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Wie eine Spinne klettert ein Einbrecher die Häuserwände hinauf und hinterlässt dabei keinerlei Spuren. "Die drei ??? Kids" geben alles, um den Spinnenmenschen zu enttarnen.
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Seitenzahl: 60
Der Spinnenmensch
Erzählt von Boris Pfeiffer
Mit Illustrationen von Harald Juch
KOSMOS
Umschlag- und 14 Innenillustrationen von Harald Juch, Berlin
6 Innenillustrationen von Udo Smialkowski, Berlin
Umschlaggestaltung: Walter Typografie und Grafik, Würzburg
Grundlayout: Friedhelm Steinen-Broo, eStudio Calamar
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© 2016, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-440-15015-3
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Das große Frühlingsfest des kalifornischen Küstenstädtchens Rocky Beach, das jedes Jahr in den Frühlingsferien stattfand, war in vollem Gange. Vor einer Bühne auf dem Marktplatz standen die drei ???, Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews, und grinsten sich verstohlen an. Auf der Bühne trat nämlich gerade der Polizeigesangverein auf. Und mit dabei war der Hauptkommissar des Städtchens: Kommissar Reynolds. Singen war eine seiner Leidenschaften. Mit großer Geste schmetterte er in diesem Moment das berühmte Lied O sole mio. Aber besonders gut klang das nicht.
»Wenn Reynolds seine Fälle so lösen würde, wie er singt, wäre er die längste Zeit Kommissar gewesen«, flüsterte Peter seinen Freunden zu.
»Ja«, erwiderte Bob, »er krächzt wie ein Rabe mit Halsweh.«
Justus Jonas nickte nachdenklich. »Das klingt wirklich seltsam. So, als würde er von einem Staubsauger begleitet. Sonst singt der Kommissar doch ganz gut. Was ist denn heute mit ihm los?«
»Das ist sicher die Aufregung.« Peter deutete über den Marktplatz, auf dem es von Menschen nur so wimmelte. »Fast alle Bürger der Stadt sind versammelt. Und gleich muss Reynolds beim Kuchenwettbewerb entscheiden, ob dieses Jahr der Aprikosenkuchen von Mrs Pinecopper besser ist oder der Kirschkuchen deiner Tante Mathilda.«
Justus schüttelte den Kopf. »Deswegen braucht er aber nicht aufgeregt zu sein. Die Entscheidung ist leicht: Tante Mathildas Kirschkuchen ist unschlagbar!« Er sah zu seiner Tante und seinem Onkel hinüber, die ebenfalls vor der Bühne standen und dem seltsamen Gesang lauschten. Bei Onkel Titus und Tante Mathilda lebte der Anführer der drei ???, seit er fünf Jahre alt war. Damals waren seine Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen, und Justus hatte bei Onkel und Tante ein neues, liebevolles Zuhause gefunden.
Bob kicherte. »Deine Tante verzieht das Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen.«
»Und bei den anderen Zuhörern sieht es ähnlich aus«, raunte Peter.
Tatsächlich entging das auch dem Kommissar auf der Bühne nicht. Mitten im Lied brach er unvermittelt ab und gab dem Orchester ein Zeichen. Die Musiker ließen ihre Instrumente sinken, und plötzlich herrschte gespannte Stille.
»Was ist denn los?«, rief Reynolds. »Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, Sie machen ja Gesichter wie sieben Tage Regenwetter. Unser Gesang soll doch Ihrem Vergnügen dienen.«
»So schlecht singen Sie doch sonst nicht!«, rief Tante Mathilda.
»Ich singe schlecht?« Kommissar Reynolds wurde rot bis zu den Ohren.
»Ja, leider«, rief Onkel Titus. »Da sind so komische Geräusche in Ihrer Stimme. Sie klingen wie ein verrosteter Mähdrescher.«
Der Kommissar wurde bleich. »Das hat mir noch niemand gesagt.«
»Es stimmt aber«, rief der Besitzer des Gemischtwarenladens, Mr Porter. »Ihr Gesang klingt wie eine schrecklich moderne Oper. Mehr wie ein Ächzen und Quietschen als wie eine menschliche Stimme.«
Der Kommissar holte tief Luft. »Ich ächze nicht beim Singen«, erwiderte er ungehalten. Doch ehe er weitersprechen konnte, hörten es alle. Bei seinen letzten Worten hatten die seltsamen Geräusche wieder eingesetzt. Ein grässliches Quietschen zog über den Marktplatz und tat den Anwesenden so sehr in den Ohren weh, dass sie sich alle die Finger in die Ohren steckten.
Alle – bis auf die drei ???. Die hörten genau hin, was da vor sich ging. »Freunde«, brüllte Justus, »das ist eindeutig nicht der Kommissar, der so quietscht. Im Gegenteil: Er und sein Orchester haben den scheußlichen Lärm nur übertönt. Hier stimmt etwas ganz und gar nicht.«
Auch Kommissar Reynolds machte große Augen. Eilig stieg er über eine kleine Seitentreppe von der Bühne herab und lief auf die drei ??? zu. Justus, Peter und Bob hatten ihm schon oft bei der Aufklärung geheimnisvoller Detektivfälle geholfen, und Reynolds hatte die Freunde deswegen unter dem Siegel der Verschwiegenheit zu seiner geheimen Spezialeinheit erklärt. »Habt ihr eine Ahnung, was da los ist?«
Justus schüttelte den Kopf. »Nein, aber es klingt, als wolle sich jemand einen üblen Scherz erlauben und das Konzert stören.«
»Und derjenige hat sein Ziel erreicht«, schrie Peter. »Die Veranstaltung ist jedenfalls unterbrochen.«
»Leute!« Bob zupfte aufgeregt an den Ärmeln des Kommissars und seiner Freunde. »Ich glaube, der Lärm kommt unter der Bühne heraus.« Er deutete auf einen Gully. »Unter dem Marktplatz ist doch das Kanalisationssystem. Dort könnte sich der Störenfried gut verstecken.«
Kommissar Reynolds reckte sich. »Das klingt überzeugend. Und das heißt wohl, dass ich jetzt nicht weitersingen und Kuchen essen darf, sondern in die finsteren Tiefen der Kanalisation hinabsteigen muss. Darf ich euch dabei um eure Hilfe bitten?« Die drei ??? nickten.
»Gut, aber um die Festbesucher nicht zu beunruhigen, werde ich nichts von einem Störenfried sagen. Seid ihr mit den Rädern hier, und habt ihr elektrische Fahrradlampen?«
»Ja«, rief Peter.
»Gut, dann holt die bitte.« Der Kommissar rannte zu seinem Polizeiwagen, schnappte sich ein Megafon und wandte sich der Menge zu. »Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger«, rief er dann. »Es sieht ganz so aus, als gehe in unserer Kanalisation etwas vor sich, was dort eigentlich nicht vor sich gehen sollte. Vielleicht hat sich ein altes Zahnrad verhakt, oder eine Wasserschleuse klemmt. Ich werde jetzt auf alle Fälle nachsehen. Und wenn Sie, liebe Mrs Jonas und lieber Mr Jonas, nichts dagegen haben, nehme ich dazu ihren Neffen Justus und seine beiden Freunde mit. Sie haben nämlich batteriebetriebene Lampen an ihren Fahrrädern, mit denen sie mir in der Dunkelheit dort unten gut leuchten können.«
Tante Mathilda seufzte und schrie dann über den Lärm: »Aber bitte fallen Sie nicht ins Abwasser, Herr Kommissar. Und es wäre auch sehr schön, wenn die Jungen nicht allzu verschmutzt zurückkämen.«
»Natürlich. Alle schmutzigen Arbeiten werde ich selbstverständlich höchstpersönlich erledigen«, rief Reynolds. Dann trat er auf den Sockel der Brunnenfigur von Fred Fireman zu, die den Marktplatz seit über hundert Jahren zierte. Der mutige Feuerwehrmann hatte Rocky Beach damals vor einem gewaltigen Brand gerettet, und im Sockel der Ehrenstatue befand sich ein Eingang in die Kanalisation. Reynolds öffnete die schwere Klappe und winkte die drei ??? zu sich. »Lasst uns nachsehen, was hier vor sich geht«, rief er. Dann stieg er voran ins unterirdische Dunkel.
Über eine lange Eisenleiter kletterten die drei ??? und Kommissar Reynolds in die Tiefe. Mit jedem Schritt nahm der fürchterliche Lärm zu. Um sie herum dröhnte es, als brummten unten in der Kanalisation mehrere Baumaschinen. Nach einigen Metern erreichten sie einen Tunnel, der sich quer unter dem Marktplatz erstreckte. In der Mitte floss ein schmaler Wasserlauf. Rechts und links davon schmiegten sich enge Gehsteige an die Tunnelwand. Es war jetzt nahezu unmöglich, sich mit Worten zu verständigen. Der Sprecher musste seine Hände zu einem Trichter formen, und die anderen drei mussten dann ihre Ohren in den Trichter drücken, um überhaupt etwas zu hören.
Bob wies nach rechts. »Dort führt die Kanalisation unter die Bühne.« Der Kommissar nickte und ging voran.
»Die Fahrradlampen leisten wirklich gute Dienste«, brüllte Peter. »Ohne die wäre es stockfinster.«