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Ein handfester Skandal
Peer Steinbrücks Honorare sind ein Klacks gegen den Eifer, mit dem bayerische Abgeordnete sich die Taschen füllen. Hans Herbert von Arnim deckt auf, wie die Parteien in trauter Einigkeit das Recht und sämtliche Kontrollen aushebeln, um sich immer neue Geldquellen zu erschließen – eine besonders krasse Form öffentlicher Verschwendung, mit der die etablierten Parteien ihre Herrschaft sichern und sich gegen außerparlamentarische Konkurrenz abschotten. Die fatale Folge: Keiner demokratischen Kontrolle verpflichtet, vertieft sich die Kluft zu den Bürgern immer mehr.
»Niemand außer dem Bundesverfassungsgericht hat schon so viele Gesetze aus den Angeln gehoben wie diese Einmann-Instanz namens Hans Herbert von Arnim.« (Die Zeit)
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Seitenzahl: 244
Hans Herbert von Arnim
Die Selbstbediener
Wie bayerische Politiker sich den Staat zur Beute machen
Wilhelm Heyne Verlag
München
Verlagsgruppe Random House
Erweiterte und aktualisierte Neuausgabe 06/2013
© 2013 by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie
Werbeagentur, Zürich
Satz: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering
ISBN 978-3-641-11275-2
www.heyne.de
Inhalt
ten Neuausgabe
Vorwort zur ersten Ausgabe
Einleitung: Heimliche Bereicherung
Teil 1: Politik: Macht, Missbrauch und Kontrolle
I Selbstbedienung: Das Parlament entscheidet in eigener Sache
II Gewicht der Rechtsgüter
III Die Theorie: Wer die politische Klasse kontrollieren könnte
IV Verfassungsgerichte: Wirksame Kontrolleure?
Teil 2: Versteckte Parteienfinanzierung: Fraktionen und persönliche Mitarbeitervon Abgeordneten
I Die im Gelde schwimmen: Die Fraktionen
1 Fraktionsfinanzierung: Eine Kette von Manipulationen und versteckten Verfassungswidrigkeiten
2 Weder Kontrollen noch Grenzen bei der Bewilligung der Mittel
3 Gefälligkeiten? Ein Gutachten des Verfassungsgerichtspräsidenten in spe
4 Kontrolle und Grenzen bei der Verwendung der Mittel: mangelhaft
Öffentlichkeitsarbeit: unzulässig
Extradiäten für Funktionäre: verboten
Rechnungshof: in Fesseln
5 Dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet
6 Wie es ihnen gefällt: Haushaltsplan und Fraktionsgesetz
7 Erwartbare Folge: Explosion der Mittel
8 Zum Vergleich: Wie machen es andere?
II Das verheimlichte Jobwunder: Abgeordnetenmitarbeiter
1 Das unbekannte Wesen
2 Mangelnde Kontrolle der Bewilligung
3 Vetternwirtschaft: erlaubt
Verwandte zweiten und höheren Grades
Weitergeltung von Altverträgen
Auf Schleichwegen
Das Gesetzgebungsverfahren 2000: eine Mogelpackung
Die Diätenkommission: eingeknickt oder übergangen?
Kontrollmängel im Vollzug
Altverträge: wirklich legal?
Aufräumarbeiten
4 Missbrauch für Parteizwecke: leicht gemacht
5 Pflicht zur Vorsorge gegen Missbrauch: ignoriert
6 Erwartbare Folge: Explosion der Mittel
7. Kürzung für Regierungsmitglieder und andere Funktionsträger
III Die Umleitung des Geldstroms: Verdeckte und offene Finanzierung
1 Parteienfinanzierung durch Fraktionen und Mitarbeiter: Verstoß gegen die Staatsfreiheit der Parteien
2 Die Sonderrolle der CSU bei der direkten staatlichen Parteienfinanzierung
3 Verdeckte Parteienfinanzierung: Verfassungswidrige Diskriminierung kleinerer Parteien
Teil 3: Trickreich an die Spitze: Die Bezahlung und Versorgung von Landtagsabgeordneten
I Laut Verfassung bloß eine Aufwandsentschädigung
II Politisches Kartell: Die Entstehung des bayerischen Abgeordnetengesetzes
III Richter ohne Biss? Der Bayerische Verfassungsgerichtshof
IV Bayern ist Deutscher Meister – bei Entschädigung und Aufwandspauschale
V Der Eigennutz heiligt die Mittel: Verschleierung, Ausschaltung von Kontrollen
1 Dynamisierung: Schwächung der öffentlichen Kontrolle
2 7244 Euro Entschädigung und 3282 Kostenpauschale
3 Verfassungswidrig
4 Ein Camouflagegesetz
VI Die Kostenpauschale: Ein steuerfreies Zubrot?
1 Verfassungswidrig
2 Die Landtagspräsidentin: verloren im Verfassungsrecht
3 Einzelabrechnung: unzumutbar?
4 Der Bayerische Verfassungsgerichtshof
VII Doppelverdiener: Nebenberuf Abgeordneter?
VIII Golden Ager: Eine glänzende Altersversorgung
IX Gute Gründe: Teilzeitabgeordnete!
Teil 4: Die Regierung: Stets vorne mit dabei
I Minister und Staatssekretäre: Dreifach bezahlt
II Keine Gewaltenteilung: Minister und Abgeordnete zugleich
III Ein demokratischer Urknall: Die Direktwahl des Ministerpräsidenten
Teil 5: Die politische Klasse sichert sich ab: Mangelnde Kontrollen
I Dem Volk den Weg verlegen: Einschränkung der direkt demokratischen Kontrolle
II Heimliche Gesetzesmacher: Öffentlichkeit unerwünscht
III Hoffnungsschimmer: Kontrolle durch den Rechnungshof
1 Fraktionen
2 Abgeordnetenmitarbeiter und Kostenpauschle
IV Bestellte Meinungen: Entlastende Gutachter und eine gefällige Kommission
V Gerichtskontrolle: Bisher Fehlanzeige
1 Der Verfassungsgerichtshof: Schutz der politischen Klasse vor dem eigenen Volk?
2 Jeder Bürger hat das Recht: Popularklage
Resümee: Wie sich die Bürger wehren können
Nachwort zur erweiterten Neuausgabe
Anmerkungen
Dokumentenanhang
Vorwort zur erweiterten Neuausgabe
So schnell hat noch selten ein Buch eine Gesetzesänderung bewirkt: Am 15. April 2013 war dieses Buch in Berlin vorgestellt worden, am 16. Mai schaffte der Bayerische Landtag die Verwandtenbeschäftigung auf Staatskosten ab und legte als erstes Landesparlament überhaupt eine gesetzliche Grundlage für die Transparenz von Nebeneinnahmen seiner Mitglieder. Damit wird allerdings nur ein kleiner Teil der im Buch behandelten Missstände bereinigt.
Doch der Reihe nach: Das Buch hat in Bayern fast ein politisches Erdbeben ausgelöst. Das konnte auch eine Art Gegen-Pressekonferenz nicht verhindern, die Barbara Stamm, die Präsidentin des Bayerischen Landtags, am 17. April in München veranstaltete und auf der sie – zusammen mit dem Vorsitzenden der bayerischen Diätenkommission, Heinrich Oberreuter – die Aussagen des Buchs zu banalisieren suchte. Dabei stellten Stamm und Oberreuter abenteuerliche Behauptungen auf, die alle im Folgenden widerlegt werden. Der Versuch, das Buch und seinen Autor ins Abseits zu stellen, misslang gründlich.
Auf die bohrenden Fragen einer Münchner Journalistin musste die Landtagspräsidentin schließlich einräumen, dass es immer noch 17 Abgeordnete gibt, die seit Langem ihre Ehegatten oder Kinder auf Steuerzahlerkosten beschäftigen, darunter mehrere Mitglieder der Staatsregierung sowie der Vorsitzende der CSU-Fraktion, Georg Schmid, und der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Georg Winter. Schmid bezog zusätzlich zu seinen Diäten monatlich noch 13 700 Euro von der Fraktion und beschäftigte seine Frau für bis zu 5500 Euro, sodass sich das Familieneinkommen auf monatlich fast 30 000 Euro summierte. Winter hatte kurz vor dem Stichtag (1.12.2000) noch schnell seine damals dreizehn und vierzehn Jahre alten Söhne als Mitarbeiter eingestellt. Sowohl Schmid als auch Winter sind inzwischen als Fraktions- beziehungsweise Ausschussvorsitzende zurückgetreten (gegen den einen laufen Ermittlungen wegen Scheinselbstständigkeit, gegen den anderen wegen Kinderarbeit); die Regierungsmitglieder gelobten Zurückzahlung, die entsprechenden Regelungen wurden verschärft, und auf die im Dezember 2012 beschlossene abermalige Aufstockung der Mitarbeiterentschädigung soll verzichtet werden. Inzwischen waren noch zahlreiche weitere Fälle bekannt geworden, sodass klar war, dass nicht mehr von Einzelfällen gesprochen werden konnte. Die Entwicklung seit der Veröffentlichung dieses Buchs bis zum Verbot der Verwandtenbeschäftigung und der künftigen Herstellung von Transparenz der Nebeneinnahmen durch Gesetz vom 22. Mai 2013 (siehe auch Anlage IV im Anhang) wird in dieser Neuausgabe dargestellt und kommentiert. Auch der Dokumentenanhang ist entsprechend erweitert worden.
Übrigens hatte ich die Vetternwirtschaft bayerischer Landtagsabgeordneter bereits 2011 in wissenschaftlichen Veröffentlichungen1 und einem darauf beruhenden Beitrag im Münchner Merkur2 kritisiert, auch die Beschäftigung von Geschwistern und von Ehegatten und Kindern in sogenannten Altverträgen. Meine Arbeiten hatten dem Bayerischen Landtag vorgelegen. Darüber existiert ein Briefwechsel mit Peter Worm, dem Landtagsdirektor. Ich hatte ihm vorgehalten, dass die bayerischen Regelungen »in hohem Maße anfechtbar« seien und »alsbald korrigiert« werden müssten. Eine Reaktion blieb aus.
Der Vorgang bestätigt einmal mehr, dass sich Politiker, wenn sie in eigener Sache entscheiden, durch akademisch zurückhaltende, in Fachzeitschriften oder einzelnen Presseartikeln geäußerte Kritik nicht von missbräuchlichenZugriffen auf die Staatsfinanzen abbringen lassen. Eine Chance, die Politik zur Beseitigung von ihr verantworteter Missstände zu veranlassen, hat offenbar allenfalls die Kritik, die sich – wie dieses Buch – mit einem deftigen Titel an eine breite Öffentlichkeit wendet.
Vetternwirtschaft und Transparenz der Nebeneinnahmen sind allerdings nur zwei Zipfel der in diesem Buch behandelten Gesamtproblematik, wenngleich die am offensten zutage liegenden. Anderes ist komplexer und erschließt sich vielleicht erst bei einem zweiten, genaueren Blick als Teil einer systematischen Selbstbedienung. Diese Komplexität, in deren Schutz sich vieles Problematische verbergen lässt, hat die bayerische politische Klasse bisher vor »Entdeckung« bewahrt. Sie hat auch dazu geführt, dass die zugrunde liegenden Hauptprobleme, die nach wie vor das Schwergewicht dieses Buchs bilden, bisher in der öffentlichen Diskussion noch viel zu kurz gekommen sind.
Gemeint ist Folgendes: Sämtliche Auswüchse der bayerischen Politikfinanzierung beruhen auf äußerst anfechtbaren, selbst gemachten Regelungen, und diese haben stets alle Abgeordneten und alle Fraktionen, nach Art eines großen politischen Kartells, immer wieder einmütig beschlossen und der Öffentlichkeit dabei die eigentlichen »Dollpunkte« absichtlich verschwiegen.
Ein frühes Beispiel ist das von allen Fraktionen eingebrachte und beschlossene Abgeordnetengesetz von 1977, in dem die Struktur des finanziellen Status bayerischer Abgeordneter festgelegt und für andere Landesparlamente ein (schlechtes) Beispiel gegeben wurde. Im Gesetzgebungsverfahren war die Öffentlichkeit mit keinem Wort darüber aufgeklärt worden, dass die Bayerische Verfassung den Abgeordneten nur eine »Aufwandsentschädigung« zuerkennt (siehe Abgeordnetengesetz). Ebenso wenig waren die üppige Altersversorgung (siehe Überversorgung) und die verfassungswidrige steuerfreie Kostenpauschale (siehe steuerfreie Kostenpauschale) problematisiert worden.
Dieselbe Vorgehensweise ist auch bei dem von allen Fraktionen eingebrachten und beschlossenen Fraktionsgesetz von 1992 zu beobachten. Dieses Gesetz erlaubt es den Fraktionen, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, und gestattet ihnen, ihren »Amtsträgern« Zusatzentschädigungen zu gewähren, sogenannte Funktionszulagen – beides im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, was der Öffentlichkeit aber wiederum vorenthalten wurde (S. 65).
Beide Gesetze verlangen zudem für Erhöhungen der Mitarbeiterentschädigung beziehungsweise der Fraktionsgelder lediglich die Aufstockung eines Titels im Haushaltsplan, was in der Masse der Haushaltstitel aber kaum auffällt. Mit diesen öffentlichkeitsscheuen Verfahren wurden die Fraktionsmittel 2008 um 50 Prozent erhöht und die Mitarbeiterentschädigung seit 2008 verdoppelt.
Ein drittes Beispiel ist die von allen Fraktionen eingebrachte und einmütig beschlossene Änderung des Abgeordnetengesetzes im Jahr 2000, bei der gezielt der falsche Eindruck erweckt wurde, die Abgeordneten dürften in Zukunft keinerlei Verwandte mehr auf Staatskosten beschäftigen (siehe Übergangsregelung und Anlage 12).
Alle haben sich mit ins Boot gesetzt und sich immun gemacht gegen Kontrollen, auch die Oppositionsparteien. Die Opposition profitiert ja genauso von den Wohltaten und fiel deshalb als Gegengewicht aus.
Und die Bürger? Sie hätten die Parteien im Landtag nur dann mit dem Stimmzettel bestrafen und zum Beispiel außerparlamentarische Parteien wählen können, wenn sie die Missstände gekannt hätten. Doch vorsorglich hat man der Öffentlichkeit immer wieder Sand in die Augen gestreut und die Medien eingelullt, um die öffentliche Kontrolle auszuhebeln, die, wie das Bundesverfassungsgericht sagt, eigentlich »die einzige wirksame Kontrolle« bei Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache darstellt – oder doch darstellen sollte.
Zusammen mit der ‒ gezielt versteckten und der Kontrolle durch das Landtagsamt entzogenen (siehe Kontrollmängel im Verzug und Missbrauch für Parteizwecke: leicht gemacht ) ‒ Verwendung der öffentlichen Mittel für Verwandte, Fraktionsgenossen, Parteien und sich selbst haben die Abgeordneten und Fraktionen – unter Umgehung aller Kontrollen – ein umfassendes, grob verfassungswidriges Selbstbedienungssystem entwickelt, in dem für das Jahr 2014 21,5 Millionen Euro für Abgeordnetenmitarbeiter und 15,9 Millionen Euro für die Fraktionen bewilligt wurden. In sämtlichen Teilen der Politikfinanzierung nimmt Bayern die Spitze unter den Bundesländern ein.
Das Buch weist aber auch Wege, wie das System aufgebrochen und die nötige Legitimität bayerischer Politikfinanzierung wieder hergestellt werden kann.
Zu begrüßen ist es, dass der Bayerische Oberste Rechnungshof in unmittelbarer Reaktion auf das Buch und die Aufdeckung des Skandals mit einer Prüfung der Landtagsverwaltung begonnen hat und auch bestimmte Aspekte des finanziellen Status der Abgeordneten ins Visier nehmen will.Eine umfassende Bereinigung der Probleme darf man davon aber nicht erwarten. Denn der Rechnungshof prüft lediglich den Vollzug der Gesetze und Haushaltspläne, grundsätzlich nicht auch diese selbst. Darin liegt in Bayern aber das Hauptproblem. Bis zur Vorlage des Berichts des Rechnungshofs, die, wenn er Wirkung entfalten soll, rechtzeitig vor der Landtagswahl erfolgen muss, wollte die Landtagspräsidentin zunächst, die Prüfung als Vorwand nehmen, Anfragen der Medien zu blockieren, hat sich dann aber doch eines Besseren besonnen.3 Auch sonst muss die öffentliche Kontrolle weiterhin wachsam bleiben.
Der bayerische Skandal fällt zeitlich zusammen mit einer bemerkenswerten Entwicklung im Bund. Kurz vor dem Erscheinen des Buchs hatte eine Kommission unter Vorsitz des früheren Bundesjustizministers Edzard Schmidt-Jortzig ihren Bericht über den finanziellen Status von Bundestagsabgeordnetenvorgelegt.4 Diese Kommission, die vornehmlich aus ehemaligen Ministern, Parlamentarischen Staatssekretären, Abgeordneten und sonstigen parteinahen Personen bestand, schlägt in verklausulierter Form vor, die Entschädigung der Bundestagsabgeordneten um monatlich fast 1000 Euro zu erhöhen und künftig zu dynamisieren. Das erinnert an die 1995 spektakulär am Nein des Bundesrats gescheiterte Ankoppelung der Diäten an die Bezüge von Bundesrichtern. Damals war »Diätenanpassung« zum Unwort des Jahres erklärt worden.
Die Fraktionen des Bundestags wollen das Thema allerdings erst nach der Bundestagswahl im Herbst 2013 behandeln, obwohl Bundestagspräsident Norbert Lammert vor der Verschiebung gewarnt hatte: Wenn erst ein neuer Bundestag auf die Empfehlungen der Kommission zurückkomme, »diskutiert er wieder unvermeidlicherweise unter dem Verdacht, Regelungen für sich selbst beschließen zu sollen und zu wollen«. Um diese kontrollscheue Flucht in die Nachwahlzeit zu unterbinden, sollten die Vorschläge vor der Wahl öffentlich diskutiert und die Fraktionen und Abgeordneten zu politisch verbindlichen Stellungnahmen veranlasst werden.
Auch das im Vorwort der ersten Auflage erwähnte Gerichtsverfahren, das ich für die ÖDP führe, ist inzwischen fortgeschritten. Es geht dabei um verdeckte Parteienfinanzierung durch Bundestagsfraktionen, Parteistiftungen und den Einsatz von Mitarbeitern der Bundestagsabgeordneten, also ein Thema, das sich in ähnlicher Weise auch in Bayern stellt und einen wesentlichen Teil dieses Buchs ausmacht. Auf die vom Bundesverfassungsgericht allen Verfassungsorgane zugestellte Klage5 haben sich inzwischen der Bundestag sowie die CDU/CSU schriftsätzlich geäußert. Die Entscheidung des Gerichts steht noch aus.
Auch die ebenfalls im ersten Vorwort erwähnte erfolgreiche Klage gegen die Fünf-Prozent-Hürde bei Europawahlen wird wieder aktuell. Die Sprecher der Bundestagsfraktionen mit Ausnahme der Linken haben sich laut Zeitungsberichten Mitte Mai darauf geeinigt, eine Dreiprozentklausel einzuführen,6obwohl das Gericht die bisherige Fünfprozentklausel bei deutschen Europawahlen erst vor eineinhalb Jahren für verfassungswidrig erklärt und dabei implizit auch niedrigere Sperrklauseln verboten hat7.
Dies alles zeigt, dass die beschriebenen Missstände nicht unbedingt ein Sonderfall der bayerischen Politik bleiben müssen, sondern auch der Bundestag für missbräuchliche Entscheidungen in eigener Sache anfällig ist.
Bei der umfangreichen Überarbeitung und Ergänzung des Texts standen mir Prof. Dr. Hermann Heußner und Prof. Dr. Christian Pestalozza erneut mit Anregungen und konstruktiver Kritik zum Text insgesamt oder zu Teilen davon zur Seite, und Diplom-Volkswirt Andrei Kiraly half bei den erforderlichen Recherchen. Dafür danke ich auch an dieser Stelle ganz herzlich. Für alle verbliebenen Mängel trage ich natürlich allein die Verantwortung.
Hans Herbert von Arnim
Speyer, Ende Mai 2013
Vorwort zur ersten Ausgabe
Auf das Selbstbedienungsproblem in Bayern bin ich eigentlich eher zufällig gestoßen. In der Begründung meiner Klage gegen die Fünfprozentklausel bei der Europawahl, die 2011 zu deren Aufhebung führte, hatte ich aufgezeigt, wovon kleinere Parteien, die an der Sperrklausel scheitern, alles ausgeschlossen sind. Dabei war ich auf das gewaltige Volumen der indirekten Staatsfinanzierung gestoßen, die etablierte Parteien sich durch Umleitung der Geldströme auf ihre Fraktionen und Abgeordnetenmitarbeiter beschafft haben. Die Folge ist ein Abheben der Politik von den Menschen und eine Benachteiligung kleinerer Parteien. Deren große Bedeutung für das Funktionieren des politischen Wettbewerbs in der Demokratie hatte das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil von 2004 unterstrichen, das ich für eine kleinere Partei erstritten hatte. Deshalb habe ich die verschleierte Parteienfinanzierung auf Bundesebene inzwischen in Karlsruhe angegriffen; die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht noch aus. Auf Landesebene, allen voran in Bayern, ergeben sich aber noch weit gravierendere Probleme: Bayern ist geradezu Deutscher Meister im gezielten Verstecken verbotener selbst bewilligter Zuwendungen.
Zugleich können die Bürger in diesem Land mit der Volksgesetzgebung und der nur in Bayern bestehenden Popularklage missbräuchliche Regelungen in sehr viel weiterem Umfang angreifen als im Bund. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat seine Kontrollfunktion gegenüber dem in eigener Sache entscheidenden Landtag bisher aber noch nicht wirklich wahrgenommen. Deshalb dieses Buch.
Für die kritische Durchsicht des Manuskripts, ganz oder in Teilen, danke ich Prof. Dr. Hermann K. Heußner, Dr. Hans-Jörg Münchbach und Prof. Dr. Christian Pestalozza ganz herzlich, ebenso Dipl.-Volkswirt Andrei Kiraly für die Hilfe bei der Materialbeschaffung. Alle verbliebenen Mängel und Schärfen des Textes gehen natürlich mit mir nach Hause.
Hans Herbert von Arnim
Speyer, Anfang Februar 2013
Einleitung: Heimliche Bereicherung
Wer den Staat beherrscht, ist leicht versucht, die öffentlichen Ressourcen anzuzapfen und im Übermaß auf das vom Staat eingetriebene Steuergeld zuzugreifen. Bei dieser Form der Selbstbedienung stand lange der Bund im Vordergrund. In seinem Schatten bedienten sich aber auch manche Landesparlamente kräftig, allen voran in Bayern. Berücksichtigt man, dass die Aufgaben der Landesparlamente kontinuierlich abgenommen haben, sie gleichzeitig aber ihre Bezahlung gewaltig gesteigert haben, mutet die Entwicklung geradezu paradox an.
An der offiziellen staatlichen Parteienfinanzierung hat sich die bayerische CSU vorab einen Löwenanteil gesichert: Sie erhält rund dreimal so viel wie die bayerischen Landesverbände aller anderen Parteien zusammen. Weitere Erhöhungen sind hier allerdings nicht möglich, denn um missbräuchliche Selbstbedienung zu verhindern, ist das Staatsgeld durch eine absolute Obergrenze »gedeckelt«. Deshalb ist man auf Umwege verfallen und hat stattdessen die Mittel für andere Akteure, die den Parteien zuarbeiten, finanziell aufgebläht: für die Abgeordneten und ihre persönlichen Mitarbeiter sowie für die Fraktionen.
Abgeordnete werden zwar voll bezahlt und üppig versorgt. Sie können ihr Mandat aber auch in Teilzeit ausüben. Das sieht man daran, dass viele zusätzlich noch einen privaten Beruf, zum Beispiel als Rechtsanwalt, oder neben ihrer Abgeordnetentätigkeit gar das Amt eines Ministers oder Staatssekretärs innehaben. Anderen erlaubt die voll bezahlte Teilzeitarbeit, tagein, tagaus für ihre Partei tätig zu sein. Hinzu kommt, dass die Mittel für Fraktionen seit 2008 um mehr als die Hälfte aufgestockt und die für Abgeordnetenmitarbeiter sogar verdoppelt wurden. Beides zusammen macht inzwischen ein Mehrfaches der offiziellen staatlichen Parteienfinanzierung aus.
Auch persönlich profitieren die Abgeordneten: Neben ihrer direkten Bezahlung ließ sich das Einkommen lange indirekt durch die Beschäftigung von Ehegatten und Verwandten auf Kosten der Steuerzahler weiter erhöhen. Besondere Posten werden, obwohl die Inhaber als Abgeordnete schon voll alimentiert sind, mit üppigen Extradiäten entlohnt. Auch Regierungsmitglieder werden doppelt bezahlt und bekommen neben ihrem Amtsgehalt und den halben Diäten noch überhöhte steuerfreie Pauschalen.
Die Selbstbereicherung von Parteien und Politikern lässt sich allerdings nur heimlich durchsetzen. Zur Ausschaltung der öffentlichen Kontrolle spielen von der CSU initiierte politische Kartelle eine zentrale Rolle. Da auch die Opposition profitiert, ist sie meist leicht einzubinden. Das führt dann zu Erhöhungen auf dem größten gemeinsamen Nenner – und weil alle etablierten Parteien mitmachen, ist dem Bürger die Möglichkeit genommen, mit dem Stimmzettel dagegen vorzugehen. In Bayern gibt es eine ganze Fülle solcher von den Parlamentsparteien gemeinsam beschlossener Kartellgesetze, die den Missbrauch legalisieren und mit deren Hilfe sich die politische Klasse ungestört und ohne Rücksicht auf entgegenstehende Voten des Bundesverfassungsgerichts und des Bayerischen Rechnungshofs bedient.
Dabei schmückt sich das direkt gewählte Hohe Haus gern mit der Aura der Unantastbarkeit. Zugrunde liegt die überkommene Vorstellung, dass die Abgeordneten in öffentlichen Verhandlungen das Pro und Kontra ihrer Entscheidungen sorgfältig abwägen. Der Nimbus von Gesetzen als Garant von Ausgewogenheit und Richtigkeit tut ein Übriges.
Die Realität aber ist eine ganz andere: In Wahrheit sind der in eigener Sache entscheidende Landtag und seine missbräuchlichen Gesetze selbst das Problem.
Teil 1: Politik: Macht, Missbrauch und Kontrolle
I Selbstbedienung: Das Parlament entscheidet in eigener Sache
Über ihren Status und ihre Bezahlung entscheiden Abgeordnete, Regierungsmitglieder, Parteien und Fraktionen im Parlament selbst. Wenn die Begünstigten aber bestimmen können, wie viel Staatsgeld sie erhalten, wofür sie es verwenden und wer darüber entscheidet, ob sie es zu Recht erhalten, sind sie – wie immer bei Entscheidungen in eigener Sache – natürlich nicht neutral und unbefangen. Die eigenen Bedürfnisse wachsen dann rasch ins Unermessliche. Ohne wirksame Kontrollen und Grenzen tendiert parlamentarische »Selbstbedienung« deshalb leicht zum Missbrauch.
Bayern ist dafür geradezu ein Schulbeispiel. Gewiss gibt es auch in anderen Bundesländern ähnliche Probleme. Der Freistaat aber treibt es auf die Spitze. Das liegt auch daran, dass die CSU das Land seit über einem halben Jahrhundert beherrscht und es ihr immer wieder gelang, die Oppositionsfraktionen beim Anzapfen der staatlichen Ressourcen zu bereitwilligem Mitmachen zu bewegen.
II Gewicht der Rechtsgüter
Dabei stehen zentrale Rechtsgüter auf dem Spiel. Es geht – anders als gelegentlich suggeriert wird1 – nicht in erster Linie um die fiskalische Belastung des Steuerzahlers. Die bloße Ermittlung der Pro-Kopf-Belastung der Bürger, mit der sich erhebliche Gesamtsummen als scheinbar geringfügige »Peanuts« darstellen lassen, stellt deshalb eine schreckliche Verniedlichung der Problematik dar. Geld ist in der Politik auch ein Mittel zum Machterhalt.2 Daher ist die faire und ausgewogene Gestaltung der einschlägigen Regeln der Machtbewerbung3 in der Demokratie von größter Bedeutung.4 Es geht um das Vertrauen der Menschen in ihre Parteien und Abgeordneten und letztlich um die Legitimation der repräsentativen Demokratie insgesamt.
Bei Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache können sich drei gefährliche Schieflagen ergeben:
1. Die Parlamentsmehrheit verschafft sich auf Kosten der parlamentarischen Opposition ungerechtfertigte Vorteile.
2. Parlamentsmehrheit und Opposition tun sich zusammen und begünstigen sich übermäßig auf Kosten außerparlamentarischer Kräfte.
3. Die Politik bewilligt sich insgesamt zu viel.
Fälle der Gruppe 1 werden allerdings in dem Maße seltener, als die Regierungs- und die Oppositionsfraktionen in Sachen Politikfinanzierung dazu neigen, politische Kartelle zu bilden. Dann droht die Benachteiligung kleiner Konkurrenten und die Missachtung der politischen Chancengleichheit, also eines Grundsatzes, der zum Wesenskern der Demokratie gehört.5
Während Gruppe 1 und 2 das Problem ungleicher Verteilung betreffen, geht es in Gruppe 3 um das Niveau der öffentlichen Mittel insgesamt. Die delegitimierende Wirkung, die aus einem Übermaß an Selbstbewilligung erwachsen kann, beschreibt das Bundesverfassungsgericht am Beispiel der staatlichen Parteienfinanzierung folgendermaßen:
»Gewönne der Bürger den Eindruck, die Parteien ›bedienten‹ sich aus der Staatskasse, so führte dies notwendig zu einer Verminderung ihres Ansehens und würde letztlich ihre Fähigkeit beeinträchtigen, die ihnen von der Verfassung zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen.«6
Nichts würde deshalb der Problematik weniger gerecht, als das Thema als Ausfluss bloßer Neiddiskussion abzutun oder es nach der Devise »Über Geld spricht man nicht« – und schon gar nicht über das der Mächtigen im Staat – unter den Teppich zu kehren.
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