Die Augenzeugin - Susanne Schwertfeger - E-Book

Die Augenzeugin E-Book

Susanne Schwertfeger

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Beschreibung

Watt, Strand, Dünen – auf den ersten Blick wirkt der kleine Küstenort Dornbeck ruhig, beschaulich – und wenig aufregend. So hatte sich Nelly Peters ihre Karriere als Kommissarin eigentlich nicht vorgestellt. Aber Nelly erkennt rasch: Ganz so langweilig wie es scheint, ist die Polizeiarbeit in Dornbeck nicht. Kaum hat sie ihren Dienst angetreten, muss sie zusammen mit ihrem bärbeißigen Chef Mats und dem jungen Polizisten Jörn den ersten Mord aufklären. Neue Freundschaften und ein sehr netter Wirt machen es Nelly leichter als gedacht, in Dornbeck heimisch zu werden. Aber da wartet schon der nächste Fall darauf, von Nelly und ihren Kollegen gelöst zu werden. Zornig knallte Elise Habicht ihre Teetasse auf den Schreibtisch. Die heiße Flüssigkeit schwappte über die Notizen, die sich gemacht hat hatte. "Ach verflixt," fluchte sie und versuchte, die Blätter in Sicherheit zu bringen. Aber der Schaden war angerichtet und die Buchstaben verschwammen auf dem nun gewellten Papier. "Ach, was soll´s. Das hat eh alles nichts getaugt. Keine brauchbare Idee dabei," murmelte sie schob geräuschvoll ihren Stuhl zurück. Dann trat sie an das Fenster und schaute hinaus auf den Rhein, der nahe ihres Appartements in Koblenz majestätisch vorbeifloss. "Frau Habicht, geht es Ihnen nicht gut? Kann ich etwas für Sie tun? " fragte ihr Sekretär Lasse Heistermann aus dem Nebenraum, wo er mit den Büroarbeiten beschäftigt war. "Nein, Lasse. Es ist ja nicht ihre Schuld, wenn ich eine Schreibblockade habe und mir der Verleger im Nacken sitzt," antwortete die gefeierte Krimiautorin trübsinnig. "Aber Frau Habicht, Sie haben doch noch drei Monate Zeit, bis Sie das Manuskript abgeben müssen. Das ist doch noch lange hin. "Herr Heistermann, ich weiß es sehr zu schätzen, dass sie mich aufmuntern wollen, aber Sie als mein Sekretär wissen doch selber, dass es langsam knapp wird…," sagte Frau Habicht. Plötzlich hellte sich ihre Miene auf. "Lasse, ich habe eine Idee. Ich glaube, ich brauche eine Luftveränderung. Ich fahre einfach einige Tage an Meer.

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Mordseegeschichten – 10 –

Die Augenzeugin

Kommissarin Nelly Peters ermittelt

Susanne Schwertfeger

Zornig knallte Elise Habicht ihre Teetasse auf den Schreibtisch. Die heiße Flüssigkeit schwappte über die Notizen, die sich gemacht hat hatte.

„Ach verflixt,“ fluchte sie und versuchte, die Blätter in Sicherheit zu bringen. Aber der Schaden war angerichtet und die Buchstaben verschwammen auf dem nun gewellten Papier.

„Ach, was soll´s. Das hat eh alles nichts getaugt. Keine brauchbare Idee dabei,“ murmelte sie schob geräuschvoll ihren Stuhl zurück. Dann trat sie an das Fenster und schaute hinaus auf den Rhein, der nahe ihres Appartements in Koblenz majestätisch vorbeifloss.

„Frau Habicht, geht es Ihnen nicht gut? Kann ich etwas für Sie tun?“ fragte ihr Sekretär Lasse Heistermann aus dem Nebenraum, wo er mit den Büroarbeiten beschäftigt war.

„Nein, Lasse. Es ist ja nicht ihre Schuld, wenn ich eine Schreibblockade habe und mir der Verleger im Nacken sitzt,“ antwortete die gefeierte Krimiautorin trübsinnig.

„Aber Frau Habicht, Sie haben doch noch drei Monate Zeit, bis Sie das Manuskript abgeben müssen. Das ist doch noch lange hin.“

„Herr Heistermann, ich weiß es sehr zu schätzen, dass sie mich aufmuntern wollen, aber Sie als mein Sekretär wissen doch selber, dass es langsam knapp wird…,“ sagte Frau Habicht.

Plötzlich hellte sich ihre Miene auf.

„Lasse, ich habe eine Idee. Ich glaube, ich brauche eine Luftveränderung. Ich fahre einfach einige Tage an Meer. Da lasse ich mir die frische Meeresluft um die Nase wehen und dann fällt mir gewiss ganz rasch wieder etwas ein. Und Sie werden mich begleiten. Sie müssen meine Notizen übertragen und gegenlesen.“

„Ganz wie Sie wünschen, Frau Habicht. Dann fahren wir ans Meer. Haben Sie schon einen Ort im Auge?“

Frau Habicht schwieg einen Augenblick, dann sagte sie entschieden:

„Ich glaube, wir sollten nach Dornbeck fahren!“

Lasse sah seine Chefin erschrocken an.

„Aber Frau Habicht, warum denn ausgerechnet Dornbeck? Natürlich ist das ein sehr hübscher Küstenort und ideal, um sich zu erholen und um Kraft zu tanken. Aber…,“

Lasse suchte nach Worten.

Frau Habicht hob beschwichtigend die Hände.

„Lasse, ich weiß doch, dass Sie Dornbeck damals nicht ganz freiwillig verlassen haben und dass sie dort vor ihrer Abreise eine schwierige Zeit hatten. Aber ich weiß auch, dass sie dort noch Familie haben. Und aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man nicht jünger wird. Vielleicht wäre es an der Zeit, sich mit der Vergangenheit auszusöhnen und auch ihre Familie einmal wieder zu besuchen und sich auszusprechen?“

Lasse sah Frau Habicht verwundert an.

„Wieso kümmern Sie sich so um mich und meine Angelegenheiten?“ fragte er gerade heraus.

Frau Habicht lächelte.

„Weil Sie seit fast zehn Jahren mein Assistent sind und Sie mir in der Zeit ans Herz gewachsen sind. Sehen Sie, ich habe keine eigene Familie. Ich habe zwar viele Bekannte und Bewunderer, aber wenige echte Freunde. Und ich möchte, dass es denen gut geht.“

Lasse sah ein, dass er gegen diese Argumente der älteren Schriftstellerin wenig einwenden konnte und er war auch ein bisschen gerührt. Zudem hatte die ältere Dame recht. In der letzten Zeit hatte er viel an seine Heimat und an seine Familie dort gedacht.

„Also gut, Frau Habicht. Wir fahren nach Dornbeck und ich besorge uns eine schöne Unterkunft. Ich habe da auch schon eine sehr gemütliche Pension im Auge. Die wird Ihnen gefallen.“

*

„Himmel, was für eine Aufregung,“ murmelte Rosa Rütters und kletterte über die Koffer und Taschen, die sich im Eingang ihrer Pension Möwennest stapelten. „Diese Filmleute heben ja den ganzen Ort aus den Angeln mit ihrem ganzen Zeug und den ganzen Leuten. Und dann nehmen die sich auch alle so wichtig,“ grummelte sie. Aber sie war auch ein bisschen aufgeregt und auch ein bisschen stolz, dass sogar einige ziemlich bekannte Schauspieler nun unter ihrem Dach und nicht nur am ersten Hotel am Platze wohnten.

Von ihrer Köchin Lisa hatte sie erfahren, dass dieser Max van der Beek wirklich sehr populär war und im letzten Jahr auf dem Hamburger Filmfest sogar einen Preis bekommen hatte.

„Sie da, könnten Sie vielleicht diese Tasche etwas aus dem Weg legen? Die Zimmer sind gleich fertig, aber bis dahin wäre es sehr nett, wenn alle Gäste durchkämen,“ wies sie den jungen Mann mit dem langen schwarzen Mantel und leichten Starallüren an.

Dieser gehorchte etwas maulend, aber er spürte, dass er sich mit der Pensionswirtin besser nicht anlegte.

Seufzend hatte sich Rosa ihren Weg zurück an ihre Rezeption wieder gebannt, als das Telefon klingelte.

„Bitte nicht noch ein Gast,“ betete sie im Stillen.

„Guten Tag, Frau Rütters. Hier ist Lasse Heistermann. Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an mich erinnern. Ich komme aus Dornbeck und habe als junger Mann manchmal bei Ihnen als Kellner ausgeholfen. Aber das ist aber jetzt schon einige Jahre her. Aber nun suche ich für mich und meine Chefin zwei Einzelzimmer. Haben Sie noch etwas frei in den nächsten Tagen?“

Am liebsten hätte Rosa den Gast einfach abgewimmelt, aber bei dem Namen klingelte etwas bei Ihr. Sie erinnerte sich an Lasse und seine freundliche und ruhige Art. Und daran, dass er damals in arge Schwierigkeiten gekommen war und dass er am Ende Dornbeck verlassen hatte. Aber sie hatte Lasse immer gemocht und so beschloss sie, ihm und seiner Chefin die beiden Einzelzimmer unter dem Dach anzubieten.

„Hören Sie, ich weiß nicht, ob das Ihren und den Ansprüchen ihrer Chefin genügt, aber ich habe noch zwei kleine, aber gemütliche Zimmer unter dem Dach. Hier wird gerade ein Film gedreht und ganz Dornbeck platzt aus allen Nähten. Wenn Ihnen das aber zu eng und zu einfach erscheint, müssten Sie es im Grand Hotel Meerblick versuchen…,“ antworte Rosa.

„Nein, auf keinen Fall das Hotel Meerblick. Ihr Angebot klingt perfekt,“ gab Lasse zurück.

„Da spreche ich auch im Namen meiner Chefin. Ich bin mir sicher, dass die Pension Möwennest genau richtig für sie ist. Dann kommen wir morgen!“

*

Nelly und Mats drehten ihre Runde durch die Straßen von Dornbeck. Aber der sonst so gemütliche kleine Ferienort war in einer Aufregung und überall liefen die Leute vom Film geschäftig hin und her. Besonders der Hafen und die kleinen alten Gässchen im Ortskern waren von den Schauspielern, Requisiten und, Kameraleuten, Maskenbildern und was sonst noch alles nötig war, um einen Film zu drehen, belagert. Nelly und die Kollegen waren tagelang damit beschäftigt gewesen, Straßen und Parkplätze abzusperren, Ausnahmegenehmigungen zu erteilen, aber auch dafür zu sorgen, dass der normale Alltag in Dornbeck einigermaßen normal weiterging.

Bislang funktionierte ihr Konzept reibungslos und auch die Mehrzahl der Touristen, die zu dieser frühen Jahreszeit noch nicht ganz so zahlreich in Dornbeck Urlaub machten, nahmen die ganze Aufregung bis jetzt gelassen hin.

„Was für ein Aufwand,“ stellte Nelly zum wiederholten Male fest und sah einer jungen Frau hinterher, die eine Kleiderstange mit historischen Kostümen über das Kopfsteinpflaster schob.

„Tja, es ist ja auch eine aufwendige Produktion. Da wird nicht gespart. Das sieht man ja auch an der Liste der Schauspieler, die hier sind. Und so wie ich gehört habe, soll der Piratenfilm auch ins Kino kommen,“ stellte Mats fest.

„Ich gucke mir das Ergebnis auf jeden Fall im Kino an. Das ist doch mal was! Ein Film, der in Dornbeck spielt!“

Nelly grinste. Es war nicht zu überhören, dass Mats ein bisschen stolz darauf war, dass ausgerechnet das malerische Dornbeck als Kulisse dienen sollte.

Zur gleichen Zeit saßen Elise Habicht und Lasse Heitermann im Zug nach Dornbeck. Während Lasse mit jedem Meter, den sie seiner Heimat näherkamen, schweigsamer wurde, stieg Frau Habichts Laune.

Lasse hatte sich bei seinen Eltern nicht angekündigt und war sich nicht sicher, wie sie reagieren würden, wenn er plötzlich vor ihnen stand. Er hatte es ihnen nie verziehen, dass sie damals nicht an seine Unschuld geglaubt hatten. So waren sie vor Jahren mehr oder weniger im Streit auseinandergegangen und der stand noch immer zwischen ihnen.

„Kommen Sie, Lasse. Machen Sie sich nicht verrückt. Es wird schon alles gut werden. Trinken Sie lieber einen Sekt mit mir,“ forderte Frau Habicht ihren Sekretär auf.

Aber Lasse schüttelte entschieden den Kopf.

„Danke für das Angebot, aber ich glaube, ich brauche noch meinen klaren Kopf,“ gab er zurück.

Frau Habicht nickte.

„Ja, es ist vielleicht auch besser so. Einer von beiden muss ja auch schließlich dafür sorgen, dass wir sicher in unserer Pension ankommen,“ meinte sie und schüttete sich noch einmal nach.

Kurz vor Dornbeck erhob sich Lasse von seinem Sitz.

„Ich gehe mich rasch noch einmal frisch machen. In ein paar Minuten sind wir ja da. Achten sie auf das Rote Kliff. Das ist die einzige Erhebung hier in diesen Küstenabschnitt. Es heißt so, weil die Erde etwas rötlich ist. Sie können es sicher gut vom Zugfenster aus erkennen.“

Frau Habicht nickte und versuchte, ihren Blick auf die vorbeiziehende Landschaft zu fixieren. Aber alles zog etwas verschwommen an ihr vorbei. Vielleicht war das letzte Glas Sekt doch etwas zu viel gewesen?

Plötzlich jedoch war Elise Habicht wieder hellwach und hielt entsetzt die Hand vor den Mund, um nicht laut aufzuschreien.

„Frau Habicht! Um Gottes willen, was ist denn geschehen? Sie sehen ja aus, als hätten Sie ein Gespenst gesehen?“ stellte Lasse besorgt fest, als er zurück an seinen Platz trat und seine Chefin in einer Art Schockstarre vorfand.

„Oh Lasse, es war schrecklich,“ sagte Frau Habicht mit zitternder Stimme.

„Ich habe gesehen, wie ein Mann eine Frau erwürgt hat. Ich habe nach dem Roten Kliff Ausschau gehalten und da war es auch. Der Zug fährt ja ganz nah daran vorbei. Aber genau da habe ich die beiden gesehen. Der Mann war groß und stark und die Frau war ein gutes Stück kleiner. Er hat sie geschüttelt wie eine Puppe. Ich habe das Entsetzen und die Angst in ihren Augen förmlich gesehen. Sie hatte keine Chance und plötzlich wurde sie ganz schlaff und hat sich nicht mehr gewehrt,“ erzählte Frau Habicht mit schreckgeweiteten Augen.

Dann hielt sie einen Moment inne und fuhr dann fort:

„Aber ich würde den Mann auf jeden Fall wiedererkennen. Ich konnte sein Gesicht genau sehen. Er hatte längeres braunes Haar und eine große gezackte Marke auf der Wange!“

Lasse Heistermanns Blicke wanderten von der fast leeren Sektflasche zum Gesicht von Frau Habicht und er war nicht sicher, was er jetzt am besten tun sollte.

Natürlich kannte er die lebhafte Phantasie seiner Chefin. Nicht umsonst war sie eine gefeierte Schriftstellerin. Aber sie neigte auch zu einer leichten Überspanntheit und der Sekt hatte sicher nicht dazu beigetragen, ihre Wahrnehmung zu schärfen.

„Frau Heistermann, vielleicht sind sie kurz weggenickt und haben nur geträumt. Oder aber es war eine Szene aus dem Film, der hier gedreht wird…,“ versuchte er, die Frau zu beruhigen.

Aber Frau Habicht schüttelte entschieden den Kopf.

„Lasse, ich bin weder senil, noch habe ich Wahnvorstellungen. Und ich bin auch nicht so betrunken, dass ich nicht mehr weiß, was ich sehe. Ich habe gesehen, da keine Filmcrew war. Ich habe beobachtet, wie ein Mann eine Frau erwürgt hat,“ sagte sie entschieden.

„Sobald wir in Dornbeck sind, gehe ich zur Polizei.“

Lasse seufzte.

Das war das Letzte, was er wollte. Kaum zurück in Dornbeck und schon wieder Kontakt mit der Polizei!

*