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Eine schöne Bescherung! Als Jake die Tür zu seinem Haus öffnet, herrscht dort fröhliches Chaos: Zwei süße Kinder und eine wildfremde, wunderhübsche Frau dekorieren seine Villa mit Tannenzweigen. Jake ist entsetzt - aber wegschicken kann er die kleine Familie ja wohl kaum, oder?
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Seitenzahl: 208
IMPRESSUM
Kinder, Küsse, Kerzenschein erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2009 by Caroline Anderson Originaltitel: „Their Christmas Family Miracle“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA WEIHNACHTENBand 26 - 2013 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Katharina Illmer
Umschlagsmotive: "AlexRaths/GettyImages, aekikuis/GettyImages"
Veröffentlicht im ePub Format in 11/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733759735
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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„Ich muss mit dir reden.“
Mit einem unguten Gefühl drehte sich Amelia zu ihrer Schwester um. Sie hatte den Streit gehört, die schroffen, kalten Worte ihres Schwagers, das Knallen der Türen und dann Lauras Schritte auf der Treppe. Sie wusste, was kommen würde.
Nur leider wusste sie nicht, wie sie damit umgehen sollte.
„Es funktioniert so nicht“, sagte sie ruhig.
„Nein.“ Laura wirkte hilflos und verunsichert, aber gleichzeitig schien sie erleichtert, dass Amelia es ihr so einfach machte. Wieder einmal. „Es liegt nicht an mir … sondern an Andy. Vielleicht doch auch an mir. Es sind die Kinder. Sie … rennen ständig herum, das Baby schreit die ganze Nacht, und Andy ist müde. Er wollte sich über Weihnachten ausruhen und jetzt … Es ist nicht ihre Schuld, Millie, aber wir sind Kinder einfach nicht gewöhnt. Und dann noch der Hund … Es tut mir leid, aber …könntest du nach Weihnachten so schnell wie möglich eine andere Unterkunft für euch finden?“
Amelia legte die Wäsche beiseite, die sie gerade sortierte, und stand auf. Sie würde nirgendwo bleiben, wo sie – nein, ihre Kinder – nicht erwünscht waren! „Du musst dich nicht entschuldigen. Es ist eine schreckliche Zumutung für euch. Mach dir keine Sorgen, wir verschwinden sofort. Ich packe nur unsere Sachen zusammen, dann sind wir weg.“
„Ich dachte, du wüsstest nicht, wohin?“
Das wusste sie auch nicht. Außerdem fehlte ihr das Geld, um eine Unterkunft zu bezahlen, aber das war ja nicht die Schuld ihrer Schwester. „Mach dir keine Sorgen“, wiederholte sie. „Wir fahren zu Kate.“
Allerdings wohnte ihre Freundin in einem winzigen Cottage, das kaum genug Platz für sie und ihre eigene Tochter bot. Auf keinen Fall konnten sie dort zu viert mit Hund unterkommen. Aber das wusste Laura nicht, die erleichtert aufatmete.
„Ich helfe dir beim Packen“, bot sie hastig an und verließ das Zimmer – wahrscheinlich um das Haus nach Spuren vom Aufenthalt ihrer ungebetenen Gäste abzusuchen. Müde lehnte sich Amelia an die Wand und kniff verzweifelt die Augen zusammen, um ihre Tränen zurückzuhalten. Zwei Tage vor Weihnachten.
Kurze, dunkle, chaotische Tage, in denen sie kaum eine Unterkunft finden würde, ganz zu schweigen von einer Arbeit, um dafür zu bezahlen. Und um alles noch schlimmer zu machen, gab es gerade einen für die Jahreszeit ungewöhnlichen Kälteeinbruch. So könnten sie im Notfall nur im Auto schlafen, wenn sie den Motor laufen ließ, aber dafür reichte das Benzin nicht. Wenn sie Glück hatte, war gerade noch so viel im Tank, dass sie wenigstens hocherhobenen Hauptes von hier wegfahren konnte.
Ihr Stolz war das Einzige, was ihr noch blieb, darum war das wichtig für sie.
Sie holte tief Luft, hob die Babysachen auf und begann planlos einzupacken. Dann hielt sie inne. Sie musste Prioritäten setzen: Die Sachen, die sie in den nächsten 24 Stunden brauchten, in eine Tasche, den Rest in eine andere, die sie später sortieren konnte, wenn sie ankamen, wo auch immer sie hinfuhren. Schnell packte sie die Babysachen und ihre eigenen, bevor sie das Zimmer betrat, das sich Kitty und Edward teilten, um deren Kleidung und Spielzeug einzupacken. Resolut verdrängte sie jeden weiteren Gedanken an ihre Situation.
Darüber konnte sie später nachdenken. Jetzt musste sie erst einmal die Kinder und ihre Sachen einsammeln und hier wegkommen, bevor sie zusammenbrach. Mit ihren Taschen ging sie nach unten und stellte sie in der Eingangshalle ab, bevor sie das sogenannte Familienwohnzimmer betrat. Dort lagen ihre Kinder bäuchlings auf dem Boden und sahen fern.
Zum Glück saß der Hund diesmal nicht auf dem Sofa, sondern zwischen den beiden.
„Kitty? Edward? Kommt her und helft mir dabei, eure Sachen einzupacken. Wir fahren jetzt Kate und Megan besuchen.“
„Jetzt?“ Edward drehte sich zu ihr um und sah sie skeptisch an. „Es ist doch fast Mittagszeit.“
„Fahren wir zum Mittagessen zu Kate?“, fragte Kitty begeistert.
„Ja, das wird eine Überraschung.“ Zumindest für Kate, dachte Amelia, während sie die Kinder durch das Haus scheuchte, um die letzten Spuren ihres kurzen, aber ereignisreichen Besuchs zu beseitigen.
„Warum nehmen wir alle unsere Sachen mit, wenn wir nur zum Mittagessen zu Kate und Megan fahren?“, fragte Kitty, aber Edward lenkte sie schnell ab. Zum Glück. Er war erst acht Jahre alt, aber ohne ihn wäre sie verloren.
In der Küche begegneten sie Laura, die Amelia verlegen einen Beutel reichte.
„Ich habe die Flaschen für das Baby gefunden“, sagte sie. „Es war auch eine im Geschirrspüler.“
„Danke. Ich muss nur noch den Kleinen holen und sein Bett zusammenklappen, dann bist du uns los.“
Schnell ging sie nach oben. Armer Thomas. Wimmernd kuschelte er sich an sie, als sie ihn hochnahm. Mit einer Hand klappte sie sein Reisebett zusammen und trug es nach unten. Ihre Sachen standen an der Tür. Würde Andy aus seinem Arbeitszimmer kommen und ihnen helfen, alles ins Auto zu packen? Nein, die Tür blieb fest verschlossen.
Auch gut. So musste sie wenigstens nicht höflich sein.
Sie setzte das Baby in seine Babyschale. Die kalte Luft gefiel ihm gar nicht, und Thomas protestierte lautstark. Dann belud sie den Kofferraum und schnallte Kitty und Edward an, bevor sie ihren letzten Rest Stolz zusammenkratzte, sich umdrehte und ihrer Schwester in die Augen sah.
„Danke, dass wir hier sein durften. Es tut mir leid, dass es so schwierig war.“
Laura verzog das Gesicht. „Oh, nicht doch. Es tut mir so leid, Millie. Ich hoffe, es regelt sich alles. Hier, die sind für die Kinder.“ Sie reichte ihr eine Tüte mit wunderschön eingepackten Geschenken. Und wahrscheinlich waren sie auch so teuer, dass sie unmöglich mithalten konnte. Aber darum ging es eigentlich nicht, darum nahm sie die Tüte.
„Danke. Ich fürchte, ich bin noch nicht dazu gekommen, für euch …“
„Das ist egal. Ich hoffe, ihr findet bald ein schönes Zuhause. Und … nimm das bitte. Ich weiß, das Geld ist im Moment knapp bei dir, aber vielleicht reicht es für die erste Monatsmiete oder die Kaution …“
Sie starrte auf den Scheck. „Laura, ich kann nicht …“
„Doch. Bitte! Wenn es sein muss, zahl’ es mir zurück, aber nimm es. Das ist das Mindeste, was ich tun kann.“
Achtlos stopfte Amelia ihn in ihre Tasche. „Ich zahle es dir so schnell wie möglich zurück.“
„Wenn du kannst. Frohe Weihnachten.“
Erstaunlich, dass sie noch lächelnd erwidern konnte: „Euch auch.“ Hastig stieg sie ins Auto, stellte die Geschenktüte in den Fußraum des Beifahrersitzes neben Rufus und schloss die Tür, bevor ihre Schwester sie vielleicht noch umarmte. Dann startete sie den Motor und fuhr los.
„Mummy, warum nehmen wir unsere ganzen Weihnachtsgeschenke und Rufus und das Babybett und alles mit, wenn wir nur zum Mittagessen zu Kate und Megan fahren?“, fragte Kitty verwirrt.
Verfluchte Laura. Verfluchter Andy. Und verdammter David. Sie setzte ein Lächeln auf, bevor sie sich zu ihrer kleinen Tochter umdrehte. „Wir bleiben nicht bei Tante Laura und Onkel Andy, darum fahren wir nach dem Essen woanders hin“, erklärte sie.
„Warum? Mögen sie uns nicht?“
Autsch. „Natürlich mögen sie uns“, log sie, „aber sie brauchen etwas Abstand.“
„Und wo fahren wir hin?“
Das war eine gute Frage, nur konnte Amelia sie nicht beantworten …
Es war ein unheilvolles Geräusch.
Jake wusste sofort, was es bedeutete. Sein Mund wurde trocken, und sein Herz begann zu rasen. Vorsichtig warf er einen Blick über die Schulter, bevor er sich fluchend umdrehte und auf seinen Skiern den Berg seitlich hinunterfuhr. Mit seinen Stöcken nahm er Fahrt auf und schoss nach unten, schnell weg von der Lawine, die bedrohlich näher kam.
Die aufgewirbelte Pulverschneewolke hüllte ihn ein und nahm ihm die Sicht, während ihn das tosende, dröhnende Monster langsam einholte. Der Schnee unter seinen Skiern bebte, während das Schneefeld, das die Seite des Gebirgskamms bedeckte, zusammenbrach und ins Tal donnerte.
Er fuhr blind und betete, dass er noch immer die richtige Richtung eingeschlagen hatte; hoffte, dass er die kleine Baumgruppe bereits hinter sich gelassen hatte, denn wenn er bei dieser Geschwindigkeit einen Baum erwischte, konnte das tödlich enden …
Es endete nicht tödlich, wie er herausfand. Nur unglaublich schmerzhaft. Jake prallte gegen einen Baum und spürte, wie er vom Schnee hochgehoben und weitergetragen wurde – nach unten, zu den Felsen am Ende des Schneefeldes.
Verdammt.
Schnell löste er seinen Lawinenairbag aus, dann traf er auf die Felsen …
„Kannst du zum Mittag noch ein paar mehr unterbringen?“
Kate warf einen Blick auf die kleine Schar, dann öffnete sie die Tür weit und winkte sie herein. „Was ist denn los?“, fragte sie und musterte Amelia besorgt.
„Wir sind zum Essen hier“, erzählte Kitty, noch immer verwirrt. „Und dann suchen wir einen Ort zum Wohnen. Tante Laura und Onkel Andy wollen uns nicht haben. Mummy sagt, sie brauchen Abstand, aber ich glaube, sie mögen uns nicht.“
„Aber natürlich mögen sie euch, Liebling. Sie sind nur sehr beschäftigt.“
Kates Blick schweifte von Kitty, den Hund an der Seite, zu Edward, der stumm dastand, und wieder zurück zu Amelia. „Nettes Timing“, sagte sie ausdruckslos, als sie verstand, was nicht gesagt wurde.
„Wem sagst du das“, murmelte Amelia. „Hast du eine gute Idee für mich?“
Trocken lachte Kate auf und reichte den älteren Kindern einen Beutel mit Schokoladenmünzen vom Weihnachtsbaum. „Hier, teilt euch die, während Mummy und ich uns unterhalten. Megan, teil sie gerecht auf, aber gib Rufus keine Schokolade.“
„Ich teile immer gerecht! Kommt, wir zählen ab … Und Rufus, du bekommst nichts!“
Kate verdrehte die Augen und zog Amelia in die Küche. Dort setzte sie den Wasserkessel auf und sah sie fragend an. „Nun?“
Amelia wiegte Thomas in ihren Armen. „Sie sind nicht gerade auf Kinder eingerichtet. Selbst haben sie keine, und ich bin mir nicht sicher, ob sie einfach noch nicht so weit sind, oder ob sie generell keine wollen.“
„Und deine waren dann zu viel für sie?“
Sie lächelte angespannt. „Thomas zahnt gerade. Und dann ist auch noch der Hund aufs Sofa gesprungen.“
„Ah ja.“ Kate warf einen Blick auf das müde, quengelnde Baby und verzog mitfühlend das Gesicht. „Oh Millie, es tut mir so leid“, murmelte sie. „Ich kann nicht glauben, dass sie euch vor Weihnachten rausgeworfen haben!“
„Haben sie nicht. Sie wollten, dass ich danach eine neue Bleibe suche, aber …“
„Aber …?“
Amelia zuckte die Schultern. „Mein Stolz hat das nicht zugelassen“, erklärte sie stockend. „Und jetzt stehen meine Kinder zu Weihnachten auf der Straße. Wie soll ich einen Vermieter davon überzeugen, mir ein Haus zu überlassen, bevor ich eine neue Stelle vorweisen kann? Und wenn meine Bewerbungen weiter so einen durchschlagenden Erfolg haben wie bisher, wird das noch dauern. Ich könnte David dafür umbringen, dass er den Unterhalt nicht zahlt“, sagte sie verzweifelt.
„Tu das … ich sage vor Gericht zu deinen Gunsten aus“, antwortete Kate finster, dann lehnte sie sich gegen die Arbeitsfläche, verschränkte die Arme und kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe. „Ich frage mich …“
„Was?“
„Du könntest Jakes Haus haben“, sagte sie schließlich leise. „Das ist mein Chef. Ich würde ja sagen, ihr könnt hierbleiben, aber meine Eltern und meine Schwester kommen, und wir haben so schon kaum Platz. Aber Jakes Haus hat unglaublich viele Zimmer, und er ist bis Mitte Januar verreist. Über Weihnachten schließt er jedes Jahr einen Monat lang das Büro, gibt allen Angestellten drei Wochen bezahlten Urlaub und verlässt noch vor der Büroparty das Land. Ich habe die Schlüssel, weil ich auf sein Anwesen aufpassen soll. Es ist ein fantastisches Haus, wie gemacht für Weihnachten, und es steht im Moment einfach nur leer.“
„Wird er nichts dagegen haben?“
„Jake? Nein! Das wäre ihm egal. Ihr richtet doch keinen Schaden an, oder? Es ist schon Hunderte Jahre alt und hat alles Mögliche überlebt. Was könntet ihr da schon anrichten?“
Welchen Schaden? Allein bei dem Gedanken bekam Amelia Panik. „Das kann ich nicht …“
„Sei nicht dumm. Wo willst du sonst hin? Außerdem ist es bei der Kälte ohnehin besser für das Haus, wenn die Heizung läuft und das Feuer brennt. Jake wird dankbar sein, wenn er es erfährt, und außerdem ist er unglaublich großzügig. Es würde ihn freuen, dass ihr dort unterkommt. Wirklich!“
Amelia zögerte, aber Kate schien absolut überzeugt, dass es ihm nichts ausmachen würde. „Dann ruf ihn an“, gab sie schließlich nach. „Aber sag ihm, dass ich Miete bezahle, sobald ich das kann.“
Ihre Freundin schüttelte den Kopf. „Ich habe seine Nummer nicht. Aber ich weiß, dass er Ja sagen würde.“
Amelias Mut sank. „Dann können wir dort nicht bleiben. Nicht ohne zu fragen …“
„Wirklich Millie, es ist in Ordnung. Er würde eher sterben, als euch über Weihnachten auf der Straße stehen zu lassen, und er würde kein Geld von dir annehmen. Glaub mir, er hätte nichts dagegen.“
Noch immer zögerte sie, musterte Kate ganz genau, aber falls sie doch unsicher war, zeigte sie es nicht.
„Bist du wirklich sicher?“
„Absolut. Der Kühlschrank wird allerdings leer sein, den hat seine Haushälterin bestimmt ausgeräumt, aber ich kann dir Brot und ein paar andere Sachen mitgeben. Außerdem findest du in der Tiefkühltruhe und den Schränken bestimmt etwas, womit ihr zurechtkommt, bevor du es ersetzen kannst. Nach dem Essen fahren wir hin und bringen euch unter. Du wirst es lieben!“
„Was lieben?“, fragte Kitty zweifelnd, die mit schokoladenverschmiertem Mund zu ihnen kam.
„Das Haus meines Chefs. Er ist verreist und borgt es euch.“
„Wirklich?“, fragte Amelia leise, aber Kate zuckte nur lächelnd die Schultern.
„Das würde er zumindest, wenn er es wüsste … Gut, erst Mittag essen und dann fahren wir!“
Es war wirklich ein fantastisches Haus.
Ein wunderschönes, altes Herrenhaus im Tudorstil, das zuerst zu einer Farm, dann zu einem kleinen Hotel und schließlich zu einem Country Club gehört hatte, bevor Jake es gekauft und sein Büro hierher nach Berkshire verlegt hatte, erklärte Kate. Er selbst wohnte im Haus, während sein Büro in den ehemaligen Gebäuden des Country Clubs auf der anderen Seite des alten, ummauerten Küchengartens untergebracht war. Außerdem gab es einen Swimmingpool, eine Sauna sowie ein Squashfeld, erzählte sie, als sie in der breiten Schotterauffahrt hielten, und die Angestellten und ihre Familien durften alle Einrichtungen nutzen.
Ein weiterer Beweis seiner Großzügigkeit.
Aber es war das Haus, das Amelia anzog – aus rotem Backstein mit einer wunderschönen Veranda. Als Kate die riesige, schwere Eichentür öffnete, die die Narben unzähliger Generationen trug, und sie in die große Eingangshalle hineinwinkte, verstummten sogar die Kinder.
„Wow“, staunte Edward schließlich nach einer Weile.
Sprachlos schaute Amelia sich um. Zu ihrer Linken befand sich eine herrliche alte Eichentreppe, und von der weiten Halle gingen mehrere schöne, alte Türen ab, die zu den wichtigsten Räumen führen mussten.
Andächtig strich sie mit der Hand über den Treppenpfosten, dessen prächtige Schnitzereien durch die Hände unzähliger Generationen fast abgetragen worden waren. Sie konnte sie beinahe spüren, die Jungen, die Alten, die Kinder, die hier über die Jahrhunderte geboren, alt geworden und gestorben waren, behütet und beschützt von diesem fantastischen alten Haus. Auch wenn es albern war, aber als sich die Haustür hinter ihnen schloss, hatte sie das Gefühl, das Haus würde sie in sein Herz aufnehmen.
„Kommt, ich zeige euch schnell alles“, sagte Kate. Sie bog in den linken Korridor, und alle folgten ihr überwältigt. Wie reich war dieser Mann eigentlich?
Als Kate eine Tür öffnete und sie einen großen und geschmackvoll eingerichteten Salon mit einem Erkerfenster betraten, das den Blick auf einen riesigen Park ermöglichte, bekam Amelia ihre Antwort, und ihr blieb der Mund offen stehen.
Ohne Zweifel unglaublich reich.
Und trotzdem war er verreist und ließ dieses herrliche Haus allein, um Weihnachten auf einer Skipiste zu verbringen.
Sie spürte einen Kloß im Hals. Ihr tat der unbekannte Mann leid, der sein Haus so liebevoll eingerichtet hatte und trotzdem nicht zu der Jahreszeit darin wohnen wollte, zu der es besonders einladend sein musste.
„Warum?“, fragte sie Kate verwirrt. „Warum verreist er?“
Ihre Freundin zuckte die Schultern. „Das weiß eigentlich niemand. Zumindest spricht niemand darüber. Ich bin seit etwa drei Jahren seine persönliche Assistentin, seit er sein Geschäft von London hierher verlegt hat, aber er spricht nicht über sich selbst.“
„Wie traurig.“
„Traurig? Nein, nicht Jake. Er ist eher verrückt. Aber seine ausgefallenen Ideen funktionieren meistens, und außerdem ist er ein sehr aufmerksamer Chef. Zum Beispiel fragt er immer nach Megan. Man weiß zwar kaum etwas über ihn, aber ich glaube nicht, dass er traurig ist. Ich denke, er ist einfach ein Einzelgänger und fährt gern Ski. Kommt, schaut euch den Rest an.“
Vorbei an all den wunderschönen alten Türen, die Kate eine nach der anderen öffnete, um ihnen die Zimmer zu zeigen, gingen sie zurück in die Halle.
Es gab ein Esszimmer mit einem riesigen Tisch und eichenverkleideten Wänden; ein kleines Wohnzimmer mit einem Plasmafernseher, Wänden voller Bücherregale und abgenutzten Ledersofas – das musste sein ganz persönlicher Rückzugsort sein. Im vorderen Teil des Hauses lag sein Arbeitszimmer, das sie nicht betraten, und ein Raum, den Kate den Frühstücksraum nannte – riesig, aber genauso ungezwungen wie das kleine Wohnzimmer, mit rustikalen Eichendielen und einem riesengroßen Esstisch, der die Spuren unzähliger Generationen trug und einfach für ein Familienleben gemacht war.
Die Küche, die davon abging, war genauso dafür gemacht – oder, um im großen Stil Gäste zu unterhalten. Sie war geräumig, mit Schränken in zartem Blau, dicken Arbeitsflächen aus geöltem Holz, einem glänzenden, weißen Aga-Herd und einer Kücheninsel mit Granitarbeitsfläche, vor der Hocker standen. Es war die Küche ihrer Träume, und sie verschlug ihnen allen den Atem.
Stumm schauten sich die Kinder um, Edward stand bewegungslos da, während Kitty ehrfürchtig über den polierten schwarzen Granit mit den winzigen Goldsprenkeln im Stein strich. Ihr Sohn erholte sich als Erster wieder.
„Dürfen wir wirklich hierbleiben?“, fragte er schließlich, als er seine Stimme wiederfand.
Ungläubig schüttelte Amelia den Kopf. „Ich glaube nicht.“
„Doch, natürlich!“
„Kate, wir können nicht …“
„Unsinn! Es ist doch nur für ein, zwei Wochen. Kommt, schaut euch die Schlafzimmer an.“
Mit Thomas auf dem Arm ging Amelia mit ihrer Freundin die leise knarrende Treppe hinauf. Die Kinder folgten ihnen ehrfürchtig und hörten Megan zu, die davon erzählte, wie sie dieses Jahr hier übernachtet hatten.
„Das ist Jakes Zimmer“, erklärte Kate, als sie daran vorbeigingen. Neugier machte sich in Amelia breit. Wie sein Schlafzimmer wohl aussah? Üppig? Asketisch?
Nein, dieser Mann war ein überaus sinnlicher Mensch, wurde ihr klar, als sie die Vorhänge in dem Schlafzimmer berührte, in das Kate sie führte. Reine, gefütterte Seide, die wärmte und das luxuriöse Gefühl des gesamten Hauses widerspiegelte. Auf keinen Fall asketisch.
„Die Zimmer sind alle so – bis auf ein paar im Dachgeschoss, die einfacher eingerichtet sind“, erzählte Kate. „Ihr könnt es euch aussuchen, aber ich würde die Zimmer oben nehmen. Sie sind schöner.“
„Wie viele sind es denn?“, fragte sie benommen.
„Zehn. Sieben mit Bad, davon fünf auf dieser Etage und zwei darüber, und dann noch drei im Dachgeschoss, die sich ein Bad teilen. Er hat oft Geschäftskunden hier, die das Haus einfach lieben. Viele wollten es ihm schon abkaufen, aber er lehnt immer lachend ab.“
„Das kann ich mir vorstellen. Oh Kate, was, wenn wir etwas kaputt machen?“
„Das werdet ihr nicht. Der letzte Übernachtungsgast hat Kaffee auf dem Schlafzimmerteppich verschüttet, und Jake hat ihn einfach reinigen lassen.“
Amelia machte sich erst gar nicht die Mühe, darauf hinzuweisen, dass der letzte Gast eingeladen gewesen war – und wahrscheinlich ein Freund oder von wirtschaftlichem Interesse für ihren unbekannten Gastgeber.
„Können wir uns das Dachgeschoss ansehen? Die einfacheren Räume? Das scheint eher etwas für uns zu sein.“
„Sicher. Megan, zeig doch Kitty und Edward dein Lieblingszimmer!“
Aufgeregt rannten die beiden Megan hinterher, und Amelia nahm Kate am Arm. „Wir können hier nicht bleiben, ohne ihn zu fragen“, sagte sie drängend mit leiser Stimme. „Es wäre total unhöflich – und ich weiß einfach, dass etwas kaputt gehen wird.“
„Sei nicht albern. Komm, ich zeige dir mein Lieblingszimmer. Es ist wunderschön, du wirst es lieben. Megan und ich haben hier geschlafen, als unsere Rohre letzten Februar eingefroren waren, und es war herrlich. Das Zimmer hat ein fantastisches Bett.“
„Das haben sie alle.“
In allen Gästezimmern standen Himmelbetten mit schweren, geschnitzten Bettpfosten und seidenen Baldachinen.
Bis auf die drei Zimmer, die Kate ihr jetzt zeigte. Im ersten gab es ein großes Bett mit einem Gestell aus Messing und Eisen; das ganze Zimmer war einfacher und weniger furchteinflößend eingerichtet, auch wenn die Qualität der Möbel genauso gut war, und im angrenzenden Zimmer stand ein antikes Kinderbett, das sicher und einladend wirkte.
Das ist offensichtlich als Kinderzimmer gedacht und wäre perfekt für Thomas, dachte Amelia wehmütig. Daneben lag ein Doppelzimmer mit zwei schwarzen Eisenbetten, ebenfalls einfacher eingerichtet. Dort saßen Megan und Kitty auf den Betten und hüpften kichernd auf und ab, während Edward daneben stand und vorgab, zu alt für diesen Unsinn zu sein, aber trotzdem sehnsüchtig zuschaute.
„Wir könnten hier oben schlafen“, stimmte Amelia schließlich zu. „Und den Tag unten im Frühstückszimmer verbringen.“ Selbst die Kinder würden diesen alten Tisch nicht kaputt kriegen.
„Es gibt noch ein Spielzimmer – kommt mit!“, rief Megan und stürmte los, die anderen beiden dicht auf ihren Fersen. Amelia folgte ihnen. Wo der Flur breiter wurde, standen große Sofas und ein Fernseher, und es gab unzählige Bücher und jede Menge Spielzeug.
„Er hat diesen Bereich für Leute eingerichtet, die mit ihren Kindern herkommen, damit sie sich entspannen können“, erklärte Kate lächelnd. „Siehst du, er hat wirklich nichts gegen Kinder in seinem Haus. Warum hätte er das sonst eingerichtet?“
Ja, warum? Es gab sogar ein Treppenschutzgitter aus Eichenholz, das an das Geländer zurückgeklappt war.
„Ich helfe euch, alles hochzubringen“, sagte Kate. „Los Kinder, helft mit. Ihr könnt auch einige eurer Sachen tragen.“
Sie mussten nur einmal gehen. Viel hatten sie nicht, denn die meisten ihrer Sachen waren eingelagert und warteten darauf, dass Amelia ein neues Zuhause für sie finden würde. Diesmal hoffentlich bei einem Vermieter, der sie nicht bei der ersten Gelegenheit vor die Tür setzte.
Als alles verstaut war, ließ sie Rufus aus dem Auto und ging mit ihm ein wenig auf dem Rasen neben der Auffahrt spazieren. Der arme kleine Hund war verwirrt, aber solange sie und die Kinder dabei waren, war er ganz brav. Tränen stiegen ihr in die Augen.
Hätte David seinen Willen bekommen, wäre der Hund wegen gesundheitlicher Probleme eingeschläfert worden. Doch so bemühte sie sich, die Beiträge für seine Hundekrankenversicherung zu begleichen, ohne die sie sich einen Tierarzt niemals hätte leisten können. Und das wäre für Rufus das Ende.
Aber das durfte nicht passieren. Der kleine Cavalier King Charles Spaniel, den sie als Welpen gerettet hatte, war in den letzten schrecklichen Jahren für ihre Kinder ein Rettungsanker gewesen, und sie schuldete ihm viel. Darum wurde seine Versicherung bezahlt, selbst wenn das bedeutete, dass sie kaum etwas zu essen hatte.
„Mummy, es ist schön hier.“ Kitty griff mit ihrer kleinen, kalten Hand nach der ihrer Mutter. „Können wir nicht für immer hierbleiben?“
Das wäre fantastisch, dachte Amelia, während sie Kitty lächelnd durch die blonden Locken wuschelte. „Nein, Liebling, aber wir bleiben bis nach Weihnachten, und dann finden wir ein anderes Haus.“
„Versprochen?“
„Versprochen.“ Hoffentlich machte das Schicksal keine Lügnerin aus ihr …
Jake bekam keine Luft.
Für einen Augenblick dachte er, er wäre trotz des Lawinenairbags verschüttet worden. In diesem flüchtigen Moment überwältigte ihn Angst, bis er erkannte, dass er mit dem Gesicht im Schnee lag.
Seine Beine steckten in der erstarrten Lawine fest, aber nahe der Oberfläche, und sein Körper lag zum größten Teil darauf. Unbeholfen drehte er den Kopf, und ein brennender Schmerz schoss ihm durch die Schulter in den linken Arm. Verdammt! Vorsichtig versuchte er es erneut. Er atmete tief ein, öffnete die Augen und sah Tageslicht. Zumindest den letzten Rest davon, denn es wurde langsam dunkel.
Er konnte seine Arme vom Schnee befreien und schüttelte den Kopf, um besser sehen zu können, bereute es aber sofort. Einen Moment verharrte er, bis der Schmerz nachließ, dann begann er in der Stille des schwindenden Lichts zu rufen.
Nach gefühlten Stunden hörte er wie durch ein Wunder Stimmen.
„Hilfe!“, rief er erneut und winkte, dabei blendete er den Schmerz aus.