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HEUTE KEHRT DAS GLÜCK ZURÜCK von CAROLINE ANDERSON Seit ihrer Liebesnacht mit Dr. Ben Carter vor einem halben Jahr hat sie den attraktiven Arzt nicht mehr wiedergesehen, und doch kann sie seine zärtlichen Küsse nicht vergessen. Als feststeht, dass ausgerechnet er ihr in der neuen Notfallstation der Gemeinschaftspraxis von Dr. Nick Roberts zur Seite stehen soll, schwanken ihre Gefühle zwischen Angst und Hoffnung – wie wird er reagieren, wenn er von ihrem Geheimnis erfährt? Und gelingt es ihr, jetzt endlich sein Herz zu erobern? ZWEITE CHANCE FÜR DR. AVANTI von SARAH MORGAN Dramatischer Rettungseinsatz auf den Klippen von Penhally Bay: Der kleine Eddi ist beim Spielen verunglückt. Zum Glück sind Dr. Marco Avanti und seine Frau Amy gerade in der Nähe und können sofort helfen. Gemeinsam kämpfen sie um das Leben des kleinen Jungen, denn die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber gilt das auch für ihre Ehe? Amy will die Scheidung – und doch spürt Marco, dass sie ihn noch immer liebt. Wie soll er es schaffen, sie von der Tiefe seiner Gefühle zu überzeugen? DIE STIMME DER LIEBE von JOSIE METCALFE "Halte durch, Liebling!" Verzweifelt umklammert Sanitäterin Maggie das Funkgerät, ihre einzige Verbindung zur Außenwelt, seit sie in der Mine verschüttet wurde. Stark, zuversichtlich und zärtlich erklingt daraus die Stimme des Mannes, den sie mehr liebt als ihr Leben ... AM STRAND DER TRÄUME von JENNIFER TAYLOR Heimlich träumt Alison von einem Glück mit Dr. Roberts, der gerade aus London nach Penhally Bay gezogen ist! Doch selbst nach seinem ersten zärtlichen Kuss weiß sie nicht: Gilt Jacks charmantes Lächeln nur ihr – oder nimmt er es mit der Treue nicht so genau?
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Seitenzahl: 752
Cover
Titel
Inhalt
Heute kehrt das Glück zurück
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
Zweite Chance für Dr. Avanti
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1. KAPITEL
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10. KAPITEL
Die Stimme der Liebe
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10. KAPITEL
Am Strand der Träume
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8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
EPILOG
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Contents
IMPRESSUM
Heute kehrt das Glück zurück erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2007 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „Christmas Eve Baby“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBEN Band 26 - 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Umschlagsmotive: Getty Images_Monoliza21, Orlova Svetlana, Silvia Kienesberger
Veröffentlicht im ePub Format in 12/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck
ISBN 9783733728908
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag: BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Anfang Mai
„Lucy.“
„Ben!“ Sie wirbelte herum, ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht. „Ich hätte nicht gedacht, dass du kommst.“
Gehofft hatte sie es … allerdings ohne sich irgendwelche Chancen auszurechnen. Jetzt war er da, ihr Herz klopfte, und ihre Knie fühlten sich plötzlich an wie Pudding.
„Eine Patientin hat mich überredet“, antwortete er und lächelte auf diese lässige, sexy Art, die ihn noch attraktiver machte. „Das konnte ich nicht ablehnen. Außerdem war das Essen hier immer spitze.“
Ach, dann war er gar nicht ihretwegen gekommen?
Was hast du denn erwartet? schalt sie sich. Zwei Jahre waren eine lange Zeit, und seitdem war so viel passiert. Zu viel.
Bemüht, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, wich sie seinem Blick aus. Ben hatte ausdrucksvolle Augen, blau wie der Himmel an einem herrlichen Sommertag … sie hätte darin versinken mögen. Lucy sah zum Grill hinüber. „Zumindest riecht es schon verlockend. Hoffentlich geht es bald los. Seit dem Frühstück habe ich nichts mehr gegessen, und das war noch vor sieben.“
„Hört sich an, als wäre dein Tag nicht besser gewesen als meiner.“
Sie hörte seine tiefe Stimme dicht neben sich, und sein Duft stieg ihr in die Nase. Ben benutzte kein Aftershave. Das hatte er auch nicht nötig. Der Duft nach Seife, frisch gewaschener Kleidung und glatter, warmer Männerhaut war betörend genug.
Lucy schwankte unwillkürlich, merkte, dass sie ihm zu nahe kam, und richtete sich hastig wieder auf. „Entschuldige, der Boden ist hier so weich … und meine Absätze …“ Das war nicht gelogen, und sie hatte eine Ausrede, um wieder etwas Abstand zwischen sie beide zu bringen. Ein Stückchen nur, damit ihr diese verwirrende Mischung nach Limonenseife und Mann nicht mehr zu Kopf stieg.
„Erzähl … wie geht es dir?“
Der sanfte Unterton hatte die gleiche Wirkung wie sein Lächeln.
„Ach, du weißt schon.“
„Nein, weiß ich nicht, sonst würde ich nicht fragen. Wie läuft es mit der Allgemeinmedizin?“
Lucy versuchte, begeistert zu klingen. „Okay. Super. Letzte Nacht hatte ich Dienst und danach den ganzen Vormittag Sprechstunde. Deshalb bin ich ein bisschen müde, aber sonst macht es Spaß. Ich arbeite mich langsam ein.“
„Schade.“
„Warum?“
„Meine Oberärztin verlässt mich. Sie hat beschlossen, ihre vielversprechende Karriere zu unterbrechen und Mutter zu werden. Ich vermute mal, dass ich dich nicht wieder zu uns locken kann?“
Wenn er wüsste! Das Angebot war mehr als verführerisch. Sie sah sich wieder neben einem Patienten stehen und zusammen mit Ben die ersten Rettungsmaßnahmen durchführen, während um sie herum der alltägliche Wahnsinn der Notaufnahme tobte. Gelegentlich trafen sich ihre Blicke über die Rollliege hinweg, und manchmal erschienen feine Fältchen in seinen Augenwinkeln … immer dann, wenn er sie auf diese unwiderstehliche Weise anlächelte. Dann wurden ihr die Knie weich, und in ihrem Bauch flatterten Schmetterlinge.
Aber es gab zu viele Gründe, die dagegen sprachen. Und einen ganz besonders – wahrscheinlich für den Rest ihres Lebens.
„Tut mir leid, Ben“, sagte sie bedauernd und rang sich ein Lächeln ab. „Hier in der Praxis werde ich für die Notfälle gebraucht. An manchen Tagen können wir uns vor Patienten kaum retten.“
„Verstauchungen, Quallenbisse und gelegentlich ein Herzinfarkt?“, neckte er. „Das ist doch keine Notfallmedizin, Lucy.“
„Bei uns passiert viel mehr. Und für mich ist das dramatisch genug.“
Lügnerin!
Sie ignorierte die feine Stimme. „Außerdem überlegen wir, die Praxis auszubauen und zu modernisieren. Einen eigenen Raum für die Krankengymnastik einrichten, Röntgengeräte anschaffen, so was in der Art. Und wenn wir schon mal dabei sind, können wir die Praxis gleich so ausrüsten, dass noch mehr kleine chirurgische Eingriffe möglich sind. Das würde euch im St. Piran entlasten, vor allem im Hochsommer, wenn euch die Touristen die Türen einrennen.“
Ben nickte zustimmend. „Keine schlechte Idee. Unsere Notaufnahme platzt aus allen Nähten. Bei uns sitzen die Leute oft stundenlang, nur um irgendwann zu erfahren, dass sie sich das Gelenk verstaucht haben. Wenn ihr die übernehmt oder einfache Frakturen versorgt, würdet ihr uns einen großen Gefallen tun. Ehrlich, der Gedanke gefällt mir ausgezeichnet. Ich war schon immer dafür, Patienten schnell zu behandeln, ohne ihnen erst lange Wege zuzumuten. Falls ihr Unterstützung braucht, sag mir einfach Bescheid.“
„Kann sein, dass ich dich beim Wort nehme, großer Chefarzt der Notaufnahme“, meinte sie lächelnd. Bei dem Gedanken, ihn wieder öfter zu sehen, wurde sie ganz aufgeregt. „Aber zuerst muss ich die Erbsenzähler überzeugen, die unser Budget verwalten.“
„Viel Glück“, meinte er trocken. „Wie auch immer, mein bisschen Einfluss steht dir zur Verfügung. Vielleicht kann ich wegen der Finanzierung ein gutes Wort für euch einlegen.“ Er zögerte kurz. „Dein Vater ist auch hier. Wie geht es ihm, Lucy?“
Gute Frage.
„Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.“ Betrübt schüttelte sie den Kopf. „Manchmal scheint es ihm gut zu gehen. Dann wieder ist er völlig in sich gekehrt und gar nicht richtig da. Als würde er an seinem Kummer fast ersticken. Ich habe das Gefühl, dass er nicht loslassen kann. Dass er nie richtig getrauert hat. Es ist jetzt zwei Jahre her, Ben, und er redet nie von Mum. Aber ich möchte über sie sprechen. Ich habe sie geliebt, und ich will sie nicht vergessen.“ Lucy sah sich suchend um und entdeckte ihn beim Grill. Er wendete die Würstchen und unterhielt sich dabei mit Kate.
Kate war das Rückgrat der Praxis, eine tüchtige Praxismanagerin, die unermüdlich dafür sorgte, dass der Betrieb reibungslos lief. Sie war mit Lucys Mutter befreundet gewesen, obwohl die beiden Frauen sich ursprünglich durch Lucys Vater kennengelernt hatten. Aber Nick Roberts und Kate Althorp hatte nie mehr als Freundschaft verbunden. Obwohl … manchmal fragte Lucy sich, ob Kate sich nicht doch mehr wünschte. Allerdings hatte sie keine Chance. Ihr Vater war noch nicht so weit, würde es vielleicht nie sein.
„Ich wusste nicht, dass er auch kommt. Meinst du, er hat was dagegen, dass ich hier bin?“
„Red keinen Unsinn“, sagte sie schnell, auch wenn sie nicht ganz sicher war. „Es ist eine Spendenaktion, da brauchst du doch niemanden um Erlaubnis zu fragen.“
„Ich weiß. Ich wollte nur nicht, dass er sich unbehaglich fühlt.“
Sie zuckte mit den Schultern. „Es ist sein Problem, nicht deins. Abgesehen davon hat er im Moment andere Sachen im Kopf. Und Kate Althorp auch. Unsere Praxismanagerin. Sie steht neben ihm, die Dunkelhaarige in der hellrosa Bluse.“
„Wir sind uns schon einmal begegnet. Eine sympathische Frau.“
„Oh ja, das ist sie wirklich. Sie organisiert diesen Grillabend jedes Jahr. Wusstest du, dass ihr Mann James der Steuermann unseres Rettungsbootes war? Er starb bei dem Sturm Ende der Neunzigerjahre, genau wie Dads Vater und sein Bruder.“
„Nein, ich hatte keine Ahnung. Aber ich habe von der Katastrophe gehört. War nicht eine Gruppe Schulkinder von der Flut abgeschnitten? Und ein paar der Retter sind bei dem Versuch, sie in Sicherheit zu bringen, ertrunken?“
Lucy zeigte auf die Landzunge hinter dem Hafen. An der Spitze erhoben sich der Leuchtturm und die Kirche. „Da drüben ist es passiert.“
„Was haben die Kinder dort draußen gemacht? Sie waren doch nicht allein, oder?“
„Sie haben Gezeitentümpel studiert, und natürlich war ein Lehrer dabei. Aber seine Uhr war stehen geblieben. Als sie merkten, dass die Flut kam, war es zu spät. Dazu das Unwetter … es war furchtbar.“
„Tragisch“, sagte er ernst. „Mir war nicht klar, dass Verwandte von dir betroffen waren. Ich erinnere mich nur, dass eins der Opfer ein hiesiger Arzt war.“
„Ja, mein Onkel. Sie haben versucht, die Kinder vom Fuß der Klippe heraufzuholen, und Onkel Phil hatte sich an den Felsen abgeseilt. Die meisten konnte er retten, doch dann riss ihn eine riesige Welle vom Kliff. Er erlitt schwere Kopfverletzungen. Mein Großvater bekam einen Herzinfarkt und starb, kurz nachdem sie die Leiche meines Onkels geborgen hatten.“
„Das muss für euch alle entsetzlich gewesen sein.“
„Vor allem für meinen Vater. Danach hatte er nur noch uns – Mum, meine Brüder und mich. Seine Mutter war zwei Jahre zuvor verstorben, und sein Bruder hatte nie geheiratet. Mein Großvater war erst achtundsechzig gewesen.“
„Und Kates Mann?“
„James? Er wurde von den Felsen gespült. Das Rettungsboot war rausgefahren, um die Kinder an der Landspitze aufzusammeln. James war nicht dabei, weil er sich eine Rippe gebrochen hatte. Stattdessen ist er zu einem kleinen Mädchen hinuntergeklettert. Das Kind war so verängstigt, dass es sich keinen Zentimeter von der Stelle rühren wollte. Man hat ihm ein Seil und eine Rettungsweste hinuntergeworfen, und es gelang ihm noch, die Kleine in die Weste zu stecken und anzuseilen. Dann erwischte ihn dieselbe Welle, die auch meinen Onkel getötet hatte. Und ein paar der Kinder auch. James’ Leiche wurde nie gefunden.“
Ben machte ein betroffenes Gesicht. „Wie schrecklich für Kate.“
„Sie hat es geschafft, ihre Trauer zu bewältigen. Später sagte sie einmal, das Meer hätte ihn eines Tages so oder so geholt. Wenigstens sei er als Held gestorben.“
„Für die Gemeinde muss es ein Schock gewesen sein.“
„Oh ja. Mein Vater spricht nie über jene Nacht. So als wäre es nie passiert. Bei persönlichen Schicksalsschlägen macht er einfach dicht.“
„Mich wundert, dass er dann zu dieser Veranstaltung kommt.“
Lucy lächelte traurig. „Kate hat ihm sicher keine Wahl gelassen. Sie sind seit einer Ewigkeit befreundet, und sie organisiert Jahr für Jahr diese Spendenaktion. Dad tut einfach, was sie ihm sagt. Außerdem ist es für einen guten Zweck. Seit Generationen gehört das Rettungsboot zu Penhally Bay wie der Leuchtturm oder die Kirche. Du würdest hier niemanden finden, der nicht einen Angehörigen verloren hat oder zumindest jemanden kennt, der auf See geblieben ist.“
Sie unterbrach sich und fuhr verlegen fort: „Entschuldige, ich rede dich in Grund und Boden, aber ich würde mich jederzeit leidenschaftlich für dieses Projekt einsetzen.“
„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Für Leidenschaft bin ich immer zu haben. Ohne sie wäre die Welt ein trüber Ort zum Leben.“ Er lächelte charmant. „Bei mir kannst du gern leidenschaftlich sein, jederzeit.“
Unschuldige Worte, dahingesagt, um sie aufzumuntern. Aber seine Augen sprachen eine andere Sprache. Was sie darin las, hatte nichts mit Rettungsbooten zu tun, sondern mit einer ganz anderen Form von Leidenschaft. Lucys Herz zitterte. Verrückt. Sie hatte ihn fast zwei Jahre nicht gesehen, und ihre kurze Bekanntschaft war abrupt zu Ende gegangen. Was wäre passiert, wenn er geblieben wäre …?
„Dr. Carter! Da sind Sie ja!“
Er drehte sich zu der grauhaarigen Dame um und schüttelte ihr die gesunde Hand. Der andere Arm der Frau war eingegipst.
„Ich hatte es Ihnen versprochen.“
„Das haben andere auch. Die meisten von denen sind nicht hier. Und da ist auch unsere bezaubernde Dr. Lucy. Wie geht es Ihnen, meine Liebe? Hoffentlich gut, ich habe Sie eine Weile nicht gesehen.“
„Weil Sie abtrünnig geworden und nach Wadebridge gezogen sind, Mrs. Lunney.“ Froh über die Ablenkung zwinkerte Lucy ihr zu. „Aber Sie sehen wohl aus … bis auf den Arm. Daher kennen Sie auch Dr. Carter, oder? Er hat Sie zusammengeflickt.“
Ein Leuchten glitt über ihr Gesicht. „Ja, Liebes, und wissen Sie was? Der Arm hat mir noch etwas beschert … ich werde heiraten! Mein neuer Nachbar und ich haben uns ein halbes Jahr lang nur über den Gartenzaun gegrüßt, aber als ich mir den Arm gebrochen hatte, war Henry ständig für mich da. Hat mir hier geholfen und dort etwas für mich erledigt und war … nun, sagen wir, er war sehr überzeugend! Nächsten Monat kommt der Gips ab, und dann heiraten wir.“
Lucy umarmte sie behutsam. „Wie schön. Herzlichen Glückwunsch. Ich freue mich für Sie und hoffe, dass Sie sehr glücklich werden.“
„Danke, meine Liebe. Amüsiert euch gut, ihr zwei, ich muss zurück zu Henry. Er kennt kaum jemanden, aber alle wollen ihn kennenlernen! Sie werden ihm ordentlich auf den Zahn fühlen. Sie wissen ja, wie das hier ist. Ich muss ihn retten.“
Ben lachte. „Tun Sie das – und auch von mir herzlichen Glückwunsch. Schön, dass Ihr gebrochener Arm wenigstens ein Gutes hat. Siehst du“, wandte er sich an Lucy, als sie wieder allein waren. „Mrs. Lunney ist ein typischer Fall. Unkomplizierter Bruch. Solche Patienten könntet ihr auch übernehmen. Stattdessen fahren sie ins St. Piran, warten fast zwei Stunden, bis ein Arzt frei ist und sie endlich ein Schmerzmittel bekommen. Das steht wirklich in keinem Verhältnis. In derselben Zeit hättest du sie hier längst behandelt.“
„Ich arbeite dran, Ben. Dad ist auch sehr dafür.“ Das war noch untertrieben. Auf das St. Piran war ihr Vater nicht gut zu sprechen. Nicht, seit ihre Mutter …
Ben deutete mit dem Kopf zum Barbecue. „Komm, es geht los.“
„Endlich! Ich sterbe gleich vor Hunger.“
In der Reihe vor ihnen trafen sie viele bekannte Gesichter. Patienten grüßten Lucy freundlich, und es waren auch ein paar alte Freunde ihrer Familie dabei. Einige Dorfbewohner kannten Ben aus der Notaufnahme des Krankenhauses und sprachen ihn an.
Fröhlich plaudernd merkten sie kaum, dass die Schlange immer kürzer wurde, und dann waren sie dran. Lucy nahm zwei Teller und reichte Ben einen, ehe sie sich zum Grill umwandte. Ihr sank das Herz in die Zehenspitzen. Sie hatte gehofft, dass ihr Vater inzwischen gegangen war, weil er noch anderes zu tun hatte. Aber da stand er neben Kate und häufte fertige Steaks und Burger aufeinander. Jetzt hob er den Kopf und hielt inne, in der Hand eine lange Gabel mit einem aufgespießten Würstchen.
Ben sah ihn an und nickte. Ein knapper Gruß, nur angedeutet. „Dr. Roberts, Mrs. Althorp.“
Lucys Puls beschleunigte sich. Natürlich wären sie sich irgendwann über den Weg gelaufen. Aber als die Männer einander beäugten wie zwei Kampfhähne in der Arena, fragte sie sich beunruhigt, ob Ben nicht doch recht gehabt hatte. Vielleicht hätte er lieber nicht kommen sollen.
Einen schrecklich langen Moment fürchtete sie, dass ihr Vater eine Szene machen würde. Doch er reichte Kate die Gabel, murmelte etwas, das Lucy nicht verstand, wandte sich brüsk ab und marschierte davon.
„Ihm ist gerade eingefallen, dass er noch etwas zu erledigen hat“, sagte Kate entschuldigend, konnte ihnen aber nicht in die Augen sehen.
Ben schüttelte den Kopf und wandte sich mit einem gezwungenen Lächeln an Lucy. „Tut mir leid, ich habe keinen Hunger mehr“, sagte er, während er ihr seinen Teller in die Hand drückte. „Viel Spaß noch.“
Mit langen Schritten bahnte er sich seinen Weg durch die Menge Richtung Ausgang.
Lucy blickte Kate entsetzt an. „Warum tut Dad das?“, fragte sie hilflos.
„Ich weiß es nicht. Es tut mir so leid, Lucy. Soll ich dir etwas auffüllen?“
Unschlüssig sah sie wieder über den Parkplatz, wo die Wagen dicht an dicht standen. Ben passierte gerade das Tor zur Harbour Road. Noch konnte sie ihn einholen …
„Entschuldige, ich muss gehen.“ Sie stellte die Teller auf den Stapel zurück und rannte los, quer über den Parkplatz, ohne Rücksicht auf ihre High Heels.
Lucy erreichte Ben, als er sein BMW-Cabrio rückwärts aus der Parklücke setzte. Atemlos riss sie die Beifahrertür auf. „Ben, warte!“
„Wozu?“ Seine Augen waren ausdruckslos. „Es war eine dumme Idee, ich hätte nicht kommen sollen. Ich verschwinde.“
„Ich auch.“ Kurz entschlossen glitt sie auf den Sitz und zog die Tür zu. „Wir sollten irgendwohin fahren. Schließlich müssen wir etwas essen, und schick gemacht haben wir uns auch. Wäre doch schade drum, oder?“
„Heute Abend bin ich bestimmt kein guter Begleiter.“
„Ach was“, tat sie unbekümmert. „Aber wir können uns auch Fish and Chips holen, wenn du willst.“
Ben schwieg. Sie hielt den Atem an. Dann lachte er rau auf und stellte den Motor ab. „Na gut. Lauf los und kauf zwei Portionen. Hier …“ Er drückte ihr zwanzig Pfund in die Hand. „Ich warte so lange.“
Lucy eilte über die Straße, zurück zum Festplatz. Am Pommesstand war es ruhig, weil alle sich vor dem Grill drängten, und sie wurde schnell bedient. Das Wechselgeld steckte sie in die Spendenbüchse der Penhally Bay Independent Lifeboat Association, der lokalen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger.
So schnell ihre hohen Absätze es zuließen war sie wieder bei Ben. Er saß da und blickte aufs Meer hinaus. Rasch setzte sie sich neben ihn. „Den Rest habe ich der PBILA gespendet“, verkündete sie.
Ben bedachte sie mit einem schiefen Lächeln. „Das passt ja. Wohin jetzt?“
„Wo es ruhig ist?“
„Dann weiß ich genau das Richtige“, erklärte er geheimnisvoll und startete den Motor. Der schnittige BMW glitt die Harbour Road entlang, vorbei an Menschengruppen und Festbesuchern, die zum Platz schlenderten. Kaum hatten sie den Ortsausgang erreicht, drückte Ben das Gaspedal durch.
Pfeilschnell sausten sie an der Küste entlang. Die Sonne stand tief über dem Horizont, aber sie hatten sie im Rücken und damit freie Sicht auf die im Abenddämmerlicht vor ihnen liegende Straße.
Lucy fasste ihre langen, im Fahrtwind wirbelnden Locken mit einer Hand zusammen, ehe sie sich Ben zuwandte. „Wohin fahren wir?“, rief sie, um das satte Brummen des Motors und den pfeifenden Wind zu übertönen.
„Zu meinem Lieblingsplatz, einem Aussichtspunkt. Wenn wir uns beeilen, sehen wir noch den Sonnenuntergang.“
Er nahm den Blick nicht von der Straße, und Lucy nickte. „Schön.“
Aus Penhally Bay würde niemand dort sein. Die waren alle beim Barbecue. Sie lehnte sich zurück und wartete darauf, dass der Druck im Magen endlich nachließ.
„Das war lecker.“
Ben knüllte das Papier zusammen und wischte sich die Hände ab. „Oh ja, und ganz bestimmt nicht weniger ungesund als ein Grillteller. Auch wenn es das teuerste Fish and Chips ist, das ich je gegessen habe.“
„Tut mir leid“, sagte sie schuldbewusst.
Er grinste. „Muss es nicht. Wollen wir ein bisschen spazieren gehen?“
„In den Schuhen?“ Lucy lachte.
„Am Strand kannst du barfuß laufen.“
„Erst muss ich die Stufen runterkommen. Mit den Absätzen werde ich mir wahrscheinlich alle Knochen brechen.“
„Ich trage dich.“
„Quatsch.“ Sie bückte sich, streifte die Schuhe ab – und bereute es schon beim ersten Schritt. Spitze Steinchen bohrten sich in ihre nackten Fußsohlen, aber sie biss tapfer die Zähne zusammen und tastete sich langsam zum Rand der Klippe vor.
„Dummerchen.“ Ben schwang sie auf die Arme und versuchte zu ignorieren, wie ihr warmer, biegsamer Körper sich an seine Brust drückte. Er trug Lucy die Treppe hinunter und setzte sie im Sand ab. „Da wären wir.“ Im Handumdrehen zog er Schuhe und Socken aus und rollte sich die Hosenbeine bis zu den Knien hoch. „Wer zuletzt im Wasser ist, ist feige“, verkündete er und sprintete zum Ufersaum.
Sie konnte nicht widerstehen. Er hatte es gewusst. Ben ließ sich von ihr einholen, packte ihre Hand, und zusammen liefen sie in die Brandung.
Kalt, fast eisig noch um diese Jahreszeit, umspülte das Meer ihre Knöchel. Lucy lachte übermütig, ihre Wangen röteten sich, und ihre braunen Augen leuchteten. Doch dann verstummte sie, das fröhliche Lachen erstarb.
Sie hob die Hand und legte sie sanft an seine Wange. „Ben, es tut mir so leid, dass mein Vater …“
„Nicht“, unterbrach er sie, wandte den Kopf und küsste sanft ihre Handfläche. „Es war mein Fehler. Im Grunde hatte ich vermutet, dass er auch da ist. Ich hätte einfach wegbleiben sollen.“
„Aber er war scheußlich zu dir.“
„Und wenn schon. Wie gesagt, ich bin selbst schuld. Aber ich hatte gehofft, dich zu sehen, und jetzt bist du hier. Vergessen wir deinen Vater, ja? Komm, lass uns spazieren gehen.“
Es war wie in einem Liebesfilm. Ben hielt noch immer ihre Hand, während sie am Ufer entlangschlenderten. Romantischer, friedvoller hätte es nicht sein können. Eine leichte Brise zupfte an den Wellen, und die letzten Strahlen der untergehenden Sonne vergoldeten das Meer. Trotzdem war Ben unruhig. Die kurze Begegnung mit Nick Roberts hatte ihm mehr zugesetzt, als er zugeben wollte. Wieder und wieder ließ er die Bilder Revue passieren, so als könne er sie im Nachhinein verändern.
Blödsinn. Es war passiert, aus und vorbei. Ben zwang sich, die hässliche Szene zu vergessen, und blieb stehen. Die Sonne glitt schon hinter den Horizont, eine blassgoldene Kugel vor einem grandios gefärbten Himmel. Rosa, Gold, ein Hauch von Purpur, ein Anblick zum Träumen. Ben legte Lucy die Hände auf die Schultern und drehte sie um, sodass sie mit dem Rücken zu ihm stand und er sie wärmen konnte.
Stumm standen sie da und beobachteten, wie die Sonne ein letztes Mal aufblitzte, bevor sie im Meer versank und verschwand.
„Ist das nicht wundervoll?“, sagte er leise. „Zu dieser Jahreszeit sehe ich den Sonnenuntergang von meinem Wohnzimmerfenster aus und bin jedes Mal wieder beeindruckt. Ich kann verstehen, dass Menschen die Sonne anbeten.“
Lucy wandte sich ihm zu, hob den Kopf und blickte ihn an. Sie hat schöne Augen, dachte er, schokoladenbraun, voller Wärme. Fenster ihrer Seele. Ein oft gebrauchtes Bild, aber es passte. Ben spürte, dass sie sich ihm zum ersten Mal, seit sie sich wiedergesehen hatten, öffnete. Sein Puls beschleunigte sich, sein Herz pochte schwer gegen die Rippen, Verlangen regte sich in ihm.
„Habe ich dir schon gesagt, dass du heute hinreißend aussiehst?“, fragte er rau.
Sie stieß hörbar den Atem aus.
Ein Auflachen oder ein Seufzer?
„Nein“, sagte sie. „Nein, hast du nicht.“
„Wie nachlässig von mir. Du siehst bezaubernd aus, Lucy.“
Bewundernd ließ er den Blick über sie gleiten. Das hauchdünne Kleid betonte ihre schlanke Gestalt, und die Farbe erinnerte ihn an den Ozean, an seine fließenden Schattierungen von Zartgrün bis Türkisblau. Kleine kräuselnde Wellen umspülten Lucys Knöchel, als sei sie gerade dem Meer entstiegen.
„Wie eine Sirene …“ Ben beugte sich vor, bis sein Mund ihren fast berührte. „Die mich zu den Felsen locken will“, flüsterte er.
Und dann küsste er sie.
Lucy wagte es nicht, sich zu rühren. Wie gebannt blickte sie ihm in die Augen, blaue Tiefen, in denen sie zu versinken drohte. Sie senkte die Lider und gab sich dem erregenden Kuss hin. Sehnsuchtsvoll vergaß sie alles um sich herum, bis auf das leise Rauschen der Wellen, Bens forschende Lippen und seine warmen Hände auf ihren Schultern. Langsam zog er sie näher zu sich.
Sie war bereit. Lange schon. Mit einem leisen Aufschrei, gedämpft von seinem Mund, schlang sie ihm die Arme um die Taille. Unter ihren Handflächen spürte sie seine starken, kräftigen Rückenmuskeln.
Ben bewegte sich, nur ein wenig, aber es genügte, um ihre Körper in einen lustvollen intimen Kontakt zu bringen. Verzehrende Hitze flammte in ihr auf. Lucy drängte sich an ihn und ließ sich ein auf das erotische Spiel, als er die Zunge zwischen ihre Lippen schob.
Ihre leidenschaftliche Reaktion entlockte ihm ein Stöhnen. Ben wühlte die Finger in ihr Haar, hielt ihren Kopf mit beiden Händen, während er hungrig nahm, was sie ihm bot. Lucy hörte sich kleine spitze Laute ausstoßen, fühlte deutlich seine Erregung an ihrem Bauch und spürte, wie sich seine breite Brust unter heftigen Atemzügen hob und senkte.
Unmöglich, dachte sie. Wir können hier nicht …
Der Gedanke hatte keine Chance. Sie konnte nicht aufhören. In diesem Moment hätte nichts und niemand sie dazu gebracht, Ben loszulassen.
„Lucy.“ Schwer atmend lehnte er die Stirn gegen ihre. „Was tun wir hier eigentlich?“
Was wir schon vor Jahren hätten tun sollen. Sie strich ihm zärtlich übers Kinn. „Zu dir oder zu mir?“
Ben hob den Kopf und blickte sie an. Seine Augen waren dunkel vor Verlangen, und der intensive Ausdruck darin jagte ihr einen prickelnden Schauer über den Rücken.
Dann glättete ein schwaches Lächeln seine angespannten Züge. „Zu mir“, sagte er heiser. „Es ist nicht weit – und nicht in Penhally Bay. Komm.“
Damit ließ er sie los, suchte aber ihre Hand und verschränkte seine Finger mit ihren. Am Fuß der Treppe blieb er nur kurz stehen, um ihr seine Schuhe zu geben, und hob sie auf die Arme. Als sei sie leicht wie eine Feder, trug er Lucy die Stufen hinauf und über den steinigen Platz zu seinem Wagen.
„Autsch“, murmelte er auf dem letzten Meter und fing an zu humpeln.
Lucy lachte atemlos. „Geschieht dir recht, wenn du den Höhlenmenschen markierst“, neckte sie.
Ben ließ sie über die Tür auf den Beifahrersitz des Cabrios fallen, lief zur Fahrerseite und glitt hinter das Steuer. „Warte, ich werde dir zeigen, was ein Höhlenmensch ist.“
Seine tiefe Stimme ließ sie erschauern. „Willst du deine Schuhe?“
„Nein. Ich will nur dich.“ Mit aufheulendem Motor schoss der Wagen rückwärts aus der Parkbucht. Kies spritzte unter den Reifen hervor, als Ben auf die Küstenstraße abbog.
Lucy schwankte in ihrem Sitz, während sie nach dem Anschnallgurt angelte, und fragte sich, ob es klug gewesen war, diesen schlafenden Tiger zu wecken …
„Lucy?“
Sie schlug die Augen auf und sah ihn an, ehe sie die Hand hob, um über seine stoppelige Wange zu streichen. Ein verführerisches Lächeln erschien auf ihren Lippen. Sie schimmerten rosig und waren noch geschwollen von seinen Küssen. Ben hätte sie schon wieder küssen können.
„Na, wenn das nicht mein persönlicher Höhlenmensch ist“, sagte sie sanft.
Lachend senkte er den Kopf und berührte liebevoll ihren Mund. „Guten Morgen“, flüsterte er und spürte, wie sie wieder lächelte.
„Er ist sogar mehr als gut“, seufzte sie und öffnete willig die Lippen. Gleichzeitig schlang sie die Arme um ihn und drängte sich an ihn.
Sofort loderte das Feuer der Leidenschaft wieder auf. Ben spürte Lucy warm und erregt an seinem Oberschenkel, als er das Knie zwischen ihre Beine schob.
Verdammt . Eigentlich sollte er mit ihr reden und ihr klarmachen, dass es gar keine gute Idee war, wenn sie miteinander ins Bett gingen. Aber ihr heißer, nackter Körper brachte ihn um den Verstand. Er konnte ihr nicht widerstehen. Seit Jahren begehrte er sie schon, und wäre der Tod ihrer Mutter nicht dazwischengekommen …
Verflucht .
Er wollte sich abwenden, doch sie folgte ihm und drückte ihn in die Kissen, bis er flach auf dem Rücken lag. Als sie rittlings auf ihm saß und ihn in sich aufnahm, verabschiedete sich sein Verstand. Ben ergab sich der süßen Lust, die sie ihm schenkte.
Heiser rief er ihren Namen, bog sich ihr entgegen, während sie schneller und schneller wurde. Da packte er ihre Hüften, spürte, wie ihr Körper sich anspannte, und hörte sie keuchend atmen. Auf dem Höhepunkt der Ekstase schluchzte sie seinen Namen. Im selben Moment wurde er auf seinen Gipfel katapultiert.
Ein schwaches, aber beharrliches Klingeln weckte sie. Lucy brauchte ein paar Sekunden, ehe sie begriff, dass es ihr Handy war. Irgendwo unten im Flur, in ihrer Handtasche.
„Jetzt nicht“, murmelte sie verschlafen, doch der Anrufer blieb hartnäckig.
Seufzend schwang sie die Beine aus dem Bett und eilte, nackt wie sie war, hinunter.
Ben zog seinen Morgenmantel über, legte sich das Hemd über die Schulter, das er gestern Abend getragen hatte, und ging in die Küche, um Wasser aufzusetzen.
„Dad, es ist alles in Ordnung. Nein, ich bin nicht zu Hause“, sagte sie, während Ben ihr erst in den einen, dann in den anderen Hemdsärmel half. „Du meine Güte, ich bin neunundzwanzig! Ich muss dich nicht um Erlaubnis fragen, wenn ich an meinem freien Tag nicht zu Hause bin.“
Lucy verdrehte die Augen, aber Ben lächelte nur flüchtig, ehe er Tassen hervorholte und Tee in die Kanne gab. Unfreiwillig lauschte er ihrem Gespräch.
„Ja, das tut mir auch leid. Ja, solltest du tun. Ja, ich sage es ihm, wenn ich ihn spreche. Okay. Wir sehen uns Dienstag.“
Das Handy piepste, als sie das Gespräch beendete, und dann hörte er ihre nackten Füße auf dem Fußboden. Lächelnd drehte Ben sich um. „Ich fand, du hattest ein bisschen zu wenig an.“
Barfuß und in dem offenen Hemd sah sie wahnsinnig sexy aus.
„Danke.“ Sie schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln und fing an, das Hemd zuzuknöpfen. Als sie fertig war, schob sie die Hände in den Nacken, um mit einer anmutigen Bewegung ihre Haare aus dem Kragen zu befreien. Am liebsten hätte Ben in die wilde Lockenpracht gegriffen und Lucy sanft in seine Arme gezogen. Oder gleich ins Bett. Um sie ganz nah bei sich zu haben.
Stattdessen wandte er sich ab, goss Tee ein und reichte ihr eine Tasse. „Was wollte dein Vater?“
„Sich entschuldigen, dass er gestern so unhöflich zu dir war. Nicht nur bei mir, sondern auch bei dir. Er bat mich, es dir auszurichten, wenn ich dich sehe.“
Ben unterdrückte seinen Unmut. Eine Entschuldigung war das Mindeste, was er von Nick Roberts erwartete. Und wenn er nicht gerade die Nacht mit seiner Tochter verbracht hätte, wäre Ben sehr viel unversöhnlicher gewesen. Doch im Moment war er betroffen und zutiefst traurig wegen allem, was passiert war. Auch wenn ihn keine Schuld traf.
Unwillkürlich fragte er sich, ob Lucy wirklich überzeugt war, dass er keinen Fehler gemacht hatte. Oder zweifelte sie im hintersten Winkel ihres Herzens daran? Ich muss verrückt gewesen sein, haderte er mit sich. Sie mit herzunehmen und damit alles noch komplizierter zu machen …
„Ben?“
Er sah auf. Seine ernste Miene verhieß nichts Gutes. Lucy verspürte ein flaues Gefühl in der Magengrube.
„Es wird nicht funktionieren, oder?“
„Das mit uns?“ Ben schüttelte den Kopf und seufzte kaum hörbar. „Nein.“
Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie blinzelte sie hastig weg. „Zu viele Altlasten?“
Er antwortete nicht. Was hätte er auch sagen sollen?
Damit sie nicht im selben Kleid, mit dem alle sie gestern Abend gesehen hatten, zu Hause auftauchte, lieh Ben ihr eine abgeschnittene Jeans. Lucy stopfte sich das Hemd in die Hose und hielt die viel zu weite Taille mit einem Gürtel von Ben zusammen. Danach fuhr Ben sie nach Penhally Bay.
Als er vor ihrer Haustür hielt, stieß sie die Wagentür auf und nahm ihre Sachen in eine Hand. „Danke für letzte Nacht. Es war wunderschön.“ Rasch beugte sie sich zu ihm hinüber und küsste ihn zum Abschied.
Die kleine Geste hatte etwas schrecklich Endgültiges.
Mitte November
„Lucy, Dragan? Vergesst nicht, dass ihr heute Nachmittag eine Besprechung mit dem Chefarzt vom St. Piran habt. Es geht um die kleine Wundversorgung. Er kommt gegen halb drei“, fügte Kate hinzu.
„Wozu denn das?“, meinte Nick. „Ich weiß wirklich nicht, warum du den Termin für Lucy gemacht hast. Kannst du das nicht auf einen Tag verlegen, an dem ich Zeit habe? In ihrer Lage wird sie es gar nicht schaffen, die Veränderungen umzusetzen. Außerdem haben wir gerade jetzt Wichtigeres zu bedenken. Wir brauchen erst einmal einen Vertretungsarzt. Projekte, die damit nichts zu tun haben, sollten wir verschieben.“
„Das sehe ich anders“, widersprach Marco. „Die Menschen in Penhally Bay brauchen mehr, als wir ihnen anbieten können, Nick. Wir müssen die Pläne so bald wie möglich verwirklichen. Darüber haben wir schon hundert Mal gesprochen.“
„Aber warum Lucy? Warum nicht wir?“, wandte Nick sich an seinen Partner. „Wir beide tragen die Verantwortung für diese Praxis.“
„Weil sie am besten geeignet ist“, betonte Kate gelassen. „Notfallmedizin ist ihr Spezialgebiet, und der Ausbau der Erstversorgung war ihre Idee. Es geht darum, eine Machbarkeitsstudie zu erstellen, Nick. Für die Zukunft zu planen. Irgendjemand muss es tun, warum nicht sie?“
Huhu, ich bin auch noch da, hätte Lucy fast gesagt. Alle redeten über sie, als wäre sie nicht anwesend.
Aber Kate war noch nicht fertig. „Außerdem haben sie schon mal zusammengearbeitet.“
Tatsächlich? Lucy richtete sich auf. Wann? Oder, was viel wichtiger war …
Nick kam ihr zuvor. „Wer ist es?“
„Ach, hatte ich das nicht gesagt?“, entgegnete Kate munter. „Ben Carter natürlich.“
„Ben?“ Plötzlich schlug ihr das Herz im Hals. Oh nein, nicht Ben! Sie hatte es ihm doch noch nicht erzählt …
„Carter!“ Ihr Vater machte ein grimmiges Gesicht. „Warum zum Teufel ausgerechnet er?“
„Weil er – genau wie Lucy – der Richtige dafür ist. Abgesehen davon hat er sich angeboten.“
Wirklich? Wieso? Als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, waren sie sich einig gewesen, dass sie einander nicht wiedersehen würden. Das zerrüttete Verhältnis zu ihrem Vater ließ es nicht zu.
„Ausgeschlossen“, stieß Nick hervor. „Nicht Carter. In meiner Praxis hat er nichts zu suchen.“
„ Unserer Praxis“, berichtigte Marco ihn freundlich. „Außerdem ist es völlig egal, was du willst, was ich will oder irgendjemand anders. Wenn wir die Sache durchziehen, brauchen wir einen Experten. Ben Carter ist der Beste.“
„Schwachsinn. Der Mann ist unfähig.“
„Dad, was fällt dir ein? Du kannst nicht solche Sachen über ihn sagen.“
„Warum denn nicht, wenn es stimmt?“
„Weil es nicht wahr ist. Die Untersuchungskommission hat ihn hundertprozentig entlastet.“
„Schönfärberei, nichts weiter. Und wenn du dich von dem Kerl nicht so täuschen ließest, würdest du das auch begreifen.“
„Nick, das ist nicht fair“, mischte Kate sich behutsam ein. „Er ist ein angesehener Facharzt.“
Nick stand auf und stellte seine Tasse geräuschvoll in die Spüle. „Ihr könnt sagen, was ihr wollt“, sagte er starrköpfig. „Ben Carter ist für mich ein rotes Tuch, und ich will nichts mit ihm zu tun haben.“
Lucy wurde das Herz schwer. Warum war er so verbohrt? Und solange er den Fakten nicht ins Auge sah …
„Jetzt übertreibst du aber, Nick“, sagte Kate bestimmt. „Du musst dich gar nicht darum kümmern. Mit der Schwangerschaftsvorsorge hast du genug zu tun, Marco ist mit unseren kleinen Patienten beschäftigt, und somit kommen nur Lucy und Dragan für das Projekt infrage. In erster Linie Lucy. Außerdem wollen wir ihm keinen Job anbieten. Er dient nur als Berater.“
Nick wollte protestieren, doch Marco schnitt ihm das Wort ab.
„Sie hat recht, Nick.“
Nach einem düsteren Blick in die Runde drehte Nick sich abrupt um und marschierte zur Tür. „Macht nur. Ich habe hier nichts zu sagen, ich bin ja nur der Chef“, murrte er und knallte die Tür hinter sich ins Schloss.
Lucy zuckte zusammen, Marco hob die Schultern, ließ sie wieder sinken, und Dragan schüttelte den Kopf.
Kate lächelte freundlich und trat zum Wasserkocher. „Okay, das hätten wir geklärt. Wer möchte Kaffee?“
Lucy konnte es nicht fassen. Ausgerechnet Ben!
Natürlich hätte sie sowieso irgendwann mit ihm reden müssen. Und zwar schon bald. Getraut hatte sie sich noch nicht …
Dabei hatte sie monatelang Zeit gehabt, sich die richtigen Worte zu überlegen. Feigling, dachte sie und merkte erst jetzt, dass ihre Patientin sie abwartend ansah.
Lucy besann sich wieder auf ihre Arbeit. „Also, Mrs. Jones, ich bin sicher, dass es Ihnen bald besser geht. Sie haben ein bisschen Flüssigkeit in den Lungen, aber das kommt von Ihrem Herzproblem. Ich habe Ihnen ein anderes Medikament aufgeschrieben, hier ist das Rezept.“ Sie ließ ihre Arzttasche zuschnappen. „Falls ich nichts von Ihnen höre, komme ich nächste Woche wieder. Aber rufen Sie mich jederzeit an, wenn Sie sich Sorgen machen.“
Edith Jones nickte. Sie war vor kurzem Witwe geworden und kam mit dem Alleinsein noch nicht zurecht. Die schwere Krankheit und schließlich der Tod ihres Mannes hatten sie stark mitgenommen, und das hatte ihr Herz nicht verkraftet.
„Ich schaff das schon, Dr. Lucy.“ Edith lächelte. „Danke, dass Sie gekommen sind.“
„Das ist doch selbstverständlich. Bleiben Sie sitzen, ich finde allein hinaus.“
„Nein, nein, ich bringe Sie zur Tür. Ich muss sowieso aufstehen und zur Toilette. Das ist das Problem mit Ihrer Medizin.“
Sehr gut. Das Diuretikum, das sie ihr gespritzt hatte, zeigte bereits Wirkung. Trotzdem ermahnte Lucy die ältere Dame noch einmal: „Vergessen Sie das Trinken nicht. Wenn Sie denken, Sie könnten die Flüssigkeit in Ihren Lungen abbauen, indem Sie sich austrocknen, sind Sie auf dem Holzweg. Seien Sie sparsam mit Salz und trinken Sie so viel Wasser und Fruchtsäfte, wie Sie mögen.“
„Mache ich, Dr. Lucy. Vielen Dank.“
Lucy winkte ihr noch einmal zu, stieg in ihren Wagen und fuhr die kurze Strecke zurück zur Praxis. Es war zehn nach zwei. Ben würde in zwanzig Minuten da sein, genug Zeit also, um einen Happen zu essen. Ob sie ihre Anspannung bis dahin in den Griff bekam, war eine andere Frage.
Er war zu früh da.
Was nicht geplant gewesen war. Aber nach einem hektischen Vormittag im Krankenhaus hatte Ben Angst, unterwegs in einen Stau zu geraten, und hatte sicherheitshalber auf seine Mittagspause verzichtet. Wider Erwarten waren die Straßen frei, sodass er schon um fünf nach zwei in Penhally Bay eintraf.
Jetzt saß er im Wagen, blickte über den Hafen und fragte sich, ob er warten oder schon in die Praxis gehen sollte. Wie würde Nick Roberts ihn empfangen?
Hoffentlich besser als beim Grillfest damals im Mai. Andererseits hatte Nick diesem Treffen zugestimmt. Ben erwartete jedoch keine Wunder. Mit einer kühlen Begrüßung wäre er schon zufrieden, solange ihm keine offene Feindseligkeit entgegenschlug.
Ein Fischerboot kämpfte sich ins Hafenbecken. Der stürmische Wind peitschte das Meer hinter der Bucht zu wilden Wellen auf, und das Wasser hatte die Farbe von matt schimmerndem Eisen. Es wirkte kalt und wenig einladend. Ben war froh, dass er sich seinen Lebensunterhalt nicht als Fischer verdienen musste.
Um die Zeit totzuschlagen, betrachtete er die Wagen auf dem Parkplatz und versuchte zu erraten, welcher wohl Lucy gehörte. Der silberne Volvo? Nein, der gehörte wahrscheinlich Nick. Der kleine Nissan? Vielleicht. Bei dem schwarz glänzenden Maserati war er sich allerdings absolut sicher. Er wäre jede Wette eingegangen, dass er Marco Avanti gehörte.
Er hatte gerade beschlossen, sich einen Ruck zu geben und auszusteigen, da fuhr ein VW vor und steuerte einen der Plätze an, die für die Ärzte reserviert waren.
Lucy. Ben spürte, wie sich sein Puls beschleunigte, und holte tief Luft, um sich zu beruhigen. Er hatte sie im Mai zuletzt gesehen. Damals waren sie sich einig gewesen, dass es keinen Sinn hatte, etwas miteinander anzufangen. Heute war er überzeugt, dass sie wie Erwachsene damit umgehen könnten. Auch wenn er Wochen gebraucht hatte, bis er nicht mehr Tag und Nacht an sie dachte.
Noch länger hatte es gedauert, nachts nicht mehr von ihr zu träumen. Er hatte es nur geschafft, weil er noch mehr Dienste übernommen und die halben Nächte damit verbracht hatte, zu Forschungszwecken im Internet zu recherchieren. Jetzt war er darüber hinweg. Ganz bestimmt.
Warum raste dann sein Herz? Woher kam dieses Summen, das seinen Körper erfüllte? Verrückt. Ich hätte nicht kommen sollen, dachte er. Hätte einen Kollegen bitten sollen, für mich einzuspringen.
Sie öffnete die Tür. Ben sah im Rückspiegel erst ihre Beine und dann ihren … Bauch?
Ben war aus dem Wagen und auf dem Weg zu ihr, ohne darüber nachzudenken, was er sagen würde. Und als er dann vor ihr stand, konnte er sie nur anstarren.
„Hallo, Dr. Carter! Herzlich willkommen!“
Kate Althorp war plötzlich neben ihm aufgetaucht, aber das Rauschen in seinen Ohren war so laut, dass er Mühe hatte, sie zu verstehen. Er sah, wie sie ihm die Hand hinstreckte. Ben atmete tief durch und ergriff die Hand. Schüttelte sie, froh, sich an irgendetwas festhalten zu können. „Ben, bitte. Freut mich, Sie wiederzusehen, Mrs. Althorp. Vielen Dank, dass Sie diesen Termin arrangiert haben.“
„Sagen Sie doch Kate zu mir. Schön, dass Sie da sind. Lucy, ich habe euch Kekse in mein Büro gestellt. Dort seid ihr ungestört. Dragan musste zu einem Hausbesuch, wird also ein bisschen später dazukommen. Wollen wir kurz einen Rundgang machen, bevor die Sprechstunde wieder anfängt? Danach lasse ich euch allein.“
Kate und Ben gingen voran, und Lucy folgte ihnen. Aber er brauchte sie nicht zu sehen, ihr Bild hatte sich ihm unauslöschlich eingebrannt. Ben folgte der Praxismanagerin zum Empfang, lächelte flüchtig die Mitarbeiterinnen hinter dem Tresen an, nickte den wartenden Patienten zu und nahm vage ein paar Kinder wahr, die in der bunt gestalteten Spielecke saßen. Vor ihm ging eine breite Treppe in den ersten Stock hinauf. Rechter Hand führte ein kurzer Flur zu den vier Sprechzimmern und zum Fahrstuhl.
„Der Aufzug ist ziemlich groß“, sagte Kate, als sie die Kabine betraten. „Kinderwagen, Rollstühle, das ist alles kein Problem. Nur bei Tragen wird es kritisch. Bisher brauchten wir sie auch nicht. Patienten, die bei uns kollabiert sind, waren meistens bei einem der Ärzte, und deren Räume sind im Erdgeschoss. Und in den wenigen anderen Fällen haben die Sanitäter sie ohne Trage im Lift nach unten bringen können. Leider ist das Gebäude nicht großzügiger angelegt, aber wir machen das Beste aus dem, was wir haben.“
„Wie lange besteht die Praxis schon?“
„Seit zwei Jahren. Nach Phils Tod gab es lange keinen Arzt in Penhally Bay. Als auch noch eine Praxis im Nachbarort dichtmachte, beschlossen Marco Avanti und Nick, die Lücke zu schließen, und gründeten die Gemeinschaftspraxis Penhally Bay Surgery.“
Die Fahrstuhltüren glitten auf, und Kate deutete auf die Räume rechts und links des Flurs. „Hier oben haben wir das Schwesternzimmer, einen Behandlungsraum und die Räume für die kleine Wundversorgung. Die kann Lucy Ihnen gleich zeigen, weil sie sich dort besser auskennt als ich.“
„Gibt es ein Wartezimmer?“, fragte er, um sich von Lucy abzulenken, die gerade hinter einer Tür mit der Aufschrift Privat verschwand.
„Eher ein paar Stühle. Wir brauchen sie höchstens mal im Sommer, wenn wir mehr zu tun haben“, antwortete Kate. „Normalerweise rufen wir die Patienten einzeln herauf. Aufenthaltsraum, Dusche und WC fürs Personal befinden sich auch hier oben, dazu eine weitere Patiententoilette und die Lagerräume. Und hier ist mein Büro.“ Sie zog die Tür auf und bat ihn herein. „Nehmen Sie Platz, Lucy kommt gleich nach. Ich setze schon mal Teewasser auf.“
Ben hatte nicht die Ruhe, sich hinzusetzen. Er trat ans Fenster. Von hier aus hatte man einen weiten Blick auf die Bootsanleger, die Rettungsbootstation und aufs Meer.
Nicht dass er richtig wahrnahm, was er sah. Hätte man ihn gefragt, welche Farbe die Wände unten im Erdgeschoss hatten oder mit welchen Möbeln Kates Büro eingerichtet war, er hätte es im ersten Moment nicht sagen können. Das Bild von Lucy, als sie aus ihrem Wagen stieg, spukte ihm immer noch im Kopf herum.
Die Tür öffnete sich. Lucy kam herein. Kate entschuldigte sich und verschwand.
Anscheinend hatte sie Mühe, ihn direkt anzusehen. Ben entdeckte einen wachsamen Ausdruck in ihren sanften braunen Augen, zusammen mit wechselnden Emotionen, die er nicht zu deuten wusste. Er wollte gar nicht wissen, was er für ein Gesicht machte, aber er hielt ihren Blick fest.
Lucy errötete und sah weg. „Möchtest … möchtest du Tee?“, sagte sie in die betretene Stille hinein.
Ben lachte harsch auf. „Sollten wir uns nicht erst unterhalten?“
Sie biss sich auf die Lippe. „Das will ich doch“, begann sie.
„Ach, wirklich?“ Er lehnte sich gegen den Schreibtisch und packte die massive Platte so fest, als hinge sein Leben davon ab. „Wann genau? Vielleicht bin ich ein wenig voreilig, aber falls das da unter deinem Pulli kein Basketball ist, kann es sein, dass ich etwas damit zu tun habe?“
Ihr Kopf flog hoch, ihre dunklen Augen sprühten Blitze. „Voreilig? Was heißt hier voreilig? Glaubst du, ich schlafe mit dir und gehe gleich danach mit einem anderen Mann ins Bett?“
Er zuckte mit den Schultern, wollte nicht zu früh hoffen, dass es wirklich sein Kind war. „Keine Ahnung. Ich weiß nicht viel über dein Privatleben. Nicht mehr“, fügte er bedauernd hinzu.
„So gut solltest du mich schon kennen und wissen, dass das nicht meine Art ist.“
„Wie bist du dann, Lucy?“ Der mühsam unterdrückte Ärger ließ sich kaum noch bändigen. „Wie dein Vater? Wenn dir etwas nicht gefällt, tust du so, als wäre es nicht passiert?“
„Was hätte ich denn machen sollen? Wir wollten uns nicht wiedersehen.“
„Aber ein Kind ändert alles. Oder sollte es zumindest. War es einfacher für dich, mir nichts zu erzählen?“
Sie wandte sich ab, doch nicht schnell genug. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und plötzlich bekam er Schuldgefühle.
„Einfacher?“, sagte sie. „So würde ich es nicht nennen.“
„Warum hast du es mir dann verschwiegen?“, hakte er sanfter nach. „Warum hast du mir in all den Monaten nicht gesagt, dass ich Vater werde?“
„Ich wollte es ja.“ Ihre Stimme zitterte. „Nach allem, was … ach, ich weiß nicht. Es war eben schwierig.“
„Aber es ist von mir?“
Lucy nickte. „Ja. Ja, es ist deins.“
Sein Herz machte einen Satz, und einen Moment lang verspürte er das lächerliche Bedürfnis, die Faust triumphierend in die Luft zu stoßen. Ben riss sich zusammen. Feiern konnte er später, erst musste er mehr wissen.
Die Frage aller Fragen. „Weiß dein Vater, dass es von mir ist?“
Sie schüttelte den Kopf.
Ben zuckte insgeheim zusammen. „Und … wann kommt es?“
„Ende Januar.“
„Dann bist du …“
„In der dreißigsten Woche.“
Stimmt, das passte. „Hast du damals nicht gesagt, dass du die Pille nimmst?“
„Habe ich ja.“ Sie blickte zu Boden. „Jeden Morgen, eigentlich, aber ich habe erst am Dienstag wieder daran gedacht.“
Lucy hatte sich die Augen aus dem Kopf geheult, kaum dass sie am Sonntagmorgen wieder in ihrer Wohnung war. Tag und Nacht hatte sie sein Hemd getragen und es erst ausgezogen, als sie nach dem Feiertag am Dienstagmorgen zur Arbeit musste. Nach dem Duschen entdeckte sie die Pillen im Spiegelschrank … zu spät.
Unternommen hatte sie nichts. Vielleicht hatte sie sich im Grunde ihres Herzens gewünscht, von Ben schwanger zu sein. Aber da sie in den folgenden zwei Monaten ihre Regel bekam, zwar etwas schwächer als sonst, schob sie die beunruhigenden Gedanken beiseite.
Bis sie eindeutige Veränderungen an ihrem Körper feststellte, die bald auch für alle anderen sichtbar waren. Anfangs reagierte ihr Vater schockiert, fing sich aber und verhielt sich von da an wie eine Mutterglucke.
Nicht ein einziges Mal hatte er nach dem Vater des Kindes gefragt, sodass sie ihm auch nicht zu sagen brauchte, dass der für immer aus ihrem Leben verschwunden sei und dass sie nie wieder an ihn denken wollte.
Sie wollte wirklich nicht mehr an ihn denken. Sie war es müde, sich abends in den Schlaf zu weinen, weil sie ihn vermisste. Oder weil sie sich sehnlich wünschte, er wäre bei ihr, um das Wunder mit ihr zu teilen.
Ihr Magen knurrte. Lustlos betrachtete sie die Kekse, die Kate hingestellt hatte. Viel lieber würde sie etwas Gesundes essen, als das Zuckerzeug in sich hineinzustopfen.
„Hast du Mittag gegessen?“, fragte sie spontan.
„Mittag?“, wiederholte Ben ungläubig. „Nein. Ich hatte keine Zeit, war bis zum Schluss im Schockraum.“
„Was hältst du davon, wenn wir bei mir zu Hause etwas essen? Dragan kann uns anrufen, wenn er losfährt, und wir treffen uns hier mit ihm. Ich habe einen Bärenhunger, aber ich mag keinen Süßkram essen. Seit ich schwanger bin, versuche ich, mich gesund zu ernähren.“
„Hört sich gut an.“ Ben hatte zwar keinen Hunger, wollte jedoch irgendwohin, wo er die Neuigkeiten in Ruhe verarbeiten konnte.
Auf dem Weg zur Treppe holte sie sich ihren Mantel aus dem Personalraum. Unten sagte sie Kate Bescheid. „Kannst du Dragan sagen, dass er mich anrufen soll?“
„Sicher.“
Lucy hätte schwören können, dass Kate ihnen einen wissenden Blick zuwarf.
Oder bildete sie sich das nur ein? Schließlich war es Monate her, dass Kate sie beide zusammen gesehen hatte.
Genauer gesagt, sechs Monate, eine Woche und zwei Tage. Und bevor Kate Praxismanagerin wurde, war sie Hebamme gewesen.
Verflixt.
Sie gingen die Harbour Road entlang und weiter auf der Bridge Street, die erst am Fluss entlang und dann aus dem alten Teil des Ortes hinaus nach St. Piran führte. Lucys Wohnung lag am Hang auf einer der steilen Terrassen, die für Cornwalls malerische Küstenstädte und – dörfer so typisch waren. Ben fragte sich, wie sie zurechtkommen würde, wenn sie erst das Baby hatte.
Unten im Haus befand sich eine Geschenkboutique. Hinter der Haustür erstreckte sich ein enger Flur bis zur Treppe.
„Fühl dich wie zu Hause“, sagte Lucy ein wenig atemlos, als sie die Stufen hinaufgestiegen waren. „Ich mache uns etwas zu essen.“
Ben blieb allein in dem schmalen Wohnzimmer. Das Fenster zeigte aufs Meer, aber das war auch das einzig Charmante an dieser winzigen Bude. Allerdings hatte Lucy sich bemüht, ein gemütliches Heim daraus zu machen.
Ein alter lederner Überseekoffer diente als Couchtisch. Darauf lagen ein Buch über Schwangerschaft, eine Mutter-und-Kind-Zeitschrift und ein Namensratgeber. Im Regal standen noch mehr Bücher, und auf der Armlehne des Sofas lag eine flauschige Decke. In einer bauchigen Vase leuchtete ein farbenfroher Blumenstrauß.
Die Küchentür stand offen, und Ben konnte Lucy sehen, wie sie Salatblätter wusch und Sandwichs belegte. Er lehnte sich gegen den Türrahmen.
„Ich würde dir ja Hilfe anbieten, aber ich fürchte, für drei ist hier nicht genug Platz.“
Sie blickte auf und lächelte nervös.
Verwundert fragte er sich, warum. Dann fiel es ihm ein. Natürlich war sie nervös. Sie wusste nicht, ob er sich freute, Vater zu werden, oder ob er sich ärgerte. Ob er am Leben seines Kindes teilnehmen wollte oder nicht.
Was er im Einzelnen wollte, war ihm selbst noch nicht klar. Eins wusste er allerdings genau. Dieses Kind würde für immer Teil seines Lebens sein.
Und daran würde nichts und niemand etwas ändern.
Lucy legte die Sandwichs auf Teller, stellte zwei Becher Tee dazu und trug das Tablett ins Wohnzimmer.
„Setz dich hin, Ben, du verstopfst das Zimmer“, tadelte sie mild.
Er lachte auf und tat, was sie sagte, drehte sich aber so, dass er sie genau betrachten konnte.
Und er tat es ausgiebig. Die ganze Zeit, während sie ihr Sandwich aß. Es war ein Wunder, dass ihr die Bissen nicht im Halse stecken blieben.
„Wir könnten heiraten“, verkündete er schließlich aus heiterem Himmel.
Prompt verschluckte sie sich und fing an zu husten. Ben nahm ihr den Teller ab und rieb ihr den Rücken, doch sie stand auf, ging in die Küche und holte sich ein Glas Wasser.
Als sie sich umdrehte, stand er direkt hinter ihr. Unwillentlich streifte sie ihn mit ihrem Bauch, und Ben erstarrte. Doch dann fiel sein Blick tiefer, und er hob die Hand. Fragend sah er Lucy an, so als wolle er um Erlaubnis bitten.
Sie schluckte und nickte.
Vorsichtig und unendlich zart berührte er die feste Wölbung, die sein Kind barg. Ein Ausdruck, schwer zu beschreiben, und doch intensiv, fast besitzergreifend, trat in seine Augen. Dann schloss er sie. Lucy spürte, wie das Baby sich bewegte, und sah, wie an Bens Kinn ein Muskel zuckte.
Dann streichelte er sanft ihren Bauch, öffnete die Augen und blickte Lucy an. „Es hat sich bewegt.“ Staunen, Freude und Stolz schwangen in seiner heiseren Stimme mit.
Zum ersten Mal, seit sie ihn wiedergesehen hatte, wich die Anspannung von ihr.
„Es wird alles gut, Lucy. Mach dir keine Sorgen, ich kümmere mich um dich.“
„Wir werden nicht heiraten, Ben.“
„Du solltest es nicht von vornherein ablehnen.“
„Dazu ist es noch zu früh.“
„Mag sein, aber es ist eine unserer Möglichkeiten.“
Unserer?
Am liebsten wäre sie ihm ausgewichen, aber in der engen Küche war sie zwischen ihm und ihrer Spüle gefangen. Also drehte sie sich um. Es nützte ihr nichts, weil er noch näher kam, die Arme um sie schlang und sie an sich zog, die Hände schützend auf ihrem Bauch.
„Hab keine Angst“, flüsterte er dicht an ihrem Ohr.
„Habe ich auch nicht“, log sie. „Ich mag es nur nicht, dass du plötzlich hier aufkreuzt und mir sagst, was ich tun soll.“
„Das hört sich an, als hätte ich dich im Stich gelassen, Lucy. Was nicht stimmt. Bei unserer letzten Unterhaltung hast du gesagt, das mit uns würde nicht funktionieren. Zu viele Altlasten, erinnerst du dich?“
„Und du warst einverstanden.“
„Ja“, meinte er nachdenklich, „aber das war damals. Jetzt sieht alles anders aus. Und was die Altlasten angeht … ich will nicht, dass du das allein durchstehst.“
„Ach, du meinst, es hilft, wenn du meinem Vater sagst, dass das Kind von dir ist?“
Ben seufzte und ließ sie los.
Endlich konnte sie wieder durchatmen. Lucy richtete sich auf und versuchte, ihr wild klopfendes Herz zu beruhigen.
„Komm“, sagte er da. „Du hast dein Sandwich noch nicht aufgegessen. Leg die Beine hoch und erzähl mir, was du gemacht hattest.“
Ihr Lachen klang ein wenig verloren. „Gar nichts“, gestand sie. „Einfach weitergemacht, einen Tag nach dem anderen hinter mich gebracht. Dad wollte nie wissen, wer der Vater ist. Nachdem er sich von dem Schock erholt hatte, fragte er, wie ich nur so dumm sein konnte. Und er hat mir versichert, dass ich auf seine Hilfe und Unterstützung zählen kann. Er möchte, dass ich wieder bei ihm einziehe, aber das will ich nicht.“
„Hier kannst du auch nicht bleiben.“
„Warum nicht? Mach mein Zuhause nicht schlecht, Ben.“
„Das tue ich doch gar nicht, Sweetheart, aber sei ehrlich. Es ist winzig, es liegt am Hang und ist nur über eine schmale Treppe zu erreichen. Und ohne Parkmöglichkeit. Wo lässt du deinen Wagen – an der Praxis? Wie praktisch, wenn du im strömenden Regen nach Hause willst, in einer Hand das Baby und in der anderen deine Einkäufe.“
Lucy biss sich auf die Unterlippe. Natürlich hatte er recht. Sie wollte sich schon längst nach etwas anderem umgesehen haben. Leider wurden die meisten Wohnungen im Sommer an Touristen vermietet, zu Preisen, die sie sich nicht leisten konnte. Und irgendwo im Ort etwas kaufen zu wollen war auch utopisch. Nicht mit dem Gehalt aus einem Teilzeitjob.
„Meinst du, er ist inzwischen eher bereit zu akzeptieren, dass ich nicht am Tod deiner Mutter schuld bin?“
Sie schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht. Er war nicht gerade begeistert, als Kate uns heute Morgen mitteilte, dass du kommst.“
„Im Ernst? Der Termin steht doch schon seit Wochen fest. Kate sagte, es sei alles okay. Deshalb nahm ich an, dass dein Vater Bescheid weiß.“
Als sich ihre Blicke trafen, dämmerte es ihr. „Sie ahnt, dass du der Vater bist. Kate weiß genau, dass mein Leben sich ausschließlich in Penhally Bay abspielt. Von ihrem Haus aus kann sie den Parkplatz der Praxis einsehen. Mein Wagen steht ständig dort. Außer, wenn ich zu einem Hausbesuch bin oder Freunde besuche. Und sie hat einen direkten Blick auf mein Fenster hier.“
Sie deutete hinaus. „Siehst du das hübsche Cottage dort drüben, oberhalb der Praxis? Was ich auch tue, sie bekommt es mit. Und wenn ich einen Freund hätte, würde man in Penhally Bay darüber reden. Der letzte Mann, mit dem ich gesehen wurde, warst du. Kate weiß auch, dass wir zusammengearbeitet haben und befreundet waren.“
„Mir ist absolut schleierhaft, wie du hier leben kannst“, brummte er und seufzte. „Du meinst, sie weiß es?“
„Wahrscheinlich. Ihr Blick, als wir die Praxis verließen …“
„Ihr Blick?“
„Ja … irgendwie wissend.“
Ben lächelte schief. „Aha, alles klar. Glaubst du, sie wird es deinem Vater erzählen?“
Beinahe hätte sie hysterisch aufgelacht. „Hoffentlich. Dann wird er sich vielleicht wieder beruhigt haben, wenn ich es ihm sage.“
„Ist es so schlimm?“
„Du hast keine Ahnung, nicht? Weil du ihn seit Mums Tod nicht mehr gesehen hast. Außer beim Grillfest. Ben, er …“ Sie wusste nicht, wie sie es ihm sagen sollte.
„Hasst mich?“, ergänzte er bekümmert. „Ich weiß. Das heißt, ich kann es mir denken. Mir ist auch klar, warum.“
„Aber es war nicht deine Schuld!“ Forschend blickte sie ihm ins Gesicht. „Ben, wirklich nicht. Mum ist gestorben, weil sie niemandem gesagt hat, wie schlecht es ihr ging, bis es zu spät war. Ich war nicht da, und Dad hat Tag und Nacht gearbeitet, um mit Marco zusammen die Praxis aufzubauen. Mum hat ihre Beschwerden einfach runtergespielt.“
„Lucy, sie starb, weil sie zwar in die Notaufnahme kam, sich aber bei niemandem gemeldet hat. An dem Tag hatte es einen schweren Verkehrsunfall mit mehreren Schwerverletzten gegeben. Draußen fuhren die Notarztwagen vor, und wir gerieten an den Rand unserer Kapazitäten. Ich muss dir nicht erklären, wie das ist, du kennst das. Ich kam nicht aus dem Schockraum raus, weil sie mir einen Patienten nach dem anderen brachten. Die übrigen, die im Wartebereich saßen, dachten, dass deine Mutter schläft. Stattdessen war sie benommen, weil sie sich mit Schmerzmitteln vollgepumpt hatte.“
„Ihr Blinddarm war durchgebrochen. Sie muss furchtbare Schmerzen gehabt haben.“
„Sie hatte einen starken Cocktail aus verschiedenen Schmerzmitteln geschluckt. In ihrer Handtasche fanden wir Codein, Paracetamol, Ibuprofen und Aspirin. Das Codein hat sie bewusstlos gemacht, aber gestorben ist sie durch die starke Aspirindosis. Als sie im Krankenhaus ankam, konnte sie kaum noch sprechen. Die Überwachungskamera hat aufgezeichnet, wie sie zu einem Stuhl in der Ecke taumelt und sich darauf sinken lässt. Da sie niemanden verständigt hat, wurden wir in der allgemeinen Hektik erst auf sie aufmerksam, als es bereits zu spät war.“
Er schluckte. „Du weißt, wie Aspirin wirkt. Es verhindert die Blutgerinnung, und bei der massiven Blutung im Bauchraum war das für deine Mum fatal. Hätte dein Vater sie nicht auf dem Handy angerufen, hätten wir sie erst gefunden, als sie schon tot war. Aber das Telefon klingelte und klingelte, sie reagierte nicht, und da hat eine Schwester den Alarm ausgelöst. Wir haben getan, was wir konnten. Leider war es nicht genug, und ich kann dir nur immer wieder sagen, wie unendlich leid es mir tut.“
„Es war nicht deine Schuld, Ben.“
„Damals war ich noch nicht der Chefarzt, aber ich hatte an jenem Tag die Verantwortung für die Abteilung.“
„Du bist nicht allmächtig.“
„Nein, aber ich habe aus der Erfahrung gelernt. Seit ich mehr zu sagen habe, sorge ich dafür, dass jeder Patient, der in die Notaufnahme kommt, erst einmal von einer Krankenschwester eingeschätzt wird. Sämtliche Patienten im Warteraum werden genau beobachtet. Darüber hinaus lasse ich mich regelmäßig über alles informieren, was in meiner Abteilung vor sich geht. Damit mir so etwas nicht wieder passiert.“
„Ben, du warst nicht fahrlässig.“
„Vielleicht nicht, aber ich kann verstehen, was in deinem Vater vorgeht. Wahrscheinlich hätte ich auch ein Problem damit, den Vater meines Enkelkindes zu akzeptieren, wenn dieser, wenn auch nur indirekt, für den Tod meiner Frau verantwortlich gewesen wäre.“
„Nun, damit muss er sich abfinden“, sagte sie entschieden. „Weil du der Vater bist. Es sei denn, wir verschweigen es ihm.“
„Nein, Lucy. Dieses Baby war nicht geplant, aber es ist mein Kind, und ich möchte zu seinem Leben dazugehören. Und zwar nicht heimlich. Dein Vater muss es erfahren.“
Aber wie? Lucy hatte keine Ahnung, wie sie es ihm beibringen sollte.
Da fuhr Ben fort: „Du hast gesagt, es sei noch zu früh, doch ich sage es dir trotzdem. Ich habe vor, mich für den Rest eures Lebens um dich und das Kind zu kümmern. Also gewöhne dich schon mal daran.“
Sie richtete sich auf und massierte gedankenverloren ihren runden Bauch. „Weil es deine Pflicht ist? Nein, Ben, das reicht mir nicht. Du hast recht, hier kann ich nicht wohnen bleiben. Trotzdem werde ich weder zu meinem Vater noch zu dir ziehen. Ich will nicht, dass sich jemand verpflichtet fühlt, für mich zu sorgen. Ich wünsche mir Liebe. Für mich und für das Baby. Sonst nichts.“
„Die bekommt ihr auch.“