauern konnten sich über eine extra geschaffene Kreditanstalt von ihren Abgabepflichten lösen. Sie verschuldeten sich damit zwar für die nächsten 25 Jahre, waren aber endlich freie Bauern. In einer Flurbereinigung wurden die kleinteiligen Felder so zusammengelegt und neu aufgeteilt, dass eine effektivere Bewirtschaftung möglich wurde.

Außerdem änderten sich die Anbaumethoden. Als geradezu revolutionär wirkte die teilweise Umstellung auf den Anbau der Zuckerrübe. Statt teuren Rohrzucker zu importieren, konnte die Bevölkerung aus eigener Produktion versorgt werden. Zuckerfabriken55 – in der Regel als bäuerliche Genossenschaften organisiert – belegen nicht nur diesen Wandel, sondern hatten auch steigende Einnahmen der landwirtschaftlichen Betriebe zur Folge. Die Zuckerfabriken im Braunschweiger Land verarbeiteten 1850/51 18.000 Tonnen, zehn Jahre später schon 105.000 Tonnen.56 Der wechselnde Anbau von Getreide, Kartoffeln und Zuckerrüben ermöglichte ebenso die Aufgabe der Drei-Felder-Wirtschaft und wiederum einen höheren Nutzungsgrad der Ackerflächen. Die elende Armut der Landbevölkerung wandelte sich langsam aber stetig in Richtung auf ein einigermaßen gesichertes Einkommen57 – mehr zugunsten der Bauern und erst später auch für die ärmeren Dorfbewohner.

Gerade die damaligen Einkommensverhältnisse müssen wir im Blick haben, um bestimmte Konflikte einschätzen zu können, von denen Baptisten betroffen waren. Ein Beispiel: 1859 gab es einen Streit um Taufgebühren bzw. um die Eintragung einer Geburt ins Kirchenbuch im Dorf Offleben bei Schöningen. Der Zimmergeselle Kempe wollte sein Kind ins Kirchenbuch eintragen, aber nicht taufen lassen. Für die nicht vollzogene Taufe sollte er 1⅓ Taler Gebühren entrichten58 unter Androhung einer Strafe von 10 Talern59 – bei einem Einkommen von kaum 100 Talern im Jahr!

3.2.2 Die beginnende Industrialisierung

Die Region zwischen Harz und Heide besaß seit langem gute Voraussetzungen, um Handwerk und Handel mit Rohstoffen zu versorgen. Besonders zu nennen ist der Bergbau im Harz, die Verhüttung der dort gewonnenen Erze, die Salzgewinnung in Schöningen, Salzgitter und Harzburg60, die Erschließung von Energieressourcen durch Holz, Holzkohle, Braunkohle, Steinkohle und Erdöl.61 Das Bauhandwerk konnte gut beliefert werden mit Holz, Kalk, Kies, Lehm, Sand-und Kalkstein.

Wie oben schon erläutert, setzte in Braunschweig die Industrialisierung erst verspätet ein. Spürbar wirksam wurde sie erst in den 1860er Jahren. Sie hatte neben den Rohstoffen das bisherige Handwerk als Ausgangslage. Die Liberalisierung der Franzosenzeit mit der Einführung der Gewerbe-, Niederlassungs- und Handelsfreiheit62 wurde zum Teil rückgängig gemacht. Handwerker durften sich wieder nur nach einer Meisterprüfung selbständig machen63, hatten jetzt aber keine örtlichen Beschränkungen mehr. So konnte sich auch in dörflichen Regionen Handwerk und Gewerbe entwickeln.

Bisher galten Braunschweig, Wolfenbüttel und Helmstedt als Handwerks- und Handelszentren im Braunschweiger Land.

Doppelte Konkurrenz ergab sich nun für das traditionelle Handwerk durch die Entstehung erster Fabriken. So wurden ursprünglich handwerkliche Produkte, z. B. Wagen, in großem Umfang günstiger hergestellt. Das zog nicht nur Arbeitskräfte aus dem Handwerk ab, sondern erlaubte auch Ungelernten die Mitarbeit bei eigentlich handwerklichen Erzeugnissen. Die Grenzen handwerklicher Traditionen weichten auf, was verständliche Existenzängste bei deren Vertreter auslöste.64

Mit der Erfindung der Dampfmaschine stand eine bisher unbekannte Antriebsenergie zur Verfügung. Völlig neue Produktionstechniken konnten realisiert werden. Innerhalb kurzer Zeit entstanden Betriebe der Metallverarbeitung, der Lebensmittel- und Textilindustrie usw. Ab den 1860er Jahren macht sich der Wandel besonders bemerkbar – auch mit gravierenden Folgen in der Bevölkerungsentwicklung der Städte. Ein statistischer Vergleich65 für die Stadt Braunschweig macht das deutlich:

Jahr

Dampfmaschinen

Einwohner in BS

1841

1

39.799

1857

28

39.870

1864

90

45.450

1870

129

55.845

1874

190

63.805

Kamen demnach 1841 fast 40.000 Einwohner auf eine Dampfmaschine, waren es 1874 nur noch 336 Einwohner pro Dampfmaschine. In diesen 33 Jahren erhöhte sich die Einwohnerzahl Braunschweigs um 60 Prozent, wobei der Anstieg in den späteren Jahren noch steiler wurde.

Eine ähnliche Entwicklung lässt für das Königreich Hannover verzeichnen. Das hatte allerdings den Vorteil, nach der napoleonischen Seeblockade wieder gute Handelsbeziehungen mit England pflegen zu können. Allerdings war der Handel anfangs zu einseitig