Schatten der Vergangenheit - Susanne Schwertfeger - E-Book

Schatten der Vergangenheit E-Book

Susanne Schwertfeger

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Beschreibung

Watt, Strand, Dünen – auf den ersten Blick wirkt der kleine Küstenort Dornbeck ruhig, beschaulich – und wenig aufregend. So hatte sich Nelly Peters ihre Karriere als Kommissarin eigentlich nicht vorgestellt. Aber Nelly erkennt rasch: Ganz so langweilig wie es scheint, ist die Polizeiarbeit in Dornbeck nicht. Kaum hat sie ihren Dienst angetreten, muss sie zusammen mit ihrem bärbeißigen Chef Mats und dem jungen Polizisten Jörn den ersten Mord aufklären. Neue Freundschaften und ein sehr netter Wirt machen es Nelly leichter als gedacht, in Dornbeck heimisch zu werden. Aber da wartet schon der nächste Fall darauf, von Nelly und ihren Kollegen gelöst zu werden. "Amy, hierher! " rief Hanno Schmitt, aber Amy machte überhaupt keine Anstalten, auf ihr Herrchen zu hören. "Verdammter Köter," fluchte Herr Schmidt und stapfte durch das nasse Gras, um den Hund einzufangen. "Gleich morgen rufe ich den Hundetrainer wieder an," nahm er sich entnervt vor. Im Dickicht unter den Bäumen sah er schließlich das braune Fell seiner Hündin, zückte die Leine und machte sich auf, den Hund einzufangen. Als er schließlich bei dem Labrador angekommen war, verstand er plötzlich, warum Amy nicht gehört hatte. Denn vor ihm im dichten Gras und über und über mit Laub und Erdklumpen bedeckt, lag ein Mann mit südländischen Zügen. Dieser Mann hatte ein klaffendes Loch in der Brust und war mausetot. Seine Augen starrten blind in den Himmel. Anscheinend hatte jemand ihn notdürftig verscharrt und dann liegen gelassen. Amy sah ihr Herrchen stolz an, wedelte mit dem Schwanz und wartete eindeutig auf ein Lob. Schließlich hatte sie den Toten ganz alleine entdeckt. Hanno Schmitt tätschelte mechanisch den großen Kopf des Hundes und griff ebenso mechanisch zu seinem Handy, um die Hamburger Polizei zu rufen. Nelly hörte das inzwischen schon vertraute Geschrei der Lachmöwen, die über dem Dach ihres kleinen Häuschens kreisten und die morgendliche Rückkehr der Fischer ankündigten. Normalerweise hatte Nelly nichts gegen den Krach, den die Möwen veranstalteten. Ganz im Gegenteil. Es klang so viel schöner als der Straßenlärm der Großstadt, der sie früher geweckt hatte, als sie noch in Hamburg gelebt hatte. Aber gestern Abend hatten sie den Geburtstag von Mats Rütters gefeiert und es war etwas später geworden. Und da sie heute Morgen frei hatte, wollte sie gerne ausschlafen. "Blöde Viecher," murmelte sie ärgerlich, vergrub den Kopf in den Kopfkissen und versuchte verzweifelt, sich nicht weiter stören zu lassen, was aber nur leidlich funktionierte.

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Mordseegeschichten – 3 –

Schatten der Vergangenheit

Kommissarin Nelly Peters ermittelt

Susanne Schwertfeger

„Amy, hierher!“ rief Hanno Schmitt, aber Amy machte überhaupt keine Anstalten, auf ihr Herrchen zu hören.

„Verdammter Köter,“ fluchte Herr Schmidt und stapfte durch das nasse Gras, um den Hund einzufangen.

„Gleich morgen rufe ich den Hundetrainer wieder an,“ nahm er sich entnervt vor.

Im Dickicht unter den Bäumen sah er schließlich das braune Fell seiner Hündin, zückte die Leine und machte sich auf, den Hund einzufangen.

Als er schließlich bei dem Labrador angekommen war, verstand er plötzlich, warum Amy nicht gehört hatte.

Denn vor ihm im dichten Gras und über und über mit Laub und Erdklumpen bedeckt, lag ein Mann mit südländischen Zügen. Dieser Mann hatte ein klaffendes Loch in der Brust und war mausetot. Seine Augen starrten blind in den Himmel. Anscheinend hatte jemand ihn notdürftig verscharrt und dann liegen gelassen.

Amy sah ihr Herrchen stolz an, wedelte mit dem Schwanz und wartete eindeutig auf ein Lob. Schließlich hatte sie den Toten ganz alleine entdeckt. Hanno Schmitt tätschelte mechanisch den großen Kopf des Hundes und griff ebenso mechanisch zu seinem Handy, um die Hamburger Polizei zu rufen.

*

Nelly hörte das inzwischen schon vertraute Geschrei der Lachmöwen, die über dem Dach ihres kleinen Häuschens kreisten und die morgendliche Rückkehr der Fischer ankündigten. Normalerweise hatte Nelly nichts gegen den Krach, den die Möwen veranstalteten. Ganz im Gegenteil. Es klang so viel schöner als der Straßenlärm der Großstadt, der sie früher geweckt hatte, als sie noch in Hamburg gelebt hatte. Aber gestern Abend hatten sie den Geburtstag von Mats Rütters gefeiert und es war etwas später geworden. Und da sie heute Morgen frei hatte, wollte sie gerne ausschlafen.

„Blöde Viecher,“ murmelte sie ärgerlich, vergrub den Kopf in den Kopfkissen und versuchte verzweifelt, sich nicht weiter stören zu lassen, was aber nur leidlich funktionierte.

So saß Nelly eine Stunde später etwas zerknittert an ihrem kleinen Küchentisch, einen dicken Pot Kaffee vor sich und versuchte den Sonntagmorgen trotzdem zu genießen.

Sie griff nach der Wochenendausgabe der Hamburger Post, die sie als kleine Erinnerung an ihre alte Heimat Hamburg ab und zu noch einmal kaufte.

Sie blätterte durch den Lokalteil und stolperte über einen Fall, der sich in ihrem alten Revier zugetragen hatte.

„Männliche Leiche beim Gassigehen entdeckt“ lautete die vielsagende Überschrift und Nelly erfuhr, dass der Tote, der keine Ausweispapiere bei sich trug, am Freitagmorgen von einem Hund im Gebüsch des Stadtparks gefunden wurde. Der Tote war erschossen worden und die Polizei bat nun um Mithilfe. Ein Foto, das das Gesicht des Toten zeigte, war daneben abgedruckt. Nelly betrachtete es eingehend und irgendwie kam ihr der Tote bekannt vor. Er musste Ende Dreißig, Anfang vierzig sein, eher ein südländischer Typ und hatte ein markantes Grübchen am Kinn.

Da Nelly sich schon lange nicht mehr bei ihrer ehemaligen Kollegin und Freundin Gesa gemeldet hatte, beschloss sie, diese gleich morgen anzurufen um ein bisschen zu quatschen, aber auch um noch ein bisschen mehr über den Toten aus dem Stadtpark zu erfahren.

„Vielleicht erfahre ich dann ja auch, woher mir dieser Mann so bekannt vorkommt. Vielleicht war er ja polizeibekannt…,“ überlegte sie und goss sich eine weitere Tasse Kaffee ein. Langsam erwachten ihre Lebensgeister. Sie entschloss sich, bei Jon vorbeizugehen. Vielleicht konnte er sich im Café Zur Auster loseisen und mit ihr einen Spaziergang durch die Dünen unternehmen.

*

Normalerweise verlief der Montagmorgen auf dem keinen Polizeirevier in Dornbeck eher hektisch und es war viel zu tun. Die ganzen kleinen Verbrechen oder Ordnungswidrigkeiten wie Streitereien vor den Kneipen, Ruhestörung, Sachbeschädigung wegen Vandalismus, aber auch Alkohol am Steuer mussten als Spuren des Wochenendes mussten nun bearbeitet werden.

Aber heute war es erstaunlich ruhig.

Offenbar hatten sich die Dornbecker und auch die Touristen an diesem Wochenende zusammengerissen und sich wenig zu Schulden kommen lassen.

So fand Nelly tatsächlich die nötige Zeit um Gesa anzurufen.

Gesa freute sich sehr von Nelly endlich einmal wieder zu hören und noch mehr, als sie aus ihren Erzählungen schloss, dass Nelly sich nach ihrem etwas überstürzten Abgang aus Hamburg damals bestens in Dornbeck eingelebt hatte.

„Dein Ex hat sich inzwischen übrigens die Praktikantin geangelt,“ erzählte Gesa brühwarm. Aber Nelly stellte fest, dass sie solche Informationen nicht mehr interessierten. Sie hatte die Vergangenheit und auch ihren alten Vorgesetzten, mit dem sie eine Affäre hatte, die zu ihrer Versetzung geführt hatte, längst hinter sich gelassen.

Es interessierte sie viel mehr, ob es schon etwas Neues über den Toten gab und das gab es tatsächlich:

„Sein Name war Lino Marcone. Er war neununddreißig Jahre alt, gebürtiger Italiener und hat in Hamburg zeitweilig als Kellner gearbeitet. Aber in erster Linie hat er wohl krumme Dinger gemacht und hatte ein langes Strafregister. Deshalb konnten wir ihn anhand seiner Fingerabdrücke identifizieren,“ erzählte Gesa bereitwillig und hatte überhaupt keine Bedenken, dass sie Interna ausplauderte. Denn Nelly war ja schließlich auch bei der Polizei.

„Also ein alter Bekannter,“ kommentierte Nelly. „Dann kann es durchaus sein, dass ich sein Fahndungsfoto schon mal gesehen habe.“

„Ja, genau, das ist möglich. Wir haben ihn mal wegen Körperverletzung gesucht. Da hing ein Foto von ihm auf der Wache an der Wand. Aber jetzt wird erst richtig spannend: Lino stand vor ein paar Jahren unter dem Verdacht, an einem Überfall auf einen Geldtransporter beteiligt gewesen zu sein. Damals wurde ein Wachmann angeschossen und fast eine halbe Million erbeutet. Verhaftet und überführt werden konnte aber nur ein gewisser Paul Bremer. Der hat aber dichtgehalten und seine Komplizen nicht verraten. Also konnte Lino damals nichts nachgewiesen werden. Ebenso wenig hat Paul Bremer verraten, wo die Beute versteckt ist. Von dem Geld fehlt bis heute jede Spur. Und genau dieser Paul Bremer ist vor zwei Wochen entlassen worden. Und nun ist Lino tot.“

„Wow, das klingt nach einem Streit um die Beute und einem tödlichen Ausgang für Lino,“ stellte Nelly fest.

„Ja, das sehe ich auch so. Leider ist Paul Bremer wie vom Erdboden verschluckt. Er ist zwar offiziell bei seiner Mutter im Hamburg gemeldet. Aber da ist er seit seiner Entlassung nicht aufgetaucht. Wir suchen bereits nach ihm,“ führte Gesa weiter aus.

„Na, dann wünsche ich euch viel Erfolg und halte mich auf dem Laufenden,“ beendete Nelly schließlich das Gespräch und wendete sich wieder den letzten Ordnungswidrigkeiten in Dornbeck zu.

*

Rosa Rütters war verzweifelt. Der dicke Gips an ihrem rechten Arm machte sie vollkommen wahnsinnig und sie konnte es immer noch nicht fassen, dass sie die Treppe heruntergefallen war. Aber sie war zu hastig gewesen, weil unten an der Rezeption das Telefon geklingelt hatte und so war sie ins Stolpern gekommen.

Da war es auch nur ein kleiner Trost, dass sie sich einen unkomplizierten Bruch zugezogen hatte und der Arm nicht operiert werden musste.

„Ich kann meine Gäste nicht versorgen. Das ist eine Katastrophe,“ erklärte sie nicht zum ersten Male und Mats Rütters, ihr Mann und Leiter der Polizeistation von Dornbeck versuchte, sie zu trösten.

„Die Hauptsache ist doch, dass es dir den Umständen entsprechend ganz gut geht,“ gab Mats zurück und versuchte, sich von den Klagen seiner Frau nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.

„Ja schon, aber die ganze Arbeit bleibt liegen und wenn sich das rumspricht, dann kann ich das Möwennest zumachen,“ klagte Rosa.

„Heute zum Mittagstisch kommen doch die beiden Aushilfen und ich kümmere mich um die Zimmer bis wir eine Reinigungshilfe gefunden haben,“ versuchte Mats Rosa weiter zu beruhigen.

Rosa seufzte verzweifelt.

„Aber du hast doch schon genug zu tun mit deiner Arbeit bei der Polizei.“

„Nelly und Jörn halten mir gerade den Rücken ein bisschen frei,“ versicherte Mats nicht zum ersten Mal.

Die junge schmale Frau mit dem blonden Zopf und dem blassen Gesicht, die zum Mittagessen in der Pension Möwennest eingekehrt war, saß auf der Terrasse und schaute etwas ratlos auf ihren Teller. Sie hatte eine Scholle Sylter Art bestellt, aber das, was da auf ihrem Teller lag, hätte auch Labskaus sein können.

Sie sah sich auf der Terrasse um und bemerkte, dass es hier überhaupt nichts rund lief. Das Geschirr wurde nicht abgeräumt, die Gäste warteten vergeblich auf ihre Rechnung und das, was auf den anderen Tellern lag, sah auch nicht besser aus ihre Sylter Scholle.

Die beiden jungen Frauen, die hektisch von Tisch zu Tisch rannten, gaben sicherlich ihr Bestes, aber sie wirkten vollkommen überfordert.

Rosa, die es nicht länger auf ihrem Sofa hielt und die unbedingt einen Blick auf das Geschehen werfen musste, ging auf die Terrasse, versuchte zu retten, was zu retten war und die Gäste zu beschwichtigen. Als sie am Tisch der jungen Frau vorbeikam, sah die Bescherung auf dem Teller und auch hier entschuldigte sie sich wortreich.

„Es tut mir schrecklich leid. Bitte verzeihen Sie. Aber hier geht es gerade ein bisschen drunter und drüber,“ setzte Rosa zur Erklärung an und hielt demonstrativ ihren eingegipsten Arm in die Höhe.

Die junge Frau nickte verstehend.

„Ja, und sie glauben ja gar nicht, wie schwer es ist, gutes Personal zu bekommen…,“ redete Rosa weiter.

„Oh doch, das weiß ich,“ ließ sich die junge Frau nun vernehmen.

Sie sprach leise, fast ein bisschen schüchtern.

„Ich bin selber Köchin und ich weiß, wie schwer es ist, wirklich fähige Mitarbeiter in unsere Branche zu finden,“ stimmte sie Rosa zu.

„Oh, das beruhigt mich aber. Dann können Sie sich ja vorstellen, wie es hier gerade zugeht.“

Die junge Frau nickte abermals und überlegte einen Moment. Dann sagte sie:

„Wenn Sie möchten, dann springe ich als Aushilfe ein. Solange, bis sie wieder fit sind.“

Rosa sah ihren Gast fassungslos an.

„Aber das geht doch nicht. Sie sind doch in Urlaub…,“ setzte sie an.

Aber die junge Frau schüttelte energisch den Kopf.

„Nein, ich bin nicht im Urlaub. Ganz und gar nicht. Ich habe gerade alles hinter mir abgebrochen und möchte mir etwas Neues aufbauen. Deshalb habe ich Zeit und kann etwas Geld zwischendurch auch gut gebrauchen. Wenn Sie mögen, zeige ich Ihnen meine Referenzen. Und ich kann sofort anfangen.“

Rosa, die sonst nie um ein Wort verlegen war, war in diesem Moment wirklich sprachlos und konnte ihr Glück kaum fassen.

„Na, dann los. Sie schickt der Himmel!“ rief sie unglaublich erleichtert.

„Ich zeige Ihnen gleich alles. Aber erstmal müssen Sie was Anständiges essen.“

Natürlich fragte sich Rosa, was die Frau umtrieb, die alles hinter sich gelassen hatte und so einfach mir nichts dir nichts in eine ungewisse Zukunft aufgebrochen war. Aber im Moment schob sie ihre Bedenken beiseite und freute sich einfach nur, so unerwartet Unterstützung bekommen zu haben.

Aber auch die junge Frau war sehr zufrieden über die diese Lösung. Denn ihre finanziellen Mittel waren begrenzt und eigentlich hätte sie sich solch ein teures Essen wie die Sylter Scholle gar nicht leisten können.

*

Rosas neue Aushilfe hatte sich als Lisa Markowski vorgestellt und schon bald konnte Rosa sich entspannt zurücklehnen. Denn Lisa hatte wirklich alles im Griff und es herrschte wieder Ruhe und Ordnung. Bis zur Kaffeezeit hatte Lisa die Küche unter ihre Fittiche gebracht und die Aushilfen so angewiesen, dass sie sich nicht gegenseitig im Weg standen. Auch der Ablauf auch auf der Terrasse und in der Gaststube konnte wieder reibungslos laufen.

Aber so tüchtig Lisa auch bei der Arbeit war, so still, fast schon scheu wirkte sie, wenn es um sie selbst und ihre Person ging.

Denn als Rosa ihrer neuen Köchin das kleine Zimmer gezeigt hatte, das sie als neue Angestellte kostenlos beziehen konnte, hatte Rosa versucht, ein bisschen mit ihr ins Plaudern zu kommen. Aber alle Antworten über ihre Herkunft und ihre Vergangenheit hatte Lisa nur sehr vage und sehr knapp beantwortet. Zudem erschien sie Rosa ein bisschen nervös.