Tödliche Lügen - Susanne Schwertfeger - E-Book

Tödliche Lügen E-Book

Susanne Schwertfeger

4,0

Beschreibung

Watt, Strand, Dünen – auf den ersten Blick wirkt der kleine Küstenort Dornbeck ruhig, beschaulich – und wenig aufregend. So hatte sich Nelly Peters ihre Karriere als Kommissarin eigentlich nicht vorgestellt. Aber Nelly erkennt rasch: Ganz so langweilig wie es scheint, ist die Polizeiarbeit in Dornbeck nicht. Kaum hat sie ihren Dienst angetreten, muss sie zusammen mit ihrem bärbeißigen Chef Mats und dem jungen Polizisten Jörn den ersten Mord aufklären. Neue Freundschaften und ein sehr netter Wirt machen es Nelly leichter als gedacht, in Dornbeck heimisch zu werden. Aber da wartet schon der nächste Fall darauf, von Nelly und ihren Kollegen gelöst zu werden. Träge schwappte das Wasser an die schwärzlichen Pfähle des Bootssteges und das leise Schlagen des Wassers gegen das Holz war das einzige Geräusch, was zu dieser früher Morgenstunde am Anlegesteg des Dornbecker Yachthafens zu hören war. Oder fast. Denn plötzlich schrie ein Mann jäh auf und mit einem lauten Knall ging die Kühlbox, die er trug, zu Boden. Der Deckel sprang ab, ein paar Flaschen Bier kullerten über den Steg und rollten mit einem satten Platschen ins Wasser. Fröhlich hüpfend tanzten sie auf der Wasseroberfläche. Aber das war dem Mann in diesem Moment vollkommen egal. Denn er starrte nur auf den offensichtlich toten Mann, der bäuchlings im Wasser lag. Es sah aus, als würden die Schlingpflanzen, die sich um des Mannes Beine gewickelt hatten, ihn wie Fesseln unter der Oberfläche festhalten. Seine abgespreizten Arme bewegten sich im sanften Rhythmus der Wellen – ebenso wie seine längeren blonden Haare, die wie ein Strahlenkranz um seinen Kopf schwebten. Leichenblass griff der Mann nach seinem Handy und wählte mit zitternden Fingern die Nummer der Polizei. "Mats! Nelly! Es gibt Arbeit! Lasst sofort alles stehen und liegen, wir haben einen Toten! " rief Jörn, der den Anruf des völlig aufgelösten Mannes aus dem Yachtclub entgegengenommen hatte. Nelly und Mats blickten von ihrer Schreibarbeit auf und sahen sich fassungslos an. "Schon wieder? " fragte Mats Rütters, der Chef der Dornbecker Polizeistation kopfschüttelnd und mit einem entrüsteten Unterton in der Stimme. Nelly zog den Kopf ein, denn sie wusste bereits, was nun kam. Denn seitdem sie in der kleinen Dienststelle im Küstenort Dornbeck ihren Dienst angefangen hatte, häuften sich hier plötzlich die Todesfälle.

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Mordseegeschichten – 4 –

Tödliche Lügen

Kommissarin Nelly Peters ermittelt

Susanne Schwertfeger

Träge schwappte das Wasser an die schwärzlichen Pfähle des Bootssteges und das leise Schlagen des Wassers gegen das Holz war das einzige Geräusch, was zu dieser früher Morgenstunde am Anlegesteg des Dornbecker Yachthafens zu hören war. Oder fast. Denn plötzlich schrie ein Mann jäh auf und mit einem lauten Knall ging die Kühlbox, die er trug, zu Boden. Der Deckel sprang ab, ein paar Flaschen Bier kullerten über den Steg und rollten mit einem satten Platschen ins Wasser. Fröhlich hüpfend tanzten sie auf der Wasseroberfläche. Aber das war dem Mann in diesem Moment vollkommen egal. Denn er starrte nur auf den offensichtlich toten Mann, der bäuchlings im Wasser lag. Es sah aus, als würden die Schlingpflanzen, die sich um des Mannes Beine gewickelt hatten, ihn wie Fesseln unter der Oberfläche festhalten. Seine abgespreizten Arme bewegten sich im sanften Rhythmus der Wellen – ebenso wie seine längeren blonden Haare, die wie ein Strahlenkranz um seinen Kopf schwebten. Leichenblass griff der Mann nach seinem Handy und wählte mit zitternden Fingern die Nummer der Polizei.

„Mats! Nelly! Es gibt Arbeit! Lasst sofort alles stehen und liegen, wir haben einen Toten!“ rief Jörn, der den Anruf des völlig aufgelösten Mannes aus dem Yachtclub entgegengenommen hatte.

Nelly und Mats blickten von ihrer Schreibarbeit auf und sahen sich fassungslos an.

„Schon wieder?“ fragte Mats Rütters, der Chef der Dornbecker Polizeistation kopfschüttelnd und mit einem entrüsteten Unterton in der Stimme.

Nelly zog den Kopf ein, denn sie wusste bereits, was nun kam. Denn seitdem sie in der kleinen Dienststelle im Küstenort Dornbeck ihren Dienst angefangen hatte, häuften sich hier plötzlich die Todesfälle. Und natürlich ließ Mats Tirade darauf, dass mit der Großstädterin Nelly Peters das Verbrechen in die Idylle von Dornbeck eingebrochen war, nicht lange auf sich warten. Aber Nelly kannte Mats inzwischen gut genug um zu wissen, dass Mats, der sich gerne grummelig gab, es nicht wirklich böse meinte. Aber das Schlimmste daran war, dass ihr neuer Chef Mats ja recht hatte. Denn das war jetzt schon der zweite Tote in ihrer kurzen Amtszeit in Dornbeck.

„Na, dann los,“ seufzte Nelly.

*

Der kleine, aber feine und vor allem sehr exklusive Yachthafen von Dornbeck lag in einer kleinen Bucht und war so von den neugierigen Blicken der Normalsterblichen geschützt. Der schicke Hafen mit seinen schönen Stegen und dem eleganten Gebäude schmiegte sich sanft in die unberührte Dünenlandschaft. Jeder, der in Dornbeck und Umgebung etwas auf sich hielt oder es sich leisten konnte, strebte danach, Mitglied in diesem erlesenen Zirkel zu werden und so zählten zum Beispiel der Bürgermeister, der Besitzer des Golfclubs und andere illustre Einwohner von Dornbeck zu den Menschen, die hier ein und aus gingen. Die Mitgliedschaft in diesem Yachtclub zeigte, dass man es geschafft hatte.

Mats überprüfte zum ungezählten Male seine Dienstjacke und wischte eine imaginäre Fluse vom Revers.

„Jörn, setzt die Mütze gerade auf und mach gefälligst den obstersten Hemdknopf zu,“ wies er Jörn an.

„Wir wollen ja schließlich einen guten Eindruck machen, wenn wir im Yachtclub unsere Arbeit verrichten.“

Dann beäugte er Nelly, aber als er ihren warnenden Blick sah, verkniff er sich eine Bemerkung über den Zustand ihrer Frisur und der ihrer Dienstkleidung.

„Chef, entspann dich. Die Mitglieder des Yachtclubs sind auch nur Menschen und auch in diesen Kreisen wird gestorben,“ versuchte Nelly den sehr nervösen Mats ein bisschen zu entspannen

„Ja, aber ich bin derjenige, der den Staatsanwalt mit Sicherheit gleich am Telefon hat. Und der wird mir die Hölle heiß machen, dass die Ermittlungen diskret verlaufen sollen, dass wir uns höflich verhalten sollen und dass wir niemandem auf die Füße treten sollen. Das kann ich dir jetzt schon sagen,“ murmelte er.

Mats starrte brütend aus dem Fenster des Dienstwagens.

„Aber Chef, du kannst doch vollstes Vertrauen in uns haben. Wir sind weder tollpatschige Dorfpolizisten, noch haben wir FBI-Methoden,“ meinte Nelly leicht pikiert.

Mats seufzte.

„Und vielleicht handelt es sich ja auch einfach um einen Unfall oder der Tote ist eines natürlichen Todes gestorben. Vielleicht hatte er ja auch nur einen Herzinfarkt und ist dann ins Wasser gefallen…,“ versuchte nun auch Jörn seinen Chef ein wenig zu beruhigen.

Endlich hatten sie den Parkplatz des Yachthafens erreicht. Um diese frühe Uhrzeit war noch nicht viel los und außer ihnen parkten nur wenige Fahrzeuge dort. Aber selbst diese wenige Autos ließen eindeutige Rückschlüsse auf die Kaufkraft der Yachtclubmitglieder zu. Ein normaler Kleinwagen hätte sich hier merkwürdig deplatziert ausgemacht.

„Wow,“ entfuhr es Nelly und auch Jörn machte große Augen, als sie an Wagen vorbeigingen, die locker ein Jahresgehalt Wert waren.

Dann zeigten sie dem Wachtmann ihre Dienstausweise und betraten das Gelände.

Links von ihnen lag das Clubhaus, das ganz im klassischen norddeutschen Stil gehalten war. Das wunderschöne Reetdach reichte fast bis zum Boden und die liebevoll gestalteten Beete vor dem Clubhaus machten deutlich, wie viel Wert man hier auf ein ansprechendes Ambiente legte.

„Da sind sie ja endlich,“ rief ein Mann mittleren Alters mit einer beeindruckenden Fönfrisur. Aufgeregt kam er schnellen Schrittes auf die drei Polizisten zu.

„Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, aber es würde uns sehr entgegen kommen, wenn Sie ihre Arbeit rasch erledigen und der Tote endlich abtransportiert werden kann. Damit hier alles seinen gewohnten Gang gehen kann, bevor die Gäste kommen.“

Nelly rollte unauffällig mit den Augen und lugte zu Jörn herüber, der seinerseits die Backen aufblies. Nur Mats war sehr diensteifrig bei der Sache.

„Wir tun, was wir können. Aber mit wem haben wir das Vergnügen?“

Der Mann mit der Fönfrisur deutete eine kleine Verbeugung an.

„Mein Name ist Max Badorf und ich bin der Verwalter hier. Ich führe sie zum Fundort, wenn es Ihnen recht ist.“

„Natürlich, Herr Badorf,“ antwortete Mats beflissen und Nelly erkannte ihren sonst so bärbeißigen Chef nicht wieder. Wieso ließ sich Mats von diesem Club und seinen Mitgliedern so dermaßen einschüchtern? Sie konnte sich kaum vorstellen, dass Mats insgeheim eine Mitgliedschaft in diesem Verein anstrebte. Aber sie entschloss sich, heute Abend Mats Ehefrau Rosa zu fragen.

„Sehen Sie, da vorne. Der Tote liegt vorne an den Pfählen im Wasser,“ erklärte ihnen Max Badorf und die Kollegen warfen einen Blick hinab ins Wasser. Der Tote lag immer noch wie schwebend genau da, wo er vor einer Stunde entdeckt worden war.

„Wer hat ihn gefunden?“ fragte Nelly und Max Badorf wies mit der Hand auf einen Mann, der kreidebleich auf einem umgedrehten kleinen Rettungsboot saß. Er war kreidebleich und starrte vor sich hin.

„Das ist Petter Nielsström. Er wollte heute Morgen ganz früh los um zu fischen. Dabei hat er den Toten entdeckt.“

„Wissen Sie, wer der Tote sein könnte?“ fragte Mats.

Max Badorf zuckte mit den Schultern.

„Nun, soweit ich das erkennen kann, trägt er unser Clubsakko. Also wird er ein Mitglied sein. Aber mehr kann ich auch nicht erkennen.“

Mats nickte.

„Okay, dann warten wir auf die Gerichtsmedizin und die Taucher.“

„In der Zwischenzeit können wir ja schon einmal mit dem Mann sprechen, der den Toten im Wasser entdeckt hat. Er sieht aus, als könnte er einen Kaffee vertragen. Und ich, ehrlich gesagt auch. Ich gehe rasch zum Bootshaus und hole eine Runde Kaffee für alle. Wenn es schon welchen gibt,“ meinte Nelly und die letzten Worte waren eindeutig an Herrn Badorf gerichtet, der den Wink auch verstand.

„Kommen Sie mit. Ich lasse eine Kanne aufsetzen, wenn das noch nicht passiert ist. Los Petter, komm auch mit. Dann geht es dir gleich ein bisschen besser.“

Petter Nielsström folgte Nelly und dem Geschäftsführer wie in Trance.

*

„Vorsichtig! Ihr müsst ganz langsam machen, damit der Tote nicht wieder ins Wasser gleitet!“

Der Chef der Gerichtsmedizin war mit seinen Nerven am Ende. Die vier Taucher, die dem Toten Gurte umlegen sollten, damit dieser ans Ufer gezogen werden konnten, schienen zum ersten Mal in ihrem Leben einen Toten vom aus Wasser auf einen Steg zu ziehen. Immer wieder rutsche der Tote aus den Gurten. Aber endlich hatten sie es geschafft und der Tote lag tropfend auf dem Steg. Nelly, die zusammen mit Max Badorf und einer Kanne Kaffee wieder zum Fundort zurückgekehrt war, schätzte ihn auf Ende zwanzig, höchstens Anfang dreißig und er war zu Lebzeiten sicher ein gutaussehender und vor allem gepflegter junger Mann gewesen. Er schien noch nicht lange im Wasser gelegen zu haben, denn das Wasser hatte seine feinen Gesichtszüge noch nicht entstellen können.

„Oh, das ist ja Norbert Meyer-Ricks Junior!“ entfuhr es Max Badorf und er machte unwillkürlich einen Schritt zurück.

Die drei Polizisten sahen den Verwalter interessiert an.

„Der Sohn von DEM Meyer-Ricks?“ fragte Mats vorsichtig nach und schluchte hörbar.

Max Badorf nickte nachdrücklich.“

„Genau der!“

„Ihr meint den Fischkonservenfabrikanten Meyer-Ricks?“ fragte Nelly nach.

Vor ihrem geistigen Auge sah sie die zahlreichen großen Werbeplakate, die für die hiesigen Fischkonserven warben. Im Supermarkt Joisten hatten die Konserven der Fischfabrik ein extra Regal. Denn die Fischkonserven waren eine beliebte Spezialität und die Touristen schätzten die Konserven als Mitbringsel. Makrelen und Sprotten waren hier besonders beliebt.

Mats stöhnte und rollte die Augen.

„Das hat uns gerade noch gefehlt. Der einzige Sohn und Alleinerbe des Fischkonservenimperiums liegt tot im Yachthafen von Dornbeck.“

„Kannst du schon was zur Todesursache sagen?“ fragte Mats den Kollegen von der Gerichtsmedizin, aber der schüttelte nachdrücklich den Kopf.

„Keine Schuss- oder Stichverletzung zu sehen. Aber das heißt ja nicht, dass er einfach von selbst ins Wasser gefallen ist. Er ist ja schließlich noch sehr jung gewesen und kein typischer Herzinfarktkandidat. Ich fürchte, ihr müsst euch noch etwas gedulden bis ich mehr sagen kann.“

„Wir haben was gefunden!“ rief einer der Taucher, die den Grund des Wassers rund um den Steg absuchten. Er hielt ein Paddel in die Höhe.

„Damit könnte der Tote geschlagen worden sein. Dann wurde er ohnmächtig und ist ins Wasser gefallen,“ überlegte Nelly.

„Wäre möglich,“ stimmte Mats zu.

„Hier ist noch was,“ rief ein anderer Taucher und hielt ein Stofftuch in die Höhe, welches sich bei näherer Betrachtung als ein Taschentuch mit Monogramm entpuppte. NMR war in zierlichen Buchstaben auf das feine Gewebe gestickt.

„Norbert Meyer-Ricks!“ konstatierte Mats.

„Aber welcher junge Mann hat denn heute noch solche bestickten Taschentücher mit Monogramm?“ fragte Nelly überrascht.

„Nun, Norbert Meyer Ricks Junior war ein sehr modebewusster junger Mann, der großen Wert auf seine Kleidung legte,“ erkläre Max Badorf gewichtig.

*

„Fahren wir erst zur Wohnung des Toten oder statten wir erst z seinem Vater einen Besuch ab?“ fragte Nelly.

„Zuerst zum Vater,“ bestimmte Mats entschieden.

„Wenn der nicht umgehend Bescheid weiß, dann wird ein Donnerwetter losbrechen. Das sage ich euch. Und gleich darauf fahren wir in die Wohnung des Toten. Der Vater hat Beziehungen in die höchsten Kreise und den sollten wir nicht verärgern, weil wir ihn nicht rechtzeitig informiert haben.“

Mats schien wirklich erheblichen Respekt vor dem Staatsanwalt zu haben.

Das Haus von Norbert Meyer Ricks Senior befand sich in unmittelbarer Nähe seiner großen und imposanten Fischkonservenfabrik, aber in einen kleinen Kiefernwald verborgen, sodass es von außen nicht zu sehen war.