Willkommen in Dornbeck - Susanne Schwertfeger - E-Book

Willkommen in Dornbeck E-Book

Susanne Schwertfeger

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Beschreibung

Watt, Strand, Dünen – auf den ersten Blick wirkt der kleine Küstenort Dornbeck ruhig, beschaulich – und wenig aufregend. So hatte sich Nelly Peters ihre Karriere als Kommissarin eigentlich nicht vorgestellt. Aber Nelly erkennt rasch: Ganz so langweilig wie es scheint, ist die Polizeiarbeit in Dornbeck nicht. Kaum hat sie ihren Dienst angetreten, muss sie zusammen mit ihrem bärbeißigen Chef Mats und dem jungen Polizisten Jörn den ersten Mord aufklären. Neue Freundschaften und ein sehr netter Wirt machen es Nelly leichter als gedacht, in Dornbeck heimisch zu werden. Aber da wartet schon der nächste Fall darauf, von Nelly und ihren Kollegen gelöst zu werden. Natalia saß in ihrer kleinen und etwas heruntergekommenen Wohnung und kaute nachdenklich an ihren roten langen Fingernägeln. Sie schaute wieder einmal auf das Display ihres Handys, aber da war keine Nachricht für sie angekommen. Immer noch nicht. "Wo steckt der Kerl denn nur? " überlegte sie und ihre Stimmung schwankte zwischen Wut und Sorge. Erneut griff sie zum Handy und wählte ein weiteres Mal mehr Pawels Nummer. Und wieder sprang nur die Mailbox an. Natalia runzelte nachdenklich die Stirn. Nun waren es schon drei Tage her, seit sie Pawel das letzte Mal gesehen hatte. Nicht, dass es für Pawel ungewöhnlich war, wenn er mal für eine Weile abtauchte. Er war eben nicht der zuverlässigste Mensch und in der Regel fragte Natalia auch nicht nach, wo er gewesen war. Sie hätte ja auch keine zufriedenstellende Antwort bekommen. Natalia wusste auch, dass er manchmal nicht ganz koschere Geschäfte machte oder auch mal mit seinen Kumpels unterwegs war. Aber nun wurde sie doch langsam unruhig. Denn seitdem Pawel seinen neuen Job bei dieser Import- und Export-Spedition hatte, war doch endlich einmal so etwas wie Stabilität in ihr Leben gekommen und auch die ständigen Geldsorgen hatten abgenommen. Sie hatten sich sogar das eine oder andere leisten können und die Rechnungen stapelten sich nicht mehr so hoch wie früher. Am Montagabend waren sie zum Essen verabredet gewesen. Pawel hatte tatsächlich versprochen, sie zum Essen auszuführen. Darauf hatte Natalia sich sehr gefreut. Aber dann war er einfach nicht gekommen und hatte sie alleine in der Ankerklause sitzen lassen.

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Mordseegeschichten – 1 –

Willkommen in Dornbeck

Kommissarin Nelly Peters ermittelt

Susanne Schwertfeger

Natalia saß in ihrer kleinen und etwas heruntergekommenen Wohnung und kaute nachdenklich an ihren roten langen Fingernägeln.

Sie schaute wieder einmal auf das Display ihres Handys, aber da war keine Nachricht für sie angekommen. Immer noch nicht.

„Wo steckt der Kerl denn nur?“ überlegte sie und ihre Stimmung schwankte zwischen Wut und Sorge. Erneut griff sie zum Handy und wählte ein weiteres Mal mehr Pawels Nummer. Und wieder sprang nur die Mailbox an.

Natalia runzelte nachdenklich die Stirn.

Nun waren es schon drei Tage her, seit sie Pawel das letzte Mal gesehen hatte. Nicht, dass es für Pawel ungewöhnlich war, wenn er mal für eine Weile abtauchte. Er war eben nicht der zuverlässigste Mensch und in der Regel fragte Natalia auch nicht nach, wo er gewesen war. Sie hätte ja auch keine zufriedenstellende Antwort bekommen. Natalia wusste auch, dass er manchmal nicht ganz koschere Geschäfte machte oder auch mal mit seinen Kumpels unterwegs war. Aber nun wurde sie doch langsam unruhig. Denn seitdem Pawel seinen neuen Job bei dieser Import- und Export-Spedition hatte, war doch endlich einmal so etwas wie Stabilität in ihr Leben gekommen und auch die ständigen Geldsorgen hatten abgenommen. Sie hatten sich sogar das eine oder andere leisten können und die Rechnungen stapelten sich nicht mehr so hoch wie früher.

Am Montagabend waren sie zum Essen verabredet gewesen. Pawel hatte tatsächlich versprochen, sie zum Essen auszuführen. Darauf hatte Natalia sich sehr gefreut. Aber dann war er einfach nicht gekommen und hatte sie alleine in der Ankerklause sitzen lassen. Seither war Pawel wie vom Erdboden verschluckt.

Natalia beschloss, noch bis zum Abend zu warten und dann zur Wache zu gehen, um Pawel als vermisst zu melden. Auch wenn sie wusste, dass Pawel es gar nicht gutheißen würde, wenn sie mit der Polizei sprach...

Nelly Peters starrte angestrengt in den Herbstnebel, der von der Küste her herüberzog und versuchte, sich auf die Fahrbahn zu konzentrieren. Aber es war nicht nur der Nebel, der es ihr schwer machte, das Auto sicher in Richtung Dornbeck zu lenken. Denn neben der schlechten Sicht waren es auch ihre düsteren Gedanken, die sich im Kreis drehten. Nelly schlug mit der flachen Hand auf das Lenkrad, wie um diesen Kreislauf zu durchbrechen. Aber immer noch hatte sie die Stimme ihrer Freundin und Kollegin Gesa deutlich im Ohr:

„Nelly, du hast doch gewusst, worauf du dich einlässt. Du wusstest doch ganz genau, dass es niemals klug ist, sich auf eine Affäre mit einem Vorgesetzten einzulassen – und ganz besonders nicht, wenn dieser Vorgesetzte verheiratet ist und zwei kleine Kinder hat.“ Das Schlimme an der ganzen Geschichte war, dass sie sich mit dieser unglückseligen Angelegenheit nicht nur um ihre berufliche Zukunft bei der Polizei Hamburg gebracht hatte, sondern auch ihr Ruf war einfach ruiniert. Immer noch stieg Nelly die Schamesröte ins Gesicht, wenn sie daran dachte, wie die Frau ihres Chefs in die Polizeistube marschiert war und ihr vor allen Kollegen eine Szene gemacht hatte. Die eifersüchtige Ehefrau hatte sie als „rücksichtsloses Luder“ dargestellt, das ohne Skrupel eine junge Familie ruinierte. „Oh Mann, was bin ich doch für eine dumme Kuh gewesen“ stöhnte Nelly und kam sich töricht und gedankenlos vor. Noch dümmer und noch feiger war ihr in diesem Moment der Eskalation allerdings der Ehemann der tobenden Frau, ihr Vorgesetzter Benno erschienen, der es vorgezogen hatte, die Rollos zu seinem Büro komplett herunterzulassen und so zu tun, als wäre er gar nicht da. Benno ließ sich erst wieder blicken, nachdem seine Frau wieder gegangen war und die Luft wieder rein war.

Jedenfalls waren Nelly die folgenden Tage nach diesem denkwürdigen Ereignis auf der Wache wie ein nicht endendes Spießrutenlaufen erschienen und schließlich hatte sie ihre Versetzung eingereicht. Und nun war sie auf dem Weg zu ihrer neuen Wirkungsstätte in Dornbeck, diesem kleinen Nest, von dem sie vor einigen Wochen noch nicht einmal gewusst hatte, dass es diesen Ort überhaupt gab. Aber hier war eine Stelle verfügbar und so hatte sie nicht lange gezögert und sich in diese Einöde versetzen lassen.

Benno war sichtlich erleichtert gewesen, als sie ihm ihren Entschluss mitteilte.

„Manchmal ist eine Luftveränderung ja auch sehr gut,“ hatte er unverbindlich gemurmelt und Nelly hatte förmlich gesehen, wie eine zentnerschwere Last von ihm genommen wurde.

„Ich hoffe, du kommst damit klar, dass wir uns jetzt nicht mehr sehen können“, hatte er zum Abschied noch gesäuselt und Nelly hätte ihn am liebsten geohrfeigt.

Was bildete dieser Typ sich eigentlich ein? Dass sie ohne ihn nicht leben konnte? Dabei war es Nelly von Anfang an klar gewesen, dass es sich nur um eine Affäre handelte - auch wenn diese Affäre viel länger gedauert hatte, als sie es geplant hatte. Und am Ende war es ja ziemlich aus dem Ruder gelaufen.

Zudem hatte Nelly ihren anderen Kollegen gegenüber ein sehr schlechtes Gewissen, weil sie ihre Truppe in einem Moment verließ, in dem doch jeder gebraucht wurde. Denn seit einigen Monaten überschwemmten chemische Drogen ihren Kiez und es hatte schon einige Tote deswegen gegeben. Sie hatten sogar schon eine Soko mit dem Namen „Blue“ wegen der bläulichen Färbung der Drogen gegründet.

Aber darauf konnte Nelly nun leider keine Rücksicht nehmen.

Da kam endlich das Ortschild von Dornbeck in Sicht.

*

Langsam fuhr Nelly durch die engen Gässchen des kleinen Ferienortes am Wattenmeer und war erleichtert, trotz des immer undurchdringlicher werdenden Nebels unbeschadet hier angekommen zu sein. Fast schien es, als wäre die Zeit hier stehengeblieben. Nur ein großer Supermarkt am Ortseingang, eine Dönerbude daneben und ein paar Souvenirgeschäfte zeugten davon, dass die Zukunft zumindest ein bisschen hier Einzug gehalten hatte. Die alten Fischerkaten duckten sich wie seit ewigen Zeiten gegen den Wind, der unablässig vom Meer her blies. Da die Frontscheibe ihres Wagens beschlug, ließ Nelly das Seitenfenster trotz des schlechten Wetters einen Spalt breit herunter und sofort roch Nelly die salzige Seeluft.

„Schietwetter,“ stellte sie grimmig fest.

Endlich hielt Nelly vor der Pension „Möwennest“, in der sie sich zunächst eingemietet hatte. Sie fuhr die Auffahrt hoch und spähte in das wohlig warm erleuchtete Küchenfenster. Durch die Butzenscheiben hindurch sah sie eine korpulente Dame eifrig in der Küche hantieren und Nellys Hoffnung auf ein gutes Abendessen stieg.

Rosa Rütters hatte die Ankunft des Neuankömmlings offensichtlich bemerkt und wenige Sekunden später öffnete die Frau die Haustür. Sie winkte Nelly freundlich entgegen. Nelly stemmte die Autotür gegen den Wind auf und stieg aus.

„Wie schön, dass Sie hier sind! Es ist mir eine Ehre, die neue Mitarbeiterin der Polizeistation in Dornbeck zu beherbergen“ rief Rosa herzlich und half Nelly mit dem Gepäck.

Neuigkeiten verbreiteten sich hier offensichtlich sehr schnell, denn Nelly konnte sich nicht daran erinnern, der Wirtin den Grund für ihren Aufenthalt genannt zu haben.

An der Rezeption lagen einträchtig in ihrem Körbchen ein schwarzer Kater und ein offensichtlich sehr verschlafener kleiner, ziemlich struppiger Hund, die kaum aufblickten, als der Neuankömmling die Küche betrat.

„Das sind ja echte Wachtiere,“ stellte Nelly schmunzelnd fest. „Da braucht man sich ja keine Sorgen zu machen, dass man nachts geklaut wird.“ Nelly blickte sich in der kleinen Pension um.

„Aber vermutlich passiert das hier sowieso nichts,“ setzte sie für sich in Gedanken etwas resigniert noch hinzu.

Da öffnete sich erneut schwungvoll die Haustür und ein sehr kräftiger Mann polterte hinein.

„Was für ein Schietwetter!“ dröhnte er und schüttelte seine Regenjacke, dass die Tropfen nur so flogen.

„Mats, unser Gast ist schon angekommen,“ rief Rosa dem Mann, der offensichtlich der Hausherr war, zu.“

„Ich bin ja nicht blind, ich habe das Auto ja gesehen. Es steht ja mitten in der Auffahrt,“ gab Mats zurück.

Dann wandte er sich Nelly zu und hielt ihr seine riesige Pranke hin.

„Herzlich willkommen in Dornbeck, Kollegin,“ sagte er, aber so richtig freundlich klang das nicht.

Nelly sah ihn etwas verwirrt an.

„Hauptkommissar Mats Rütters,“ stellte der Mann sich weiter vor. „Und gleichzeitig der Mann der Pensionswirtin Rosa Rütters. Ich arbeite seit fast dreißig Jahren in der Polizeistation Dornbeck. Und ich kenne mich hier aus, das können Sie mir glauben. Ich habe so machen eifrigen Kollegen aus der Stadt kommen und gehen sehen. Viele halten das hier einfach nicht aus. Zu langweilig, sagen sie.“

Nun verstand Nelly, warum die Wirtin über den Grund ihres Aufenthaltes informiert war.

Aber ihr neuer Chef Mats Rütters war offensichtlich alles andere als begeistert, eine Kollegin aus der Stadt als neue Mitarbeiterin zu bekommen.

„Vermutlich hat er Angst, dass ich hier zu viel frischen Wind reinbringe mit meinen Großstadtmethoden alles aufscheuche“, dachte sich Nelly.

„Das wird nicht einfach werden mit dem Vorgesetzten Rütters.“

*

Am nächsten Morgen war die Wolkendecke aufgerissen und die Herbstsonne zeigte sich von ihrer freundlichsten Seite. Mit einem Mal sah der Ort Dornbeck zwar immer noch sehr klein und dörflich, aber durchaus charmant und pittoresk aus. Auch wenn Nelly es nicht wahrhaben wollte, war sie doch ein bisschen nervös und so nahm sich vor, noch schnell eine Runde am Strand zu joggen bevor sie ihren ersten Dienst in Dornbeck antrat.

Rasch zog sie ihre Sportkleidung an, trank schnell noch einen Kaffee und machte sich auf zum Strand. Es war gerade Ebbe und das Wattenmeer lag spiegelglatt vor ihr.

„Andere machen hier Urlaub,“ dachte Nelly, lief energisch los und versuchte, ihren Rhythmus zu finden. Nelly trabte über den welligen Sand, während die Möwen, die im Watt nach Würmern oder Muscheln suchten, um sie herum kreisten.

An diesem frühen Morgen war der Strand noch menschenleer und Nelly genoss die Weite und die Leere der Landschaft.

„Ist ja vielleicht doch ganz schön hier,“ dachte Nelly.

Sie sah sogar eine Kegelrobbe, die sie mit ihren braunen Knopfaugen scheinbar vollkommen unbeteiligt ansah, träge in der Sonne dösen.

„Du hast es gut, du musst dich nicht neu einarbeiten und dich mit älteren und griesgrämigen Kollegen auseinandersetzten,“ sagte Nelly zu der Robbe und wie zur Bekräftigung gähnte die Robbe herzhaft.

„Na, dann kommen Sie mal rein, wenn Sie schon mal hier sind,“ meinte ihr neuer Chef, als Nelly auf die Minute pünktlich die Amtsstube betrat. Diese Begrüßung war zwar nicht überschwänglich, aber auch nicht ganz unfreundlich.

Nelly blickte sich in der kleinen Station um. Die technische Ausrüstung hier schien vollkommen aus der Zeit gefallen und erinnerte Nelly ein wenig an alte Kriminalfilme.

„Vielleicht ticken die Uhren hier einfach noch ein bisschen anders,“ sinnierte Nelly gerade, als plötzlich ein junger Mann hinter seinem Schreibtisch hervorschoss und ihr schwungvoll seine Hand zur Begrüßung entgegenstreckte.

„Ich bin PK Jörn Andersen,“ warf er ihr entgegen und es war ihm förmlich anzusehen, dass er von Nellys Erscheinung sehr angetan war.

Jörn Andersen hatte derweil ihre Hand ergriffen und schüttelte sie heftig, bis Nelly sie ihm schließlich wieder entzog.

Schien es Nelly nur so, oder wurde der junge Polizist tatsächlich ein bisschen rot?

„Ich finde es super, dass Sie nun hier arbeiten,“ setzte er noch hinterher.

„Hallo Herr Andersen, freut mich auch, Sie kennenzulernen, gab Nelly zurück.“

Mats Rütters überließ es seinem jungen Kollegen, Nelly einzuweisen und ihr ihren neuen Arbeitsplatz zu zeigen. Natürlich wäre das eigentlich seine Aufgabe gewesen, aber es war nur zu offensichtlich, dass er keine Lust hatte, es seiner neuen Mitarbeiterin allzu leicht zu machen.

Pünktlich um zwölf Uhr wurde Mats allerdings zum ersten Mal an diesem Tag richtig aktiv und trat von dem Schreibtisch, hinter den er sich den ganzen Morgen über verschanzt hatte, hervor und verkündete laut und vernehmlich:

„Mittagspause!“

Sehr zu Nellys Überraschung legte nun auch der Kollege Jörn seinen Kugelschreibe beiseite und erhob sich ebenfalls.

„Kommen Sie doch mit uns, wir gehen rüber zum Hafen, ein Krabbenbrötchen essen,“ lud Jörn sie ein.