Sankt Anne - Joseph von Lauff - E-Book

Sankt Anne E-Book

Joseph von Lauff

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Beschreibung

Eine historische Romanze aus dem fiktiven Städtchen Sankt Anne. Lauffs umfangreiches literarisches Werk besteht vorwiegend aus Romanen, Erzählungen und Theaterstücken. In seinen Prosawerken behandelt er meist Themen aus seiner niederrheinischen Heimat.

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Sankt Anne

Joseph von Lauff

Inhalt:

Joseph von Lauff – Biografie und Bibliografie

Sankt Anne

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

XI

XII

XIII

XIV

XV

XVI

XVII

XVIII

XIX

XX

XXI

Sankt Anne, J. von Lauff

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN:9783849638795

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Joseph von Lauff – Biografie und Bibliografie

Dichter, geb. 16. Nov. 1855 in Köln als Sohn eines Juristen, besuchte die Schule in Kalkar und Münster, wo er das Abiturientenexamen bestand, trat 1877 als Artillerist in die Armee ein, wurde 1878 zum Leutnant, 1890 zum Hauptmann befördert und wirkte, einer persönlichen Aufforderung des Kaisers folgend, 1898–1903 als Dramaturg am königlichen Theater in Wiesbaden, wo er noch jetzt lebt; gleichzeitig wurde ihm der Charakter eines Majors verliehen. L. begann seine schriftstellerische Tätigkeit mit den epischen Dichtungen: »Jan van Calker, ein Malerlied vom Niederrhein« (Köln 1887, 3. Aufl. 1892) und »Der Helfensteiner, ein Sang aus dem Bauernkriege« (das. 1889, 3. Aufl. 1896), denen später folgten: »Die Overstolzin« (das. 1891, 5. Aufl. 1900); »Klaus Störtebecker«, ein Norderlied (das. 1893, 3. Aufl. 1895), »Herodias« (illustriert von O. Eckmann, das. 1897, 2. Aufl. 1898), »Advent«, drei Weihnachtsgeschichten (das. 1898, 4. Aufl. 1901), »Die Geißlerin«, epische Dichtung (das. 1900, 4. Aufl. 1902); er schrieb fernerhin die Romane: »Die Hexe«, eine Regensburger Geschichte (das. 1892, 6. Aufl. 1900), »Regina coeli. Eine Geschichte aus dem Abfall der Niederlande« (das. 1894, 2 Bde.; 7. Aufl. 1904), »Die Hauptmannsfrau«, ein Totentanz (das. 1895, 8. Aufl. 1903), »Der Mönch von Sankt Sebald«, eine Nürnberger Geschichte aus der Reformationszeit (das. 1896, 5. Aufl. 1899), »Im Rosenhag«, eine Stadtgeschichte aus dem alten Köln (das. 1898, 4. Aufl. 1899), »Kärrekiek« (das. 1902, 8. Aufl. 1903), »Marie Verwahnen« (das., 1.–6. Aufl. 1903), »Pittje Pittjewitt« (Berl. 1903) sowie die Lieder »Lauf ins Land« (Köln 1897, 4. Aufl. 1902). Als Dramatiker trat er zuerst hervor mit dem Trauerspiel »Inez de Castro« (Köln 1894, 3. Aufl. 1895). Von einer Hohenzollern-Tetralogie sind bisher erschienen und wiederholt ausgeführt »Der Burggraf« (Köln 1897, 6. Aufl. 1900) und »Der Eisenzahn« (das. 1899); ihnen sollen »Der Große Kurfürst« und »Friedrich der Große« folgen. Lauffs neueste Dramen sind das Nachtstück »Rüschhaus«, das vaterländische Spiel »Vorwärts« (beide das. 1900) und das nach dem Roman »Kärrekiek« verfaßte Trauerspiel »Der Heerohme« (das. 1902, 2. Aufl. 1903). Während L. in seinen Romanen echtes Volksleben des Niederrheins poetisch festhält und in seinen epischen und lyrischen Dichtungen trotz wortreicher Diktion ein starkes Talent verrät, greift er in seinen Dramen, namentlich in den höfisch beeinflußten Hohenzollern-Stücken, oft zu unkünstlerischen Mitteln und erweckte entschiedenen Widerspruch. Vgl. A. Schroeter, Joseph L., ein literarisches Zeitbild (Wiesbad. 1899); B. Sturm, Joseph L. (Wien 1903).

Sankt Anne

I

»... also Du kommst. Seeluft, Seeluft, mein Junge! Lasse alle schweren Gedanken beiseite. Und wo ich Dich hinführe ...? – Es ist ein ganz verlorener Winkel an der flandrischen Küste. Sei ohne Sorge. Du kommst nicht mit jenem feinen Pöbel zusammen, der die belgische Erde heimsucht, Fleischergesellen, die nach Peau d'Espagne duften. Alles sind stille und einfache Menschen ... und die Natur ist so ruhig wie ein Heideland, wenn der Tod darüber reitet. Nur in stürmischen Herbsttagen sieht das Meer über die Dünen, und dann hörst Du es rauschen. Der Ort liegt eine gute Stunde vom Strande entfernt: ein Fleckchen Erde mit Ziegeldächern. Pappeln kreisen es ein. Stockrosen sehen in die Giebelfenster mit großen Augen – und in der Mitte des Ortes, der gewissermaßen am Boden hinkriecht, reckt sich der helmlose Turm von Sankt Anne wie ein massiger Einarm. Der Ort selbst heißt Sankt Anne und atmet Ruhe und Frieden. Lege Dir diesen Frieden und diese Ruhe ans Herz – und die tote Maria wird ihre Seele in die Hände nehmen und sagen: Endlich gesundet. – Also komme. Ich erwarte Dich und hole Dich im verwunschenen Brügge ab.

Dein

Heinrich vom Hövel,

der kein Freund ist von langen Fisematenten und Ausflüchten – und daher heißt es auch bei Dir: Farbe bekennen.«

Der Brief sank ihm aus der Hand und legte sich über das saubere Manuskript eines größeren Werkes, das er erst vor kurzem beendigt hatte. Und dann ging sein Blick aus dem Fenster über die Ziegeldächer der norddeutschen Stadt, die sich bereits von den sanften Farben des Abends illuminieren ließen. Jenseit der Dächer lagen Wiesen und Weiden. Ein violblaues Licht ging darüber, um mehr dem Horizonte zu sich in die Resedafarbe eines feinabgetönten Wasserblattes zu kleiden. Dunkle Punkte schwebten durch die ruhigen Lüfte, begleitet von einem melancholischen Zwitschern. Es war ein Gruß aus verklungenen Zeiten: Was die Schwalbe sang, was die Schwalbe sang ... Ja – was die Schwalbe sang ...! – Ein mattes, wehmütiges Lächeln ging über die Züge des vereinsamten Mannes, der so in sich gekehrt dasaß, als wäre die ganze Schwermut des heutigen Sommerabends auf ihn übergegangen. Er hatte das unbestimmte Gefühl, als käme jemand leise ins Zimmer, als legte sich ihm eine feingegliederte Frauenhand sacht auf die Schulter. Und als sie da eine Zeitlang geruht hatte, hob sie sich wieder und deutete rückwärts – und da sie rückwärts deutete ...

###

Ein liebes Wesen mit geschlossenen Augen stand vor ihm. Ein floriger Stoff rieselte von den Schläfen zu Boden und berührte die Dielen. Vom Alkoven her wehte ein weicher Luftzug, der aber noch immer stark genug war, den leichten Stoff sanft in die Höhe zu tragen.

Die zarte Gestalt war näher getreten.

»Maria!« hauchte er mit zuckenden Lippen, und als er den Namen aussprach, hatten sich ihre Augen geöffnet – die Augen mit ihrem rätselhaften Grau und der unendlichen Tiefe, die Augen, die ihn noch vor zwei Jahren bis ins Herz trafen und dann sich schlossen für ewig.

Der florige Stoff wehte noch immer, aber durch den gespenstigen Krepp drang es wie Mondlicht, das immer intensiver wurde, geheimnisvolle Netze spannte und sein Denken und Fühlen in längstverklungene Tage versetzte. Die Erinnerung kehrte zurück – die rätselhafte Frau mit den träumerischen Blicken und der großen Liebe im Herzen. Und sie nahm ihn bei der Hand, lächelte wie im Schlafe und führte ihn dann durch ein weites, dunkles Tor, hinter dem eine weite Landschaft sich streckte. Eine mittelgroße Stadt lag darin. Es war eine lindenumsäumte nordische Stadt mit ehrwürdigen Kirchen, alten Giebelhäusern und einem Glockengeläut, feierlicher und schöner, denn alle Glockenklänge, die er jemals in seinem Leben gehört hatte. Er erinnerte sich genau der einzelnen Töne. Es war im Advent. Der Abend zwinkerte herauf; ein klingender Frost war über die Erde gegangen. Einzelne Flöckchen lösten sich vom verschleierten Himmel – und er, der kraushaarige Oberprimaner Hans Behrend, stand am Fenster und sah in den Abend hinaus, in dessen Grau schon etliche lichtschwache Tupfer standen, die der Laternenmann angezündet hatte. So stand er schon lange und wartete auf seine Kumpane Fritz Heiking und Heinrich vom Hövel, die versprochen hatten, eine Partie Skat auf seiner Bude zu kloppen. Hinter ihm plauderte der rotangelaufene Ofen in geschwätzigen Lauten. Draußen war eine andere Welt lebendig geworden. Vom nordwestlichen Himmel her schob sich eine bleigraue Decke über die Giebeldächer. Den einzelnen Schneeflöckchen gesellten sich hundert, tausend blitzende Wesen; dann war ein einziges Gewimmel vor den angelaufenen Scheiben. Ein steifer Wind saß dahinter, und mit lustigem Gestöber ging es die enge Straßenzeile hinunter. – Im gegenüberliegenden Hause hellten die Fenster auf. Dunstig, wie mit erhelltem Ölpapier überzogen, standen sie in dem krausen Gewirr der betrunkenen Sternchen. Hans Behrend sah hinein, als wenn er durch das maschige Gitter eines Stickrahmens sähe, als wäre da draußen alles in einer flirrenden und flimmernden Bewegung – aber wie dem auch sein mochte: er erkannte deutlich, wie sich hinter dem mittleren Fenster des ersten Stockes eine liebe Mädchengestalt auf- und niederbewegte, das blonde Köpfchen gegen die Scheiben drückte und dann genau, wie er es tat, in das geschäftige Schneetreiben hinaussah. Und seine Jugend, sein ganzes Fühlen und Denken saßen in einem lustigen Schifflein, hatten eine ganze Fracht voller Zukunftspläne an Bord und steuerten geradeswegs in das köstliche Land der Verheißung. Eine rührende Verlegenheit kam über ihn und ein heimliches Sehnen. Allein der selige Zustand währte nicht lange. Eine ältere Dame, mit einem zierlichen Spitzenhäubchen bekleidet, trat in den matterleuchteten Fleck des Fensterrahmens, schien auf das junge Mädchen einzusprechen und ließ dann mit einer gewissen Hast den Vorhang herunter. – Nichts mehr – nur die transparente Fläche der weißen Gardine, das Gepolter im Ofen und das flimmernde Schneegestiebe da draußen ... Ab und zu tönte die heisere Stimme einer aufdringlichen Türklingel herüber. Sie kam aus dem Laden eines schräg gegenüber wohnenden Spezereiwarenhändlers, wo die Leute aus- und eingingen. Ein orangefarbiger Schimmer drängelte sich aus dem Auslagefenster, um sich als breiter Lichtbalken quer über die schneeblaue Decke zu legen. Traumhaft schwebten jetzt die kalten Schneesternchen die dämmerige Straße hinunter. Etliche taumelten gegen die angelaufenen Scheiben, um dort sanft zu zerfließen. Fast lautlose Schritte gingen unten vorüber. Es war so still, so unendlich still geworden; selbst die aufdringliche Klingel im Laden des Spezereiwarenhändlers hatte eine geraume Zeit ihre harte Zunge verloren. Geheimnisvolle Adventschauer zogen über die norddeutsche Stadt hin.

Hans Behrend trat vom Fenster zurück, setzte eine Rüböllampe in Brand, zerschnitt ein Zeitungsblatt in eine Anzahl regelrechter Teile, die er, sorgsam gefältelt, in einen Fidibusbecher hineinpraktizierte; hierauf legte er Karten und Skatblock nebeneinander.

Die Lampe strömte ein behagliches Licht aus. Es war hinreichend stark genug, das schlichte Mobiliar der einfachen Bude zu erhellen. Auf den verblichenen Tapeten hingen Schildereien in wurmstichigen Rahmen, Stiche von Aldegrever und Ludger tom Ring, wertlose Kopien, die kein besonderes Interesse zu erwecken vermochten, wohingegen ein eigenartiges Bild über dem Sofa von der Hand eines geschickten Radierers zeugte. Markante Striche, ausgeprägte Beleuchtung und dabei eine warme und köstliche Tönung ... Es war das Grabmonument der jungen Maria von Burgund in der Liebfrauenkirche zu Brügge. Der schrullige Gymnasialprofessor Dr. Gert Löbker, bei dem sich Hans Behrend in Kost und Logis getan hatte, ein wunderlicher Kauz, Altphilologe, nebenher Raritätensammler und Goetheforscher, war seinerzeit, und zwar bei Gelegenheit einer flandrischen Ferienreise, auf die nicht uninteressante Radierung gestoßen, hatte sie erstanden, von Stockflecken reinigen und einrahmen lassen und das wohlreparierte Bild eines Tages mit einer gewissen Feierlichkeit über das großblumige Sofa seines Zöglings gehangen. Von diesem Moment an war das Grabmal der armen Maria von Burgund das Prunk- und Paradestück in der kleinen Studentenbude geworden, und jedesmal, wenn der junge Oberprimaner das sanfte Gesicht der Entschlafenen vor Augen bekam, mußte er an die Tochter des Justizrates Fackeldey denken, an die liebliche Maria, die ihm gegenüber wohnte und noch vor wenigen Augenblicken am Fenster gestanden hatte. Dieselben Züge und dasselbe Lächeln um die wehmütigen Lippen! – Das milde Licht der Rüböllampe fiel verklärend über das Gesicht der schönen Maria. Die Buchenscheite im Ofen begannen wieder lauter zu knacken, die Schneekristalle wieder emsiger und flinker zu stieben ...

»Noch immer nicht,« sagte Hans Behrend, machte sich an einer Weichselrohrpfeife zu schaffen, setzte hierauf den Tabak mit einem Fidibus in Brand und warf sich alsdann in eine Ecke des geschweiften Sofas, daß es stöhnte und ächzte. Mit übergeschlagenen Beinen blies er die hellen Kanasterwölkchen über den Tisch fort, ließ sich von der Friedsamkeit seines behaglichen Zimmers umschauern und hörte zu, wie die aufgewirbelten Feuerfünkchen in der blankgewichsten Ofenröhre rumorten. Dazu orgelte der Wind in so recht gemütlicher Weise und spielte den kalten Schneeflocken zum Tanz auf. Zierliche Rauchspiralen häkelten sich um den milchweißen Schirm der vor ihm stehenden Lampe, krochen die vergilbten Tapetenmuster entlang, um sich von hier aus durch das Schlüsselloch der niedrigen Stubentüre zu drehen. Hier war's schon zum Aushalten. Pfeifenkringel und selige Träume ...! und dazu die geheimnisvolle Stimmung, die der Advent aufgetan hatte. Hin und wieder klappte im Hause eine neugierige Tür zu. Der gewichste Ofen warf einen scharfumrandeten Lichtfleck auf die gescheuerten Dielen. Lautlos huschte ein Mäuschen darüber, um ebenso lautlos mit seinem zierlichen Schwänzchen in eine verschwiegene Dämmerecke zu schlüpfen. Stimmung, überall Stimmung ...!

Hans Behrend streckte die Beine. – Morgen war Sonntag – ein Gefühl, das an warme Apfeltörtchen und eine spendierte Lage von Bierbouteillen erinnerte, ein Gefühl so bekömmlich wie ein wolliges Unterjäckchen in kalten Wintertagen, kurzum eine große Sache, die er wohl zu würdigen verstand und zudem noch mit dem Tuschkasten seiner regen Phantasie immer verlockender ausmalte. Überhaupt so'n Samstagnachmittag mit folgendem Sonntag ...! – Da brauchte man doch nicht die Expektorationen eines galligen Ordinarius der Oberprima über sich ergehen zu lassen, brauchte nicht auf den alten Griechen und Lateinern herumexerzieren und konnte Zeus im Donnergewölk und seine blauäugige Tochter Pallas Athene vergessen – eine himmlische Wohltat, vornehmlich jetzt in dieser behaglichen Stunde und mit der großen und heiligen Pennälerliebe im Herzen. Und in dieser Erkenntnis ...

Wie gesagt: Hans Behrend streckte die Beine und hörte auf die Stimmen im Ofen, die immer zutunlicher und vertraulicher wurden. Noch einmal klingelte die Ladenschelle des Spezereiwarenhändlers wie aus weiter Ferne herüber, dann war es so, als gingen sachte Schritte durch die von dünnen Tabakswölkchen umschleierte Stube – und dann eine Stimme, eine matte, fast klagende Stimme ...

Sie schien aus dem Bilderrahmen über dem Sofa zu kommen.

»Maria!«

Wer hatte gerufen?

Niemand, keine menschliche Seele hatte gerufen.

Er mußte sich geirrt haben – aber da wieder, leise, gespenstisch: »Maria!« und dann noch einmal: »Maria!«

Da mußte doch eine menschliche Seele ... oder war es nur ein Träumen gewesen? Dann wieder die einlullende, geheimnisvolle Stille von eben.

Sie währte nicht lange.

Hastige Schritte kamen die Treppe herauf; das Träumerische zerfloß, während die Tür ging und Fritz Heiking und Heinrich vom Hövel die Stube betraten. Ein nadelscharfer, spitziger Schneehauch drang mit ihnen ins Zimmer.

»Tag, Behrend!« Mützen und Paletots wurden heruntergezogen und fanden sich alsbald auf einer bequemen Stuhllehne wieder.

»Fiducit!«

»Danke,« replizierte Fritz Heiking und schlug die verklammten Hände zusammen, »'ne hahnebüchene Kälte da draußen – Kloben ins Feuer!«

»Machen wir!« sagte Heinrich vom Hövel, ein offener Kerl mit blitzenden Augen, aus denen zeitweilig der heilige Funke tiefer Leidenschaft ausbrechen konnte. »Machen wir, Heiking,« und damit schob er auch schon etliche Buchenscheite auf das nur noch schwelende Feuer, wandte sich hierauf und meinte, indem er die Technik des Rauchens mit den Lippen blind durchchargierte: »Sind die Stoffe präpariert?«

»Sunt,« sagte Hans Behrend und deutete auf das Bücherregal, wo etliche gestopfte Pfeifen mit weißen Porzellanköpfen an der Schmalseite hingen.

»Optime!« kam es zurück. Die Fidibusse leuchteten auf; mit einem allgemeinen »ad loca!« setzte man sich, mischte die Karten und ließ die erste Skatrunde steigen.

»Wenden!«

»Halt' ich!«

»Los denn dafür!«

In kurzen Intervallen, nur von monotonen Zwischenrufen begleitet, die streng zu den Regeln des Spieles gehörten, klatschten die Karten auf den Tisch, während der Wind in der Ofenröhre ächzte und stöhnte und kompakte Rauchfäden die vier Wände immer gemütlicher machten. Von Sankt Kilian hallte die sechste Abendstunde herüber.

»Grand!« meldete Heinrich vom Hövel.

»Null ouvert!« hielt ihm Fritz Heiling entgegen.

»Mit zweien!« überbot ihn sein Gegner.

»Dann – passe,« sagte Fritz Heiking, »aber warte, mein Junge – verbumfiedelt wirst du,« und mit einem siegesgewissen, fast hämischen Zug um die Lippen spielte er die Treffelzehn auf. »Behrend, Ohren steif!«

Allein Hans Behrend steckte tief in den Bohnen. An all seiner Reinheit und Lebendigkeit trat ihm wieder das liebgewordene Bild vor die Seele. Mit weitabfliegenden Gefühlen entfernte er sich immer mehr von seinen Kumpanen. Eine unsichtbare Gewalt trieb ihn weiter und weiter. Wie eine Heilige, wie ein überirdisches Wesen stand ihm das geliebte Mädchen vor Augen. Das wunderbare Geheimnis der ersten großen, starken Liebe beherrschte ihn völlig. Er sah nur eine von Sonnenlicht überflutete Welt und Wiesen und Weiden. Bunte Falter gaukelten über stille Blumen – und inmitten der Blumen ... Ein duftiger Heugeruch strömte herauf... Das war vor Monaten geschehen – da war er ihr zum ersten Male begegnet.

»Herrgott noch mal!« fuhr ihn plötzlich Fritz Heiking an, »hast noch den dritten Jungen in der Pinke und stichst nicht?!«

Ja, er hatte geträumt und nicht auf die Finessen seines Partners geachtet. Das Spiel war für den Gegner so gut wie gewonnen. Verstört strich er sich über die Stirne. Die Luft war zum Ersticken, der Tabaksqualm zum Durchschneiden geworden.

»Nichts für ungut,« sagte er kleinlaut, »aber mir war so, als hätte soeben eine liebe Stimme gerufen.«

»Was für 'ne Stimme – und was sagte die Stimme?«

»Maria.«

»Menschenskind ...!«

Fritz Heiking schlug ein helles Lachen an: »Das da – soeben ...?! – Das war ja die Miesekatze vom ollen Löbker; 'ne veritable Miesekatze mit sammetweichen Pfötchen und 'nem niedlichen Stimmchen ... Im übrigen, Behrend: principiis obsta!«

»Warum?« fragte dieser.

»Weil ich gleiche Rechte vertrete.«

»Du?! – und auf wen denn?«

»Auf die Trägerin des Namens, den du soeben genannt hast.«

»Was ...?!« sagte Hans Behrend. In starrem Schweigen waren seine Augen auf den Gegner gerichtet. Er wußte nicht mehr, was er antworten sollte. Alle Leidenschaften seiner jungen Tage waren in ihm rege geworden.

Fritz Heiking trumpfte auf: »Ja, mein Junge – denn frei ist der Bursch und frei ist das Lied ...«

Siegesgewiß fuhr sich der Sprecher durch die Haare. »Und wohlgemerkt,« ergänzte er mit einem spöttischen Zug um die nicht unschönen Lippen, »ich glaube, ältere Rechte beanspruchen zu können.«

»Wird beanstandet.«

»Wenn auch; ich habe größere Chancen, denn der Sohn eines Geheimen Kommerzienrates ...«

»Bleibe mir mit deinem ›Geheimen Kommerzienrat‹ vom Leibe!« rief Behrend und hatte dabei die letzten Karten von sich geworfen. Ärgerlich stieg es in ihm auf. Er fühlte deutlich: er, sein Konpennäler Fritz Heiking, gehörte auch zu denen, die, jedes glühenden Idealismus bar und in den Vorurteilen des Klassengeistes und der Standesprotzen befangen, über Herzen und Seelen zu schreiten vermochten. Ja – über Herzen und Seelen ... das war doch, gelinde gesagt, ein erbärmlicher Standpunkt.

»Und da glaubst du,« fragte er herrisch, »weil ich nur der Sohn eines Arztes mit bescheidener Praxis ...?«

»Ich glaube nichts,« sagte Heiking, »aber in dubio: Halbpart für uns beide.«

»Was verstehst du darunter?«

»Auf eigene Kappe poussieren. Morgen will ich mein Glück auf der Eisbahn versuchen; übermorgen du.«

»Nein,« sagte Behrend.

»Dann mögen über den strittigen Punkt die Karten entscheiden,« legte sich Heinrich vom Hövel ins Mittel. »Gottesorakel! – Einverstanden?«

»Einverstanden,« kam es zurück.

»Na – denn also,« sagte der salomonische Friedensstifter und mischte die Karten. »Wer die erste Dame erwischt, eröffnet den Reigen,« und damit ging es ihm auch schon fingerfertig von den Händen herunter: »Bube, Neune, Zehne, König, Neune, dito, Achte, Bube, Aß – Coeurdame ...! – Behrend, meinen allerherzlichsten Glückwunsch.«

»Verdammt!« sagte Heiking. Eine längst veraltete Narbe, die sich quer über die linke Stirnseite hinzog, begann leise zu flammen. Obgleich er dem blinden Zufall unterlegen war, gab er dennoch das Rennen nicht auf. In seinen gekniffenen Blicken lag eine sieghafte Verachtung. Er wandte sich kurz, stellte die Pfeife beiseite und verließ mit einem hingeworfenen »Guten Abend!« das Zimmer.

»Aber, Mensch ...!« rief ihm Hans Behrend nach.

»Ich danke,« lautete die frostige Antwort.

Heinrich vom Hövel lachte bitter auf und sah seinem Freunde tief in die Augen.

»Ich hab's dir ja immer gesagt,« meinte er schließlich, »dicknäsig und arrogant – und du glaubtest, bei dem deine Gesichtskreise erweitern zu können ... ?«

»Man kann sich eben irren.«

»Das kann man,« versetzte Heinrich vom Hövel. »Im übrigen freue dich auf den morgigen Sonntag – und jetzt: Schwamm über die Sache.«

Gemütlich warf sich der blonde Teutone in eine Sofaecke, schlug die Beine übereinander und sagte, indem er den Tabaksrauch seiner Weichselrohrpfeife über die Tischkante fortblies: »Beatus ille, qui proeul negotiis ...! Gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst und grüße mir die schöne Maria.«

Der Riß, der die behagliche Abendstimmung zu vernichten drohte, vernarbte wieder. Plaudernd blieben die beiden Freunde zusammen. Im Nebenzimmer, das über der Küche lag, wurde ein Heimchen lebendig. Draußen auf dem Hausflur tickte die heisere Standuhr. Minute reihte sich an Minute, Stunde an Stunde. Gegen acht Uhr trennte man sich. Das Schneegestöber hatte inzwischen nachgelassen, dann gänzlich aufgehört. Die Sterne standen unruhig am Himmel und kündeten einen ständigen, klirrenden Frost an. Die Kälte ging mit erfrorener Nasenspitze umher und hauchte ihren dunstigen Atem gegen die Fensterscheiben, daß sie sich blümten und mit Klöppelwerk und Brabanter Spitzen bedeckten. Die flaumige Schneedecke piepste unter ihren trippelnden Schritten. Die blankgeputzten Sterne gerieten in ein immer nervöseres Zucken. So ging es die Nacht durch, und als der Morgen kam, sah er vor dem Sankt Ägidientor auf eine stahlharte Fläche, die, vom Winde gesäubert und gefegt, sich fast unabsehbar bis zum ›Schwarzen Vorholz‹ erstreckte. Zur Rechten lag die alte Stadt mit ihren Schneehauben und weißen Zipfelmützen. Mit Rauhreif bedeckte Lindenzweige legten ein feinmaschiges Straminnetz darüber. Sonnenfunken standen darauf und brachten alles in ein flirrendes Leuchten.

Während der Nachmittagsstunden herrschte ein reges Leben auf der endlosen Bahn. Die Kapelle der vierten Grenadiere spielte den Schlittschuhläufern zum Tanz auf, die sich in zierlichen Künsten gefielen. Zwischen ihnen – Hans und Maria. Hand in Hand und Schulter an Schulter geschmiegt, zogen sie ihre Kreise immer weiter und weiter. Ohne daß sie es selber gewahrten, flogen sie dem feierlichen Licht zu, das über dem ›Schwarzen Vorholz‹ sich ausdehnte. Ja, es war ein seltsames, feierliches Licht, was da brannte, denn es beschien ein großes Geheimnis und das erste Aufflammen einer schönen und heiligen Liebe – und sie erschraken fast beide, als sie sehend wurden und zur Erkenntnis gelangten. Ein banges, seliges Wünschen, ein scheues, verhaltenes Sehnen war in ihnen. Wie von weichen Lüften getragen, glitten sie über den silbernen Spiegel, dessen untere Fläche die schlangenartigen Triebe des Aalkrautes berührten. Jede Spur eines menschlichen Fußes hatte aufgehört. Sie waren allein. Nur aus weiter Ferne hallten die verlorenen Klänge der Musikkapelle herüber. Das ernste Licht am westlichen Himmel war tiefer gesunken. Das ›Schwarze Vorholz‹ lag darauf, als hätte es ein Silhouettenzeichner auf eine goldene Folie geworfen. Einzelne Funken sprühten durch die dunklen Stämme und machten das wirre Blondhaar des lieben Mädchens erstrahlen.

Da hielt er den Fuß an.

»Was hast du?« fragte sie zögernd.

Er tastete nach ihrer Hand und sah in tiefer Verwirrung auf ihren goldigen Scheitel. Dann kam es über ihn.

»Du weißt es ja, wie es um mich steht,« sagte er leise, »und du ...?«

Tränen waren ihr in die Augen getreten.

»Maria...!«

Wie unter dem Zwang einer glückseligen Lust war er in die Knie gesunken, hatte ihren Schoß umklammert und sein Gesicht in die Falten ihres Kleides gebettet.

Sie waren allein, so ganz allein in der großen Stille, die ihre Augen auftat, als wäre sie aus dem Lande der Märchen gekommen. Und da stammelte er von kommenden Zeiten und der tiefen Liebe, die sein junges Leben beherrschte. Und als er das sagte, beugte sie sich mit stiller Gebärde zu ihm herab und suchte ihn an sich zu ziehen.

»Küsse mich,« sagte sie mit verhaltenem Atem.

Da riß er sich auf. Mund lag auf Mund, und ihr jugendlicher, biegsamer Körper schmiegte sich an ihn. Ein Leuchten flog über ihr Gesicht. Eine Heilige war sie ihm früher erschienen, jetzt war sie seine Geliebte geworden – und doch alles so rein und so keusch und so unberührt wie ihre kindliche Seele. Ihre kleine, harte Brust drückte sich an ihn. Er fühlte das wunderbare Geheimnis ihres jungfräulichen Leibes. Er schien im Traume zu sein, in stiller Verzückung, und in dieser Verzückung gingen die Tage unter, die Monde und Jahre ... Sein ganzes Fühlen und Denken blieb dasselbe, sowohl auf der Universität, als später, da er sich anschickte, mit heißer Arbeit und heißem Ringen nach der literarischen Palme zu greifen. Der unerbittliche Kampf ums Leben setzte ein, riß ihn mit sich und gab ihm die Schale herber Entbehrung zu kosten. Der große Erfolg wollte nicht kommen. Er gab aber das Ringen nicht auf und arbeitete weiter. Eine Zeit der Selbstkasteiung begann. Die Not trat an seine Seite. Er fühlte den Druck ihrer Hand und das Empfindliche ihrer glanzlosen Blicke, die über ihm standen. Und wäre nicht die Erinnerung an die alten Zeiten geblieben, wäre nicht die liebe Stimme gewesen, die Stimme von damals, was hätte ihn noch bewegen sollen, erhobenen Hauptes in die Zukunft zu blicken und auf bessere Tage zu hoffen? Er hoffte und harrte. Für ihn hatten die Rosen von Pästum noch nicht an ihrem Zauber verloren. Sie blühten wie immer – und in diesem Bewußtsein machte er längstverklungene Glockentöne wieder lebendig, übertrug das geheimnisvolle Wunder der Jerichorose auf sein eigenes Sinnen und Trachten, und so, von inniger Liebe getragen, bequemte sich sein Geist, in den Bildern vergangener Tage wie in einem liebgewonnenen Andachtsbuche zu blättern. Er hatte sie noch etliche Male gesehen. Sie schrieben sich häufig. Aber was sollte das alles? Sie mochten es sich eingestehen oder nicht – die eingeschlagene Laufbahn konnte dem sehnlichen Wünschen, wenigstens auf Jahre hinaus, keine Verwirklichung geben und blieb was es war: nur ein unbestimmtes, dämmerhaftes Tasten nach den Händen des Glückes. Die Glocken, die dereinstmals über die alte Stadt und die blühende Heide geklungen hatten, tönten noch immer, die geheimnisvolle Jerichorose hatte noch nichts von ihren Wundern eingebüßt – gewiß nicht, es war alles wie früher ... aber da eines Tages verloren ihre Briefe an Leben und Tiefe, dann trafen sie spärlicher ein und dann versiechten sie gänzlich. Eine stille Resignation hatte sich seiner bemächtigt. Ein Sturmwind war nötig, um ihn aus seinem dumpfen Brüten zu wecken. Und der Sturmwind kam; der große Wurf war gelungen. Jahre um Jahre hatte er hierzu gebraucht. Immer Aussaat um Aussaat! Immer die vergebliche Hoffnung! Endlich hatte sie Halm und Ähre getrieben. Ein wogendes Kornfeld! – und es war schnittreif geworden. Seinem beharrlichen Schaffen, seinem Namen waren Flügel gewachsen. – Es hielt ihn nicht länger. Ein unbezwingliches Sehnen ergriff ihn. Ums Abendläuten erreichte er das Ziel seiner Wünsche. Nadelscharfe Kristalle tanzten vom Himmel herunter. Die Straßenlaternen standen wie große, dunstige Lichtflecke inmitten der flirrenden Sternchen, gerade wie damals, als er von seiner Stube in das emsige Schneetreiben hinaussah – damals, als er auf seine Kommilitonen Fritz Heiking und Heinrich vom Hövel gewartet. Unwillkürlich dachte er an vergangene Zeiten. »Wo seid ihr, ihr Lieben, mir alle geblieben ...!« Das Herz klopfte ihm hörbar, als er durch die schneeweißen Gassen dahinging. Da lag es vor ihm – das Haus seiner Sehnsucht. Unsicheren Fußes betrat er die Stiegen. Die engbrüstige Fassade war dunkel. Nur in dem Oberfenster der Türe stand ein spärlicher Lichtschein. Jetzt zog er die Klingel. Nach längerem Warten wurde ihm von einem ältlichen Frauenzimmer geöffnet.

»Ist der Herr Justizrat zu Hause?«

Das Mädchen sah ihn mit großen Augen an.

»Sie sind wohl fremd hier?« sagte es schließlich.

»Das allerdings – aber ich sollte doch meinen ...«

»Der Herr Justizrat sind vor einem halben Jahre verstorben.«

»Und Fräulein Maria?«

»Ist mit der Mutter und ihrem Verlobten zu den Schwiegereltern gegangen.«

»Und wie heißt ihr Verlobter?«

»Regierungsrat Heiking.«

Er hörte die Worte wie aus weiter Ferne. Er empfand das Rätsel der Frauenseele, das unlösliche Rätsel, das bei subtil veranlagten Naturen zu Tränen zwingt und den Schatten des Todes vorauswirft. Er wandte sich und ging, ohne ein Wort weiter zu sagen, wieder durch die schneeblaue Nacht hin. Das Mädchen sah ihm nach, als hätte es mit einem Irren gesprochen. Noch an demselben Tage fuhr er heimwärts. Von ihr hörte er nichts mehr. Vergebens suchte er die Lösung des Rätsels zu finden. Das ganze Leben schien ihm eine Reihe von Widersprüchen zu sein, die er nicht entziffern konnte. Er suchte Trost in der Arbeit. Neue Entwürfe entstanden. Er wurde gefeiert, aber Vergessen brachte es nicht. Er konnte den Odemzug des täglichen Lebens nicht finden. Sein Geist glich einem stillen Gelände, über welches ein schwermütiges Abendläuten dahinging. – Sein Jugendfreund Heinrich vom Hövel hatte inzwischen die große Nummer gezogen. Frischweg von der Juristerei fort und schon nach glücklich bestandenem Staatsexamen, war er, einem tiefeingewurzelten Drange gehorchend, kurzerhand in die Malerjacke geschlüpft und ließ sich von dem Geheimnis der Sankt Lukasgilde umfangen. Sein Schritt war kein unüberlegter gewesen. Die Zeit brachte Früchte. In einer Kunststadt am Rhein ansässig, verlebte er die Sommer- und Herbstmonate an der flandrischen Küste. Er meisterte diese Gegend mit einem seltsamen Können. Etwas Großzügiges haftete seinem Schaffen an, das, mit dem der alten Niederländer verwandt, dennoch den markanten Pulsschlag des eigenen Ichs nicht zu leugnen vermochte. Maler und Dichter blieben durch die alte Freundschaft verbunden. Mehrmals waren sie zusammen gekommen, und zwar regelmäßig dann, wenn die gemeinsam verlebten und schwerdurchkämpften Stunden des Abiturientenexamens sich jährten. Bei einer solchen Gelegenheit, und zwar bei der letzten, sahen sich die beiden tief in die Augen. Die Gläser klangen durch die Stille der Nacht hin, und als sie verklangen ... »Mensch!« sagte plötzlich Heinrich vom Hövel, »so geht es nicht weiter. Du verblutest ja an der alten Wunde. Der Norden bringt keine Heilung. Versuche es mal mit dem heiteren Süden ...« und Hans Behrend verstand ihn. Während noch im nördlichen Deutschland die Märzschauer regierten, hatte er das Land seiner Jugendträume – Capri – gefunden. Noch am Abend seiner Ankunft ging er in den Park hinaus, der an das ewige Meer stieß. Hinter ihm lag das Hotel Quisisana strahlend erleuchtet. Palmen und Wellingtonien stiegen geheimnisvoll in den tiefblauen Himmel. In den Kirschlorbeerhecken spielten glitzernde Fünkchen. Vom Meer her kamen weiche Saitenklänge; dann ließ sich eine sonore Männerstimme vernehmen: »O dolce Napoli ...« Er war tief bewegt. Die Tränen wollten ihm kommen. Anderen Tages, als er wieder unter dem Gesäusel der Wellingtonien hinschlenderte, trat ihm der Portier des Hauses entgegen. Mit der Linken hob er leicht die goldgeränderte Mütze.

»Herr Behrend ...?«

»Allerdings.«

Hans Behrend warf einen kurzen Blick auf die Adresse des ihm behändeten Briefes. Scheinbar mit verstellter Handschrift verfaßt, wies das Kuvert weder Freimarke noch Poststempel auf.

»Von wem?« fragte er leichthin.

»Ein Angestellter des Hauses...«

»Und sonst...?«

Der Portier zuckte die Achseln.

»Ich danke.«

Er brach das Kuvert auf. Auch hier auf dem zierlichen Bogen die nämlichen Züge – scheinbar verstellt und dennoch mit etlichen Zeichen behaftet, die ihm das Bild einer geliebten Handschrift vorzuspiegeln vermochten. Er las: »Ich habe Sie gestern von meinem Fenster aus gesehen. Jeglichen Traum weise ich von mir; ich kann mich nicht irren. Wollen Sie mich noch einmal begrüßen – nun wohl, so bin ich heute abend gegen sieben Uhr auf dem schmalen Fußpfad zu finden, der von der Punta Tragara zu den Faraglioni hinführt. Leben Sie wohl.«

Das war alles. Nichts weiter. Keine Unterschrift, kein sonstiges Zeichen ... alles! – Und dennoch... aber das war ja völlig ausgeschlossen! Er suchte auf andere Gedanken zu kommen, brannte sich eine Zigarre an und folgte den Rauchwölkchen mit forciertem Interesse. Auch das währte nicht lange. Sein Geist ließ sich nicht zwingen; wiederum begann er in dem alten Andachtsbuche zu blättern. Und dann: er hielt Umschau unter den Gästen des Hotels. Er suchte im Park, wo die weichsinnlichen Klänge des Metrawalzers ertönten. Im Speisesaal blickte er bei jedem einschmeichelnden Frou-Frou auf. Er fand nicht, was er suchte. Alles unbekannte Gesichter! – Also gedulden ...! – Ewige Minuten ...! – sie krochen dahin wie Schnecken. – Schon eine geraume Zeit vor der festgesetzten Stunde hatte er den schmalen Fußweg betreten. Der Strand lag vereinsamt. Die Sonne war untergegangen. Wie ein purpurner Scheiterhaufen loderten ihre letzten Strahlen gen Himmel. Das Meer nahm einen violblauen Ton an. Eine weiße, rätselhafte Linie schien die Unendlichkeit der ruhigen Fläche begrenzen zu wollen. Aus dichten Schaummassen wuchsen die Faraglioni sichtbar in den friedlichen Abend. Ein rosiger Kuß haftete noch auf ihren äußersten Klippen. Ein großer, schwarzer Vogel strich langsamen Fluges über sie fort. Noch einmal zuckten die Purpurflammen aufwärts. Dann verloren sie an Farbe und Fülle, um schließlich ganz zu ersterben. Mit ihrem Schwinden stand hinter Anacapri eine silberne Helle. Der Mond war im Aufstieg begriffen. – Mit seinem Aufstieg bewegte sich eine hohe Frauengestalt zwischen Lorbeerbüschen und Klippen, die den engen Fußpfad begrenzten. Ein sanfter Wind blies ihren dunklen Schleier gegen das Meer an. Zögernd war sie näher gekommen. Noch konnte er nicht ihre Züge erkennen, aber er hatte das dumpfe Gefühl, daß ihn die nächste Minute um den Verstand bringen würde. Jetzt stand sie vor ihm. Er hätte aufschreien mögen.

»Du – hier?« sagte er heftig. Er glaubte, die Welt müßte sich aus den Angeln heben.

Tastend griff er nach ihren Händen.

»Ja,« sagte sie leise. »Mir wurde der Süden verordnet; ich gedenke noch einen Monat zu bleiben.«

»Und dein Mann?«

»Ist glücklich in seinem Berufe.«

»Und du?«

Sie wandte sich ab und sah über das Meer fort, auf dessen tiefblauer Fläche die ersten Mondfüßchen tanzten.

»Und du?« fragte er noch einmal.

Sie gab keine Antwort. Unentwegt gingen ihre starren Blicke über die Wunder, die der Abend verschwenderisch aufgetan hatte. Da stieg Bitterkeit in ihm auf. Sein vergangenes Leben und das, was noch kommen würde, lag vor ihm. Ihre Hände waren aus den seinen geglitten.

»Dieses Mal werde ich ruhig von dir gehen,« sagte er schließlich, »denn ich glaube dich glücklich zu wissen. Ich will deinen Frieden nicht stören.«

Da wandte sie sich. Mit blasser Hand fuhr sie ihm sacht über die Stirn.

»Wer hat schwerer zu tragen,« fragte sie ruhig, »du oder ich? – Du hast das Leben noch vor dir, während meine Tage in stiller Trauer dahinziehn.«

Die letzten Worte gingen unter in einem verhaltenen Schluchzen.

»Und du liebst mich noch immer?« fragte er wie in dumpfer Betäubung.

»Ja,« sagte sie leise.

»Und mehr wie den andern ...?«

Statt einer Antwort nahm sie seinen Kopf zwischen ihre Hände und küßte ihn lange. Da riß er sie an sich, bog ihren Oberkörper zurück und preßte seinen Mund auf ihre zuckenden Lippen. »Aber dann verstehe ich nicht ...« keuchte er mit rauher Betonung. »Du mußtest doch wissen ...«

»Ja,« nickte sie heftig, »aber ich konnte nicht anders.«

Sanft, ohne sich seinen Liebkosungen zu entziehen, wand sie sich aus seiner starren Umarmung. Ihre Hände verstrickten sich, und wieder gingen ihre feuchten Blicke über das traumhafte Meer hin. Eine verschwenderische Fülle von Licht rieselte über die endlose Fläche. Und wieder das verhaltene Schluchzen von eben ... und da wußte er, daß sie nach Worten suchte, die den dunklen Punkt aus vergangenen Tagen aufklären sollten. Sie begann tonlos und in abgerissenen Lauten zu sprechen, aber sie sprach in logischer Weise, einzeln die Fäden entwirrend, die, schließlich zu einem Ganzen verflochten, ihre Handlungsweise erklären und das Unerbittliche ihres Schicksals darlegen sollten. Ihre Stimme erstickte fast, als sie zum Schluß kam. »Wäre ein anderer Ausweg möglich gewesen,« sagte sie endlich, »ich hätte mich mit der Verzweiflung einer Ertrinkenden an den kleinsten Strohhalm geklammert. Und wie habe ich nach Rettung geschrien! – Aber konntest du helfen? – Nach dem Tode des Vaters standen wir vor einer gähnenden Leere. Aller Mittel entblößt, ging meine Mutter einem bedauernswerten und freudelosen Dasein entgegen. Ihrem Lebensabend waren nur Kummer und Sorgen geblieben – und um diese zu scheuchen, um den Namen meines Vaters zu retten ... ich tat, was ich mußte, wenn auch der Flügelstaub von meinen Schwingen dahin war. So ist denn alles gekommen, wie es das Schicksal bestimmt hat. Und was es getan hat, das war ehrliche, aber fanatische Arbeit, so daß mir nichts weiter übrig blieb, das Unabänderliche ergeben, wenn auch blutenden Herzens zu dulden. Das ist mir bis heute gelungen, und ich gedenke es auch in Zukunft zu tragen. Du aber,« und ihre Stimme nahm einen schmerzlichen Ton an, »sei stark, handle wie ich und suche dich mit dem abzufinden, was keine Änderung zuläßt. Vergönne mir aber ein verborgenes Plätzchen in deiner Brust, und halte lieb deine arme Maria.«

Sie sah ihn mit großen Augen an: »Ja, du – wie du sie damals geliebt hast – damals vor Jahren.«

»Und wie ich dich heute noch liebe!«

Zäh kamen die Worte von seinen Lippen herunter. Das ganze Ungestüm seines verhaltenen Sehnens war in ihm rege geworden. Er war näher getreten und hatte die Arme gebreitet – und da fanden sie sich in dumpfer Weltvergessenheit und hielten sich lange umschlungen. Der Duft des Weibes war bei ihm. Er fühlte den dämonischen Zauber und alles, was seine Brust bewegte. Da hielt's ihn nicht länger. Gemartert lag er zu ihren Füßen, hielt ihre Knie umarmt und preßte sie an sich, trunkenen Blickes die herrlichen Linien ihres Körpers in sich aufnehmend.

»Maria, Maria!« brach es in ihm los, »und was hindert dich jetzt noch, die alten Fesseln zu sprengen?! – Wirf sie von dir und folge mir in das klingende Leben. Jetzt habe ich die Macht, dich glücklich zu machen. Ich will – und du mußt, denn du hast mir eher gehört vor Gott und den Menschen.«

In fiebriger Hast packte er wieder ihre Hände und drückte sie krampfhaft. Seine Blicke hingen an ihrem zuckenden Munde.

Alles Leben war aus ihrem Antlitz gewichen.

»Ich wußte, daß es so kommen würde,« sagte sie mit erkünstelter Ruhe.

Was war das? – Was sollten diese Worte bedeuten?

Fast zornig war er vom Boden gefahren.

»Du willst nicht?« fragte er trocken.

Sie schüttelte kaum merklich den Kopf.

Ihre Augen begegneten sich.

»Du mußt.«

»Nein. Ich kann nicht.«

»Aber wenn du mich liebst ...«

»Eben deshalb, weil ich dich liebe. Ich habe alles bedacht und alles vorhergesehen, wie es gekommen ist. Während der verflossenen Nacht war die Verzweiflung bei mir. Ich habe gesonnen – und keinen Ausweg gefunden. Ich mußte diese Aussprache haben; das war ich dir schuldig – das bin ich mir schuldig gewesen. Ob sie Erlösung bringt, ob wir unseren Seelenfrieden hierdurch wiedergewinnen – das zu ermessen, ist nicht unseren Kräften gegeben. Ich lebe dumpf und abgehetzt neben ihm her. Ich glaube ihm und glaube ihm nicht. Ich verstehe ihn und verstehe ihn nicht. Manchmal ist mir so, als wenn er mir unrecht täte. Gleich darauf denke ich anders, aber das weiß ich: er wird schwerlich eine Trennung gestatten... und dann du: wir sind nicht mehr dieselben Menschen von früher. Dir ja, dir lacht noch das Leben – aber was habe ich zu erwarten? Und wenn ich auch wollte, du weißt ja: ohne des andern Einwilligung wird keine Ehe geschieden – und um das zu erreichen, vorher deine Geliebte zu werden ...«

Sie zuckte schmerzlich zusammen. Sanft hatte sie ihren Arm um seinen Nacken geschlungen. Ihr Mund verzog sich zu einem wehen Lächeln. Dann sah sie ihm jäh und starr in die Augen.

»Töte mich lieber,« sagte sie herrisch. »Aber um jenen Preis das Glück zu gewinnen ... Nein, du – das kannst du nicht wollen.«

Sie hatte mit einer beinah grausamen Härte gesprochen.

»Maria, Maria ...!«

Er küßte sie mit gläubiger Inbrunst. Heiße Tränen fielen auf ihre Stirne.

»Nein, du,« sagte sie schaudernd, preßte die Hände gegen seine Brust und beugte sich rücklings, »das hieße ja, das Heilige unserer großen Liebe erwürgen. Ich darf so nicht handeln und kann so nicht handeln. Niemals! – Verstehst du? Ich wollte dich noch einmal sehen, noch einmal die Stunde genießen und dann dich bitten: Gehe. – Ich habe keine Kraft und keinen Willen mehr. Sie sind gebrochen in mir; und wenn du bliebest, du würdest mich sündig machen – und das darfst du nicht wollen.«

Er vermochte keine Antwort zu geben.

»Sei doch stark,« sagte sie unter heftigem Schluchzen, und noch einmal ruhten ihre Lippen zusammen.

»So komm,« meinte er gefaßt. Er war still wie ein Kind und gefügig wie ein Kranker geworden.

Hand in Hand gingen sie heimwärts. Eine Nachtwandlerin, apathisch, gefühllos, schritt sie an seiner Seite dem ferngelegenen Garten des Hotels Quisisana entgegen.

Das Meer rauschte stärker. Am schroffen Fuß der Faraglioni stäubten glitzernde Funken. Auf den Wassern war die sonore Männerstimme von gestern: »O dolce Napoli ...«

In der Nähe der ersten Häuser, die verschwiegen unter dem Mond lagen, schlang sie noch einmal die Arme um ihn. Stumm und selbstvergessen sah sie ihn an. Krampfhaft biß er die Lippen zusammen. Dann trennten sie sich. – Anderen Tages ging Gottes herrlichste Sonntagsfrühe über das köstliche Eiland. Hans Behrend machte sich fertig, um mit dem ersten Schiff nach Neapel zu fahren. Meer und Erde lagen in unendlicher Klarheit. Als er die Terrasse verließ, hörte er das Rauschen von Frauengewändern. Er wandte sich. Es war Maria. »Ich seh' dich nicht wieder?« sagte sie mit schmerzlicher Stimme.

Er gab ihr die Hand.

»Nie mehr,« sagte er ruhig, dann ging er, ohne sich nochmals umzusehen, zur Großen Marina hinunter.

Sie sah ihm mit wehen Augen nach – aber es waren Augen, die keine Tränen mehr hatten. Auf Capri wurde die erste Morgenglocke lebendig. –

Er war seit Tagen daheim. In Deutschland hatte inzwischen der Frühling seinen Einzug gehalten. – Unter den Hecken und an den Uferrändern war es blau von duftigen Veilchen. Die Waldanemonen schlugen ihre Lider auf, und Narzissensterne schauerten den kommenden Ostern entgegen. Und dann ... Am Abend des dritten Tages saß der Vereinsamte in seinem Arbeitszimmer am Fenster. Im Dämmerlicht überflog er die Zeitung. Es war ein mechanisches Lesen, lediglich dazu angetan, seine innere Unruhe niederzukämpfen. Da las er: »Capri, den 25. März. Am Fuß der Faraglioni wurde die Leiche einer Deutschen gefunden. Man vermutet in ihr die noch jugendliche Frau eines höheren Regierungsbeamten. Wahrscheinlich verunglückte sie auf einem Spaziergang zur Punta Tragara.«

Lautlos sank er in die Knie. Er breitete die Arme und versuchte ihren Namen zu rufen; er konnte das Wort nicht mehr finden. Im Fieber sah er die Welt an. Eine brutale Faust warf ihn nieder. Erst nach Wochen genas er. Es war nur ein halbes Genesen. Hoffnung und Zukunftsfreude gingen über die erwachende Erde. Sein Geist aber sah rückwärts. Er fand, was er suchte: sie war abgestürzt am Abend des Tages, wo er Capri verlassen hatte. Seit dieser Erkenntnis war er gezwungen, eine Tote zu lieben.

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Mehr denn zwei Jahre vergingen.

Was die Schwalbe sang, was die Schwalbe sang ...

II

Wilhelmintje Bottertje ...!

Gott, dieser Name ...! – aber sie hieß wirklich Wilhelmintje Bottertje, war eine geborene Oemmertje-Donselaer, hatte im benachbarten Sluis die vier Wände beschrien und saß jetzt vor ihrem khakifarbenen Haus in Sankt Anne, an dessen Längsseiten die Stockrosen so kräftig gediehen, daß sie mit ihren strotzigen Blütenschäften fast das Sims der oberen Fenster berührten. Und die Stockrosen waren von blauschwarzen und hellvioletten Kulören, andere wieder durchliefen die Farbenskala von Zinnoberrot bis zum gesättigten Purpur, während etliche so fromm und fleischfarbig aussahen wie das rundliche Gesicht von Madam Bottertje selber, die mit ihrer mechelschen Haube, den rotgoldenen Ohrgehängen und zusammengefalteten Händen so weltvergessen dasaß, als müsse sie über ein tiefes Geheimnis nachsimulieren.

Allein Wilhelmintje Bottertje dachte gar nicht an tiefgründige Sachen, hatte vielmehr Feierabend gemacht, saß in behaglicher Muße auf ihrem Binsenstuhl und ließ sich von dem aus dem Hausflur kommenden Duft nach Spezereiwaren umspielen, aus dem jeder Kundige das Vorhandensein von Zichorien, Käse, Süßholz, Kaffee und Genever herauswittern konnte. Und in der Tat – in dem niedrigen Auslagefenster standen alle diese Dinge in weitbauchigen Gläsern, überragt von einem mächtigen Zuckerhut in blauer Papierlivree, der ebenso insichgekehrt wie Madam Bottertje auf die menschenleere Straße hinaussah und sicher vor Langeweile gegähnt haben würde, wenn es für ihn in dem Bereich des Möglichen gelegen hätte. Was er jedoch nicht vermochte, das besorgte Wilhelmintje Bottertje – sie gähnte, und zwar so kräftig und nachhaltig, daß ihre Weisheitszähne sichtbar wurden, und die langen Ohrgehänge in eine klingende Bewegung gerieten. Dieses sanftmütige Goldgeklingel war das einzige Geräusch in Sankt Anne, wenn man von dem feinen Lispeln der Pappeln absah, die in der Dorfstraße standen und ihre silberigen Blätter kaum wahrnehmbar auf und nieder bewegten. Selige, einschläfernde Ruhe schien überhaupt das Attribut von Sankt Anne, und wäre nicht der Verkehr auf der schmalspurigen Vizinalbahn gewesen, die die Verbindung mit dem nahgelegenen Knocke sur mer, Brügge und dem linken Scheldeufer vermittelte, diese Ruhe hätte an die weiche, schaukelnde Ruhe einer Schleiereule erinnert, die in stillen Sommernächten auf linder Watte dahingleitet.

Überhaupt diese Ruhe ...! – Sie lag auf den Türschwellen der niedrigen Häuser, sie haftete an dem mächtigen Ziegelturm, der, stumpfabgeschnitten und mit dreiläppigen Rippen verziert, wie ein massiger holländischer Pastetenbäcker aus dem Boden herauswuchs; sie spazierte in die müden Wiesen hinein, über die benachbarten Dünen, hinter denen das Meer lag, still, groß, alles umfassend – aber wie mit Öl Übergossen. Das Meer träumte. Selbst in den Rispen des sonst so nervösen Strandhafers war nicht die geringste Bewegung. Sankt Anne glich einer schnurrenden Katze, die, halbeingeduselt, kaum noch zu blinzeln vermochte, und der von Zeit zu Zeit eine liebevolle Hand über das schiefersilbrige Fell strich – halb eingeduselt wie Wilhelmintje Bottertje selber, die noch immer dasaß, als hätte ihr eine innere Stimme geboten: »Estimiere die flandrische Stille.« – Na, das besorgte Wilhelmintje denn auch. Ein toter Schellfisch hätte seine Sache nicht perfekter ausführen können. Wilhelmintje Bottertje war wirklich so still wie ein Schellfisch.

Ihrem schlichten Anwesen schräg gegenüber lag ein ähnliches Häuschen. Dieselbe Khakifarbe, dieselben blauangestrichenen Fensterläden, Stockrosen von denselben Kulören, die gleichen Klinkertreppen, der nämliche Türgriff, blank wie ein Dobbeltje, das eben aus der Präge hervorklingelt – nur das Auslagefenster enthielt andere Waren. Statt der breiten Geneverbouteillen, der Gläser mit Kristallzucker und Kaffee, präsentierte sich hier eine Serie Brabanter Spitzen, die ihr Dasein der Werktätigkeit und geschickten Hand der wackeren Inhaberin des Häuschens verdankten. Es war gezwirnte Renaissancetüftelei, geklöppelte Gotik, und vor dieser geklöppelten Gotik, neben der Klinkertreppe, stand ein hochlehniger Sessel und vor ihm ein niedriges Tischchen – und dann ging die Tür auf, die blitzblaue Tür mit dem messingenen Handgriff ...

Der Zauber der Weltverlorenheit war von Sankt Anne gewichen.

Auf der blankgescheuerten Schwelle erschien eine Frauensperson, die ein wohlassortiertes Klöppelkissen im Arm hielt. Beim Anblick dieser Erscheinung wäre jeder Unkundige vor Schreck in die Knie gefallen, denn das leibhaftige Ich der Madam Bottertje war aus dem khakifarbigen Häuschen getreten und nickte über die Straße seinem eigenen Selbst zu.

Aber wieso denn ...?!

Die beiden Gegenüber glichen sich wie eine Erbse der anderen, wie eine Kaffeebohne der anderen Kaffeebohne, sowohl hinsichtlich des inneren wie des äußeren Menschen: der Komplettigkeit nach und dem Phlegma nach. Sogar der Matronenspeck wies dieselben Falten und Fältchen auf, die rotgoldenen Ohrgehänge hatten ein und dasselbe Geklingel, und es hätte entschieden zu den schwerwiegendsten Komplikationen geführt, wären die Haubenbänder und Rüschen der beiden nicht von verschiedenen Farben gewesen. Es war also ein Spiel der Natur, daß Sankt Anne zwei leibhaftige Wilhelmintje Bottertje aufweisen konnte?! – I, Gott bewahre! – Zwei Wilhelmintje – nein; aber zwei Bottertje – ja, und dazu noch zwei Bottertje, geborene Oemmertje-Donselaer, wovon die zuletzt Erschienene, also die mit dem Klöppelkissen, sich Bernadintje schrieb, eine um zwei Stunden elf Minuten jüngere Zwillingsschwester Wilhelmintjes war und sich mit dem Balbierer und Ferkelschneider Basilius Bottertje, dem Mannesbruder ihrer Schwester, verheiratet hatte. Wilhelmintje hatte mit ihrem Jan Glück in der Ehe, während Basilius sich als ein Windschneider herausmusterte, keine Schürze in Ruhe ließ und eines Tages mit der noch jugendlichen Frau des Manufakturisten Luis Gielen aus Lisseweghe auf- und davonging – eine lange und verweinte Geschichte, die aber schließlich Bernadintje veranlaßte, einen Spitzenladen aufzutun und darüber mit weißer Ölfarbe schreiben zu lassen: ›Bernadintje Bottertje, geborene Oemmertje-Donselaer, Witwe en Kopmannsfrau te Sankt Anne in Holland.‹ Und so war es bis zum heutigen Tage geblieben ... und Bernadintje trat über die Schwelle, setzte sich auf ihren Binsenstuhl, legte ihre Klöppelei zurecht und rief über die Straße: »Tag, Wilhelmintje!«

»Tag, Bernadintje!«

»Wie geht's?«

»As't üh belieft, Bernadintje?!«

»Ich meine, wie's geht!«

»Merci. Jan macht nach Brügge.«

»Mit seinem Tilbury?«

»Nein – mit die Landkutsch.«

»Warum denn?«

»Er muß 'ne frische Bettstelle holen.«

»Hm, hm!« machte Bernadintje und ließ mit einem charakteristischen Geräusch die birnförmigen Holzspulen durcheinander haspeln. Dann fragte sie wieder: »Wilhelmintje, wieso denn?«

»Weil uns Mynherr vom Hövel 'nen neuen Inwohner rekommandiert hat.«

»Ist denn Mynheer vom Hövel schon hier?«

»Seit Freitag.«

»Und der Rekommandierte?«

»Ist ein Schriftgelehrter aus Deutschland.«

»Gratuliere!«

»Merci – und deine Inwohners?«

»Haben gestern geschrieben.«

»Und kommen?«

»Ja!« rief Bernadintje, »der deutsche Domine und seine Tochter aus Brügge. In vierzehn Tagen können sie hier sein. Ich freue mir sehr.«

»Ich auch,« sagte Wilhelmintje, und dann begannen abermals die Klöppelspulen zu sprechen und die Ohrgehänge zu klingeln, und die Pappelbäume plauderten ganz leise dazwischen, und die große Ruhe von eben stelzte wieder, wie eine graue Spinne mit langen Kankerbeinen, über das weltvergessene Dorf hin, und die steifen Stockrosen standen da wie Myfrouwen im Putz, die sich äußerst staats gemacht hatten und vor lauter Feinheit sich nicht zu setzen vermochten, und Wilhelmintje Bottertje gähnte noch einmal, dann drehte sie sich langsam auf ihrem Untergestell, wie eine holländische Windmühle auf ihrem, Balkenrost, und rief in den Hausflur: »Jan, mach voran! – Wie weit ist die Sache?«

Und Jan kam; Jan kam hemdsärmelig in Velvet-Hose und Weste, die Hände so tief in den Hosentaschen vergraben, als müsse er sich in der Gegend der Kniekehlen jucken. Er kam mit ausrasiertem Nacken, mit pomadisierten Polkalocken, über die er eine seidene Schirmmütze gezogen hatte, mit aalglatt halbiertem Kabeljaugesicht, in dessen Mundecke ein Gaudaer Tonstummel saß, dem ein Rauchwölkchen entstieg, das sich übermütig gen Himmel kringelte. Und dieses gekringelte Rauchschwänzchen war das einzige Lustige an Jan Bottertje; sonst alles Resignation und Pomade. Jan war sanft wie Postpapier, die verkörperte Wehleidigleit, eine zu Bein und Fleisch gewordene Treckschuit, die sacht und gemütlich die mit grünen Wasserlinsen bestandenen Kanäle durchwackelt. Jan war eine gedämpfte Trauermusik – aber ein pfiffiger Spezereiwarenhändler, ein viver Ehemann und als Schweinezüchter bekannt in der ganzen Umgebung. Das Kaufmännische verdankte er seiner ganzen Veranlagung, den viven Ehemann der steten Aufmunterung von Wilhelmintje, und was den Schweinezüchter anbetraf, so war er hierzu wie ein Stockfisch zur Polka-Mazurka gekommen. Gott, ne nicht! – sein Bruder Basilius war eben ein Windhund gewesen, hatte bei seiner Liebesaffäre den ›Balbierer‹ und ›Ferkelschneider‹ in Sankt Anne gelassen, und da Jan merkantil veranlagt war, sah er nicht ein, warum er den ›Balbierer‹ und ›Ferkelstecher‹ nicht mitnehmen sollte. Na – das tat er denn auch, verwaltete den Spezereiwarenladen im Nebenamt, legte den Hauptdruckser auf das Balbierer- und Schweinegeschäft und brachte es fertig, sich im Verlaufe weniger Jahre so herauszumustern, daß er in der ganzen Umgegend, und zwar von Brügge bis Heyst, von Blankenberghe bis Sankt Anne ter Muiden nur unter dem Spitznamen ›der Ferkel-Jonkheer‹ bekannt war.

Und dieser ›Ferkel-Jonkheer‹ trat über die Schwelle, sah mit seinen wasserhellen Fischaugen verliebt in das etwas aufgeregte Antlitz seines Weibes und fragte: »As't üh belieft, Wilhelmintje?«

Die Worte kamen ihm so breit und zäh aus dem Munde, als hätte er jedes einzelne aus einer Sirupschüssel gelöffelt. Das mußte Wilhelmintje nun ärgern, und in dieser Verärgerung kriegte die friedliche Stille von Sankt Anne einen gehörigen Knacks weg.

»Jan,« fuhr sie auf, »du bleibst doch immer der nämliche Döskopp.«

»Wieso?« fragte Jan, »und wofür die Mouvements, Wilhelmintje?«

Jetzt hatten die Worte den Anschein, als seien sie direkt aus einem bereits abgekühlten Leimtopf gekommen.

»Mouvements?!« entsetzte sich Wilhelmintje, »wo übermorgen der Schriftgelehrte von Deutschland nach hier kommt? – Mouvements?! – wo wir immer noch keine Bettstellage besitzen? – Mouvements?! – wo diese Bettstellage mit die Landkutsch von Brügge ...? – Heilige Jungfrau von Sankt Anne ter Muiden!«

Erregt schlug Wilhelmintje Bottertje, geborene Oemmertje-Donselaer, ihre patschigen Hände zusammen, sprang auf und deutete mit ihrem Zeigefinger durch die Haustür: »Nu aber voran, wenn du nicht willst, daß Mynheer vom Hövel dir das Kamisol vermöbelt. Und so ein langsamer Pitt will hier die Tage als Ferkel-Jonkheer verschleißen? – 'ran an die Arbeit.«

»Schön,« sagte Jan, drehte bei und ging breitbeinig um die Stockrosen herum dem inneren Hof zu, und es währte nicht lange, da bekam die Stille von Sankt Anne nochmals einen gehörigen Knacks weg. Nicht etwa dadurch, daß Wilhelmintjes Ohrgehänge in ein sanftes Klingeln gerieten, noch weniger dadurch, daß Bernadintje aufs neue mit ihren Klöppelspulen hantierte – ein überlustiges Schweinequieksen ertönte, ein Schweinequieksen so seelenvergnügt wie das Rauchkringelchen von Jan Bottertjes Pfeife, dann ein fröhliches Peitschengeknalle ... und Jan Bottertje kam stolz wie ein Spaniol um die Ecke gefahren. Aber wie?! – Gotts den Donner! – nicht mehr wie Resignation und Pomade. Jan Bottertje kam als Ferkel-Jonkheer in seiner Landkutsch gefahren; vorneweg drei kapitale Mutterschweine im Sielengeschirr, prächtige Vertreter ihres Geschlechts, die auf ihrer Lebenspilgerfahrt wenigstens fünfmal geferkelt hatten und mit den Namen Doortje, Amalie und Sophie aufwarten konnten. Nein – diese Auffahrt! – Amalie ging in der Schere, Doortje und Sophie flankierten, blank im Putz, und das mit einer Andacht, als wären sie schon jahrelang in einer Karosse gegangen. An jedem Schweineschwänzchen kapriolte dazu noch eine seidene Schleife in den niederländischen Farben, blau-weiß-rot – und in diesem Aufzug ging es schlankweg durch die verlorenen Gassen von Sankt Anne ter Muiden. Es war um aus der Haut zu fahren, aber so einer des Glaubens sein mochte, Wilhelmintje und Bernadintje Bottertje hätten sich vor Lachen auf ihren Binsenstühlen geschüttelt, so hätte er sich auf dem Holzweg befunden, denn die beiden hielten das Verhältnis der Bespannung zur Landkutsch für so selbstverständlich, wie die Zugehörigkeit eines Kalbes zur milchenden Kuh, und darum: sie gähnten, klöppelten weiter und ließen, ohne mit der Wimper zu zucken, den Ferkel-Jonkheer, Sophie, Amalie und Doortje mitsamt der niedrigen Landkutsch einfach in das silberige Grau der duftigen Landschaft untertauchen.

Jan ratterte weiter, verfolgte die Heerstraße und bog nach kurzer, pläsierlicher Fahrt in den schattigen Landweg ein, der über Oostkerke und Damme, an einem schleichenden Wasser vorbei, gen Brügge führte. Seitwärts des Weges lagen Wiesen und Felder. Darüber hinaus grenzte ein hingehauchter Strich den fernen Horizont ab, aus dem sich, wie hingepinselt, die scharfsilhouettierten Türme von Brügge in den wolkenlosen Himmel erhoben. Tiefblaue Schatten legten sich quer über den Landweg, durchsetzt von abgezirkelten Sonnenreflexen, die dort auf- und niederzitterten und sich gerierten, als seien sie mit dem Sankt Veitstanz behaftet. Und dazu schwefelgelbe Lupinen zur Linken, knallroter Mohn und Roggenfelder zur Rechten, Jan Bottertje mit Amalie, Sophie und Doortje dazwischen! – eine holländische Farbenkirmes, wie sie Jan Steen in seinen besten Träumen nicht lustiger gesehn haben mochte. Und dann eine Biegung ... und als Jan sie passierte, schlug ihm zuerst ein helles Gelächter und dann eine prächtige Männerstimme entgegen:

»Seh' ich drei Rosse vor dem Wagen, Gelenkt vom jungen Postillon ...

Himmel, Herrgott noch mal! – Moritz, das wäre so dein richtiges Genre! – Das ist ja um die leibhaftige Kränke zu kriegen!« – und als die prächtige Männerstimme das sagte, sprang ein putziges Männchen mit schlenkrigen Armen, die bis zu den Kniekehlen reichten, einen fuchsigen Zylinder von unglaublicher Bauart schief auf dem Kopf, über den Straßengraben, warf Pinsel und Malstock beiseite und gesellte sich dem Sprecher, der hochaufgerichtet und in seiner ganzen männlichen Kraft mitten im Wege stand und sich jetzt vor Lachen den Bauch halten wollte.

Über die abgemergelten Züge des Kleinen zog ein lustiges Grinsen.

»Fein!« sagte er heiser.

»Und ob!« hielt ihm Heinrich vom Hövel fröhlichen Mundes entgegen. – »Moritz, so was gibt's nicht mehr zwischen Himmel und Erde – und du solltest dich wirklich schämen ...«

»Leider,« konstatierte das verhutzelte Männchen, wollte noch mehr sagen, schluckte aber in stiller Ergebung das Gewollte herunter und sah zu, wie Jan Bottertje in seinem unmöglichen Gefährt näher kutschierte.

»Wohin?« rief ihn Heinrich vom Hövel an.

»Nach Brügge.«

»Was soll's dort?«

»'ne Bettstelle holen.«

»Dann glückliche Reise und 'ne schöne Bestellung an den Domine Erasmus van Dornick – ich käme.«

»Wann?«

»Übermorgen.«

»Merci.«

»Adjüs denn.«

»Adjüs denn,« gab Jan Bottertje zurück und karriolte landeinwärts.

»Nein, dieser Zauber!« rief Heinrich vom Hövel und fuhr sich gemächlich durch seinen hellblonden Schnurrbart, »diese genialen Eulenspiegeleien in optima forma! Und du ...?«

Mit einem feinen Schmunzeln und leuchtenden Auges war er näher getreten.

»Für dich fallen hier in Sankt Anne die Motive vom Himmel herunter, das reinste Manna, und du bist nur zu faul, es dir regelrecht in die Tasche zu stecken.«

»Junge, ich kann nicht anders!« replizierte der unglückliche Zylindermann, dessen greisenhaftes Gesicht in wunderlicher Weise mit der zwergigen Gestalt kontrastierte. »Und wenn ich darüber verrückt werden sollte – ich kann ja nicht anders.«

Betrüblich hob er dabei die stakeligen Arme gen Himmel und stierte ins Leere. Dann fiel ein spöttischer Blick auf seine Staffelei, die sich's im Schatten einer breitausgelegten Weide bequem gemacht hatte. »Das weiß ich ja alles. Ich möchte mit dem Kopf durch die Leinwand – Himmel, Herrgott noch mal! – ich möchte ... Aber laufe einer mal Sturm gegen den gebildeten Pöbel?! – Du hast ja die große Nummer gezogen. Dir fressen ja die Könner und Wisser aus der Hand; du bist der Kerl, dem es vergönnt ist, dem verschleierten Weibsbild von Sais unter die Maske zu fahren, während ich ... Hihi! – nichts weiter, guter Freund, als ein malender Helote; nichts weiter. – Marasmus! – Marasmus ...!«

Mit einem häßlichen Gelächter riß er sich den fuchsigen Zylinder vom Kopf, wirbelte ihn durch die Luft und stülpte ihn alsdann mit demselben Gemecker wieder über die mausgrauen Haare.

Wie beschwörend hob Heinrich vom Hövel die Hand in die Höhe.

»Moritz, nicht tragisch, keine dramatischen Szenen; das kleidet dir nicht, das ist nicht auf deinem eigenen Grund und Boden gewachsen. – Lediglich Pose! – und würde mir der Glaube genommen, du wärest nicht in deiner ganzen verrückten Eigenart direktemang aus einem närrischen Bild von Franz Hals oder Adrian Brouwer gepurzelt, hättest nicht das grandioseste Kindergemüt, das sublimste Herz unter der Weste – aus! Ich hätte dir schon längst meine Freundschaft gekündigt.«

»Hihi!« machte der Kleine, sprang fixbeinig in den Graben zurück, ließ sich dort nieder und legte den schweren Kopf in die Hände.

Heinrich vom Hövel hatte sich an seine Seite begeben.

»Es ist traurig, aber wahr,« sagte er heiter, »daß sich an einem blühenden Rosenstock immer die infamsten Blattläuse befinden – und du bist so ein blühender Rosenstock, Moritz.«

»Warum das?« fragte der Unglücksmann mit einem erfrorenen Lächeln.