Die Brixiade - Joseph von Lauff - E-Book

Die Brixiade E-Book

Joseph von Lauff

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Beschreibung

Ein komisches Sau-, Wein- u. Mosel-Märchen. Lauffs umfangreiches literarisches Werk besteht vorwiegend aus Romanen, Erzählungen und Theaterstücken. In seinen Prosawerken behandelt er meist Themen aus seiner niederrheinischen Heimat.

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Die Brixiade

Ein komisches Mondschein- und Moselmärchenin drei Teilen

Joseph von Lauff

Inhalt:

Joseph von Lauff – Biografie und Bibliografie

Zum sechsten Tausend

Zum 23. Tausend

Auftakt

Die erste Flasche

Die zweite Flasche

Die dritte Flasche

Die vierte Flasche

Die fünfte Flasche

Die sechste Flasche

Die siebente Flasche

Die achte Flasche

Die neunte Flasche

Die zehnte Flasche

Die elfte Flasche

Die zwölfte Flasche

Ausklang

Die Martinsgans, der »Brixiade« 2ter Teil

Auftakt

Die erste Dithyrambe

Die zweite Dithyrambe

Die dritte Dithyrambe

Die vierte Dithyrambe

Die fünfte Dithyrambe

Die sechste Dithyrambe

Die siebente Dithyrambe

Die achte Dithyrambe

Die neunte Dithyrambe

Die zehnte Dithyrambe

Die letzte Dithyrambe

Die Sauhatz, der »Brixiade« 3ter und letzter Teil

Auftakt

Das erste Horrido

Das zweite Horrido

Das dritte Horrido

Das vierte Horrido

Das fünfte Horrido

Das sechste Horrido

Der siebente Horrido

Das achte Horrido

Das neunte Horrido

Das zehnte Horrido

Das elfte Horrido

Das letzte Horrido

Die Brixiade, J. von Lauff

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN:9783849638863

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Joseph von Lauff – Biografie und Bibliografie

Dichter, geb. 16. Nov. 1855 in Köln als Sohn eines Juristen, besuchte die Schule in Kalkar und Münster, wo er das Abiturientenexamen bestand, trat 1877 als Artillerist in die Armee ein, wurde 1878 zum Leutnant, 1890 zum Hauptmann befördert und wirkte, einer persönlichen Aufforderung des Kaisers folgend, 1898–1903 als Dramaturg am königlichen Theater in Wiesbaden, wo er noch jetzt lebt; gleichzeitig wurde ihm der Charakter eines Majors verliehen. L. begann seine schriftstellerische Tätigkeit mit den epischen Dichtungen: »Jan van Calker, ein Malerlied vom Niederrhein« (Köln 1887, 3. Aufl. 1892) und »Der Helfensteiner, ein Sang aus dem Bauernkriege« (das. 1889, 3. Aufl. 1896), denen später folgten: »Die Overstolzin« (das. 1891, 5. Aufl. 1900); »Klaus Störtebecker«, ein Norderlied (das. 1893, 3. Aufl. 1895), »Herodias« (illustriert von O. Eckmann, das. 1897, 2. Aufl. 1898), »Advent«, drei Weihnachtsgeschichten (das. 1898, 4. Aufl. 1901), »Die Geißlerin«, epische Dichtung (das. 1900, 4. Aufl. 1902); er schrieb fernerhin die Romane: »Die Hexe«, eine Regensburger Geschichte (das. 1892, 6. Aufl. 1900), »Regina coeli. Eine Geschichte aus dem Abfall der Niederlande« (das. 1894, 2 Bde.; 7. Aufl. 1904), »Die Hauptmannsfrau«, ein Totentanz (das. 1895, 8. Aufl. 1903), »Der Mönch von Sankt Sebald«, eine Nürnberger Geschichte aus der Reformationszeit (das. 1896, 5. Aufl. 1899), »Im Rosenhag«, eine Stadtgeschichte aus dem alten Köln (das. 1898, 4. Aufl. 1899), »Kärrekiek« (das. 1902, 8. Aufl. 1903), »Marie Verwahnen« (das., 1.–6. Aufl. 1903), »Pittje Pittjewitt« (Berl. 1903) sowie die Lieder »Lauf ins Land« (Köln 1897, 4. Aufl. 1902). Als Dramatiker trat er zuerst hervor mit dem Trauerspiel »Inez de Castro« (Köln 1894, 3. Aufl. 1895). Von einer Hohenzollern-Tetralogie sind bisher erschienen und wiederholt ausgeführt »Der Burggraf« (Köln 1897, 6. Aufl. 1900) und »Der Eisenzahn« (das. 1899); ihnen sollen »Der Große Kurfürst« und »Friedrich der Große« folgen. Lauffs neueste Dramen sind das Nachtstück »Rüschhaus«, das vaterländische Spiel »Vorwärts« (beide das. 1900) und das nach dem Roman »Kärrekiek« verfaßte Trauerspiel »Der Heerohme« (das. 1902, 2. Aufl. 1903). Während L. in seinen Romanen echtes Volksleben des Niederrheins poetisch festhält und in seinen epischen und lyrischen Dichtungen trotz wortreicher Diktion ein starkes Talent verrät, greift er in seinen Dramen, namentlich in den höfisch beeinflußten Hohenzollern-Stücken, oft zu unkünstlerischen Mitteln und erweckte entschiedenen Widerspruch. Vgl. A. Schroeter, Joseph L., ein literarisches Zeitbild (Wiesbad. 1899); B. Sturm, Joseph L. (Wien 1903).

Zum sechsten Tausend

            Noch sind vom roten Gefieder Des Krieges die Länder umloht, Und du, mein Lied, ziehst wieder Ins blutige Morgenrot. Doch lächelt vom ewigen Himmel Die Sonne mit goldigem Strahl Und reitet auf lichtem Schimmel Der Friede ins Moseltal, Und wenn die Soldaten marschieren Heimwärts nach glorreichem Strauß Und hängen aus allen Quartieren Die Pfeifen zum Fenster heraus – Dann ist gekommen die Stunde, In der, von Reben umwebt, Die treffliche Tafelrunde Die perlenden Becher hebt. Dann beut uns auf lautlosen Socken Der Mundschenk den Willekumm Und jubelnd rufen die Glocken Ihr tönendes ›Bim bam bum‹. Willkommen, willkommen, ihr Lieben, Nach manchem bitteren Jahr! Wir sind die alten geblieben Und spurfest, wie immer es war. Begeistert vom Feuer der Reben, Wir füllen die Gläser zugleich Und trinken ein ewiges Leben Dem Frieden, dem Kaiser, dem Reich.

Berlin, den 17. Februar 1918

J. v. Lauff

Zum 23. Tausend

        Es ist viel Not zu melden, Groß Leid ward uns beschert . . . Als Sieger und stumme Helden, So sind wir heimgekehrt. Gesiegt und doch geschlagen – Wem stockt das Herze nicht?! Und dennoch muß einst tagen Das deutsche Weltgericht.

Wiesbaden, den 20. Juni 1929

J. v. Lauff

Auftakt

            »Ihr mögt den Rhein, den stolzen, preisen . . .« Singt Rittershaus in seinem Lied Und rühmt die Stätte, wo das Eisen Sich hin durchs Land Westfalen zieht. Drum zieh' ich selber auch vom Leder, Frisch, frei und fromm und kurzerhand Und preise mit Gesang und Feder Mein vielgeliebtes Moselland. Das Lied, es kränkelt nicht an Blässe; Im Gegenteil, ist voll und rund, Und wohlgenährte Männerbässe Begrüßen es am offnen Spund. Kein Liebesweh quält ihm den Magen, Nicht lämmerhafte Frömmelei; Doch, wo die Herzen fröhlich schlagen, Da ist es sicher auch dabei. Kurz, als 'ne dralle Moseldirne, Den Pfeil im Haar und sonder Hut, So gibt es sich mit offner Stirne Und ist den Männerherzen gut. Es seufzt nicht nach Apoll und Musen, Vermeidet jeglichen Sermon; Mit etwas leichtgeschürztem Busen Liebt es den echten Spielmannston. Es weiß den Schafsdarm hell zu kratzen, Singt mit dem Buchfink froh vom Ast Und schilpt auch lustig mit dem Spatzen, Jeweil's zu seiner Stimmung paßt. Drum aufgemerkt!

                                Dort, wo die Welle Bei Cochem sich im Bogen schwingt Und von den Bergen die Forelle In kecken Sätzen talwärts springt, Wo sich die Kirschenblüten drängen, Als wäre rings das Land verschneit, Und an den schöndurchwärmten Hängen Sich Thyrsus neben Thyrsus reiht, Wo noch ein felsenfester Glaube Den Weg zum Himmel überbrückt, Hat sich die Gastwirtschaft »Zur Traube« Dicht an den Moselstrand gedrückt. Ein Hort für wanderfrohe Seelen, Im Sommer kühl durch Stein und Flies, Ein Tuskulum für trockne Kehlen – Kurzum, ein »Moselparadies«! So liegt es da im Weingelände, Fern jeglichem profanen Schlot, Und beut der Reben goldne Spende Wie sie der Herr zu Kana bot; Wie einst der ausgepichte Zecher, Der an drei Menschenalter sah, Sie bot im laubumkränzten Becher Der heißbetränten Hekuba. Hallirohe! – wer kann mir deuten, Was feiernd mir die Stirn umzieht? Ei, weiter nichts! – Die Gläser läuten Das vielgerühmte Mosellied. Bald tönt es laut, bald klingt es heller, Bald naht es sich im Zephirschritt; Das alte Fuderfaß im Keller Singt lustig aus dem Spundloch mit. Es hallt von weinbeträuften Stufen, Es zieht den Flaschenraum entlang, Und selbst in Bottichen und Kufen Ist lauter Jubel und Gesang. Und»Vinum bonum, vinum bonum!« So klingt es ohne Maß und Ziel. Bei Gott im Himmel! – solch einDonumDe Deopaßt zu meinem Spiel. Und ferner noch: Merkt euch den Titel. Bei Brixius, da ist gut sein, Und dann: die einzelnen Kapitel, Ich teile sie nach Flaschen ein. Drum wollt zur »Traube« mich geleiten, Und zeigt euch meinem Sang geneigt; Schon schwirrt es in den Spielmannssaiten . . . Habt acht! – Der erste Kantus steigt.

Die erste Flasche

                  Ein Juniabend läßt euch grüßen! Vergoldet lag der Himmelsdom, Und ein Gewirr von Strahlenfüßen Umtrippelte den breiten Strom. Gefesselt lagen Wunsch und Wille, Und Rosenwölkchen sah man ziehn, Wie's schildert manche Prachtidylle Von Geßner oder Hölderlin. Zum »Angelus« rief eine Glocke Mit weihrauchzartem Klang und Kling, Bis sie auf lammfellweicher Socke Beim fernen Rebenhang zerging. Da wich der letzte Rosenschimmer Von Wald und Feld, von Flur und Hain; Es fand mit silbrigem Geflimmer Der gute Mond sich pünktlich ein. Ein ausgetragner Junggeselle, Er schlich sich vor auf leisen Zehn, Gewillt, im Spiel der blanken Welle Der Nixe hilfreich beizustehn, Die hier im Strom als Unvermählte Und splitternackig, frank und frei Ihr bernsteinfarbig Lichthaar strählte Dicht unterhalb der Brauselay. Er sah . . . um tausend Gotteswillen, Ja, was nicht alles sah der Mond! Er sah, was sonst im tiefsten Stillen Beseligt unterm Hemdchen wohnt. Er sah . . . doch schnell mit der Gardine! Ich lass' sie fallen noch zurzeit, Um nicht mit Thümmels »Wilhelmine« Mich zu ergehn in Lüsternheit. Doch nur soviel: vom Sternenvölkchen Zum Nixchen schwang er sich im Nu Und zog dann selber durch ein Wölkchen Das allzufreie Bildchen zu. Ich selbst, umweht von schwankem Laube, Zog stillvergnügt den Strom entlang Und wandte mich zur »Goldnen Traube«, Wo schon die Rundinelle klang:»Bibit iste, bibit ille,Bibunt centum, bibunt mille;Multae causae sunt bibendi!« Da saßen sie . . . beherzte Männer, Von grünem Weinlaub überdacht, Des Moselweins berühmte Kenner, Bewährt in mancher Moselschlacht. Der erste . . . Hoch ist er zu preisen! Als Mensch beherzt, im Amt gestählt; Drum sei er auch den Sieben Weisen Aus Hellas kühnlich zugezählt. Des Lebens wechselreiche Lose, Er nahm sie hin, just wie es kam, Bedacht nur, daß der Gurt der Hose Den Schlüssel mit zur Kneipe nahm; Denn ohne diesen, was ist Stunde, Was ohne ihn geteiltes Leid, Was auserwählte Tafelrunde Und selige Vergessenheit?! Die Sorgen dünkten ihmaequalis, Verträumte sie im warmen Nest; Schon bei derfilia hospitalis Stand dieser Grundsatz bei ihm fest. Dabei trug dieser hochgelahrte Und auserwählte Mann der Pflicht Die schönste graumelierte Schwarte Zu einem kernigen Gesicht. Und wenn ich ferner nicht verhehle, Daß er verbechert ein Gersprenz, So habt ihr ihn mit Leib und Seele – Den Amtsgerichtsrat Peter Zenz. Der zweite . . . Ja, da mögt ihr wandern Vom Rhein bis wo die Wildgans streicht, Ihr trefft gewiß nicht einen andern, Der diesem hier an Würde gleicht. Cholerisch zwar . . . das muß ich sagen . . . Zuweilen kam uns dies verquer; Doch niemand hat in unsern Tagen Den Skat gedroschen so wie er. Sein Blick war Güte, lichtumsponnen, Sein Wort ein festgeschweißter Niet, Und wenn er einen Grand gewonnen, Dann sang er stets ein schönes Lied. Sein Amt? – nun ja, er tät beklopfen Die Brust und auch des Busens Zier, Und wollte sich der Sitz verstopfen, So half er nach durch ein Klistier. So sorgte er für Luft und Dünger, Er ließ die Toten auferstehn; Mit einem Wort: er war ein Jünger Von Avicenna und Galén. Und ist auch dieses nicht verständlich, Macht die Umschreibung euch Verdruß, Na, anders denn, und merkt es endlich: Herr Hiemenz war ein Medikus. Der dritte . . . lieber Gott im Himmel! Ein Goldmensch war's und gut betreut, Dem schon die Fünfzig zarten Schimmel Aufs fromme Denkerhaupt gestreut. Er hieß der Brave, hieß der Stille, Nahm gern auch einen höhern Flug, Und lieber als in der Postille Erging er sich im Kellerbuch. Er sorgte sehr um gutes Essen, Und bot man Wasser ihm zur Qual, Er glaubte stets, ihm wüchsen Kressen Aus seinem Magenfutteral. Er war verliebt und gut bei Leibe, Zwar melancholisch dann und wann Und sehnte sich nach seinem Weibe, Stach er das vierte Fläschchen an. Wie Zenz, so zog auch er am Wagen, Des schwere Fracht Pandektenmist; Auch Hubaleck, das kann man sagen, War ein gediegener Jurist. Der vierte . . . schmettert die Trompeten! Denn lieber Leser, mit Vergunst, Ich lasse vor dein Auge treten Das Meisterlein der schwarzen Kunst. Potz Doria und Blitz und Velten! Ich ruf's mit freudigem Gesicht: Wenn einer gilt, soll Wieprecht gelten In diesem lustigen Gedicht. Mit der Historie im Bunde, Mit viel rhetorischem Geschick Beherrschte er die Tafelrunde Durch seinen weltgewandten Blick. Er stand mit Herrn Anaximander, Mit Cäsarn selbst auf du und du Und sprach dem großen Alexander Beherzt die Schlacht bei Cannä zu; Denn so er äußerst dienstbeflissen Betrat des Bacchus heil'gen Raum, Dann schlug er oft mit bestem Wissen Geschichtlich seinen Purzelbaum. Nur um die Herren zu erheitern Ließ er das weltliche Geschehn, Sowohl im Engern wie im Weitern, Verschwistert beieinander stehn. Es klappte alles bei dem Manne, Die Freude litt bei ihm nicht Not, Und gerne schob er in die Kanne Der Nase zartgepinselt Rot. Aus seiner großen Schildpattdose, Die eingelegt mit Elfenbein, Sog er, gleichwie aus einer Rose, Die prächtigsten Ideen ein. Und wenn ich schließlich noch verkündet, Daß er behende wie ein Reh, So habt ihr diesen Mann ergründet Vom Scheitel bis zur großen Zeh. Nachdem ich so mit Artigkeiten Euch diese vier im Bild gezeigt. Schwirrt's wieder in den Spielmannssaiten . . . Habt acht! – Der zweite Kantus steigt.

Die zweite Flasche

                        Bald saßen wir in neuem Kreise, Vom linden Sommerhauch umweht; Denn diesem Vierblatt hatte leise Sich angehäkelt der Poet. Doch kaum, daß wir das Glas erhoben, Mit ihm getauscht den ersten Kuß, Kam auch bedachtsam angeschoben Herr Hermann Joseph Brixius. Und was er war? – Der Herr des Hauses, Der neben Fischerei und Jagd Auch stets im Schmuck des grauen Flauses Zum Ruhm der »Traube« viel gemacht. Zart von Gemüt, doch fest im Glauben, Dazu ein vielerprobter Mann, Sprach er beherzt durch Glas und Dauben Den Wein auf seine Güte an. Nicht das allein! Auf stillen Pfaden, Beim Pirschen mit gespanntem Lauf, Nahm gern er ein Paar schöne Waden Als Jagdtrophä' mit in den Kauf; Denn so da irgendeine mähte Am blumenreichen Straßenrain Und sich dabei das Röckchen blähte, So hielt er das im Augenschein. Warum auch nicht?! In seinen Jahren, Wo man noch spurgerecht und jung, Da läßt man wohl ein Äuglein fahren Zu einem kleinen Nebensprung, Da tät man sich nicht lange zieren, Da läßt man mit behendem Flug Die sanften Blicke gern revieren Vom Strumpfband bis zum Busentuch. So auch des Hauses Herr und Hüter, Der, geberisch wie ein Infant, Zur Atzung durstiger Gemüter Mit edlen Flaschen vor uns stand. Und mit dem Anstand, den er hatte, Rief er begeistert: »Nehmt sie hin. Zum ersten . . .!« – und auf Tisch und Platte Stand eine Valwigbergerin. »Zum zweiten . . .!« – Himmlische Ekstase! O überwundersame Schau! Es lächelte aus zartem Glase Von Ürzig eine schöne Frau. »Zum dritten . . .!« – Lieber Gott, ich bitte, Ein märchenhafter Honigseim . . .! Die dritte Flasche, ach! die dritte, Sie war zu Haus in Trittenheim. Doch als die allerletzte Spende Uns ihren Namen zugedreht, Da faltete Herr Zenz die Hände Und sprach im stillen ein Gebet. Und halb im Wachen, halb benommen Tat er hinzu ein schnalzend »Ach! Sei mir, Kartäuserin, willkommen, Vielholde Frau von Eitelsbach!« Dann sprang er auf, vom Wein bemeistert, Und er, der rechtsbefliss'ne Mann, Er sprach den Spender hochbegeistert In schöngesetzten Worten an:

    »Komm, Brüderlein, auf du und du!     Setz' dich aufs Schemelbeinchen;     Drück' deine beiden Augen zu     Und trink von diesem Weinchen.

    Wer solch ein Tröpfchen keltern kann     In Bottichen und Kufen,     Der ist, just wie ein Dichtersmann,     Zu Höherem berufen.

    Denn er zitiert euch durch die Tür     Die allerfeinsten Geister;     Gesegnet darum für und für     Die »Traube« und ihr Meister!«

Da ein »Juchhe!« auf allen Bänken, Kein Herz mehr fühlte sich beschwert; Mit Vivathoch und Gläserschwenken Ward Meister Brixius geehrt. Der aber sträubte sich dem Lobe Und rief durch alle Fröhlichkeit: »Jetzt zugefaßt, und schmeckt die Probe, Dann, Kinder, steht noch mehr bereit!« Da ließ der Doktor die Retorten, Klistier, Rezept und Arzenein Und schmunzelte mit Goethes Worten: »Hier bin ich Mensch, hier will ich's sein.« Herr Wieprecht ritt den Freudenzelter; Er fühlte sich verteufelt wohl Und speiste seinen Riechbehälter Mit einer Prise Spaniol. »Na, denn mit Gott!« so sprach der Stille, Der Amtsgerichtsrat Num'ro zwei, »Das Fleisch ist schwach und schwach der Wille; So bleib' ich heute auch dabei. Mein Weib ist freilich ganz alleine, Was aber schiert mich Frau und Kind? Ich spreche drum mit Heinrich Heine: Laß sie betteln gehn, wenn sie hungrig sind!« Das zündete. – Potzblitz und Hagel, Wie stürmisch schon das Herzblut ging! Die Laute nahm ich schnell vom Nagel, Die über mir im Weinlaub hing; Ich schrob die Wirbel, zog und drehte, Ich fuhr den Katzendarm entlang, Bis mich Begeisterung umwehte Und also mir's vom Munde klang:

    »Der Kuckuck jauchzt! – Die Welt wie weit!     Ein wanderfroh Genießen!     Und durch die Sommerherrlichkeit     Seh' ich die Mosel fließen.     Drum auf, mein Herz, zu lichten Höhn,     Laß fahren alle Bande –     Es wandert nirgends sich so schön     Als wie im Mosellande!

    Die Mosel lacht durchs weite Feld     Und schwingt die Thyrsusstäbe,     Als wenn's auf dieser schönen Welt     Nur Feiertage gäbe.     Drum schenk' den goldnen Perlewein     Ins Kelchglas bis zum Rande –     Es trinkt sich nirgendwo so fein     Als wie im Mosellande!

    Den Pfeil im Haar – ha, wie sie gehn,     Die Mädels, gut geraten!     Ein Küssemund, ein zierlich Drehn     Gilt mehr noch als Dukaten.     Drum leg' den Arm ums junge Blut,     Flicht traute Liebesbande –     Es küßt sich nirgendwo so gut     Als wie im Mosellande!

    Und wessen Herz noch kerngesund,     Der soll im Frohsinn schwimmen,     Und wessen Mund ein Singemund,     Der mag die Saiten stimmen.     Drum rück' heran, mein Trautgesell,     Und gib ein Lied zum Pfande –     Es singt sich nirgendwo so hell     Als wie am Moselstrande!

    Die Mosel ladet euch zu Gast,     Der Frohsinn hat euch wieder;     Drum schmettert wie der Fink vom Ast     Jetzt eure besten Lieder.     Dann lächelt selbst der Himmel drein,     Füllt's Fäßlein bis zum Rande     Und segnet Mädels, Lied und Wein     Im schönen Mosellande!«

Du lieber Gott, gab's da ein Tosen, Als kaum der letzte Klang verweht! Und lieblich dufteten die Rosen Dazu vom nahen Gartenbeet. Da war am blanken Tisch nicht einer, Der noch ein unbeschriebnes Blatt, Und Meister Wieprecht, der Lateiner, Rief dreimal laut:»Proficiat!« Der Jubel schlug die lauten Becken: »Komm, Brüderlein, auf du und du!« Und wie die fetten Weinbergschnecken Kroch jeder seinem Gläschen zu. »Die Mosel lebe! Kinder, Kinder, Wir sind ja hier im Paradies! Und, Joseph, edler Bürstenbinder, Sollst dreimal leben überdies!« Da, während noch der Beifall rollte, Ward's diesem wohl und weh ums Herz; Er wußte, was das sagen wollte, Und schlich sich heimlich gartenwärts. Auf dunklen Pfaden tät er gleiten, Von schwanken Reben überzweigt; Und wieder schwirrt es in den Saiten . . . Habt acht! – Der dritte Kantus steigt.

Die dritte Flasche

                        Jetzt muß ich mich manierlich geben Und etwas sinnig angebleicht, So etwa, wie durch junge Reben Des Weges ein Verliebter schleicht. Nicht aber soll mein Lied euch tragen Gespenstisch über Moor und Torf; Nein, singen will ich jetzt und sagen Wie Meister Joseph Eichendorff. Es steht mir zwar zu dieser Stunde Kein Horn zu Dienst auf stillem Pfad, Auch geht in einem kühlen Grunde Mir just zupaß kein Mühlenrad; Ich blase keine Trauerweisen, Kein Ringlein springt bei mir entzwei; Jedoch als Spielmann will ich reisen Bis in den Bann der Brauselay. Von zwei Beglückten will ich singen, Von einer »Sie« und einem »Er« . . . Und schlage die geweihten Schwingen Der Liebe selig um sie her. Ich suche zarte, weiche Worte, Wie sich's für Liebende gebührt; So süß, wie eine Sahnentorte Mit Kandiszucker angerührt. Ach! gleich den marmelweißen Schwänen, Mein Lied, erhebe dich zum Flug Und weine stille Freudentränen Vernünftig in dein Taschentuch! So sing' ich denn: Wie klar die Welle, Das Firmament wie hehr und groß! Und kichernd hielt der Junggeselle Die Wasserfee auf seinem Schoß. Sie war nicht spröde, tat nicht geizen, Sie glühte wie ein Rosenstrauch, Und von den auserwählten Reizen Er machte sichtlichen Gebrauch. Ein dreimal hochbeglückter Freier, In Liebeslust und Liebesqual, Er warf die silberhellen Schleier Verschwendrisch über Berg und Tal. Der Mond in stetigem Entzücken, Er lichterte durch alle Welt Und baute tausend goldne Brücken Weit über Strom und Wald und Feld. Und dieses Licht, als sein Verweser, Er um ein trautes Häuschen spann . . . Und wisse, vielgeliebter Leser, Auf dieses grade kommt mir's an. O stilles Heim, o trautes Häuschen, Du liegst am Bergeshang geschmiegt, Gleichwie ein zartes Knuspermäuschen Sich auf 'ner Käsekruste wiegt! Der argen Welt verderbte Schäden, Sie weichen scheu vor dir zurück, Denn hinter deinen grünen Läden Da herrscht die Eintracht, wohnt das Glück. Und außerdem . . . Was soll ich sagen? Ha, die Begeisterung reißt mich fort! Die Laute muß ich voller schlagen Zu einem preisenden Akkord; Denn rings, umblüht von Feuerbohnen, Umzirkt von weißem Gartenkies, Ließ Gott ein schönes Mädchen wohnen Und Hermann Joseph wußte dies. Auf raschen Zehen trat er näher, Ein weidgerechter Jägersmann, Und pirschte sich als leiser Späher Bis an ihr Fensterlein heran. Er schnupperte um Sims und Riegel, Er fühlte es: Du bist ihr nah; Dann rief er, ein verliebter Igel: »Mariechen, öffne, ich bin da.« Er hörte drinnen ein Erschrecken, Wie jemand auf die Strümpfe sprang, Ein Rascheln wie von leichten Decken Und dann noch, wie der Riegel klang, Und sieh: o himmlisches Verlangen! – Mit unsrem Schiller muß ich gehn: Mit züchtig und verschämten Wangen Sieht er die Jungfrau vor sich stehn. Bei Gott im Himmel, welch ein Mädchen! Ein Krönchen ihr geflochten Haar, Die Augen blaue Feuerrädchen, Ihr Mund ein Weichselkirschenpaar! Vom Knöchel bis zur Augenbraune Geschmeidig wie ein Reh im Feld, Als hätte Gott in bester Laune Dies Kind ins Moseltal gestellt. So stand sie da im Fensterrahmen, Ein menschgewordner Lautenklang, Und zwei beherzte Hände nahmen Sie überglücklich in Empfang. Und sie, sie streckte auch die Arme Verhimmelt aus – mehr sag' ich nicht, Und an die junge Brust, die warme, Barg sich ein strahlendes Gesicht. »Wo kommst du her?« – »Aus froher Runde, Wo alle puppenlustig sind.« »Was willst du jetzt?« – »Aus deinem Munde Das Jawort, vielgeliebtes Kind.« »Und das so schnell?« – »Ich muß beenden, Was mich bei Tag und Nacht geplagt; Heut muß es sich zum Guten wenden . . . Auch Meister Wieprecht hat's gesagt.« »Was sagt denn der?« – »O der ist weise,« Hub Hermann Joseph schmunzelnd an. »Er zog um mich geheime Kreise, Und also sprach der kluge Mann:

    Hermann Joseph, merke dir     Was ich dir verkünde.     Gehst du pirschend ins Revier,     Denke nicht an Sünde.     Blase deinen Pfeifenrauch     Schuldlos durch die Bäume;     Doch beim Rauchen denke auch     An gehabte Träume.

    Die im Traum dir gut gefiel,     Mußt du fest behalten.     Diese wähle dir als Ziel;     Gott wird weiter walten.     Aber merke, junges Blut,     Träume keine Dicke;     Denn man lebt nicht allzugut     Bei 'ner feisten Ricke.

    Wähle ferner, wenn's beliebt,     Ganz besonders keine,     Welche allzuhäufig fiept     Durch die Buchenhaine;     Denn, wie männiglich bekannt,     Hat solch Frauenzimmer     Von dem heil'gen Ehestand     Keinen blassen Schimmer.

    Gerne führt auch hinters Licht     Eine Anverwandte;     Doch besonders träume nicht     Von 'ner alten Tante.     Aller Jäger Schutzpatron