Die erfüllte Sexualität - Wolfgang Krüger - E-Book

Die erfüllte Sexualität E-Book

Wolfgang Krüger

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Beschreibung

Jeder kann einen erfüllten, himmlischen Sex erleben. Doch Techniken allein reichen dafür nicht aus. Vielmehr ist Sexualität ein Gespräch der Körper und der Seelen. Diese erotische Sprache gelingt, wenn zwei Menschen den Mut haben, sich mit ihren Leidenschaften, Wünschen und Hoffnungen zu begegnen. Warum dies auch Ängste auslöst und wie es trotzdem gelingen kann, wird in den klassischen erotischen Romanen beschrieben. Ihre Schilderungen sind tiefgründige Wegweiser der Erotik. Ausgehend von zwölf erotischen Romanen ist daher ein sehr lebensnahes Buch über die erfüllte Sexualität entstanden, das viele Anregungen, Fragen und Hinweise enthält.

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Seitenzahl: 355

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Liebe ist die Antwort, aber während man auf sie wartet, stellt der Sex ein paar ganz gute Fragen. Woody Allen

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die erotischen Klassiker

Das Hohelied des Salomo

Ovid und die Kunst der Erotik

Kamasutra: Ein Leitfaden der sinnlichen Erotik

Das Dekameron und Octavia: Das erotische Vergnügen

Zwölf erotische Romane

Salz auf unserer Haut

Aufregender Sex und die Konflikte des Alltags

Lady Chatterley

Erotik - Sehnsüchte und Ängste

Der letzte Tango von Paris

Sex ist immer ein Gespräch

Die Memoiren der Fanny Hill

Die Schule der Lust

Delta der Venus

Weibliche Erotik

Angst vorm Fliegen

Sex und die Suche nach sich selbst

Die Geschichte der O

Selbstaufgabe in der Liebe

Wendekreis des Krebses

Die männliche Sexualität

Venus im Pelz

Wenn Männer sich beherrschen lassen

Lolita

Wenn Männer jüngere Frauen begehren

Die 120 Tage von Sodom

Machtprozesse im Sex

Fifty Shades of Grey

Harter Sex oder Blümchensex

Erotische Überlegungen

Sex ist nicht Liebe. Liebe ist nicht Sex. Aber es ist wie im siebten Himmel, wenn eins zum anderen kommt. Madonna

Liebe Leserin, lieber Leser,

wie können wir unseren Sex verbessern? Wie können wir einen himmlischen Sex erleben, auch wenn unsere Liebesbeziehung schon etwas in die Jahre gekommen ist? Mit diesen aufregenden Fragen beschäftigt sich mein Buch. Natürlich haben sie mich auch persönlich interessiert und so habe ich lange Zeit die klassische Literatur zu diesem Thema gelesen. Manches fand ich spannend, aber zunehmend störte mich an den meisten Ratgebern, dass sie vor allem Techniken vermittelten. Oder die Schwierigkeiten bei der Sexualität wurden verharmlost. „Man muss ja nur…“ – hieß es dann, um schließlich pathetisch eine viel zu einfache Lösung aufzuzeigen.

Oft fand ich daher die klassischen erotischen Romane viel hilfreicher, da sie auch die emotionale Dynamik der Paare, ihre früheren Erfahrungen, ihre Kindheit, ihre Ängste und Hoffnungen beschreiben. Sie machen deutlich: Sex ist eine ganze Welt, die in der erotischen Begegnung zum Ausdruck kommt. Insofern waren diese erotischen Romane schon seit Jahrhunderten tiefgründige Ratgeber. Deshalb profitieren wir sehr davon, wenn wir sie lesen und es war für mich ein regelrecht lustvolles Erlebnis, mich von ihnen anregen zu lassen. Zusammen mit meiner Frau habe ich auch einige Verfilmungen dieser Romane angeschaut und wir haben viel darüber gesprochen. Ausgehend von zwölf klassischen erotischen Romanen ist schließlich daraus ein Buch über die erfüllte Sexualität entstanden, das viele Hinweise und Anregungen enthält.

Mit diesem Buch möchte ich Ihnen helfen, Ihre Sexualität zu entdecken und würde mich daher freuen, wenn Sie es als ein Gesprächsangebot verstehen. Ich würde Sie gern zum Nachdenken bringen. Sie werden vor allem dann profitieren, wenn Sie neugierig nach neuen Antworten suchen. Dann wären Sie meine Wunschleserin, mein Wunschleser. Ähnlich wie in den vertrauensvollen Gesprächen meiner Praxis werde ich Ihnen deshalb jene Fragen stellen, die man selbst der Freundin oder dem Partner kaum beantworten würde. Ich erhoffe mir, dass durch solche intimen Fragen ein lebendiger erotischer Prozess in Ihnen beginnt. Daher wüsste ich gern von Ihnen:

Sind Sie mit Ihrer Sexualität momentan zufrieden?

Wie oft hatten Sie in den letzten drei Monaten Sex? Fanden Sie das ausreichend?

Würden Sie gern mehr Sex haben oder fühlen Sie sich vom Partner/in eher bedrängt?

Nun leben wir in einer Leistungsgesellschaft. Falls Sie sich in den letzten Monaten mit den Themen Liebe und Sexualität beschäftigt haben, liegt daher die Gefahr nahe, dass Sie sich mit anderen vergleichen. Doch Sexualität ist etwas sehr Individuelles und Sie sollten sich nicht unter Druck setzen lassen. Beispielsweise fand ich die Vorstellung von Martin Luther fragwürdig, zweimal in der Woche Sex zu haben, sei der Normalfall. Denn fast alle Umfragen (und hierbei vor allem die Männer) übertreiben. So besagt eine Sex-Studie, dass die Deutschen angeblich 140 Mal im Jahr Sex haben. Das wären 2,7 Akte in der Woche. Aber die Realität ist: Sind Paare schon länger als 2 Jahre zusammen, haben sie durchschnittlich 3 Mal im Monat Sex. Also etwa alle 10 Tage. Manche schlafen öfter miteinander, andere seltener. Das ist solange kein Problem, wenn beide damit zufrieden sind. Sex ist immer nur ein Thema, wenn der eine mehr davon will als der andere. Und das wird vor allem zum Konflikt, wenn einer der Partner es sich woanders holt.

Wenn sich der Sex beruhigt

Wenn Sie allerdings mit Ihrem Sexleben unzufrieden sind, sollten Sie sich nicht damit abfinden und resignieren. Denn der Sex kann uns zwar sehr lebendig, leider aber auch sehr ohnmächtig machen. Selten merken wir die Differenz zwischen unseren Wünschen und der Realität stärker als beim Sex. Nun spüren wir diese Differenz zwar körperlich, aber häufig bleibt es ein Rätsel für uns, wann und warum Sexualität gelingt und wann nicht. Und auch die eigene Leidenschaft bleibt oft rätselhaft. Männer wundern sich dann, warum sie manchmal keine Erektion haben, Frauen fragen sich, warum sie nicht zum Orgasmus kommen. Deshalb sollten Sie ein persönliches Forschungsprogramm beginnen und sich zunächst für Ihre eigene Sexentwicklung interessieren. Dazu müssten Sie sich erinnern, wie unterschiedlich Sie den Sex in den bisherigen Partnerschaften erlebt haben. Und Sie sollten die Sex-Kurve Ihrer aktuellen Liebesbeziehung aufzeichnen, indem Sie die monatliche Sexhäufigkeit auf einer Jahrestabelle eintragen.

Nun sagt die Sexhäufigkeit zwar noch nicht viel über Ihr erotisches Leben in der Partnerschaft aus. Wichtiger wäre vielleicht die Zahl der Umarmungen, der Zärtlichkeiten und der Intensität der erotischen Begegnungen. Man könnte sagen: Qualität ist wichtiger als Quantität. Dennoch ist die Sexhäufigkeit nicht ganz unwichtig, denn wir müssen die Frage beantworten: Was passiert, wenn die Sexhäufigkeit fortwährend sinkt? Grundsätzlich müssen wir wissen, dass eine Halbierung der Sexualhäufigkeit ganz normal ist, wenn wir einige Monate zusammen sind. Man ist nicht mehr ‚scharf‘ aufeinander, die Aufregung legt sich, der normale Alltag beginnt. Schließlich können wir nicht ständig in einem Ausnahmezustand leben. Darüber müssen wir uns keine Gedanken machen. Ich bin auch nicht beunruhigt, wenn es einmal eine mehrmonatige erotische Pause gibt. Wenn man sich beispielsweise um kleine Kinder kümmert, bleibt oft der Sex auf der Strecke. Und der Sex kann auch pausieren, wenn die kranken Eltern versorgt werden müssen und daher der Kopf für die erotische Annäherung nicht frei ist.

Alarmzeichen: Länger als drei Monate…

Allerdings ist es ein Alarmzeichen, wenn es länger als drei Monate keine sexuelle Begegnung gibt, denn dann geht partnerschaftliche Nähe verloren, weil sich beide zurückziehen. Schließlich gewöhnt man sich daran, aber so ganz stimmt dies nicht, da normalerweise einer doch stärker am Sex interessiert ist und an diesem Mangel leidet. Wichtig hierbei ist, dass ihm nicht nur das körperliche Erlebnis fehlt. Das bekommt man auch allein hin – meinte recht frech eine junge Ärztin. Aber Sex ist eben so viel mehr. Sex ist vor allem Anerkennung, man fühlt sich gemocht und gesehen. Man spürt sich und den anderen, es ist ein sinnliches Gespräch. Wenn dieses Gespräch länger als drei Monate verstummt, sollten Sie aktiv werden. Und Sie müssen sich dann vor allem die Frage beantworten: Was ist eigentlich los? Können Sie sich noch daran erinnern, wie intensiv der Sex in den ersten Monaten war? Diese Kraft geht nicht einfach verloren und es muss das Ergebnis dramatischer Konflikte gewesen sein, dass der Sex eingeschlafen ist.

Fragen: Gab es in den letzten Jahren heftige Konflikte und Kränkungen? Haben Sie es mitunter aufgegeben, miteinander zu reden?

Die Sex-Routine

Sie müssen sich aber die Frage nach Ihrer Partnerschaft auch stellen, wenn der Sex immer eintöniger wird. Immerhin 1/3 der Deutschen klagen über Langeweile im Bett. Nun will ich Ihnen in diesem Buch nur wenige Ratschläge technischer Art geben. Denn wie wir sehen werden, ist der wirklich erfüllende Sex keine Technik, er ist vielmehr eine tiefe Begegnung. Auf diese Weise wird der Sex immer wieder ein prickelndes Erlebnis sein, bei dem Sie in einen erotischen Ausnahmezustand geraten. Damit Sie also diesen erotischen Höhenflug erleben können, will ich Ihnen in diesem Buch zeigen, warum diese Begegnung häufig misslingt. Dann wissen Sie auch, warum der anfänglich aufregende Sex nach einer gewissen Zeit so wenig leidenschaftlich wurde. Das liegt natürlich zunächst einmal daran, dass wir meist wenig mutig sind. Deutlicher gesagt: Wir sind verklemmt. Wir sagen viel zu wenig, was wir möchten und manchmal wissen wir dies auch nicht. Aber natürlich liegt der ruhige Sex auch an der Lebensroutine. Nach einigen Jahren ist eben alles eingespielt. Daher wird oft empfohlen, man solle seine erotischen Rituale erweitern und mehr experimentieren. Das klingt eher nach einem platten Ratschlag, wenig nach einem sinnlichen Höhenflug. Doch es stimmt, dass die Mehrheit aller Paare wenig ausprobiert und nach einigen Jahren zu jenen sexuellen Stellungen und Praktiken findet, mit denen beide halbwegs zufrieden sind. Dann wird die kleinste erotische Schnittmenge gelebt. Bei über 80% aller Sexualakte erfreuen wir uns an drei Stellungen:

Platz 1: Die Missionarsstellung – er liegt oben,

Platz 2: A Tergo – er kommt von hinten und

Platz 3: Löffelchen-Stellung - beide liegen auf der Seite.

Dies muss kein schlechter Sex sein, wenn er von beiden als gute Hausmannskost erlebt wird. Oft ist diese Art von Sex sehr beständig und verschafft uns ein kleines erotisches Glück. Wir kennen das ja auch im sonstigen Leben: Wir sind froh, wenn wir im Job, in der Ehe und in den Freundschaften halbwegs zufrieden sind und hin und wieder einige Glücksmomente empfinden.

Der wilde Sex

Zu Recht wollen wir aber gelegentlich doch mehr als diesen eingespielten Sex. Schließlich vermitteln uns die Medien, dass Sexualität ein immerwährendes explosives Abenteuer der Sinne sei. Fortwährend werden wir mit neuen erotischen Praktiken konfrontiert. Der wilde Sex mit Beißen und Schlagen wird propagiert, Anal- und Oralverkehr gehören fast zum Pflichtprogramm, gemeinsam schauen sich immer mehr Paare Pornos an, um sich aufzuheizen. Ständig flimmern 30.000 Pornofilme im Internet und in manchen Büchern werden 100 Sexstellungen angepriesen. Das kann Spaß machen und die Lust erhöhen. Das Neue ist oft aufregend und die Abwechslung verspricht ein größeres Lustgefühl.

Wie immer gibt es hier jedoch den Quantitäts-Qualitätskonflikt. Sie können beim Sex vieles ausprobieren, ohne dass er besser wird. „Sex vom Kronleuchter“ nennen das einige spöttisch. Sex ist aber gerade keine erotische Turnübung. Wenn er vor allem ein Programm wird, besteht immer die Gefahr, dass Sie sich unter Druck setzen. So ergab eine Umfrage, dass jede sechste Frau in Deutschland den Sex als anstrengende Pflichtübung empfindet, 35% der Frauen sagten sogar, die Sexualität sei ihnen nicht oder nicht mehr so wichtig. Diese Zahlen scheinen mir zwar sehr hochgegriffen zu sein, aber sie verdeutlichen: Sex sollte vor allem Spaß machen.. 1 Und er macht Spaß, wenn wir zunächst einmal die Bedingungen herstellen, die für den Sex wichtig sind. So banal es klingt: Guter Sex setzt voraus, dass wir uns mit dem anderen wohlfühlen. Wir brauchen vor allem das Gefühl, dass uns der andere wertschätzt.

Die Basis für den guten Sex

Wenn man abends Sex haben will, muss man morgens damit anfangen – ist eine der wichtigsten Grundlagen für den erfüllten Sex. Dazu gehören kleine Aufmerksamkeiten, Berührungen und anerkennende Worte, die in uns das Begehren nach Nähe wecken. Das ist die Basis für guten Sex. Denn Studien belegen: Es gibt vieles, das uns zunächst wichtiger ist als Sex. In der Rangfolge unserer Bedürfnisse steht er selten an erster Stelle. Wenn wir einen Partner suchen, haben die Eigenschaften der Verlässlichkeit, soziale Fähigkeiten und sogar der Humor weit höhere Prioritäten. Sex und Finanzen kommen abgeschlagen auf Platz sieben und acht.

Sex ist wichtig

Wenn es allerdings kaum oder fast keinen Sex gibt, fangen viele doch an, sich zu ärgern und sich Sorgen zu machen. Dies ist immer ein Fiasko für die Partnerschaft. Denn Sex ist ja nicht einfach eine Triebentladung. Sex ist Nähe und gibt uns das Gefühl, vom Partner gemocht und gesehen zu werden. Nicht zu Unrecht fühlen wir uns abgelehnt, wenn der/die Partner/in seit Monaten nicht mit uns schläft. Sex ist also für unsere Lebensfreude, vor allem aber für die Stabilität der Partnerschaft sehr bedeutsam. Dass Sex für unsere Lebensfreude wichtig ist, kam auch zum Ausdruck, als im April 1987 Papst Johannes II in Chile fragte: „Wollt ihr den Götzen des Sexes und des Vergnügens widerstehen?“ 2 100.000 Jugendliche antworteten lautstark: „Nein“. Aber obwohl die Sexualität so wichtig ist, wissen wir noch immer wenig über sie, da die Sexualwissenschaft eine sehr junge Disziplin ist.

Die Entwicklung der Sexualtherapie

Bevor sich Menschen wissenschaftlich mit dem Sex beschäftigten, gab es zu manchen Zeiten bereits viel Erfahrungswissen. Doch durch die vorherrschende Sexualfeindlichkeit der mittelalterlichen Kirche und den Puritanismus ist davon viel verloren gegangen. Das hat dazu geführt, dass es noch in unserer Zeit viele Vorurteile und Irrtümer hinsichtlich der Sexualität gibt. Beispielweise war Wilhelm Reich vor 80 Jahren überzeugt, die Leidenschaft könne immer nur zwei Jahre anhalten, wer dann noch das Prickeln der Erotik erleben wolle, müsse fremdgehen. Diese Theorie ist noch heute lebendig. So behaupten einige Experten, die zunehmende Vertrautheit in der Partnerschaft würde immer zu einem Niedergang der Erotik führen. Man könne nur das Unbekannte begehren. Das stimmt zunächst teilweise, muss aber nicht zwangsläufig die Untreue zur Folge haben. Das Unbekannte kann auch darin bestehen, dass wir lebendig bleiben. Denn wenn wir uns als Persönlichkeiten weiterentwickeln, schleicht sich nicht zu viel Routine in unserer Partnerschaft ein. Auf diese Weise stehen wir dann vor einer Aufgabe: Der Partner sollte immer wieder neue Eigenschaften an uns entdecken. Dann bleibt die Erotik lebendig. Wir sehen an diesem Beispiel, dass sich die Experten bereits bei den alltäglichen Problemen der Sexualität widersprechen.

Das hängt zum einen damit zusammen, dass jeder Experte seine eigenen persönlichen Erfahrungen gesammelt hat. Aber klar ist auch, dass die Sexualität oft noch ein Rätsel ist, denn ihre wissenschaftliche Erforschung begann erst 1970, als sie von dem Mediziner William Masters und der Psychologin Virginia Johnson begründet wurde. Damals schufen sie eine Fülle von funktionalen Übungen, die sehr erfolgreich waren. Ihr Konzept war biologisch fundiert, man wollte die Funktionsfähigkeit in der Sexualität wiederherstellen. Es gibt aber jetzt seit einigen Jahren Ansätze, die weniger technisch und mehr beziehungsorientiert ausgerichtet sind. Sie gehen zunächst einmal davon aus, dass jede Form der Erotik immer auch vom Beziehungsgeschehen bestimmt ist. Deshalb wird der Geschichte der Partnerschaft, den aktuellen Problemen und der Paardynamik ein besonderes Augenmerk beigemessen. Diesen Ansatz in der therapeutischen Arbeit mit Paaren und Einzelpatienten habe ich vor über zehn Jahren aufgegriffen und erweitert. Denn als Tiefenpsychologe erfahre ich immer wieder, wie wichtig die eigene Persönlichkeit – also Kindheit und Charakterentwicklungen - für die Sexualität sind.

Deshalb hat meine Arbeit drei Ebenen:

Das aktuelle Sexleben

Die Partnerschaft mit ihrer Entwicklung und

die Persönlichkeitsentwicklung beider Beteiligten.

Ich nenne dies das erotische Dreieck, das wir erkunden sollten. Es leuchtet ein, dass damit eine Forschungsreise beginnt, die einige Zeit erfordert. Aber die Chance ist sehr groß, dass sich durch diesen Ansatz Ihre Sexualität tatsächlich spürbar verbessert. Deshalb sollten auch Sie sich zu Beginn dieser Reise fünf Fragen stellen:

Was finden Sie an Ihrer Sexualität positiv, was ist entwicklungsbedürftig?

Welche Wünsche gehen nicht in Erfüllung?

Wie geht es Ihnen in der Partnerschaft?

Wie war Ihre Kindheit, Ihre Beziehung zu den Eltern, wie waren Sie als Kind?

Welche sexuellen Einstellungen wurden Ihnen im Elternhaus mitgegeben?

Damit haben wir die wesentlichen Fakten der eigenen Entwicklung, der Partnerschaft und der Sexualität erfragt. Und so wie sich drei Flüsse in einen See ergießen können, entsteht aus diesem erotischen Dreieck unsere Einstellung zur Sexualität. Und diese Einstellung spüren wir am ausdruckstärksten in unseren erotischen Phantasien. Um in unserem Bild zu bleiben: Die Tiefe und Färbung, der Wellengang und die Temperatur des erotischen Sees wird durch die Phantasien widergespiegelt. Deshalb ist es so verhängnisvoll, dass wir ihre Bedeutung lange unterschätzt haben. Selbst Nancy Friday schrieb einmal, sie habe sexuelle Phantasien früher für das Brot der sinnlich Ausgehungerten gehalten. Doch inzwischen wissen wir: Phantasien sind eine wertvolle Quelle der Erregung, aus der jeder schöpfen kann. Und so meint inzwischen auch Nancy Friday, sie seien die Landkarten, auf denen Verlangen, Beherrschen, Flucht und Verdunklung verzeichnet seien. Hier erkennen wir die Riffe und Untiefen der Ängste, Schuldgefühle und Hemmungen und können bestimmen, wie wir sie umschiffen wollen. 3

Unser Sexualorgan

Die Phantasie ist unser wichtigstes Sexualorgan und deshalb vertrat auch Helen Singer Kaplan die Meinung, Sexualität sei Phantasie und Reibung. Sollte man sich nicht fragen, ob sich der Sex nicht eher zwischen den Ohren, weniger zwischen den Beinen abspielt? Um Ihre Sexualität zu erkennen, sollten Sie daher den Mut haben, Ihre Phantasien zu erforschen. Bitte beantworten Sie deshalb die folgende Frage: Was ist Ihre häufigste Sexphantasie? Fast alle Menschen haben eine beständige Phantasie, die sich durch ihr Leben zieht. Diese erotische Phantasie ist der Königsweg zum Verständnis ihrer Erotik. Wie sieht Ihre aus?

Unsere Sexphantasien

Vielleicht haben Sie Schwierigkeiten damit, diese Phantasien zu beschreiben. Das würde mich nicht wundern, denn diese Forschungsreise in das eigene Innere ist ein Abenteuer. Leichter ist es zu analysieren, was sich zwischen mir und dem/der anderen abspielt. Aber hinsichtlich der eigenen Phantasien sind wir meist sehr gehemmt. Insofern sind sie schwer zu erfragen und werden nicht spontan mitgeteilt, so dass bisher Phantasien in vielen Sextherapien nur eine untergeordnete Rolle spielten. Schließlich sind sie sehr intim, denn es geht meist um Überlegenheit und Unterlegenheit, um Macht und Hingabe, Aggression und Schmerz. Mit zwei Beispielen will ich Sie etwas bei Ihrer Phantasiesuche anregen:

Eine 30jährige Frau erzählte mir: „Ich wünsche mir immer, dass ein richtiger Kerl kommt. Er soll nicht viel reden, das muss auch kein Intellektueller sein, aber gut gebaut, entschlossen und er soll zärtlich sein und mich dann selbstverständlich nehmen. Er soll nicht übertrieben rücksichtsvoll sein, sondern selbst vor Lust platzen und ich würde dahin schmelzen. Er würde es mir richtig besorgen. Jedenfalls träume ich oft davon, wenn ich abends allein im Bett liege.“

Ein 40jähriger Mann berichtet: „Ich habe die Phantasie, dass ich eine Frau wild küsse, ihr die Sachen von Leib reiße, sie aufs Bett werfe und dann schlafe ich so heftig mit ihr, dass sie vor Lust schreit, bis sie nur noch stammelt: Gibs mir…“

Soll man sie preisgeben?

Es ist tragisch, dass viele Menschen keinen Zugang zu diesen sinnlichen Quellen der Kraft besitzen. Doch es ist verständlich, denn Sexphantasien sind meist nicht sehr gesellschaftsfähig, sondern wild und versaut. Sie sind nicht angepasst, meist erfährt der Partner nie etwas davon, was in unserem Kopf vorgeht. Es wäre natürlich spannend, wenn Sie nun Ihre eigenen Phantasien aufspüren könnten. Allerdings will ich Sie auch nicht ermutigen, diese Phantasien Ihrem Partner preiszugeben. Denn dieser würde viel, vielleicht zu viel von Ihnen erfahren. Aber Sie selbst sollten diese Phantasien kennen, um die Möglichkeit zu haben, einen Teil von ihnen in Ihrer Partnerschaft auszuleben.

Kaviar und geschlagene Sahne

Wenn Sie sich einmal zurückziehen und Ihre Sexualphantasien spüren, werden Sie merken, wie groß der Unterschied zwischen Ihren Vorstellungen und Ihrer gelebten Sexualität ist. Ich will Ihnen helfen, diese gelebte Sexualität zu verbessern. Dabei werde ich Ihnen keine einfachen Tricks vermitteln. Es gibt genügend Bücher, in denen Sie lernen, wie und wo man sich berührt, welche Stellungen interessant sind. Natürlich gibt es wunderbare Beschreibungen, was man miteinander anstellen kann. Wenn er Kaviar aus Ihrem Bauchnabel schleckt, geschlagene Sahne von Ihren Brüsten leckt, Sie dann mit einem wohlriechenden Öl massiert und Sie erotisch verwöhnt, kann dies sehr lustvoll sein. Und doch werden Sie merken, dass der Lustgewinn schal bleibt, wenn die emotionale Basis nicht stimmt. Denn Sexualität ist vor allem Interaktion und Wertschätzung. Daher muss ich bereit und offen für eine umfassende erotische Annäherung sein. Sex misslingt, sobald ich das Gefühl habe, dass der andere mich als Sexualobjekt missbraucht. „Du meinst mich nicht“ – sagen deshalb viele Frauen, wenn sie deutlich spüren, dass er es nur auf ihren Körper abgesehen hat und auch dann, wenn er nur pornografische Phantasien ausleben will. Schließlich wollen wir, dass der Andere eine wirkliche Beziehung mit uns aufnimmt, auf unsere Stimmung achtet, dass er unsere Wünsche respektiert. Das kann auch bedeuten, dass ich heute keine Lust habe.

Die Begegnung zweier Welten

Sex kann sich in vielen Formen abspielen: Wild und zärtlich, es kann eine tiefe Begegnung sein oder ein flüchtiges Abenteuer. Aber alle Formen des Sex beinhalten eine Erkenntnis: Die erfüllende Erotik ist in ihrer Tiefe ein lebendiges Gespräch und damit eine emotionale Herausforderung. Dazu braucht man Mut, denn es entsteht eine hohe Intensität der Beziehung, wenn man sowohl sich selbst als auch die Wünsche des Partners erspürt – bis ein erotischer Dialog beginnt. Schließlich geht es nicht um Chemie und Neuronen, sondern um die seelisch-körperliche Begegnung zweier Welten. Was sich hier tatsächlich abspielt, was die Wurzeln dieser Begegnung sind, wissen wir oft nicht, denn wenn wir erstmals miteinander schlafen, fragen wir meist den anderen vorher nicht, wie es ihm geht und wie seine Mutterbeziehung war. Wir empfänden es womöglich sogar als übergriffig, nach sexuellen Phantasien gefragt zu werden. Und doch gibt es eine wunderbare Möglichkeit, in die Welt der unterschiedlichsten sexuellen Phantasien einzutauchen. Sie werden nämlich in den guten erotischen Romanen der Weltliteratur beschrieben. Hier bekommen unsere Phantasien eine Sprache, hier wird ausgedrückt, was auch wir fühlen und empfinden. Hier wird die Kindheit der Protagonisten dargestellt, ihre Partnerschaften und ihre erotischen Wünsche und sexuellen Praktiken.

Erotische Romane

Welche Auswirkungen das Lesen von erotischen Romanen haben kann, belegt eine neuere Studie der britischen Website Netmums.com. Sie ergab, dass sich der Sex jener Paare verdreifachte, die das Buch „Fifty Shades of Grey“ gelesen hatten. Und viele Paare meinten, dass sie nach der Lektüre des Romans im Bett mutiger wurden und 54 % der Frauen kamen sogar zu dem Ergebnis, das Lesen hätte sie dem Partner nähergebracht. Nun wollte ich natürlich wissen, ob auch die Leser in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine ähnliche Wirkung beim Lesen erotischer Romane verspürten. Das Ergebnis war beeindruckend, denn 87 % der Befragten meinten, sie fänden die klassischen erotischen Romane spannend und 72% der Frauen und 50% der Männer waren sogar überzeugt, dass sich ihre Sexualität durch das Lesen erotischer Literatur wesentlich verbessert hat. Sie hätten viel über den Sex begriffen, hätten oft darüber nachgedacht, sich intensiv darüber unterhalten.

Rammbock und Karotte

Allerdings scheint es nicht einfach zu sein, den Sexualakt gut in Worte zu fassen. Deshalb hat es sich die renommierte britische Zeitschrift Literary Review zur Aufgabe gemacht, die geschmacklosen sexuellen Passagen aufzuspüren und die schlechteste Sexszene zu prämieren. Zu den Preisträgern gehörte auch Norman Mailer, der den Penis einmal als Rammbock bezeichnete. John Updike wurde für sein Lebenswerk prämiert, er hatte die Angewohnheit, den Penis als Karotte zu beschreiben. Selbst Haruki Murakami wurde 2014 mit folgender Stelle aus „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ ausgewählt: „Kuros Brüste waren weich und voll. Shiros waren klein, aber ihre Brustwarzen wurden hart wie runde Kieselsteine. Das Schamhaar der beiden war feucht wie der Regenwald. Ihr Atem vermischte sich mit seinem, wie von weither kommende Strömungen sich unbemerkt auf dem dunklen Meeresgrund begegnen.“ 4

Die schönste Sex-Szene aufschreiben

Es ist offensichtlich nicht leicht, den Sex darzustellen. Oft wird man dann zum Gespött der Welt. Das fängt ja schon mit der exakten Bezeichnung der Körperteile an. Soll man Möse, Lustgrotte oder Pussy sagen? Oder bezeichnet man sie als Vagina? Hat er einen Schwanz, einen Ständer oder einen Penis? Und wie beschreibt man den Sexualakt? Vor zwanzig Jahren war das Wort „ficken“ der vulgäre Ausdruck für den Sex. Liebevoller klang schon „vögeln“, heute pflegen Jugendliche vom „Poppen“ zu reden. Noch schöner ist natürlich die Übersetzung der englischen Redewendung „Liebe machen“, während das deutsche „miteinander schlafen“ kaum das wiedergibt, was wirklich passiert. Mir gefällt am besten die polynesische Umschreibung des Geschlechtsverkehrs. Sie lautet: „Nahe bei Gott sein.“ Das sagt viel über die positive Einstellung dieser Menschen zur Sexualität aus. Dennoch behauptete der Schriftsteller Martin Amis, dass man über guten Sex unmöglich schreiben könne. Müssen wir uns damit abfinden oder sollten wir doch den Versuch wagen, das Gespräch der Körper und Seelen in die geschriebene Sprache zu übersetzen?

Und tatsächlich finden sich bei längerer Suche wunderbare Schilderungen. Vor einiger Zeit hat mich ein Liebesbrief des französischen Sozialphilosophen André Gorz an seine Frau tief berührt. Über den Beginn ihrer erotischen Beziehung schreibt er: „Wir hatten es nicht eilig. Behutsam habe ich Deinen Körper entblößt. Der Perlmuttglanz Deiner Brust erhellte Dein Gesicht. Lange habe ich Dich stumm betrachtet, dieses Wunder an Kraft und Zartheit. Das griechische Ideal der weiblichen Schönheit hatte sich in Dir verkörpert. Es war, als wäre die Aphrodite von Milos aus ihrem marmornen Schlaf erwacht. Mit Dir habe ich begriffen, dass die Lust nicht etwas ist, was man nimmt oder gibt. Es ist eine Weise, sich hinzugeben und die Hingabe des anderen herbeizurufen. Wir haben uns ganz und gar hingegeben.“ 5 Nach achtundfünfzig Jahren Zusammenleben bekennt er, er habe sich von neuem in sie verliebt und würde wieder die zehrende Leere in sich tragen, die einzig die Wärme ihres Körpers ausfüllen könne.

Schriftliche Erinnerungen

Durch diese hohe Kunst der erotischen Sprache sind Sie vielleicht bezaubert und angeregt. Denn wir spüren sehr deutlich, dass unsere Sexualität zu häufig alltäglich und sogar banal ist. Gleichzeitig bin ich der Überzeugung, dass es im Leben der erotischen Biographie jedes Menschen solche Momente tiefer Emotionalität gibt, für die Sie ganz persönliche Worte finden könnten. Bitte überlegen Sie daher: Was war Ihr schönstes, berührendstes, vielleicht auch aufregendstes sexuelles Erlebnis? Wie könnten Sie Ihr Begehren beschreiben? Können Sie sich daran erinnern, wie Sie sich küssten, sich auszogen und …?

Das literarische Vorspiel

In diesem Buch geht es um zwölf erotische Romane, die Ihnen helfen können, neue Wege der Sexualität zu finden. Sie werden sehen, dass jede Veränderung, jede Erweiterung unseres Lebens zu einer Steigerung der erotischen Erlebnisfähigkeit führt. Wie bei jeder guten Sexualität wird es auch hier ein ausgedehntes Vorspiel geben, indem ich Sie zunächst zu einem kurzen erotischen Spaziergang durch die Kulturgeschichte einlade.

Literatur

Elizabeth Benedict, Wie Sie Sex-Szenen literarisch gestalten, Berlin 2013

Nancy Friday, Die sexuellen Phantasien der Frauen, Bern und München 1980

Werner Fuld, Eine Geschichte des sinnlichen Schreibens, Köln 2014

André Gorz, Brief an D., München 20090

Barbara Sichtermann u.a., 50 Klassiker - Erotische Literatur, Hildesheim 2011

Kirsten von Sydow u.a., Sexualität in Paarbeziehungen, Göttingen 2015

Frauen haben Sex mit Männern, um Liebe zu bekommen. Männer lieben Frauen, um Sex zu bekommen. Volksmund

Das Hohelied des Salomo

Die erotische Liebe spielt sich meist im Verborgenen ab und will dennoch beschrieben und gepriesen werden. In allen Hochkulturen gab es daher erotische Gedichte und Romane. Dazu zählt das Hohelied des Salomo, das vor 3000 Jahren entstand. Im biblischen Buch der Könige wird von der Geschichte Salomos erzählt, der vierzig Jahre lang das Schicksal Israels lenkte. Er war ein weiser Herrscher und noch heute wird von einem salomonischen Urteil gesprochen, wenn ein Schiedsspruch besonders gerecht und ausgewogen ist. Salomo liebte rauschende Feste, den Prunk und vor allem Frauen. Sein Harem fasste siebenhundert Haupt- und dreihundert Nebenfrauen. Und so wurde ihm der einzige Text mit erotischem Inhalt in der Bibel zugeschrieben. Das Hohelied, das in seinem Umkreis entstanden sein soll, preist die leidenschaftliche Liebe:

Mit Küssen seines Mundes bedecke er mich.

Süßer als Wein ist Deine Liebe….

Schön bist Du, meine Freundin,

ja, Du bist schön. Zwei Tauben sind Deine Augen…

Dein Haar gleicht einer Herde von Ziegen

Wie der Turm Davids ist Dein Hals…

Deine Brüste sind wie zwei Kitzlein

wie die Zwillinge einer Gazelle

Tauben waren damals Liebesbotinnen und Ziegenherden meist schwarz, so dass wir einen Eindruck von der Haarfarbe der Geliebten bekommen. Auch die Anspielung auf einen Turm war damals ein reizvolles Kompliment. So ist das Gedicht eine Lobpreisung für eine feurige schöne Frau.

Das Hohelied ist ein erstes erotisches Meisterwerk der Dichtung. Allerdings ist hier nirgends von Heirat oder Treue die Rede und so wurde es jahrhundertelang von Kirchenführern verbannt. Denn vieles im Hohelied klingt durchaus modern. Selbstbewusst fordert hier eine Frau einen Mann zum Beischlaf auf: „Komm, mein Geliebter, wir wollen aufs Feld hinausgehen… Dort will ich Dir meine Liebe schenken.“

Anregung: Haben Sie einmal versucht, ein Liebesgedicht zu schreiben? Solche Gedichte können ein Höhepunkt einer erotischen Annäherung sein, weil sie dem/der Geliebten widerspiegeln, wie wir ihn / sie sehen. Leider wagen wir es meist nicht zu dichten. Wir finden es fast albern, stellen zu hohe Ansprüche und trauen nicht der kindlichen Unbefangenheit, von der wir mitunter in der Verliebtheitsphase erfüllt sind. Und leider schreiben wir auch kaum Liebesbriefe, die langsam aussterben, obwohl sie schon vor tausenden Jahren verbreitet waren.

Oder haben Sie für Ihren Partner/in in den letzten Jahren einen Liebesbrief verfasst? Vielleicht zögern Sie, weil Sie nicht mehr in der Phase der Beziehung sind, in der man sich glühende Zeilen schreibt. Dennoch könnten Sie einmal formulieren, warum Sie trotz aller Schwierigkeiten bei diesem Partner bleiben. Was unterscheidet ihn von den vielen anderen, die Sie kennen? Das Besondere Ihres Partners sind jene Eigenschaften, die ihn von den anderen unterscheidet. Dann könnten Sie ihm mitteilen: Du bist nicht nur aufregend und schön, das Leben mit Dir ist nicht langweilig. Aber ich kann mich auch mit keinem anderen Menschen so gut unterhalten wie mit Dir. Und beim Autofahren die alten Schlager singen – das kann ich mir nur mit Dir vorstellen. Du bist einzigartig.

Ovid und die Kunst der Erotik

Eine weitere Beschreibung der Erotik ist die 2000 Jahre alte Liebeskunst von Ovid. Er vermittelt, wie man dem anderen imponiert, wie man ihn anlockt, verführt, sich zurückzieht und damit Spannung aufbaut. Offenbar war es in der antiken Welt möglich, Sexualität ohne Schuldgefühle zu genießen und so entwickelte sich eine lebenspraktische Kunst der Erotik. Diese enthielt keine Moral der Treue, sondern eine Moral der Leidenschaft. Treue kannte Ovid vor allem gegenüber der Göttin der Liebe. Für ihn war es völlig egal, ob die Frau frei, jungfräulich oder gebunden war. Ihm ging es nur um die maximale Lust.

Und so beschäftigt er sich vor allem mit der Frage, wie man das Feuer der Leidenschaft immer wieder schüren kann, wenn es zu erlöschen droht. Wichtig für Ovid ist es beispielsweise, dass das eigene Leben teilweise ein Geheimnis bleibt, damit man im Alltag aufregend und anziehend wirkt. Junge Menschen können dies oft nicht und so schreibt Ovid: „Ungeschickt nur verrät sich der glühende Jüngling.“ Ovid ist der Überzeugung, dass zur Erotik viel Lebensklugheit gehört und stellt sich daher auch die Frage, ob ein Seitensprung nicht oft aus einer Vernachlässigung entsteht. Und er rät sogar, die Eifersucht ein wenig zu schüren, wenn die Leidenschaft einschläft: „Denn es versiegt das Feuer der Schönen, wähnt sie sich sicher.“

Sex und Lebenserfahrung

Lieben-Können hat für Ovid etwas mit Lebenserfahrung zu tun. Deshalb gelangt er zu der Überzeugung, nur die reifere Frau könne meisterlich lieben. Insofern schätzt Ovid erwachsene, erotisch aktive Frauen. Und sehr modern setzt er sich mit verschiedenen Stellungen in der Sexualität auseinander und kommt zu dem Ergebnis, die leichteste und bequemste sei es, wenn sie halb rücklings gelehnt auf der Seite liegen würde.

Ovid entstammte dem römischen Landadel und wurde von seinem Vater für das politische Leben ausgebildet. Doch dies empfand er als zu anstrengend und gefährlich und entschied sich für die Dichtkunst. Er wurde sehr populär, obgleich er in seiner Liebeskunst nichts Neues, nichts Revolutionäres beschrieb. Aber gerade die Selbstverständlichkeit der von ihm vermittelten frivolen Liebeskunst passte nicht in das politische Konzept von Kaiser Augustus, der nach den römischen Bürgerkriegen eine Erneuerung des Staates plante. Und so wurde 8 n. Chr. der 51jährige Ovid lebenslänglich an das Schwarze Meer verbannt.

Fragen: Welche Geheimnisse haben Sie? Was weiß der Partner nicht über Sie, was soll er nicht wissen? Meist erzählen wir dem Partner wenig über frühere sexuelle Erfahrungen. Aber gibt es noch andere Erlebnisse, die Sie für sich behalten? Warum sind manche Geheimnisse gut für eine Partnerschaft und machen uns interessant? Und wann kann das Verschweigen von Geheimnissen eine Beziehung gefährden?

Kamasutra: Ein Leitfaden der sinnlichen Erotik

Das Christentum beargwöhnte diese Liebeslust, während andere Kulturen wesentlich sinnenfroher eingestellt waren. Das gilt vor allem für das indische Kamasutra, das im 3. Jahrhundert nach Christus durch Mallanaga Vatsyayana entstand.

Bekannt wurde das Kamasutra vor allem durch die Schilderung der Stellungen im Sex und des Oralverkehrs. Allerdings geht die Bedeutung des Kamasutra weit über die erotischen Praktiken hinaus. Es geht im Kamasutra insgesamt um das gute Leben. Dazu muss der Mann in der Kindheit Wissen, in der Jugend und dem beginnenden Erwachsenenalter Arthra (dazu zählen vor allem Freundschaften und Reichtum) und anschließend Kama erlangen, das ist der Genuss durch die fünf Sinne: Gehör, Gefühl, Sehen, Geschmack und Geruch. Aber auch Frauen können sich diese Lebensziele aneignen. Um sich darin zu vervollkommnen, soll eine Frau vierundsechzig Künste erwerben. Dazu zählen beispielsweise der Gesang, das Zeichnen und Schreiben, die Malerei, das Kochen und Lesen, die Kenntnis der Bräuche und das Verfassen von Gedichten. Erotik wurde also für beide Geschlechter als ganzheitliche Persönlichkeitsbildung verstanden.

Ein besonderes Interesse fand das Kamasutra vor allem durch die geschilderten Stellungen im Sexualakt. Manche Stellungen sind noch heutzutage an- und aufregend. Probieren Sie doch einmal den „Clip“ aus. Der Mann liegt dabei mit geschlossenen Beinen auf dem Rücken, die Frau setzt sich auf ihn und beugt sich nach hinten. Sie bestimmt durch ihre rhythmischen Bewegungen den Sexualakt, er kann ihren Venushügel streicheln und ihre Klitoris stimulieren. Andere Übungen müssen aber geübt werden und setzen eine große Gelenkigkeit voraus. Das gilt beispielsweise für das „Vulkanfieber“. Hier stützt sie sich mit gestreckten Armen auf dem Bett ab. Er steht hinter ihr am Bettrand, hebt ihr Becken, um in sie einzudringen. Ihre Beine klemmt sie dabei unter seine Arme. Ein wenig ähnelt diese Position einer erotischen Schubkarre.

Lotos im Mondschein

Zunächst werden im Kamasutra die unterschiedlichen Stellungen beschrieben, bei der sich die Vagina der Frau öffnet oder verengt. Darauf aufbauend gibt es viele andere Stellungsvarianten: Kommt der Mann von hinten, nennt man dies eine Kuh. Eine andere Stellung hat den poetischen Namen „Lotos im Mondschein“. Hierbei liegt der männliche Partner im Bett, während sie sich über sein Gesicht hockt. Es gibt im Kamasutra viele Hinweise, wie der Oral-Verkehr geschickt praktiziert werden kann. Bei dem „Lecken der Rosenblätter“ wird empfohlen, die Schamlippen leicht zusammenzudrücken und sie dann zart wie auf einen Mund zu küssen. Aber als Königsdisziplin gilt die Krähe, eine Variation der 69-Stellung, bei der sich beide oral verwöhnen können. Zudem dürfte für die Männer das „Aussaugen der Mangofrucht“ besonders reizvoll sein. Dabei nimmt sie den Penis bis zur Hälfte in den Mund und saugt so daran, als würde sie das Fruchtfleisch einer Mango genießen.

Anregung: Welche Sexualpraktiken, welche Stellungen würden Sie gern einmal mit Ihrer Partnerin ausprobieren? Machen Sie daraus ein Spiel. Notieren Sie drei Wünsche auf verschiedenen Zetteln und bitten Sie Ihren Partner(in), ebenfalls drei Wünsche aufzuschreiben. Jede Woche wird dann mit geschlossenen Augen ein Zettel gezogen und der entsprechende Wunsch im erotischen Spiel realisiert, sofern der Partner Lust dazu hat. Weil aber auch seine Wünsche in Erfüllung gehen, gibt es hierzu eine größere Bereitschaft.

Die Ruhe in der Leidenschaft

Kamasutra ist eine sehr lebenspraktische Kunst der Erotik, wobei auch die Ausführungen zum Küssen interessant sind. Wussten Sie, dass es zuckende, stoßende, irrende und gepresste Küsse gibt? Wenn beide dabei von Leidenschaft getrieben sind, stürmen sie dahin „unter der Peitsche der Lust.“ Allerdings sollte man sich dafür Zeit lassen, denn das Kamasutra lehrt, dass die Erotik eine Kunst ist, die man in Ruhe auskosten sollte.

Fragen: Welches Tempo beim Küssen, beim Sex bevorzugen Sie? Ist Ihr Sexverhalten vom gleichen Rhythmus, derselben Geschwindigkeit geprägt wie dem Ihrer Partnerin? Wie verändert sich Ihr Lusterleben, wenn Sie Ihr Tempo einmal verlangsamen oder beschleunigen?

Die Verteufelung der Sexualität

Während in anderen Kulturen und der griechisch-römischen Antike die Erotik gepriesen wurde, erstickte die repressive Sexualmoral des Mittelalters das Lustempfinden. Bereits sexuelle Phantasien wurden als Sünde angesehen. Nur noch selten gab es Künstler, die sich dieser Moral widersetzten. Zu ihnen gehörte der 1170 geborene Walther von der Vogelweide. Er stand zunächst am Wiener Hof in Lohn und Brot, zog aber dann als fahrender Sänger durch das Land. Als freier Sänger dichtete er erotische Verse, in der die erfüllte Liebe gepriesen wurde. In dem berühmtesten Liebeslied hieß es:

Unter der Linde auf der Heide,

wo unser gemeinsames Bett war…

da kam auch mein Liebster hin

und empfing mich als Frau - O, Heilige Maria,

wie hat er mich selig gemacht!

Hier geht es eindeutig um die Liebe in der Natur, die zudem von einer jungen Frau geschildert wird. Ein großer Unterschied zur höfischen Liebe, die von Vergeblichkeit und Sublimierung geprägt war.

Fragen: Welche Erfahrungen haben Sie mit Sex in der Natur? Wurden Sie von den Elementen der Natur angeregt, haben Wind und Sonne ihre Sinne intensiviert und das erotische Verlangen gesteigert? War es aufregend für Sie, möglicherweise entdeckt zu werden? Oder schlafen Sie lieber im Bett miteinander, wo es ruhiger ist und nicht der Sand der Dünen an jeder Hautfalte klebt?

Das Dekameron und Octavia

Erst der gebildete und weltgewandte Giovanni Boccaccio wagte es um 1350, sich im Dekameron über die herrschende Sexualmoral zu erheben. Sieben adlige Damen und drei Herren fliehen vor der Pest auf ein Landgut und erzählen sich spannende Geschichten, um sich die Zeit zu vertreiben. Oft geht es dabei um das erotische Vergnügen, das mitunter von einer derben Komik geprägt ist. So lachen alle über die blutjunge Berberin Alibech, die zum Christentum übertreten will. Ein Eremit vermittelt ihr, der Teufel sei zwischen seinen Beinen und bei ihr sei dort die Hölle. In diese gehöre der Teufel, das sei der Gottesdienst. Bald ist Alibech eine begeisterte Dienerin Gottes und erzählt jedem, wie wunderbar die christlichen Rituale seien. Der Vatikan stellte das Dekameron zwar 1470 auf den Index, aber die Novellensammlung war bei der Leserschaft so erfolgreich, dass es zum Ende des gottesfürchtigen Mittelalters beitrug.

Anregung: Sex ist göttlich – lautet die wichtigste Botschaft von Boccaccio. Damit stellt er sich entschieden gegen die Schamkultur, von der noch heute die Sexualität geprägt ist. Wann also und warum bekommen Sie Schamgefühle? Für welche Phantasien schämen Sie sich? Und wie wäre Ihr Sex, wenn Sie einmal völlig unbekümmert und schamlos wären?

Mit dem Dekameron wurde der Übergang zur weltoffenen Renaissance vorbereitet, doch selbst einige Jahrhunderte später konnten erotische Romane nur unter großen Vorsichtsmaßnahmen veröffentlicht werden. So erschien beispielsweise 1659 das Werk „So, Octavia, ist die Liebe“, wobei man als Autor den Namen eines verstorbenen Philologen verwendete.

Die Kunst der Liebe

Dieser Roman handelt von dem Gespräch zwischen der 15jährigen Octavia und ihrer 10 Jahre älteren Cousine. Octavia möchte aufgeklärt werden und bekommt eine sehr lebenspraktische Einweisung in die Kunst der Liebe. Dabei verschweigt der Autor nicht, dass Frauen oft wenig empfinden, wenn die Männer schnell zum Orgasmus kommen. Und so lehrt auch die Cousine, Octavia solle zwischen ehelicher Pflicht und der Hingabe an den kundigen Liebhaber unterscheiden. Und schließlich kommt sie zu dem Ergebnis: Frauen müssten die Glückseligkeit einer Geliebten mit dem Alltag einer verheirateten Frau verbinden. Doch dazu müssten sie es wagen, ihr Glück in den Genüssen der Liebe zu finden.

Erst seit etwa 200 Jahren gibt es in Europa verstärkt eine Tradition erotischer Literatur. Die Zusammenfassungen und Analysen der folgenden Romane – und die sich daraus ergebenden Fragen und Anregungen – sollen Ihnen helfen, die eigene Erotik zu verstehen. Sie sind aber auch Türöffner der Leidenschaft und sollen Ihnen Wege für eine lustvolle Sexualität aufzeigen, die wir mit allen Sinnen genießen.

Literatur

Giovanni Boccaccio, Das Dekameron, Köln 2013

Nicolas Chorier, So - Octavia ist die Liebe, Frankfurt am Main 1967

Kamasutra, Germering 2007

Ovid, Liebeskunst, München und Zürich 1976

Frauen brauchen eigenes Geld, flache Schuhe, Kinderkrippen und mehr Liebe, als ein einziger Mann bieten kann. Benoîte Groult

Salz auf unserer Haut

Benoîte Groult

In aller Kürze

Eine Intellektuelle lebt mit unterschiedlichen Männern zusammen und genießt immer wieder einen aufregend schönen Sex mit einem Seemann, mit dem sie aber nicht den Alltag teilt.

Warum ich diesen Roman ausgewählt habe

In dem 1988 erschienenen Roman wird aufgezeigt, dass eine erfüllte Hingabe nur dort möglich ist, wo wir vertrauen können und wissen, dass uns der andere guttut. Dann können wir tiefe erotische Gefühle erleben. Aber ist es möglich, dass man diese leidenschaftliche Erotik mit jenem Mann oder jener Frau empfindet, mit der man auch den Alltag bewältigt? Oder muss man das Leben trennen: Hier der Alltag und dort die prickelnde Erotik? Der Roman gibt überzeugende Hinweise, wie die große Liebe gelingen kann. Es ist ein wunderbares Buch, das ich immer wieder gelesen und neu entdeckt habe. Mir gefiel die Sprache, die so liebevoll und dennoch deftig die sinnliche Begegnung beschreibt. So stellt sich Benoîte Groult am Beginn des Romans die Frage, wie sie den Coitus darstellen soll. Und wie soll sie die Organe bezeichnen: Seine „Rute war zum Bersten steif… Dein geliebter Hodensack. … Deine Scham, ihr Liebesschlupfloch.“ Entweder ist es Medizinerlatein oder Gossensprache. Aber sie schafft es, die Magie der Erotik in diesem Roman einzufangen und den Akt als etwas Hinreißendes zu schildern.

Salz auf unserer Haut

Die 18jährige George (ohne ‚s‘) verliebt sich in einen sieben oder acht Jahre älteren Fischer. Er hat leuchtendblaue Augen, einen kupferschimmernden Bart und in Anlehnung an die Zwölf in der Tafelrunde nennt sie ihn Gauvain. Im Vergleich zu ihm sind all ihre Pariser Freunde Grünschnäbel. Sein Beruf macht aus ihm einen muskulösen Jüngling, aber in seinen Augen sieht man noch die Kindheit.

Allerdings leben sie in unterschiedlichen Welten: Sie ist die Tochter wohlhabender Touristen, die ihre Ferien in einer Villa verbringen, er der Sohn armer Bauern. So bedachte er sie früher mit Schimpfwörtern und schlitzte den Reifen ihres ersten Fahrrads auf. Zwar verschwand er dann aus ihrem Blickfeld, aber sie ist sofort erregt, als sie während der Ernte Gauvain mit nacktem Oberkörper auf einem Wagen sieht. Abends tanzen sie stumm miteinander, doch ihre Körper erkennen sich und so flüchten sie an den Strand, wo sie sich gemeinsam in die Wellen stürzen. Er muss zwei Tage später abreisen, gern hätte sie ihm ein Gedicht geschickt, das mit den Worten endete… „Und trauerst dem Kuss nach, den wir uns nicht gegeben haben?“

Einige Jahre später sehen sie sich bei einer Hochzeit wieder. Inzwischen ist Gauvain zwar verlobt, aber George spürt, dass dieser Abend am Meer noch immer in ihm lebendig ist. Dennoch funktioniert keiner ihrer Annäherungstricks und sie will diesen Rüpel vergessen. Doch als sie geht, legt er seine Hand auf ihre Schulter und verabredet sich mit ihr am Strand. Sie hätte auf zehn Jahre ihres Lebens verzichtet, um ungestört diese Flut der Erregung zu erleben. Er küsst sie stürmisch, ihre Lippen vereinen sich und ihre Zunge verfängt sich an seinem kaputten Zahn. Sie tauchen ein in die unerträgliche Einfachheit der Liebe. Als ob sich ihre Körper schon immer gekannt hätten, tasten sie sich voran im Takt der Lust. Sie erleben eine Nacht der Erotik und nur die ankommende Flut bringt Realität in ihre Gefühle.

Du bist zu kompliziert