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Bis vor wenigen Jahren war ich davon überzeugt, dass Laubenpieper alt und etwas prollig sind. Ihre kitschige kleine Welt mit Gartenzwergen und Märchenfiguren fand ich merkwürdig, die zahlreichen Vorschriften abschreckend. Doch dann verliebte ich mich in eine Frau mit einem Schrebergarten. Und nun passiert etwas anrührend Komisches: Aus dem überzeugten Gegner wird ein Vereinsmitglied, das schließlich zum Vorstand der Kolonie gehört. Eine Liebeserklärung an Schrebergärten zwischen witzigen Situationen und alltäglichem Wahnsinn.
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Seitenzahl: 95
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Willst du für eine Stunde glücklich sein, so betrinke dich.Willst du für drei Tage glücklich sein, so heirate.Willst du für acht Tage glücklich sein, so schlachte einSchwein und gib ein Festessen.Willst du aber ein Leben lang glücklich sein,so schaffe dir einen Garten.
Chinesisches Sprichwort
Jeder pflegt seine Vorurteile
Damals war's.…
Die glibberigen Monster
Landebahn für Aliens
Wie man Schnecken umbringt
Die grüne Langeweile
Die perversen Gartenzwerge
Der permanente Druck
Die neugierigen Blicke
Was wird denn das?
Es regnet, es regnet…
Ungewohnte Geräusche
Ein Schnaps – ein Bier
Neugierde und Hilfsbereitschaft
Brennnesseln für Schmetterlinge
Wissenslücken
Die berühmten Gärtner
Über sieben Brücken…
Was einmal war, kommt nie zurück
Meister des Improvisierens
Auf nach Truckenthal
Die eigenen Tomaten
Lady Chatterley im Garten
Die chinesische Laufente
Die lebenden Rasenmäher
Erscheinen ist Pflicht!
Die Hilde-Ablenkungs-Taktik
Der Blaumann
Rei in der Tube
Der harzige Duft
Schweiß, Chlor und Sonnenöl
Die Erbswürste
Aufregung am frühen Morgen
Das Horoskop
Wer war das?
Kann das weg?
Die roten Tischdecken
Die Spielregeln
Sinnliche Beobachtungen
Ich war schon fast tot
Wie man Kühe melkt
In Reih und Glied…
Die Laube von Pippi Langstrumpf
Das Tempo
Hier liegt der Hund begraben
Krankheiten und Verdauung
Ist Aldi wirklich preiswert?
Das erholsame Schweigen
Das Blechtelefon der Kindheit
Es lohnt ja doch nicht
Das gesunde Leben
Meine Fingernägel
Hornhaut an Händen und Füssen
Kindlicher Protest
Der Eiermann
Mo-ni-ka
Die Bäuche meiner Nachbarn
Wenn die Sonne den Hintern küsst
Aufgeräumt und ungemütlich
Die allseitig entwickelte Persönlichkeit
Wenn man Eheprobleme hat
Wenn man sexuelle Probleme hat
Staatsfeindliche Elemente
Auf der Flucht
Werte Gartenfreunde
Nur die Wanduhr tickt
Hier ist kein Urwald
Langeweile und Erholungsschlaf
Wieder zuhause
Allein auf dem Balkon
Frau mit Laube
Kaffee unterm Pflaumenbaum
Komm in meine Liebeslaube
Die großen Landschildkröten
Das gemeinsame Thema
Das Angebot
Der Vorsitzende
Die Laube in der Nähe
Das vergessene Bügeleisen
Die riesigen Koffer
Mit der Welt verbunden
Muskelkater und blaue Flecke
Die reparierte Klospülung
Wabi Sabi
Die glückliche Klofrau
Die Arche Noah
Die schiefe Laube
Die behinderte Blaumeise
Catering für die Spatzen
Der Kampf mit den Räubern
Die Kunst des Überlebens
Wir retten die Verwandtschaft
Der Einbrecher
Die Kunst des Grillens
Das Plumpsklo
Der Rückzugsort
Ausflug im Regen
Überschwemmung im Mutterleib?
Die Farbe der Klodeckel
Wenn die bunten Fahnen wehen
Wenn wir Frauen retten wollen
Das Boot im Garten
Die Wunderpampe
Die Hebel der Klappleiter
Festhalten!
Das Ringen nach Anerkennung
Blitzende Geheimnisse
Wenn die Wohnung größer wird
Raum in der kleinsten Hütte
Mücken, Mücken
Die Kunst der Nähe
Fertig ist die Laube
Das Enthauptungsritual
Die Vergänglichkeit
Die philosophischen Gartengespräche
Warum die Kollegen schmunzeln
Jacke mit Goldknöpfen
Unkräuter auf dem Teller
Ich liebe meine Frau
Das geheimnisvolle Raunen
Ich verändere mich
Zurück in die Stadt
Schrebergärten sind ein Paradiesmit merkwürdigen Regelnund neugierigen Nachbarn.
Bis vor vier Jahren war ich davon überzeugt, dass ein Kleingarten vor allem für ältere Menschen geeignet ist. Damals war ich erst 62 Jahre alt. Also machte ich mich immer über die Laubenpieper lustig. Eng gedrängt wie im Hühnerstall beackern sie ihr Stückchen Erde, das so groß ist wie ein Handtuch. Na ja – wie ein Badetuch. Es ist eine kleine Welt einer zwangsweisen Nähe, in der jeder neugierig auf den anderen schaut. Es ist eine kitschige Welt mit Gartenzwergen und Märchenfiguren. Doch hinter der scheinbaren Idylle verbergen sich unzählige Vorschriften, ständig wird jeder beobachtet. Überall lauert die Frage: Dürfen die das? Aber dies scheint die Laubenpieper nicht zu stören, stolz sprechen sie von ihrem Garten und freuen sich über die selbstgezogenen Tomaten und Zucchinis. Doch mir war immer klar, dass dies nicht meine Welt sein würde.
Trotzdem verbrachte ich vor vielen Jahren meinen Sommerurlaub in einer Laubenkolonie im Ostteil Berlins. Eigentlich sagte man hier Datschen. Ich feierte gerade meinen 56. Geburtstag und war etwas erholungsbedürftig. Ich wollte meine Ruhe haben, mich selbst finden und erinnerte mich an den Wahlspruch meiner Großmutter: Raus ins Grüne.
So sitze ich also vergnügt im Kleingarten meines Freundes Adam, der fünf Wochen lang durch Südamerika reist. Ich kümmere mich gern um seine Erdbeeren und Tomaten und grüße jeden Tag seine Nachbarn. Es ist gemütlich – man sieht sich und vor allem: Man hört sich und fühlt sich nicht allein.
Ich weiß jetzt alles über die Größe der Hundehaufen und wie man eine Rente beantragt und warum das Fernsehprogramm so schlecht ist. Das ist zwar ein wenig prollig, aber es bildet trotzdem. Denn gebildet ist man erst, wenn man das Leben der einfachen Leute kennt – meinte mein Deutschlehrer Marotzke. In der Schule mussten wir daher Gerhart Hauptmann lesen. Der hat viele Stücke in der Mundart einfacher Leute verfasst. Aber hier studiere ich das wirkliche Leben. Und das wichtigste Thema sind in der Kolonie die Schnecken, die im Garten ihr Unwesen treiben.
Das sind nicht jene Schnecken, die wir als Kinder bewunderten. Selbige tragen ihr Haus auf dem Rücken. Nein, das sind diese ekelhaften, schleimigen Monster, die alles verspeisen, was ich gerade angepflanzt habe. Und vor allem: Sie bedienen sich am Gemüse, ohne zu fragen. Im Dunkel der Nacht schleichen sie sich an und verputzen die Früchte des Gartens. Haben Sie mal eine solche Schnecke angefasst? Sie müssen sich hinterher drei Tage lang die Hände waschen. Einfach widerlich,… diese glibberigen Monster. Sigmund Freud hätte diese Schnecken sicherlich mit Sexualität assoziiert. Na ja… dafür habe ich keine Zeit, außerdem bin ich Single. Also bewege ich mich jeden Abend mit einer Taschenlampe durch den Garten und suche Schnecken.
Wahrscheinlich sehe ich aus wie ein Einbrecher auf der Jagd nach einem Schatz. Aber das sieht immer noch besser aus als die Landebefeuerung meiner unmittelbaren Nachbarn zur Linken. Sie haben bestimmt ein Sonderangebot an Solarlampen entdeckt. Zwei Dutzend Lampen funzeln auf ihrem Rasen und es würde mich nicht wundern, wenn Aliens dort landen.
Zunächst wusste ich nicht, was das soll! Der Typ geht doch nicht nachts mit seiner Frau auf dem Rasen spazieren. Nein – es ist eine Botschaft für den Weltraum, damit die Raumschiffe auf der Parzelle 28 landen können.
Aber zurück zu den Schnecken. Wussten Sie, wie schnell diese klebrigen Tiere sind? Ich finde schon am ersten Urlaubstag eine auf dem Rasen kriechend und will die Gurkenzange holen. Damit möchte ich sie packen und in ein Glas befördern. Deckel drauf, Schnecke tot. Nach einem Tag. Es gibt ja sehr viele Möglichkeiten, Schnecken umzubringen. Man kann sie natürlich über den Gartenzaun werfen, aber ich habe den Verdacht, dass diese Tierchen ein Heimatgefühl besitzen. Und wenn das nun jeder macht? Meine beste Freundin ist daher konsequent – sie drückt sie mit ihren Stiefeln in die Gartenerde. Das ist mir zu brutal.
Meine Schnecke-ins-Glas-Methode ist wesentlich eleganter. Doch Gartenfreundin Sabine aus der ‚Datschenkolonie’ findet, das sei Tierquälerei. „Stell Dir vor, Du bist im nächsten Leben eine Schnecke und wirst erstickt?“ – fragt sie mich und schaut mich prüfend an. Daran habe ich noch nicht gedacht. Sie findet es besser, den lieben Gott zu spielen. Sie wirft die Schnecken auf die Straße und wartet, bis ein Lastwagen kommt. Sind die Schnecken schnell, retten sie sich vor den riesigen Reifen. Meist schaffen sie es nicht. Aber meine Gartenfreundin beruhigt sich mit dem Gedanken: Sie hatten eine Chance.
Meine Ex-Schwiegermutter ist diesbezüglich eher von einer großen Lebensweisheit geprägt. Sie sagte mir, sie habe den Kampf mit den Schnecken aufgegeben. Das wundert mich, schließlich wuchs sie in der DDR auf. Dort sang man mit Begeisterung das Lied: ‚Die Heimat hat sich schön gemacht’. Und dann tönte es voller Inbrunst:
Wir brechen in das Dunkel ein,verfolgen Ruf und Spur. Und werden wir erst wissend sein, fügt sich uns die Natur.
Das klingt doch wie eine Drohung? Aber meine weise Ex-Schwiegermutter hat eines begriffen: Das Wetter, die Schnecken und die Tauben sind stärker als sie. Vor allem die Schnecken. Und so hat sie beschlossen, in einer Art Koexistenz zu leben. Ihr gehört das Haus, den Schnecken der Garten. Auf diese Weise leben sie entspannt nebeneinander her. Von dieser Gelassenheit bin ich noch weit entfernt.
Doch zurück zum Thema: Schnecken sind richtige Renntiere. Als ich mit meiner Gurkenzange zurückkomme, ist die Schnecke nicht mehr da. Und ich irre kriechend über den Rasen, den man wieder mähen könnte. Denn sehr ordentlich sieht es hier nicht aus. Sonst sind Kleingärten beunruhigend ordentlich. Irgendwie steril und langweilig. Mein Freund Adam würde sagen: militärisch.
Vor allem der Garten schräg gegenüber ist vorbildlich aufgeräumt. Eine riesige Rasenfläche – als ob der Gartenfreund Golf spielen möchte. Das ist ja die Sportart meiner Altersgruppe. Und die einzige Abwechslung auf diesem Golfplatz sind zwei blau angemalte Gartenzwerge. Nicht ganz mein Geschmack.
Eine Kollegin fragte mich einmal, welche psychologische Erklärung ich für den aufgeräumten Garten hätte. Das sei doch klar – antwortete ich: Das sei das Ergebnis einer gestörten Mutterbeziehung. Wahrscheinlich sei der Gartenfreund zu früh aufs Töpfchen gesetzt worden. Dadurch hätte er eine zu starke Fixierung auf die Reinlichkeitserziehung bekommen. Meine Kollegin stimmte dem zu.
Laufen Sie einmal durch eine Kleingartenkolonie: Was Ihnen da an Nippes, Kitsch und Geschmacklosigkeiten begegnet, ist schlimmer als auf jedem Friedhof. Dabei gibt es schöne Figuren: Gestern fand ich im Internet ‚poppende‘ Gartenzwerge. Einer meiner Nachbarn wollte sich gern einen Gartenzwerg anschaffen, der immer dann seine Jacke lüftet, wenn jemand vorbei geht. Aber wahrscheinlich lässt das die Kleingartenordnung nicht zu. Jeder Kleingärtner muss sich nach einem Gesetz richten: dem Bundeskleingartengesetz. Demzufolge müssen alle Gärten „der Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf und zur Erholung“ dienen. Verstehen Sie: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!
Also bin ich von Tomaten und Bohnen umgeben, die den Speisezettel bestimmen und was ich nicht essen kann, wird eingeweckt. Auf jeden Fall: Zur reinen Erholung eignen sich die meisten Kleingärten wirklich nicht. Man ist immer beschäftigt und mehr oder minder ist alles reglementiert. Die Laube darf nur 24 qm groß sein. Die Fußbodenoberkante darf nicht mehr als 25cm über dem Kleingartenniveau liegen, ein Pultdach darf nur 260cm hoch sein. Da krümmen sich doch die Zehennägel.