Die Angst der Richter vor der Macht - Hans Herbert Arnim - E-Book

Die Angst der Richter vor der Macht E-Book

Hans Herbert Arnim

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Beschreibung

Die verdeckte Finanzierung der Parteien durch den Staat

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 15. Juli 2015 eine Klage gegen die verdeckte Parteienfinanzierung nicht zugelassen. Auch in seinem Beschluss vom 19. September 2017 ist es auf die Sache kaum eingegangen. In beiden Beschlüssen ist das Gericht vor der politischen Macht eingeknickt. Denn es geht um das »finanzielle Eingemachte« der Berliner politischen Klasse. Um ohne öffentliche Verhandlung kurzen Prozess zu machen, hat das Gericht das Vorbringen der Kläger unterdrückt und den Grundsatz des rechtlichen Gehörs massiv verletzt. Das ist auch dem Verfassungsgericht nicht erlaubt und kann nicht das letzte Wort sein.

Das Versagen der Karlsruher Richter und die Möglichkeiten, dagegen vorzugehen, müssen publik gemacht und eine Diskussion in der allgemeinen und der Fachöffentlichkeit angestoßen werden.

Wenn die Politik in eigener Sache entscheidet und das Gericht sich wegduckt, wird öffentliche Kontrolle umso wichtiger.

In den 1960er-Jahren hatte das Bundesverfassungsgericht der offenen Staatsfinanzierung der Parteien Grenzen gesetzt. Daraufhin ergriffen die Parteien die Flucht in die verdeckte Staatsfinanzierung. Unbehelligt von Kontrollen und Grenzen, ließen sie die Subventionen ihrer Fraktionen im Bundestag und die sogenannten Globalzuschüsse ihrer Stiftungen in die Höhe schießen, und die Abgeordneten bewilligten sich persönliche Mitarbeiter, deren Zahl ebenfalls rasch anstieg - auch um sie für Parteizwecke verwenden zu können. In der Zwischenzeit ist die verdeckte Staatsfinanzierung der Parteien mehr als viermal so hoch wie die offene staatliche Parteienfinanzierung.

Die Parteien haben sich ihren eigenen Staat geschaffen. Hans Herbert von Arnim deckt auf, welcher Mittel und Methoden sich die politische Klasse bedient, um die Regeln zu ihrem eigenen Vorteil umzugestalten und sich immer neue Geldquellen zu erschließen.

Parteienherrschaft und Willkür wirksam zu begrenzen ist deshalb dringend geboten!

Die Folgen übermäßiger staatlicher Finanzierung sind zunehmend bürgerferne Staatsparteien und wachsende Parteienverdrossenheit der Bürger. Darin liegt ein fundamentales Demokratieproblem.

Es ist höchste Zeit, eine öffentliche Debatte darüber in Gang zu bringen!

»Niemand außer dem Bundesverfassungsgericht hat schon so viele Gesetze aus den Angeln gehoben wie diese Einmann-Instanz namens Hans Herbert von Arnim.«
Die Zeit

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1. Auflage August 2020 aktualisierte Neuauflage als Sonderausgabe Copyright © 2020 bei Kopp Verlag, Bertha-Benz-Straße 10, D-72108 Rottenburg Alle Rechte vorbehalten Coverfoto: © picture alliance / Uli Deck / dpa Satz, Layout und Umschlaggestaltung: Götz Mannchen ISBN E-Book 978-3-86445-775-3 eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

Gerne senden wir Ihnen unser Verlagsverzeichnis Kopp Verlag Bertha-Benz-Straße 10 D-72108 Rottenburg E-Mail: [email protected] Tel.: (07472) 98 06-10 Fax: (07472) 98 06-11Unser Buchprogramm finden Sie auch im Internet unter:www.kopp-verlag.de

Vorwort zur Neuausgabe

Die riesige verdeckte Staatsfinanzierung der Parteien besteht nach wie vor unbehelligt fort. Unbegrenzt und unkontrolliert konnten entsprechende Gelder für Fraktionen, Parteistiftungen und Abgeordnetenmitarbeiter fließen, von denen große Teile den Mutterparteien zugutekommen. Sie sind inzwischen mehr als viermal so hoch wie die offene staatliche Parteienfinanzierung. Ein Beispiel dafür war im Jahre 2016 die Erhöhung der Mittel für Abgeordnetenmitarbeiter um 30 Millionen Euro (plus 17,6 %). Diese verdeckte Finanzierung haben sich die Parlamentsparteien als Ersatz für die offiziellen Zuschüsse bewilligt, die seit Langem gerichtlich beschränkt und öffentlich kontrolliert werden. Für die Ersatzfinanzierung steht eine entsprechende gerichtliche Kontrolle und Begrenzung noch aus.

Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, sich die beiden Versuche erneut vor Augen zu führen, die ich unternommen habe, um das Bundesverfassungsgericht zu einer Entscheidung über die verdeckte Staatsfinanzierung der Parteien zu bewegen. Der Kopp Verlag hat meine Kritik am Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Juli 2015 und an den Wegen, auf denen der Senat eine Sachentscheidung verhinderte (2 BvE 4/12), ein zweites Mal aufgelegt (Teil A). In der Zwischenzeit ist auch klarer geworden, welche Rolle der Berichterstatter Peter Müller spielte, wie eine Entscheidung des Senats über seine Befangenheit verhindert wurde und wie sich der Beschluss auf die spätere Entscheidung des Senats vom 19. September 2017 (2 BvC 46/14) auswirkte.

Nach dem Urteil über die Fünf-Prozent-Klausel im Europawahlrecht, das die Berliner Politik empörte, war eine heftige Schelte über den Senat hereingebrochen. Parteipolitiker drohten unverhohlen damit, sie würden das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht ändern und zuverlässigere Person ins Gericht entsenden. Tatsächlich hatten sie mit Peter Müller aber nicht nur einen reinen Parteipolitiker in den Senat gewählt, sondern auch einen Mann, der vor seiner Berufung ins Gericht auch noch strafbare Untreue und vorsätzlichen Verfassungsbruch begangen, sich also eigentlich für dieses Amt völlig disqualifiziert hatte. Müller sollte die in ihn gesetzten Erwartungen alsbald in seinem Minderheitsvotum über die Drei-Prozent-Klausel im Europawahlrecht erfüllen, in dem er die Grundlagen des Fünf-Prozent-Urteils in Zweifel zog.

Demgemäß habe ich diesem Buch zwei Abschnitte neu hinzugefügt (Teile B und C). Darin wird zunächst die Befangenheit Müllers in den beiden Gerichtsverfahren über die verdeckte Parteienfinanzierung dargestellt und erklärt, wie er es trotzdem bis zum Berichterstatter des Senats in Sachen Politikfinanzierung brachte. Das dürfte dem Senat zupassgekommen sein. Denn bei den von Müller entworfenen Beschlüssen von 2015 und 2017 scheute der Senat offenbar davor zurück, sich mit der Politik in einem Bereich anzulegen, der für sie derart wichtig war. Daher lautet der Titel dieses Buches Die Angst der Richter vor der Macht. Der amerikanische Supreme Court kann die Annahme von Verfahren, in denen es um stark umstrittene politische Themen geht, verweigern und so »exzessive politische Kämpfe« vermeiden. Das Bundesverfassungsgericht darf dies von Verfassungs wegen nicht, tut es offenbar aber dennoch.

Immerhin hat der Senat in seinem Beschluss von 2017 bestätigt, dass eine deutliche Missbrauchsgefahr und ein krasses Kontrolldefizit bestehen. Allerdings räumt er dies nur für einen kleinen Bereich ein, nämlich den Einsatz der Mitarbeiter von Abgeordneten. Bei der Verwendung anderer Formen indirekter Parteienfinanzierung und bei der Bewilligung der Mittel scheute er wieder vor der politischen Macht zurück, obwohl dort mindestens ebenso große Missbrauchsgefahren und Kontrolldefizite bestehen, die insgesamt ein verzweigtes missbräuchliches System bilden.

Fakt ist jedenfalls, dass es immer noch keine wirksame Kontrolle der gewaltig hochgeschossenen verdeckten staatlichen Parteienfinanzierung gibt und deshalb einer weiteren »Selbstbedienung« der Abgeordneten und ihrer Parteien nichts im Wege steht.

Speyer, im Juli 2020      Hans Herbert von Arnim

Teil A – Wiedergabe des Buches von 2015

Vorwort zur Ausgabe von 2015

Vom kürzlich ergangenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, die Klage der ÖDP gegen die verdeckte Parteienfinanzierung nicht zuzulassen, hat niemand Notiz genommen. Kaum ein Medium hat darüber berichtet, obwohl es letztlich – direkt und indirekt – um die Verfassungswidrigkeit von 900 Millionen Euro jährlich geht. Ein Grund liegt darin, dass der Beschluss derart verschlüsselt ist, dass die Öffentlichkeit unmöglich seine Bedeutung erfassen und seine Stimmigkeit nachvollziehen kann.

Der Beschluss wurde dadurch ermöglicht, dass wichtige Darlegungen der Klägerin übergangen wurden. Teilweise behauptete das Gericht sogar wahrheitswidrig, die ÖDP habe zu bestimmten den Beschluss tragenden Fragen nichts Relevantes vorgetragen. Für die Öffentlichkeit sind solche Behauptungen normalerweise unüberprüfbar; Außenstehende können ja nicht wissen, was vorgetragen wurde, schon gar nicht, wenn keine öffentliche mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Deshalb habe ich die Schriftsätze, die ich als Prozessvertreter der ÖDP verfasst habe, nachlesbar ins Internet gestellt. Sie zeigen, zusammen mit der folgenden Analyse, in welchem Umfang das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen der ÖDP ignoriert und unerörtert gelassen hat. Damit hat das Gericht den seit alters geltenden wichtigsten prozessualen Grundsatz des gericht1ichen Gehörs (»audiatur et altera pars«) aufs Schwerste verletzt.

Der Verdacht liegt nahe, dass das Gericht ohne mündliche Verhandlung »kurzen Prozess« machen wollte, um auf die Begründetheit der Klage gar nicht mehr eingehen zu müssen. Sonst hätte es nämlich über ein vielfach verfassungswidriges Missbrauchssystem der »Selbstbedienung« urteilen müssen. Vor dieser gewaltigen Herausforderung und dem dann drohenden Streit mit der hohen Politik ist der Zweite Senat offenbar eingeknickt.

Ziel dieses kleinen Buches ist es – neben der Vorbereitung weiteren prozessualen Vorgehens –, den Beschluss vom 15. Juli und die dabei vorgenommene Verfahrensweise des Zweiten Senats bekannt zu machen und darüber eine öffentliche Diskussion anzustoßen. Wenn die Politik und das Bundesverfassungsgericht in eigener Sache entscheiden, wird öffentliche Kontrolle umso wichtiger.

Ich danke Christian Pestalozza (Freie Universität Berlin) sehr herzlich für die kritische Durchsicht früherer Fassungen des Textes. Mein wissenschaftlicher Mitarbeiter Andrei Kiraly gab mir ebenfalls wertvolle Anregungen. Den Hinweis auf den nicht offengelegten Docket-Control-Charakter des Beschlusses vom 15. Juli verdanke ich Joachim Wieland (Universität Speyer); auf den ungeschriebenen Rechtsbehelf bei krassen prozessualen Mängeln verfassungsgerichtlicher Entscheidungen wies mich Jürgen Schwabe (Universität Hamburg) hin; über die »Technik« des Gerichts, bestimmte Themen durch Behauptung mangelnden Vortrags auszublenden, sprach ich mit Dietrich Murswiek (Universität Freiburg), und wichtige Hinweise zu Klagemöglichkeiten zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gaben mir Jochen Frowein (Universität Heidelberg), Siegfried Magiera (Universität Speyer) und David Schneider-Addae-Mensah (Brühl/Karlsruhe). Die Verantwortung für den Inhalt dieses Buches trage ich natürlich ganz allein.

Speyer, im September 2015 Hans Herbert von Arnim

Kurzfassung

Kontrolle und Grenzen der offenen Staatsfinanzierung der Parteien

Nachdem sich deutsche Parteien im Bundestag 1959, als Erste in Europa, eine staatliche Finanzierung bewilligt hatten, schossen die Gelder in den Folgejahren so gewaltig hoch, dass das Bundesverfassungsgericht eingreifen musste, um die Entwicklung zu bürgerfernen Staatsparteien zu verhindern: Mit Urteilen von 1966 und 1968 zog das Gericht Obergrenzen und verpflichtete den Bundestag, die Höhe und die Verteilung der Mittel im Parteiengesetz (und nicht bloß durch einen Titel im Haushaltsplan) zu regeln, um öffentliche Kontrolle zu ermöglichen. Zudem zwang das Gericht den Bundestag, außerparlamentarische Parteien im Interesse der politischen Chancengleichheit zu beteiligen.

Flucht in die verdeckte Parteienfinanzierung

Doch als Antwort wichen die Parteien in solche Bereiche aus, in denen keine Grenzen und Kontrollen bestehen und sie sich deshalb unbehelligt »selbst bedienen« können: Sie ließen die Staatsgelder für ihre Fraktionen (die sogenannten Parteien im Parlament) geradezu explodieren, schufen »Globalzuschüsse« für ihre Stiftungen, die ebenfalls schnell wuchsen, und bewilligten ihren Abgeordneten – zusätzlich zu den Diäten, den steuerfreien Kostenpauschalen und der staatlichen Altersversorgung – Mittel für persönliche Mitarbeiter, die im Laufe der Zeit gewaltig angehoben wurden. Heute hat jeder Bundestagsabgeordnete allein für Mitarbeiter monatlich rund 22 000 Euro (einschließlich der Arbeitgeber-Sozialaufwendungen) zur Verfügung, womit er im Durchschnitt sieben Mitarbeiter beschäftigt, vornehmlich im Wahlkreis, was zum Missbrauch geradezu einlädt.

Anfangs machten diese Zahlungen nur einen Bruchteil der offenen Staatsfinanzierung aus. Doch weil sie im Gegensatz zu der offenen Staatsfinanzierung keinen Grenzen und kaum Kontrollen unterliegen, haben sie Letztere inzwischen weit überflügelt: Während die offene Parteienfinanzierung nach dem Parteiengesetz heute rund 159 Millionen Euro jährlich beträgt, machen die Zahlungen an die Stiftungen sowie für Fraktionen und persönliche Mitarbeiter in Bund und Ländern inzwischen jährlich fast 900 Millionen Euro aus. Ein journalistischer Beobachter formulierte das so: Nachdem das Gericht auf einen Topf einen Deckel gelegt hatte, hat der Bundestag die anderen drei Töpfe umso üppiger gefüllt.

Gewiss entfällt davon ein großer Teil auf die Finanzierung legitimer Aufgaben etwa der Fraktionen (für interne Koordinierung) und der Abgeordnetenmitarbeiter (zur Unterstützung der Abgeordneten bei ihrer parlamentarischen Arbeit). Ein anderer erheblicher Teil dieser gewaltigen Ressourcen wird aber für Tätigkeiten zugunsten der Mutterparteien verwendet; das ist verfassungswidrig. Den Missbrauch sieht man besonders deutlich an der Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen, die der Bürger kaum von der Werbetätigkeit der Mutterparteien unterscheiden kann. Deshalb lässt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung eine Staatsfinanzierung der Fraktionen nur für die parlamentsinterne Koordination zu.

Der Missbrauch wird auch besonders klar beim flächendeckenden Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern in Wahlkämpfen, wie er beispielsweise in einer Sendung des ARD-Fernsehmagazins Report Mainz wenige Tage vor der Bundestagswahl 2013 demonstriert wurde. Der politische Wettkampf der Parteien um die Gunst der Öffentlichkeit und der Bürger ist keineswegs auf die engere Vorwahlzeit begrenzt. Der Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern im Wahlkampf und für sonstige Parteizwecke ist verfassungsrechtlich eindeutig unzulässig und widerspricht auch § 12 Abs. 3 Satz 1 AbgG, wonach staatlich bezahlte Mitarbeiter nur zur Unterstützung bei der Erledigung der »parlamentarischen Arbeit« der Abgeordneten eingesetzt werden dürfen. Tatsächlich stellt das Hochschießen der »funktionalen Äquivalente« der offenen Parteienfinanzierung eine groß angelegte Flucht der Parlamentsparteien in die verdeckte Finanzierung dar.

Gravierende Folgen: Bürgerferne und Parteienverdrossenheit

Hält man sich die Entwicklung vor Augen, herrscht heute genau der Eindruck vor, dem das Bundesverfassungsgericht mit der Durchsetzung der Begrenzungen und Kontrollen für die offene Parteienfinanzierung hatte entgegenwirken wollen, dass nämlich die Parteien sich zum Schaden des Gemeinwesens im Übermaß aus der Staatskasse »bedienen« und damit ihr Ansehen schädigen und die Erfüllung ihrer Aufgaben beeinträchtigen.1

Mit den gewaltigen autonomen Geldquellen sinkt zugleich das Angewiesen-Sein der Parteien auf die Bürger. Statt Bürgerparteien entstehen, wie hohe Parteifunktionäre selbst formulieren, bürgerferne »Fraktionsparteien«, welche die Distanz zu den Menschen nicht mehr zu überbrücken vermögen und der Parteienverdrossenheit Vorschub leisten. Diese Entwicklung bestätigt auch die politikwissenschaftliche Parteienforschung. Sie bezieht die »parties in parliament«,2 deren öffentliche Finanzierung gewaltig gewachsen ist, in einen erweiterten Parteienbegriff mit ein und diagnostiziert: Die Parteien seien im Begriff, sich aus ihrer gesellschaftlichen Verankerung zu lösen, sich zu »Kartellparteien« und von »bottom-up-parties« zu »top-down-parties«, kurz: zu wettbewerbsbeschränkenden Staatsparteien, zu entwickeln. Dadurch drohe ihre wichtigste Funktion, die Anliegen der Gesellschaft in den Staat zu vermitteln, zu verkümmern.

Umso mehr sind Grenzen und Kontrollen bei der Bewilligung und Verwendung der staatlichen Mittel verfassungsrechtlich geboten, besonders eben, um ihren Einsatz zugunsten der Mutterparteien zu verhindern. Doch der Bundestag hat sie gezielt und systematisch beseitigt. So verwehrt er dem Bundesrechnungshof – entgegen Art. 114 Abs. 2 GG und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – die Prüfung der Anstellung und Verwendung von Abgeordnetenmitarbeitern und schränkt seine Prüfung der Fraktionen ein. Damit hebelt er mangels veröffentlichter Prüfberichte auch die Wahrnehmung und Kontrolle durch die Öffentlichkeit aus.

Die Klage der ÖDP

All dies veranlasste die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), gegen den Bundestag und die von ihm bewirkte verdeckte Parteienfinanzierung zu klagen. Prozessvertreter und Verfasser der Antragsschrift sowie der weiteren Schriftsätze der ÖDP war der Autor dieses kleinen Buches.3

Gegenstand des Verfahrens waren die Zahlungen, die der Bundestag im Jahre 2012 für die Fraktionen, für die Abgeordnetenmitarbeiter sowie in Form sogenannter Globalzuschüsse für die parteinahen Stiftungen bewilligt hatte. Denn ein großer Teil dieser Zahlungen von insgesamt 331 Millionen Euro kam, wie gezeigt, auch den Mutterparteien der Fraktionen und ihren Abgeordneten zugute. Dies verstößt gegen die Verfassungsgrundsätze der Staatsferne (beziehungsweise Bürgernähe) der Parteien und der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb.

Nicht Gegenstand des Verfahrens waren die projektgebundenen Zuschüsse der parteinahen Stiftungen in Höhe von rund 350 Millionen Euro und die rund 180 Millionen Euro, welche die Landesparlamente ihren Fraktionen und ihren Abgeordneten für persönliche Mitarbeiter bewilligen. Hätte das Gericht der Klage der ÖDP entsprochen, wäre aber auch die verfassungsrechtliche Zweifelhaftigkeit vieler dieser Leistungen offenbar geworden. Direkt und indirekt ging es also um die Verfassungsmäßigkeit von Zuwendungen an die Politik in Höhe von fast 900 Millionen Euro. Ein positives Urteil hätte die Grundfesten der Politikfinanzierung erschüttert.

Bei der Bewilligung der Mittel und der Regelung ihrer Verwendung entscheidet das Parlament in eigener Sache. Das Bundesverfassungsgericht hat in früheren Urteilen selbst festgestellt, dass in solchen Fällen eine besonders intensive richterliche Überprüfung erforderlich ist. Denn nur das Gericht und die Öffentlichkeit können das in eigener Sache entscheidende Parlament wirksam kontrollieren. Doch die Öffentlichkeit wurde hier, wie gezeigt, vom Bundestag faktisch ausgeschaltet. Darum stand das Gericht erst recht in der Pflicht, verschärft zu prüfen.

Der Beschluss des Gerichts: unhaltbar

Doch der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die Klage der ÖDP ohne mündliche, also öffentliche Verhandlung mit Beschluss vom 15. Juli 2015 einstimmig als unzulässig verworfen; ihre Begründetheit kam gar nicht zur Sprache. Für die ÖDP war dies völlig überraschend – nach über 3-jähriger Dauer des Gerichtsverfahrens und nach beiderseits gewechselten Schriftsätzen im Umfang von rund 300 Seiten.