Die Angst des Radfahrers vor der siebten Kurve oder fast ein Leben. - Joachim Haacke - kostenlos E-Book

Die Angst des Radfahrers vor der siebten Kurve oder fast ein Leben. E-Book

Joachim Haacke

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Beschreibung

Es ist Dienstag Mittag und glühend heiß. Sicherlich 30 Grad Celsius im Schatten. Kein Lüftchen, keine Abkühlung, keine Besserung in Sicht - schon seit Tagen. Alte Leute sterben wie Fliegen. Das Gewerbe der Totengräber erlebt seinen alljährlichen saisonalen Boom. Die Tageszeitungen sind voller schwarzer Kreuze. Wer kann, bleibt zumindest tagsüber zu Hause. Herr R. kann nicht. Er sitzt im Stadtpark und wartet. Erst 12.45. Verdammt. Das heißt, noch zwei Stunden ausharren.....

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Joachim Haacke, Nicole Horschel

Die Angst des Radfahrers vor der siebten Kurve oder fast ein Leben.

Dank an Nicole Horschel (ocin9.blogspot.de) für die Illustration der Geschichte.BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Die Angst des Radfahrers vor der siebten Kurve oder fast ein Leben.

 

Text Copyright 2014 by Joachim von Haacke

 

Grafiken von Nicole Horschel (ocin9.blogspot.de)

 

 

 

 

Es ist Dienstag Mittag und glühend heiß. Sicherlich 30 Grad Celsius im Schatten. Kein Lüftchen, keine Abkühlung, keine Besserung in Sicht - schon seit Tagen. Alte Leute sterben wie Fliegen. Das Gewerbe der Totengräber erlebt seinen alljährlichen saisonalen Boom. Die Tageszeitungen sind voller schwarzer Kreuze.

Wer kann, bleibt zumindest tagsüber zu Hause. Herr R. kann nicht. Er sitzt im Stadtpark und wartet. Erst 12.45. Verdammt. Das heißt, noch zwei Stunden ausharren. Zwei Stunden in dieser Hitze! Schrecklich. Na, und wenn schon. Die letzten 13 Tage ging es ja schließlich auch. Herr R. wischt sich mit einem großen, hellblauen Stofftaschentuch den reichlich vorhandenen Schweiß von der Stirn. Das Wetter nimmt ihn ganz schön mit. Er verflucht sich dahingehend. Einem durch trainierten Radfahrer wie ihm sollte so etwas nicht passieren. Scheiß darauf. Herr R. ist schließlich auch nur ein Mensch. Menschen sind keine Maschinen. Gegen 13.00 nickt unser Held ein. Der Schlaf hat ihn also doch noch erwischt.  Die Sonne nimmt hingegen auf unseren Helden keine Rücksicht und kocht den Planeten Erde weiter in Richtung Siedepunkt; inklusive eines träumenden, ca. 35 jährigen Mannes auf einer Parkbank.

 

Mir ist schwindelig und schlecht. Verdammt. Wo bin ich? Wie viel Uhr? Wie viel Uhr? Ich habe eine Armbanduhr, eine kleine schwarze Armbanduhr.  Die kleine Armbanduhr sagt mir, das es 14.40 ist. 14.40, das ist gut. Sehr gut sogar. Dann kann ich jetzt nach Hause gehen. Wird ja auch Zeit. Ich habe schließlich lange genug gewartet. Aber wo bin ich eigentlich? Panische Orientierungsversuche. Idiot, natürlich im Stadtpark. So wie jeden Tag. In der prallen Hitze eingeschlafen. Nachdem ich mir wegen der aktuellen Urzeit und meines Aufenthaltsortes klar geworden bin, marschierte ich los in Richtung U - Bahn Haltestelle. Ich muss mich etwas beeilen. Auf keinen Fall zu spät kommen. Das wäre schlecht.

  Aber zuvor gehe ich hinter eine ungefähr hundert Jahre alte Eiche und übergebe mich. Ziemlich abrupt und reichlich. Egal, besser hier als nachher in der U - Bahn. Wäre peinlich, einfach so in die Menge zu kotzen. Nach ein paar Sekunden kommt noch einmal ein Schwall. Eine rote, stinkende Flüssigkeit; garniert mit kleinen Fleisch Stückchen.  Klarer Fall von Sonnenstich. Kein Wunder, nach fast sieben Stunden in der prallen Hitze. Ich putze mir den Mund ab und laufe weiter. Ziemlicher Schräggang. Es wird Zeit, das ich nach Hause komme. Nur keinen Verdacht erwecken. Ich habe einen Geschmack im Mund, als ob ich aus einer Güllegrube getrunken hätte. Scheußlich. Da muss etwas dagegen getan werden. Ich gehe zum Kiosk gegenüber von der S - Bahn Haltestelle und kaufe mir eine große Packung Zitronenlutschbonbons. Extra stark. Ich lutsche zwei davon. Danach noch einmal eines.

 

Siehe da, der Kotzgeschmack in meinem Mund ist weitgehend weg. Scharfer Zitronengeschmack. Urzeit 14.48. Endlich. In zwei Minuten kann ich nach Hause fahren. Dank Gevatter Sonne habe ich immer noch eine ziemliche Schlagseite. Dazu stinke ich penetrant nach Zitronenbonbons. Man muss mich für einen Säufer halten. Na, wenn schon. Besser als nach Kotze zu stinken. Nachdem ich dem Kontrolleur meine Jahreskarte gezeigt habe, nehme ich in einem dieser abgrundtief hässlichen, rötlichen und ausklappbaren Plastik Nierensessel platz. Die bequemen, gepolsterten Sitzmöglichkeiten sind bereits allesamt besetzt. Das ist wieder einmal typisch. Die Fahrt geht endlich los. Zuerst langsam, dann immer schneller. Mein Magen hat sich momentan glücklicherweise wieder etwas beruhigt. Da mir langweilig ist, schmeiße ich noch einmal eines von diesen extra starken Zitronenbonbons ein. Ich schaue zum Fenster hinaus. Überdimensionierte Werbeplakate, welche mit bestenfalls durchschnittlichen Graffitis zugeschmiert sind. Todlangweilig.

   Nach ein paar Minuten fahren wir endlich übertage. Dem Licht entgegen. Die Stadt scheint zu zerschmelzen. Mein Magen fängt sofort wieder an, Hula Hoop zu tanzen. Kein Wunder. Die Sonne gibt sich schließlich auch alle Mühe, meinen Kopf wegzublasen. Was liegt da näher, als für einen Moment die Augen zu schließen. Schon besser.