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Fast jeder von uns glaubt, die Liebe könne gelingen, wenn der Partner nicht so schwierig wäre. Leider können wir ihn jedoch meist nicht wesentlich ändern. Aber immer ist das Prinzip der indirekten Veränderung erfolgreich. Es besteht darin, dass wir durch unsere eigene Entwicklung das System der Partnerschaft nachhaltig beeinflussen. Dann entspannt sich die Stimmung in der Beziehung, emotionale Blockaden und einseitige Verhaltensmuster werden überwunden. 90% der Partnerschaften lassen sich auf diese Weise wesentlich verbessern, auch wenn der Partner nicht perfekt ist - so die Erkenntnis des Berliner Paarberaters Wolfgang Krüger.
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Seitenzahl: 208
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Das Liebesdrama
Sind Sie glücklich?
Die glücklichen Paare
Der Traum von der großen Liebe
Gehört Leidenschaft zur Liebe?
Der Mut zum Träumen
Die alltäglichen Konflikte
Die Gestaltungskraft
Die Sozialkompetenz
Der Motor und die Steuerung der Liebe
Der richtige Partner
Das »Große 1 x 1 der Liebe«
Liebesregel: Die Gesprächskultur
Liebesregel: Die gute Stimmung
Liebesregel: Positive Streitgespräche
Liebesregel: Das gemeinsame Dritte
Liebesregel: Sich loben
Liebesregel: Die gegenseitige Unterstützung
Liebesregel: Der Faktor Zeit
Liebesregel: Alltagsrituale
Liebesregel: Vertrauen
Liebesregel: Das Verzeihen und Versöhnen
Liebesregel: Das Prinzip der Gegenseitigkeit
Liebesregel: Zusammenziehen
Liebesregel: Freunde und Verwandte mögen
Liebesregel: Das Zukunftsversprechen
Der Partnerschaftstest
Störfaktor Partner – Theorie und Praxis
Die Phantasiereise
Strategie 1: Analyse
Strategie 2: Sie müssen wissen, wo die Erblast steckt
Strategie 3: Lassen Sie es sich gut gehen
Strategie 4: Investieren Sie wieder in die Partnerschaft
Strategie 5: Erfolgskontrolle
Strategie 6: Gespräch
Strategie 7: Paartherapie
Strategie 8: Die eigene Veränderung
Strategie 9: Freundschaften
Strategie 10: Selbstbewusstsein
Strategie 11: Konsequent sein
Strategie 12: Die eigene Entwicklung
Impulse 1: Die eigenen Lebensziele
Impulse 2: Das gemeinsame Problem
Impulse 3: Aufschaukelnde Rollenmuster
Impulse 5: Die Ergänzungseigenschaften
Impulse 6: Die vier großen Bereiche des Lebens
Impulse 7: Die innere Mitte
Strategie 13: Der aufregende Sex
Strategie 14: Geschütze auffahren
Strategie 15: Humor
Strategie 16: Mit Rückschlägen rechnen
Wir trennen uns zu früh
Ein Wunder…
Wer nicht mehr liebt und nicht mehr irrt, der lasse sich begraben.Goethe
Über 2/3 aller Deutschen glauben an die große Liebe, doch nur 1/3 aller Partnerschaften sind gut. Das ist das eigentliche Drama unseres Lebens. Ich will Ihnen daher in diesem Buch aufzeigen, wie Ihre Liebeswünsche – trotz aller Schwierigkeiten - in Erfüllung gehen können. Nach meiner jahrzehntelangen Erfahrung lassen sich 90 % der Partnerschaften erheblich verbessern. Diese Erkenntnis hat mich immer sehr optimistisch gestimmt. Denn die Liebe ist die Basis unseres Glücks und die Partnerschaft ist daher für mich das wichtigste Lebensthema.
Doch wie gelingt die Liebe? Was können Sie tun, damit Ihre Partnerschaft besser wird? Um diese Fragen kreiste jahrelang eine Tagung, die ich zusammen mit der Berliner Urania leitete. Für diese Tagung bat ich Prominente um ein kurzes Motto. Sie sollten die Worte ›Die Liebe gelingt‹ zu einem Satz ergänzen. Daraufhin rief mich die wunderbare Schauspielerin Angela Winkler an und meinte:
»Die Liebe gelingt, wenn man neugierig bleibt …«
Kurz darauf schrieb mir der geniale Moderator Max (Dieter) Moor:
»Die Liebe gelingt … Nie! … Sie ist keine Turnübung und kein Geschicklichkeitsspiel, sie ist wie das Leben selbst … ein Geschenk auf Zeit!«
Sie sehen, wie gegensätzlich über die Liebe gedacht wird! Wir werden uns daher ausführlicher mit drei Fragen beschäftigen:
Gibt es eine dauerhafte Liebe?
Warum scheitert sie so oft?
Und vor allem: Was kann man für ihr Gelingen tun?
Sicher sind wir uns darüber einig, dass die Liebe zwischen Partnern in den ersten Jahren gelingen kann. Vielleicht erinnern Sie sich noch daran: Sie waren verliebt, mussten sich ständig berühren. Sie dachten immer an ihn bzw. sie. Aber ist es möglich, dass dieser Zustand lange anhält? Kann die Liebe über Jahrzehnte hinweg lebendig bleiben?
Zwar wollen wir realistisch sein. Wir wissen, dass in jeder Liebesbeziehung spätestens nach zwei Jahren eine gewisse Enttäuschung eintritt. Wir wissen, dass es in jeder Partnerschaft Krisen und Konflikte gibt. Wir wissen, dass in Großstädten jede zweite Ehe scheitert. Aber es wäre doch schön, wenn man trotzdem ein wenig vom Zauber der ersten Liebesphase erhalten könnte. Sonst wäre eine Partnerschaft nur eine Zweckgemeinschaft, in der man den Einkauf organisiert, sich im Krankheitsfall hilft, die Kinder großzieht. Natürlich wäre das schon viel. Unsere Großeltern waren damit zufrieden. Aber ist das Liebesglück nicht mehr? Sollte man nicht gelegentlich zumindest das Gefühl haben, dass man sich sehr freut, dass der andere da ist? Dass man immer wieder ein wenig verliebt ist?
Nun müssen wir zunächst die Frage beantworten: Was ist das Liebesglück? Was sollte nach zehn Jahren noch vorhanden sein, was suchen wir in der Partnerschaft? Ich las kürzlich bei Jürg Willi die Antwort, es sei vor allem Geborgenheit. Wir wollen uns irgendwo aufgehoben fühlen. Dazu hat Jean Giono ein wunderbares Sprach-Bild geschaffen. Er meint, es seien die kleinen Täler, in denen das Glück der Menschen läge – wo man sich von einem Rand zum anderen zurufen könne. Wir suchen also Vertrautheit. Diese empfinden wir, wenn wir nach einem anstrengenden Tag die Wohnung betreten, das Essen steht auf dem Tisch und wir entspannen, weil wir umfänglich angekommen sind. Oder wir wachen morgens auf, die Partnerin, der Partner gähnt, man umarmt sich kurz. Noch hat man nicht jene Kontrolle, die man tagsüber anstrebt, noch regt sich in uns eine naive Anlehnungsfähigkeit und man spürt: Hier bin ich geborgen.
Vielleicht werden Sie aber einwenden, die Liebe sei doch mehr. Die Geborgenheit erlebt man ja auch bei seinen Eltern und Großeltern. Und wenn unsere Beziehung in die Jahre gekommen ist, kennen wir trotzdem oft ein Gefühl der Geborgenheit – während die Erotik auf der Strecke geblieben ist. Was also ist das Typische an der Liebe, was lässt uns am Anfang so schweben, warum sind wir so verrückt, dass wir stundenlang laufen würden, um den anderen zu sehen?
Sind es die Hormone? Ist die Liebe vor allem etwas Körperliches? Es scheint so zu sein, denn man berührt sich in der Phase der Verliebtheit fast ständig, man küsst sich, schläft miteinander. Aber das Entscheidende ist doch: Ich bin für einen anderen Menschen das Wichtigste auf der Welt. Ich bin für ihn etwas Besonderes und fühle mich von ihm erkannt. Von ihm bekomme ich enorm viel Anerkennung, denn ich bin für ihn ein einzigartiger, ein wunderbarer Mensch. Und dieser Partner ist im Allgemeinen auch bereit, meine Wünsche zu erfüllen. Er will, dass es mir gut geht. Deshalb schwebe ich. Deshalb fühlen wir uns alle am Anfang so unendlich stark, so lebendig, wenn wir lieben. Die Liebe eines einzigen Menschen reicht aus, dass wir das Gefühl haben, alle Schwierigkeiten überwinden zu können. Und das ist nicht übertrieben, Liebe kann wirklich Berge versetzen und uns beflügeln. So bekannte auch einmal Liv Ullmann, sie habe sich – als sie verliebt war – so leicht gefühlt, als wären die Wolken unter ihren Füßen gewesen.
Nun ist es sicher normal, wenn dieser Ausnahmezustand nach einigen Wochen oder Monaten endet. Die Freunde sind froh, dass wir uns öfter melden, wir wenden uns wieder stärker der Arbeit zu, die Normalität hat uns eingeholt. Und nach zwei bis drei Jahren ist die Verliebtheit dann so gut wie immer vorbei. Sie hat ihre Aufgabe erfüllt. Sie war das Bindematerial, das zum Aufbau der Beziehung wichtig war. Jetzt kommt der Alltag der Liebe. Doch wie sieht es inzwischen mit der Anerkennung aus? Zwei Beispiele aus meiner Praxis:
Ein Mann fragte seine Partnerin: »Was gefällt Dir an mir?« Sie sagte: »Du gehst so gut einkaufen.«
Eine Ehefrau fragte ihren Ehemann, nachdem sie gekocht hatte: »Hat es Dir geschmeckt?« Seine lapidare Antwort: »Ging so!«
Sind diese Aussagen nicht tragisch, obgleich sie komisch klingen? Aber werden Sie denn von Ihrem Lebenspartner mit Anerkennung überschüttet? Hören Sie in Ihrer Partnerschaft gelegentlich das Versprechen: »Ich will, dass es Dir gut geht«?
In den meisten Partnerschaften gibt es ein massives Anerkennungs-Defizit. Zwar geht es uns in diesen Beziehungen trotzdem halbwegs gut. Wir haben keinen Grund, uns zu trennen. Dennoch überlegen wir uns gelegentlich, ob es nicht besser wäre zu gehen. Andererseits halten uns die vielen Momente, in denen wir uns über den anderen freuen, davon ab. Die meisten Partnerschaften sind also ›durchwachsen‹. Häufig ärgern wir uns und sind enttäuscht, aber dann nähern wir uns wieder an, fühlen uns verstanden und sind erstaunt, wie gut es uns miteinander geht. Doch von einem wirklichen Glücksgefühl ist dies weit entfernt.
Es ist sicher verwegen, dass wir uns die Frage stellen, ob wir in der Liebe glücklich sind. Im Allgemeinen begnügen wir uns damit, zufrieden zu sein. Dennoch stelle ich Ihnen bewusst die Frage: Sind Sie in Ihrer Liebesbeziehung glücklich?
Allerdings kenne ich viele Singles, die bezweifeln, dass es überhaupt glückliche Paare gibt. »Schau Dich doch einmal um«, sagte mir kürzlich eine Kollegin. »Alle streiten sich nach einigen Jahren, die Männer laufen in ausgebeulten Turnhosen herum, werden immer dicker, die Haare fallen ihnen aus, wirklich glücklich ist keiner, jeder Zweite geht fremd.« Diese Meinung schien mir etwas zugespitzt zu sein und ich suchte deshalb nach Experten-Einschätzungen. Bald wurde mir jedoch klar, dass es die unterschiedlichsten Experten-Urteile über das Glück in der Ehe gibt. Ich habe deshalb eine eigene Umfrage durchgeführt und 115 Ehepaare gefragt, ob sie im Großen und Ganzen glücklich seien. Nur 28 % äußerten sich zustimmend. Offenbar ist die Mehrzahl der Ehen durchschnittlich oder unbefriedigend. Oft bleibt man vor allem, weil man nicht davon überzeugt ist, dass eine neue Beziehung besser sein könnte. Dies jedenfalls ist die Auffassung des amerikanischen Familiensoziologen David H. Olson. Er meint, dass 40 % aller Ehen wacklig seien, man bliebe nur zusammen, weil man keine Alternative hätte.
Nun gibt es aber durchaus Paare, die auch nach vielen Jahren glücklich sind. Selbst nach 20 und 30 Ehejahren spüren sie gelegentlich Herzklopfen. Das kann inzwischen sogar die Wissenschaft nachweisen. Das Team um den Sozialpsychologen Arthur Aron von der Stony Brook University in New York hat Paare gefunden, die sich noch nach Jahrzehnten leidenschaftlich begehren. In einem Magnetresonanz-Tomographen verglich man die Gehirne von Frischverliebten mit denen von Paaren, die im Durchschnitt 20 Jahre zusammen waren. Während der Untersuchung wurden den Probanden Fotos ihrer Partner gezeigt. Die Sensation war: Jedes dieser Langzeitpaare wies die gleichen Hirnaktivitäten und chemischen Reaktionen wie die frisch verliebten Paare auf. Man konnte gleichsam die romantischen Gefühle durch ein Aufleuchten bestimmter Gehirnareale sichtbar machen.
Zwar sollten wir wissen: Auch bei diesen glücklichen Paaren gibt es manchmal Streitigkeiten, nicht alle Wünsche gehen in Erfüllung. Und dennoch erleben sie, dass sie selbst nach langer Beziehungsdauer gelegentlich sehr in den anderen verliebt sind. Dass sie sich gern in den Arm nehmen, dass die Erotik lebendig ist. Es sind Paare, die sich gegenseitig viele Erwartungen erfüllen und mitunter fühlen: Es ist wunderbar, dass wir zusammen sind. Lesen Sie einmal das Buch »Brief an D.« des französischen Philosophen André Gorz. In anrührender Weise schreibt er an seine Frau: »Bald wirst Du jetzt zweiundachtzig sein. Du bist um sechs Zentimeter kleiner geworden. Du wiegst nur noch fünfundvierzig Kilo, und immer noch bist Du schön, graziös und begehrenswert. Seit achtundfünfzig Jahren leben wir nun zusammen, und ich liebe Dich mehr denn je. Kürzlich habe ich mich von neuem in Dich verliebt, und wieder trage ich in meiner Brust diese zehrende Leere, die einzig die Wärme Deines Körpers an dem meinen auszufüllen vermag.«
Solche Liebespaare sind keine Einzelfälle. Wenn Hollywood-Star Tom Hanks irgendwo in der Welt über einen roten Teppich schreitet, hält er meist seine attraktive Frau Rita Wilson stolz im Arm. »Vom ersten Augenblick an« habe er gewusst, dass sie »die Richtige« sei, schwärmt der Schauspieler. Auch wenn die Ehe nun schon mehr als zwei Jahrzehnte dauere, »fühlt es sich an, als würden wir gerade erst in den Startlöchern stehen«.
72 % der Deutschen, ja sogar 94 % der Jugendlichen glauben an die große Liebe – so die Shell-Studie aus dem Jahre 2006. Und ich bin der Überzeugung, dass wir zu Recht von der großen Liebe träumen. Diese Liebesvorstellungen mögen manchmal übertrieben sein, denn wir müssen die Realität zur Kenntnis nehmen. Aber dennoch: Träume sind wichtig, weil sie ein enormes Kraftpotential haben. Sie geben uns die Hoffnung, unsere Beziehungen positiv gestalten zu können. Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht: Wer wenig erhofft, bekommt im Leben wenig. Wir müssen von der Liebe viel erhoffen, um ausreichend viel zu erhalten. Wer nur realistisch ist, wird nie erleben, was Liebe wirklich bedeutet. Deshalb bin ich auch so skeptisch, wenn Michael Mary schreibt, man solle sich nicht nach seinen Träumen richten, sondern das miteinander leben, was möglich ist. Unsere Träume sind ein wichtiger Ratgeber. Das Mögliche einer Beziehung ist manchmal zu wenig. Wir brauchen feste Orientierungspunkte in Form von Idealen. Sonst bleiben wir oft in einer schwierigen, unbefriedigenden Beziehung stecken. Damit dürfen wir uns nicht abfinden. Zu Recht warnt Erich Fried:
Ich will nicht dorthin kommen
wo an der Stelle
der erschöpften Liebe
die Gleichgültigkeit
sich breitmacht …
Selbstverständlich ist es ein hoher Anspruch, eine glückliche Ehe zu führen. Jedes Jahr trennen sich in Deutschland 200 000 Paare. Jede dritte Ehe scheitert nach durchschnittlich 14 Jahren. Deshalb ist es grundsätzlich sinnvoll, zunächst pragmatisch mit dem Thema Liebe umzugehen. Zu Recht rät der Heidelberger Arzt und Psychologe Arnold Retzer, man solle die Liebe nicht als Wunder ansehen, auf das man warten müsse. Vielmehr solle man sie als durchführbares Projekt verstehen. Diese Aufforderung ist berechtigt, denn es gibt Menschen, die zu viel von einer Liebesbeziehung erhoffen.
Lesen Sie einmal Madame Bovary von Flaubert. Er beschreibt eine sehr gefühlsbetonte Frau, die alles von der Liebe ersehnt und der Meinung ist, die Emotionen müssten wie eine Sturzflut von ihrem Leben Besitz ergreifen. Sie liest kitschige Liebesromane, die ihr vorgaukeln, es gäbe das rauschende Liebesglück. Doch ihre Leidenschaft versiegt bereits nach kurzer Zeit und sie ist überzeugt, mit dem falschen Mann zusammen zu sein. Daher geht sie fremd und ihr Leben scheitert zunehmend. Und auch für uns ist es verhängnisvoll, wenn wir einem romantischen Liebestraum nachhängen. Dies wurde mir deutlich bewusst, als eine junge Frau zu mir in die Therapie kam, die mit Vorliebe der Realität entfloh, indem sie schlechte Liebesromane las. Das sind jene Romane, in denen der Traumprinz die Prinzessin bekommt oder die schüchterne Patientin den Chefarzt heiratet. Jedenfalls war diese junge Frau regelmäßig darüber verstimmt, dass ihr Mann gelegentlich ungeschickt und vergesslich war. Er war eben nicht der Held auf dem weißen Ross – vielmehr war er so normal und fehlerhaft wie jeder von uns. Doch er war bodenständig, hilfsbereit und gutmütig, was sie jedoch nicht wertschätzen konnte. Zu sehr war sie von ihm enttäuscht, weil er nicht dem Ideal ihrer Romanhelden entsprach. Vielleicht werden Sie nun sagen, dass diese Frau sehr naiv war. Aber glauben wir nicht alle irgendwie an die romantische Liebe? Sind wir nicht auch davon überzeugt, dass wir nur »den Richtigen« treffen müssen? Die Liebe wird dann wie eine äußere Macht empfunden, wie ein Schicksal, das uns zustößt. Wie viel Arbeit zur Liebe gehört, dass sie teilweise sogar planbar ist, wird verleugnet. Dass die Liebe auch eine Wissenschaft ist, die wir uns aneignen können, wird nicht gesehen.
Die romantische Liebe enthält viele Erwartungen, die verlockend sind, aber fast kindlich anmuten. Oft suchen wir in der Liebe jene unbekümmerte Vertrautheit, die wir manchmal als Kinder empfanden. Oder wir suchen jene Liebe, die wir nie erleben durften. Solche Wünsche sind sehr verständlich. Die reale Welt ist oft versagend, es liegt nahe, dass wir uns mitunter in eine Wunschwelt flüchten. Doch abgesehen davon, dass solche Phantasien kaum in Erfüllung gehen, hindern sie uns sogar daran, glücklich zu werden, indem sie uns eine falsche Orientierung vermitteln. Sie fordern uns nicht auf, etwas in unserem Leben zu verändern, mit ihm zu ringen. Stattdessen werden wir zu schnell empfindlich und sind enttäuscht. Insofern ist es wichtig, dass wir die Realität anerkennen und trotzdem an die Liebe glauben. Wir brauchen eine realistische Romantik. Und zu einem solchen Realismus gehört es, dass wir mit Schwierigkeiten rechnen und bereit sind, intelligente Lösungen für die komplizierten Probleme in Partnerschaften zu finden.
Liebe muss nicht immer und ununterbrochen glücklich machen, sie ist oft eine Aufgabe, ein Ziel. Aber dies ist nur ein Aspekt der realistischen Romantik. Der andere Aspekt besteht darin, dass Liebe auch innige Gefühle und Leidenschaft beinhalten sollte. Das sehen aber nicht alle Menschen so. Ich höre immer wieder die Meinung, man könne auch ohne Leidenschaft in einer Partnerschaft glücklich werden. Es wird argumentiert, dass das »Sich aufeinander verlassen können« auf Platz 1 unserer Partnerschaftserwartungen steht. Und jeder zweite Deutsche meinte sogar – bei einer Umfrage im Auftrag der Frauen-Zeitschrift Elle aus dem Jahre 2000 – eine vernunftgesteuerte Beziehung sei oft erfolgreicher als eine emotionale. Offenbar suchen wir in einer Liebesbeziehung vor allem Sicherheit.
Aber ist dies nicht Ausdruck einer tiefen Resignation? Ist es nicht absurd, dass wir immer wieder an der großen Liebe zweifeln? Vor allem Frauen lassen sich im Kino von Liebesfilmen zu Tränen rühren, während sie im Alltag versuchen, den müden Ehemann zu ertragen. Ihre Resignation ist verhängnisvoll. Deshalb bewegt es mich sehr, wie junge Menschen heutzutage die Liebe bejahen. Man heiratet in Schlössern, gestaltet diesen Tag als den schönsten des Lebens. Man ist weit entfernt von jener Skepsis gegenüber der Liebe, die ich noch während der Studentenbewegung empfand. Inzwischen haben viele junge Paare keine Angst mehr vor intensiven Gefühlen und romantischen Inszenierungen. Ich begrüße diese Entwicklung sehr, denn insgeheim sind wir doch auch tief romantisch veranlagt.
Deshalb würden sich die meisten von Ihnen auf keine Beziehung einlassen, in der das Herzklopfen fehlt. Sie handeln richtig. Gelegentlich muss die Liebe, muss das Feuer der Leidenschaft dazugehören. Wenn es gar keine Leidenschaft mehr gäbe, sollten wir uns nicht wundern, wenn einer fremdgeht. Denn die Liebe besteht immer aus einem Spannungsverhältnis zwischen zwei Zuständen: dem leidenschaftlichen Traum und der Bodenständigkeit. Deshalb gelingt die Liebe nur, wenn wir fest in der Erde verwurzelt sind und zugleich mit unserem Herzen nach dem Himmel greifen.
Wir sollten also nicht nur Realisten sein und die Welt so sehen, wie sie ist. Wir brauchen auch den Mut zum Träumen, wir brauchen die Hoffnung, dass zumindest ein Teil unserer Liebeswünsche in Erfüllung geht. Erst dann haben wir eine sichere Orientierung für unser Liebesleben. Denn oft verlaufen Partnerschaften wie im Sand, wie im Dschungel, und es ist wichtig, dass wir dann eine Ahnung davon haben, was die Liebe sein könnte. Darum möchte ich Ihnen vorschlagen: Bewahren Sie Ihre Träume. Manchmal mögen Sie die Träume in die Irre führen, aber oft haben Sie doch das richtige Bauchgefühl. Sie wissen, wie die Liebe sein sollte, wie eine Partnerschaft aussehen könnte. Halten Sie daran fest! Es ist ein Unglück, wenn Sie sich zu sehr an die Welt anpassen, die immer wieder versagend ist. Glauben Sie an die Utopie der Liebe!
Nun werden Sie vielleicht erwidern: »Das ist eine wunderbare Aufforderung. Das klingt gut. Doch wie soll ich mit meiner Utopie der Liebe umgehen, wenn mein Mann schnarcht, spät nach Hause kommt, mir wenig Anerkennung gibt und seine Socken rumliegen lässt?« Sie können dann natürlich resignieren: Sigmund Freud hat einmal mahnend gemeint, die Welt sei kein Wunschkonzert. Und wir wissen alle, dass wir die große Liebe der Anfangszeit nicht zurückholen können. Wir alle wissen: Liebesbeziehungen sind manchmal nett, manchmal sogar gut, mitunter sind sie furchtbar. Wir wissen:
Eine Partnerschaft macht nicht immer glücklich.
Eine Beziehung schafft sogar Probleme, die man sonst nicht hätte.
So verwundert es nicht, dass Kurt Tucholsky die Liebe auch als Last angesehen hat. Wenn wir also trotzdem am Traum von der Liebe festhalten wollen, müssen wir erklären: Wie gelingt die Liebe? Oder noch konkreter: Woran scheitert sie so oft?
Ich habe inzwischen über fünfhundert Liebesbeziehungen mit mehrstündigen Interviews erforscht und bin immer wieder erstaunt. Eines der wichtigsten Ergebnisse meiner Studien besteht in der Erkenntnis, dass Partnerschaften sehr robust sind und nicht leicht scheitern. Wenn ich sie mit einem Haus vergleichen würde, könnte ich sagen: Sie sind wie eine Burg aus Feldsteinen. Erst starke und andauernde Erschütterungen führen dazu, dass das Mauerwerk rissig wird und schließlich zerfällt. Kleine Krisen können die Partnerschaft nicht bedrohen. Dazu ist die Liebe, ist das Gefühl der Zusammengehörigkeit, ist das Band der Nähe am Anfang viel zu stabil. Erst massive Belastungen bringen die Liebe zum Einsturz.
In jeder Partnerschaft gibt es Beeinträchtigungen, denen wir nicht ausweichen können. So gibt es nach der Verliebtheit fast zwangsläufig eine Phase der Ernüchterung. Sie kann dazu führen, dass die Liebe erste Risse bekommt. Aber scheitern kann die Liebe daran nicht. Die Liebe scheitert erst an ungeschickten Antworten auf andauernde Konflikte, die im Alltag immer wieder auftreten. Und der Hauptkonflikt besteht darin, dass sie nicht das will, was er möchte, dass er nicht das will, was sie möchte. Keiner geht wirklich auf die Bedürfnisse des anderen ein, beide sind gekränkt und enttäuscht. Deshalb kommt es bei fast allen Paaren nach einigen Jahren zu einer negativen Bilanz: Jeder überlegt, was er dem anderen gegeben hat, und rechnet dann auf, was er alles nicht bekam – obgleich er dies beanspruchen durfte.
Typisch ist folgende Bilanz:
Er sagt: »Sie gibt mir nie Anerkennung, Sex ist extrem selten, höchstens einmal im Monat und sie ist oft schlecht gelaunt, ich kann ihr nichts rechtmachen. Dabei arbeite ich so viel.«
Sie sagt: »Er hilft mir nicht in der Küche, redet zu wenig mit mir und ist nicht zärtlich. Dass ich mich so intensiv um die Kinder kümmere, nimmt er nicht wahr.«
Vielleicht erkennen Sie sich in diesen Aussagen. Dann fragen Sie sich wahrscheinlich auch: Ist es nicht tragisch, dass keiner der Ehepartner auf die Bedürfnisse des anderen eingeht? Jeder hat so den Eindruck, dass er mehr gibt und zu wenig bekommt. Das Geheimnis einer guten Ehe besteht demzufolge darin, dass ich auf die Erwartungen des anderen positiv reagiere, gleichzeitig aber auch auf die Erfüllung meiner Bedürfnisse achte. Deshalb ist eine Partnerschaft nie unkompliziert, denn immer gibt es Konflikte zwischen dem, was wir selbst wollen und was der Partner will. Diese Konflikte ergeben sich vor allem bei den Grundbedürfnissen nach Nähe, Anerkennung, Versorgung und Körperkontakt.
Diese Konflikte spitzen sich fast immer im Laufe der Jahre zu. Denn am Beginn einer Liebesbeziehung sind wir durchaus gewillt, die Grundbedürfnisse des anderen zu beachten. Und wir selbst haben auch den Eindruck, dass wir großzügig beschenkt werden. Doch dann gibt es tausende kleine Enttäuschungen, wir müssen zahllose Kränkungen ertragen und es entsteht ein gegenseitiger Rückzug. Beide investieren jetzt weniger in die Partnerschaft, bekommen weniger und sind massiv unzufrieden.
Aber was passiert in diesen Krisen, warum geraten die meisten Beziehungen in einen solchen Teufelskreis? Warum können wir mit den gegenseitigen Erwartungen nicht so umgehen, dass jeder zufrieden ist? Die wesentliche Ursache dafür liegt darin, dass uns häufig zwei Eigenschaften fehlen, von denen das Gelingen einer Partnerschaft abhängt. Sie sind die wichtigsten Faktoren für eine gute Liebesbeziehung.
Ich fand die beiden Faktoren, nachdem ich in meinen Beratungen auf eine aufregende Beobachtung stieß: Es gibt Menschen, die offenbar partnerschaftsfähiger sind als andere. Nicht immer sind sie in ihren Beziehungen glücklich. Aber sie entwickeln sich in ihren Partnerschaften, sie lernen dazu und bauen schließlich gemeinsam eine Beziehung, in der es ihnen gut geht. Zwar haben sie keinen Plan im Kopf, sie befolgen keine bewussten Regeln, aber sie verfügen über die richtige Einstellung. Sie verfügen über Persönlichkeitseigenschaften, die sie teamfähig machen. Und nun ist es für jeden von uns lebenswichtig, dass wir diese Eigenschaften kennen. Wir müssen sie beachten, wenn wir einen Partner suchen.
Allerdings war es nicht leicht für mich, diese Eigenschaften zu erkennen. Es ist sehr schwierig, Partnerschaftsprozesse wirklich tiefgreifend zu analysieren. Es ist mir nur gelungen, weil ich in unzähligen Stunden das Leben vieler Menschen begreifen konnte, wobei im Zentrum meines Interesses immer die Liebe stand. Ich bin Paartherapeut, ich arbeite aber auch als Psychotherapeut und führe Behandlungen durch, die meist ein bis zwei Jahre dauern. Das hat den großen Vorteil, dass ich das Leben vieler Menschen genauer verstehen kann. Ich erfrage dann das Familienschicksal, lerne in den Schilderungen die Eltern, oft sogar die Großeltern kennen, weiß viel über die Jugend und die Kindheit der Patienten und erfahre, was ihre Überlebensstrategien waren. Ich erfasse also ihren Charakter. Und dann höre ich ihr Liebesschicksal. So nenne ich die Geschichte ihrer Partnerschaften. Und im Laufe von vielen Stunden wird mir klar, wie sich die Kindheit, wie sich der Charakter eines Menschen auf seine Partnerschaft auswirkt.
So wie ein Handwerker früher stundenlang vor einer Turmuhr saß, um ihr Innenleben zu studieren, kann ich das Geheimnis der Liebe entschlüsseln. Denn den Schlüssel für die Probleme der Liebe finden wir nur, wenn wir auch den Charakter beider Partner verstehen. Immer ziehen sich bestimmte Persönlichkeitseigenschaften wie eine stille Melodie durch das Leben jedes Menschen. Und diese Eigenschaften müssen wir ergründen, von ihnen hängt die Fähigkeit ab, Partnerschaften wirklich zu gestalten.
Im Laufe meiner Studien wurde mir klar, dass vor allem zwei Eigenschaften für eine Partnerschaft wichtig sind. Es handelt