Die drei !!!, 89, Fluch der Fee (drei Ausrufezeichen) - Ann-Katrin Heger - E-Book

Die drei !!!, 89, Fluch der Fee (drei Ausrufezeichen) E-Book

Ann-Katrin Heger

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Beschreibung

Kim, Franzi und Marie sind "Die drei !!!". Mutig und clever ermitteln die drei Detektivinnen und sind jedem Fall gewachsen. Beim Camping-Wochenende raubt eine mysteriöse Fee den drei Freundinnen den Schlaf. Sie will, dass die Dorfbewohner allen wertvollen Goldschmuck zur Waldlichtung bringen. Das geht wohl kaum mit rechten Dingen zu!

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Der Fluch der Fee

Ann-Katrin Heger

KOSMOS

Umschlagillustration von Ina Biber, Gilching

Umschlaggestaltung von Sabine Reddig

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und Aktivitäten findest du unter kosmos.de

© 2021, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG,

Pfizerstraße 5–7, 70184 Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-50273-0

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Ohne Netz und doppelten Boden

»Wie bitte?« Marie verschränkte die Arme und sah Kim fassungslos an. »Warum sollte ich das wollen? Ein Wochenende in schlabbrigen und nicht gerade schmeichelnden Outdoor-Klamotten, kein Handy, keine Schminksachen und kein richtiges Dach über dem Kopf? Und das alles freiwillig? Nie im Leben.«

Kim grinste. Es war ihr durchaus klar gewesen, dass Marie von ihrem Vorschlag nicht gerade begeistert sein würde. Aber Sebastian, der Leiter ihres Schreibworkshops und Redakteur bei der Neuen Tageszeitung, hatte sie gefragt, ob sie einen Artikel über ein Wochenendseminar schreiben würde. Ein Wochenendseminar der besonderen Art: mitten in der Natur und ohne jegliche technische Hilfsmittel. Kim war sofort Feuer und Flamme gewesen. Wie lange war es her, dass sie mehrere Tage keinen Handyempfang gehabt hatte? Zu lange. Außerdem gefiel ihr die Vorstellung, in Schlafsäcken im Freien zu schlafen und nur das zu essen, was der Wald zu bieten hatte. Und noch besser fand sie es, dass sie danach einen Artikel für die Jugendseite der Zeitung über ihre Erfahrungen schreiben durfte. Heute richtete sie das Detektivclubtreffen der drei !!! bei sich zu Hause aus, um ihren Freundinnen und Detektivkolleginnen von dem Wochenende zu erzählen. Und natürlich, um sie zu fragen, ob sie mitkommen wollten.

»Na, komm, Marie«, sagte Franzi und knuffte Marie freundschaftlich in die Seite. »An Zelte hast du dich schon fast gewöhnt, da wird dir der wunderbare Sternenhimmel über deinem Kopf nichts ausmachen, oder?«

Vor einiger Zeit hatten sie einen Fall gelöst, in dem es um Wildpferde gegangen war. Da hatte es weder ein Hotel noch ein frisch gemachtes Bett gegeben und Marie hatte sich zunächst geweigert, vor Ort zu übernachten.

»Das war doch etwas völlig anderes«, wandte Marie ein und musterte ihre kunstvoll manikürten Fingernägel. »Erstens war das letzte Zelt kein einfaches Zelt, sondern eine hippe Luxus-Jurte, in die ich sogar ein kleines Schminktäschchen schmuggeln konnte, und zweitens hatte ich da noch nicht meine Fingernägel-Einzelstücke hier.«

Kim betrachtete Maries Hände genauer. Es war völlig normal, dass Marie fein säuberlich manikürte Nägel mit einem zum Outfit passenden Nagellack hatte. Doch heute glitzerten sie viel auffälliger als sonst.

»Feenstaub«, erklärte Marie ernst. »Meine Fingernägel sind damit überzogen. Er glitzert im Tageslicht und leuchtet im Schwarzlicht.«

Franzi schüttelte verständnislos den Kopf und musste ein Kichern unterdrücken. »Kommt mir nicht sehr alltagstauglich vor. Ich meine, wo ist schon Schwarzlicht? Oder musst du, um deine Nägel zu bewundern, nun jede Nacht in die Disco gehen?«

»Pah«, machte Marie eingeschnappt. »Das mit dem Schwarzlicht ist nur der Zusatzeffekt. Die Hauptsache ist, dass meine Nägel in der Sonne schön glitzern. Rudolfo hat nicht zu viel versprochen.«

»Rudolfo?«, fragte Franzi.

»Ja, von Rudolfo’s Fairy Nails. Der Besitzer des neuen Nagelstudios in der Innenstadt. Er sagt, man verwandelt sich mit diesen Nägeln in eine echte Fee. Und ich muss sagen, dass er recht hat. Ich fühle mich seitdem überirdisch und geheimnisvoll. Beinahe so, als würde der Glitzerstaub auf meinen Nägeln in all die anderen Sphären um uns herum leuchten.«

»Das meinst du nicht im Ernst, oder?« Kim runzelte die Stirn.

»Ich denke, deine Nägel sind eher ein Argument mitzukommen«, meinte Franzi zufrieden. »Feen sind Naturwesen. Und wenn du durch die Nägel dein feenhaftes Ich erweckt hast, gehst du bei dem Workshop also gewissermaßen nach Hause in deine Feenwelt. Außerdem ist diese Extremerfahrung in der wilden Natur auch für unser Detektivteam gut: Es wird uns noch mehr zusammenschweißen. Wir werden uns immer daran erinnern, wie wir die letzte Blaubeere, die wir im Wald auftreiben konnten, drittelten, um nicht vor Hunger zu sterben und …«

»Aufhören«, unterbrach Marie sie und klackerte mit den Nägeln auf Kims Schreibtischplatte. »Das ist gruselig. Und seit wann müssen wir uns durch die Wildnis zusammenschweißen lassen? Wir haben so viele schwierige Fälle gemeinsam gelöst. Und das vor allem, weil wir uns blind aufeinander verlassen können und weil wir allerallerallerbeste Freundinnen sind. Oder hab ich da was missverstanden?«

Franzi lachte. »Hast ja recht. Wir brauchen die Erfahrung nicht, aber schaden kann sie uns auch nicht.«

Kim kam ein Gedanke. Für Marie brauchte sie einen anderen Köder. Schnell schnappte sie sich ihren Laptop und klickte ein paar Mal mit der Maus. »Ha! Wusste ich es doch«, sagte sie dann und schob Marie den Bildschirm vor die Nase. »Vielleicht kann dich diese Information umstimmen? Der Ort, an dem der Workshop stattfindet, heißt Feienbach. Feien ist ein alter Name für Feen. Du wirst dich dort bestimmt wohler fühlen, als du denkst!«

»Na und?«, antwortete Marie missmutig. »Das ändert nichts an den äußerst unbequemen Umständen, oder?« Sie warf einen schnellen Blick auf die Internetseite des Workshops, die Kim geöffnet hatte. Plötzlich hellte sich ihre Miene auf. Mit dem Glitzernagel des Zeigefingers zeigte sie auf das Foto eines jungen Mannes um die zwanzig. Er hatte blonde wuschelige Haare, Sommersprossen und lächelte verschmitzt in die Kamera. »Wer ist das denn?«, fragte sie.

Kim grinste. Marie hatte angebissen. Wenn auch an anderer Stelle. »Das ist Matti Hein. Er leitet den Workshop.« Kim versuchte, wie nebenbei den Rechner zuzuklappen, aber Marie hinderte sie daran.

»Das … ist der Leiter?«, fragte sie und starrte das Foto verträumt an. »Der ist ja süß!« Dann setzte sie sich mit einem Ruck auf und verkündete: »Mädels, ich bin dabei. Wann geht es los?«

Auf nach Feienbach

Frau Jülich stand mit einer Mappe in der Hand im Garten und durchblätterte die losen Zettel, die darin lagen.

»Wo sind denn nur die Asanas zum Thema Stress?«, murmelte sie und seufzte. »Wir haben nur noch eine halbe Stunde Zeit, bevor ihr losfahrt!«

Sie ließ sich auf einen Gartenstuhl plumpsen und nahm sich den ziemlich dicken Stapel noch einmal von vorne vor. »Das gibt es doch nicht«, murmelte sie immer wieder. »Ich hatte sie extra für euch drei Abenteuerinnen rausgelegt!«

Kim tauschte einen verschwörerischen Blick mit Franzi und Marie. Als Frau Jülich von dem Wochenende fernab aller elektronischen Geräte und Errungenschaften der modernen Welt gehört hatte, war sie sofort Feuer und Flamme gewesen. Seit ein paar Wochen machte sie eine Ausbildung zur Yogalehrerin. Entspannung und zur Ruhe kommen wurde bei ihr gerade großgeschrieben. Sie hatte sich sofort bereit erklärt, die drei !!! auf ihr Abenteuer vorzubereiten, und hatte einige Yoga-Übungen herausgesucht.

Kim trat von einem Fuß auf den anderen. Die grüne Matte unter ihren nackten Füßen fühlte sich glatt und warm an. Links von ihr stand Marie auf einer fliederfarbenen Matte, Franzi hatte rechts von ihr auf einer sonnengelben Platz genommen.

Kim freute sich auf das Wochenende. Auch wenn sie ihren Freund David vermissen würde. Nicht vermissen würde sie allerdings die nervigen Diskussionen über ein neues Schreibprojekt. David und sie hatten vor Kurzem einen Fantasykrimi in einem E-Book-Verlag herausgebracht. Ihr Roman war ein ziemlicher Erfolg geworden, womit die beiden nicht gerechnet hatten, und der Verlag wünschte sich eine Fortsetzung. David hatte sofort loslegen wollen, aber Kim war dagegen gewesen. Sie wusste selbst nicht genau, warum sie sich nicht einfach daransetzen und mit David eine neue Geschichte erfinden konnte. Ihr Gehirn, das sonst vor Romanideen nur so sprudelte, war völlig leer gefegt. Klar, dass sie sich mit David deswegen immer wieder in die Haare bekam. Der konnte überhaupt nicht verstehen, was mit ihr los war, und vermutete, er wäre der Grund für Kims Zögern. Sebastian hatte sie mit seiner Anfrage für den Artikel für die Jugendseite vor weiteren nicht enden wollenden Streitereien gerettet. Darauf hatte sie wirklich Lust und damit konnte sie David glaubhaft vertrösten.

»Hier!«, rief Frau Jülich in diesem Moment. »Hier sind die Übungen! Jetzt können wir anfangen! Stellt euch bitte hin und spürt eure Fußsohlen auf der Matte. Verlagert euer Gewicht von vorne nach hinten und kommt in eurer Mitte zur Ruhe. Und dann setzt euch auf die Knie, streckt die Arme nach vorne und kommt langsam in den nach unten schauenden Hund.«

Kim schielte zu Marie und versuchte, alles nachzumachen, was ihre Freundin tat. Marie hatte lange Zeit Yogastunden genommen, sie wusste sicher, was ein nach unten schauender Hund war.

»Nein, Pablo«, quiekte ihre Mutter. »Nicht das Gesicht. Pfui.«

Kim ließ den Po wieder nach unten sacken und blickte nach vorne.

Pablo, der verspielte Familienhund der Jülichs, hatte eine Pfote auf den Rücken ihrer Mutter gestellt und leckte ihr freudig über die Wange.

Kim kicherte.

Frau Jülich stand auf, griff Pablos Halsband und zerrte ihn zurück ins Haus. Dann schloss sie mit einem Rumms die Terrassentür.

»Noch mal von vorn«, sagte sie bestimmt, setzte sich, legte Zeigefinger und Daumen zusammen und sang: »Oooooooooooommmm.«

Kim öffnete die Augen. Ah! Die Entspannungsmeditation am Ende der Yogastunde hatte gutgetan. Sie reckte und streckte die Arme und blinzelte zu Marie und Franzi.

»Das war die perfekte Einstimmung auf unser Wochenende«, sagte Marie. »So cool, dass deine Mutter diese Ausbildung macht! Danke, Frau Jülich!«

Frau Jülich rollte gerade die Matten ein. »Gerne, Marie. Hättet ihr Lust, in der nächsten Zeit meine Versuchskaninchen zu sein? Ich muss schließlich viel üben.«

»Klar, super!« Marie strahlte.

»Aber nur, wenn wir nicht mit einem Fall beschäftigt sind«, sagte Kim streng. »Detektivarbeit hat Vorrang. Immer.«

Es knatterte und puffte. »Stefan ist da«, meinte Franzi. »Unseren Uralt-Kombi erkenne ich unter tausend Autos. Seit ich denken kann, klingt er so, als würde man nicht ans Ziel kommen. Und doch tut er, was er soll. Fahren.«

Weder Jülichs noch Winklers oder Grevenbroichs hatten Zeit, die drei !!! nach Feienbach zu fahren. Das Dorf war etwa eine halbe Autostunde entfernt, und Stefan, Franzis älterer Bruder, hatte sich bereit erklärt, die drei Mädchen zu ihrem Wochenend-Abenteuer zu bringen.

»Soll das auch mit?«, fragte Stefan und deutete auf ein kreischrotes winziges Paket, das neben Kims und Franzis Rucksäcken stand.

Er runzelte die Stirn. »Ich meine, ihr wollt die Natur doch erleben und nicht erschrecken, oder?«

»Das ist mein neuer Schlafsack«, erklärte Marie. »Und ja, ich möchte möglichst vermeiden, dass eine Kuh auf mich tritt, nur weil sie mich nicht sieht.«

Stefan lachte und warf Maries Schlafsack zu den anderen in den Kofferraum des Kombis. »Na dann. Man kann nur hoffen, dass die Kuh von diesem Farbangriff nicht blind wird.«

Marie warf Stefan einen strafenden Blick zu.

»Es ist total nett, dass du uns fährst«, versuchte Kim auf ein anderes Thema zu kommen. »Meine Mutter hat ihren Yoga-Lehrgang und mein Vater muss unbedingt eine Kuckucksuhr bis morgen fertig bekommen.«

In letzter Zeit hatten Kims Eltern wenig Zeit gehabt. Kim freute sich riesig darüber, dass ihr Vater mit dem Bauen von Kuckucksuhren so großen Erfolg hatte. Und dass ihre Mutter mit der Yogaausbildung einen Ausgleich zu ihrer kraftraubenden Arbeit in der Schule gefunden hatte. Aber das bedeutete gleichzeitig, dass Kim und ihre Zwillingsbrüder häufig allein klarkommen mussten.

»Kein Problem«, meinte Stefan und klopfte auf die Kofferraumklappe. »Die Pferdestärken hier hatten heute sowieso noch keinen Auslauf. Habt ihr alles?«

Kim und Franzi nickten. Nur Marie drehte nervös an einer ihrer blonden Haarsträhnen. »Frag lieber, was ich alles nicht dabeihabe! Keine Ahnung, wie ich es ohne Glätteisen, Wimperntusche und Lipgloss aushalten soll. Ich fühle mich jetzt schon wie eine graue Maus, die sich hinter einem Mauerblümchen versteckt.« Sie fuhr sich durchs Haar und ihre Fingernägel funkelten im Gegenlicht.

»Eine graue Maus mit Glitzerkrallen?« Franzi kicherte. »Hab ich noch nie gesehen.«

Der Weg nach Feienbach führte über Landstraßen, doch Stefan hatte unbedingt eine Geheimabkürzung über einen Feldweg fahren wollen. Nach ein paar Minuten wurden die Schlaglöcher immer tiefer, die Ausweichmanöver immer waghalsiger und die Laune der drei !!! immer schlechter.

Nur Stefan schien die rumpelige Straße gar nichts auszumachen. Im Gegenteil. Er genoss die Querfeldeinfahrt anscheinend sogar.

»Gib’s zu. Das hast du mit Absicht gemacht«, knurrte Franzi. »Bestimmt hab ich morgen lauter blaue Flecken am Hintern.«

Stefan grinste. »Nur ein ganz kleines winziges bisschen, ich schwöre. Ich muss euch doch auf die wilde und raue Natur vorbereiten. Dann habt ihr heute Nacht weniger Angst, wenn euch ein paar Wölfe besuchen kommen.«

Marie kreischte und griff panisch nach Kims Hand. »Wölfe? In Feienbach gibt es Wölfe? Davon hast du aber nichts gesagt, Kim.«

»Quatsch«, versuchte Kim ihre Freundin zu beruhigen. »Dort gibt es keine Wölfe und keine Tiger und auch Elefanten werden nur höchst selten beobachtet.«

»Haha, macht euch nur alle lustig. Ich lass euch nicht in meinen roten Schlafsack, wenn euch heute Nacht vor Angst die Knie schlottern«, sagte Marie und verschränkte die Arme.

»Mach dir keine Sorgen, okay?« Kim strich über Maries Arm. »Ich finde es ganz toll, dass du dich überwunden hast und mitgekommen bist.«

Marie sah Kim an. »Hatte ich eine Wahl? Ich meine, wir sind schließlich beste Freundinnen. Ist doch klar, dass wir das zusammen durchstehen.« Sie lächelte tapfer.

»Na, ich hoffe mal, es gibt nicht so viel durchzustehen. Ich freu mich schon total«, meinte Franzi. »Vielleicht kann ich den einen oder anderen Kräutertipp von Matti für die Backkreationen meiner Mutter verwenden. Neulich haben wir einen Orangen-Rosmarin-Kuchen gebacken. Himmlisch, sage ich euch. Hätte ich vorher im Leben nicht geglaubt, dass Rosmarin im Kuchen irgendwas taugt.«

Marie und Kim schüttelten sich gleichzeitig.

»Bäh«, machte Marie.

»Klingt gruselig«, sagte Kim.

»Ihr seid Kuchen-Banausen. Echt.« Franzi zog einen Schmollmund.

Kim grinste und sah aus dem Fenster. Der Feldweg führte mittlerweile durch einen ziemlich finsteren Wald. Nadelbäume standen dicht an dicht, sodass kein Sonnenstrahl durch die Kronen dringen konnte. Plötzlich hatte sie ein eigenartiges Gefühl. Irgendetwas an diesem Wald bereitete ihr Unbehagen. Die Wurzeln der Bäume waren merkwürdig ineinander verschlungen. Es sah so aus, als würden sich die Bäume ängstlich aneinander festhalten. Kim ärgerte sich über sich selbst, weil sie sich von der Stimmung einschüchtern ließ. Sie musste dringend ihre Vernunft einschalten. Das hier war ein dichter Wald, deswegen gab es kein Licht. Und es war völlig normal, dass Wurzeln überirdisch verliefen und sich miteinander verknoteten.

Auf einmal rumpelte es im Motor. Ein hohes Pfeifen ertönte und dann ein lautes Surren.

»Mist«, fluchte Stefan. »Was ist das denn?« Er schlug mit beiden Händen auf das Lenkrad.

»Soll das heißen, das Auto gibt hier in diesem Gespensterwald seinen Geist auf?« Marie warf Kim einen panischen Blick zu.

»… im Gespensterwald seinen Geist auf, du bist gut«, antwortete Kim düster. »Gespenster sehe ich zwar keine, aber euer treuer Kombi hat sich nicht gerade meine Lieblingsstelle ausgesucht, um kaputtzugehen.«

»Das ist nicht witzig«, meinte Franzi, die dachte, Stefan erlaubte sich einen Spaß mit ihnen. »Fahr weiter!«

»Schwesterherz, ich kann nicht zaubern. Unsere geliebte Lieblingskarre macht wirklich keinen Mucks mehr.« Er drehte den Zündschlüssel, um Franzi zu zeigen, dass er die Wahrheit sagte. Tucktuck machte der Motor – und dann war wieder Stille. Stefan starrte durch die Windschutzscheibe nach draußen. »Nützt nichts, wir müssen raus und versuchen, das Auto zu reparieren.«

»Wie weit ist es noch bis Feienbach?«, fragte Marie.

»Nicht mehr weit.« Stefan zog sein Handy heraus. Konzentriert betrachtete er die Satellitenkarte der Navigationsapp und zeigte auf den grünen Gürtel, der sich wie ein Halbkreis um eine Wiese schmiegte. »Wir sind genau hier. Ungefähr 500 Meter vom Dorf entfernt. Ihr könntet laufen. Aber ich muss heute noch zurückfahren.«

»Wir helfen dir natürlich«, sagte Franzi. »Das ist doch selbstverständlich.«

Kim beobachtete sie. Sie hatte die Augenbrauen zusammengezogen und zog nervös ihre Zöpfe fest. Es war mehr als deutlich. Franzi war dieser Ort auch alles andere als geheuer.

Sie stiegen aus. Kim schnupperte. In den angenehmen waldigen Geruch mischte sich ein modriger, fast fauliger. Ganz in der Nähe krächzte ein Rabe.

»Kim, zieh bitte mal an dem Hebel neben dem Lenkrad, mir ist die Motorhaube wieder zugefallen«, bat Stefan sie.

Kim zog an der Lasche und mit einem Klick sprang die Motorhaube auf. Stefan stemmte sie nach oben und sicherte sie, indem er die Metallstange an der Haube einrastete. Dann holte er Werkzeug aus dem Kofferraum und begann, am Motor herumzuwerkeln.

»Das ist ganz schön unheimlich«, sagte Marie. »Wir haben Frühsommer. Und hier ist alles dunkel und feucht.«

»Stefan schafft es bestimmt, den Motor in ein paar Minuten wieder zum Laufen zu bringen!«, versuchte Kim sie zu beruhigen. »Und wenn nicht, können wir ja Hilfe aus dem Ort holen.«

Marie nickte tapfer. »Ich habe einfach nur das Gefühl, dass wir hier schnell wegsollten. Als wäre der Ort verflucht.«

»Habt ihr nicht gesagt, dass der Name des Ortes was mit Feen zu tun hat?«, fragte Franzi, die sich mit Stefan über die geöffnete Motorhaube beugte. »Also wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, hier war eine böse Waldfee am Werk.«

»Eine böse Waldfee, die uns das Motoröl raubt? Das glaube ich nicht!« Stefan lachte. Er zeigte den drei !!! den Stab, mit dem man den Ölstand messen konnte. »Das ist der Grund – kein Öl! Offensichtlich funktioniert die Warnleuchte am Armaturenbrett nicht mehr.« Er ging erneut zum Kofferraum und holte eine Flasche Motoröl. »Damit sollte unser Auto wieder laufen wie geschmiert!«

Stefan hatte recht. Als er das Öl nachgefüllt hatte, ließ sich der Wagen wieder starten. Und zehn Minuten später holperten sie auf dem Feldweg aus dem Waldstück.

Kim atmete auf. Endlich wieder Sonne und Weite und keine Wurzel weit und breit.

»Da seht ihr die ersten Häuser von Feienbach«, sagte Stefan und deutete nach vorne.

Sie fuhren auf eine schmale, geteerte Straße.

»Ist das alles?«, fragte Marie verwundert. »Die paar Häuser?«

»Nein«, antwortete Kim und zog eine Landkarte aus dem Rucksack. Sie reichte sie Marie. »Guck mal. Die Lage des Dorfes ist megainteressant. Die Häuser hier sind im Halbkreis um eine Lichtung erbaut. Das ist auch die Lichtung, auf der wir später unser Lager aufbauen werden«, erklärte Kim. »Der Häuserring geht in den Wald über, durch den wir gerade gefahren sind. Und dahinter fließt ein Fluss. Auch wieder in einem Kreis.«