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Der Humor ist der wichtigste Schlüssel für unser Lebensglück. Er kann uns helfen, sich nicht mehr ohnmächtig, nicht mehr dem Schicksal ausgeliefert zu fühlen. Allerdings wurde lange bezweifelt, dass man diesen Humor erlernen kann. Es galt das Motto: "Man hat ihn oder nicht." Doch jetzt stellt Wolfgang Krüger ein Humorprogramm für Anfänger und Fortgeschrittene vor. Es beginnt mit dem Lachyoga und dem Sinn für Komik und wird durch die vier Veränderungs-Strategien vertieft, die der Autor "Humorbeschleuniger" nennt. Erst sie schaffen die Grundlage für einen fundierten Lebenshumor. Ein anspruchsvolles Programm, das unser Leben innerhalb von drei Monaten tiefgreifend verändern kann. Wolfgang Krüger korrespondierte über 20 Jahre mit vielen Prominenten zum Thema Humor. Persönliche Briefe von Astrid Lindgren, Dieter Hildebrandt und mehr als zwanzig weiteren Prominenten werden abgedruckt.
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Seitenzahl: 218
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Irren ist menschlich, stolpern ist üblich, über sich selbst lachen ist Reife. W. A. Ward
Inhalt
Zur Entstehungsgeschichte
Humor ist lebenswichtig
Humor im antiken Griechenland
Seid traurig – die Botschaft des Christentums
Mittelalter: Das Lachen und das Zähnefletschen
Die neue Humorforschung
Humor ist eine Lebenskunst
Die Humor-Biographie
Humor-Belastung 1: Der Tag fängt gut an
Humor-Belastung 2: Hoffnungen und Größenträume
Humor-Belastung 3: Das große Feuer
Humor-Belastung 4: Das liebe Geld
Humor-Belastung 5: Eine langwierige Erkrankung
Die Basis des Humors: Die Lust am Lachen
Die weltweite Lachbewegung
Der mittlere Humor
Das seelische Gleichgewicht
Komik I: Absurdität
Komik II: Die enttäuschten Erwartungen
Komik III: Der Absturz ins Lächerliche
Komik IV: Die Tücke des Objekts
Komik V: Wenn wir Maschinen ähneln
Komik VI: Die Überwindung von Hemmungen
Komik VII: Die Wiederholung
Komik VIII: Maskenhaft leben oder übertreiben
Der große Humor
Die Suche nach dem Sinn
Die Bananenmethode
Die Überwindung der Eitelkeit
Wer lacht, ist gesünder und glücklicher
Partnerschaft und Humor
Lust und lustig
Unsere sexuellen Phantasien
Wo lernt man den Humor?
Der größte Humorräuber: die Scham
Humor-Beschleuniger 1: Das eigene Selbstbewusstsein
Humor-Beschleuniger 2: Die soziale Verankerung
Humor-Beschleuniger 3: Die Lust der Überwindung
Humor-Beschleuniger 4: Das achtsame Leben
Ist Humor immer angebracht?
Das Recht auf Tragik
Lachen bei einer Beerdigung
Humor kann gefährlich sein
Humor ist die Grundlage unserer Demokratie
Humor ist eine Revolution
Religion und Komik
Humor als Konfliktlösung
Internationale Beziehungen
Humor im diplomatischen Dienst
Der Humor-Essay von Adolf Muschg
Die Humor-Biographie von Heinz Knobloch
Zur Person der Prominenten
Wir können den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel richtig setzen. Aristoteles
Der Humor ist der Schlüssel zum Lebensglück. Das ist die zentrale Erkenntnis meiner Studien, die vor 30 Jahren begannen. Damals war ich 45 Jahre alt, das Leben hatte mich schon einige Male durchgerüttelt und ich spürte gelegentlich den Wunsch, in der zweiten Lebenshälfte gelassener mit der kränkenden und versagenden Welt umzugehen. Daher wählte ich für die kommenden Jahre den Humor zum Schwerpunktthema meiner therapeutischwissenschaftlichen Arbeit. Ergänzen wollte ich meine Studien durch eine Umfrage, die ich an über 100 Prominente verschickte. Ausgehend von ihrer gesellschaftlichen Vorbildfunktion stellte ich ihnen die Frage:
„Wie haben Sie es in Ihrem wechselhaften Leben geschafft, Ihren Humor zu behalten?“
Ich war erstaunt und beglückt über die vielen sehr ausführlichen und persönlichen Antworten. Doch leider war ich selbst dem Thema noch nicht gewachsen. Zu sehr spürte ich im Alltag, dass mein eigener Humor begrenzt war. Wenn mein Computer und zugleich die Kurse meiner Aktien abstürzten und ich auch noch Kniebeschwerden hatte, war es an diesem Tag mit meinem Humor vorbei. Nun wollte ich nichts schreiben, was nicht meiner eigenen Entwicklung entsprach und so erschien nur eine sehr kleine Auflage, die ich als ‚Versuch‘ empfand. Ansonsten legte ich das gesamte Material in die Schublade, um es mehr als zwanzig Jahre später meiner Frau zu zeigen. Sie ermutigte mich sehr, endlich das Buch zu vollenden und die wunderbaren Briefe einem größeren Lesepublikum vorzustellen. Nochmals schrieb ich Prominente an, doch inzwischen leben wir im Zeitalter der Datenflut. Ich erhielt einige wenige nachdenkliche Briefe, aber ansonsten bekam ich kaum Resonanz und begriff, wie wertvoll jene Briefe waren, die mich vor mehr als zwei Jahrzehnten erreicht hatten. Es waren ungewöhnlich persönliche Antworten, oft auf mehreren Seiten, häufig handgeschrieben. Es ist deutlich zu spüren, wie sehr sich die Schreibenden mit dem Humor beschäftigten, um mir dann ihre Gefühle, Gedanken und biographischen Anekdoten mitzuteilen. Astrid Lindgren schrieb mir auf einer alten Schreibmaschine, Alfred Biolek überraschte mich mit einem tiefgründigen Brief, Ralph Giordano berührte mich mit seinen Schilderungen, wie er zusammen mit seinen Brüdern im Nationalsozialismus die ständige Angst weglachte. Solche Briefe waren nur möglich in einer Zeit, in der man noch nicht von Anfragen überflutet wurde und sich beschaulicher der Beantwortung einer Frage widmen konnte. Dadurch enthalten die Briefe eine intensive Achtsamkeit und ein Nachdenken über sich selbst, welche die eigentlichen Quellen des Humors sind. Um ihn zu verstehen, müssen wir unser Leben enträtseln und sowohl unsere Fähigkeiten, als auch unsere Konflikte begreifen. Mit der Altersweisheit von inzwischen 74 Jahren ist mir das soweit gelungen, dass ich nun meine jahrzehntelangen Studien zum Humor vollenden konnte. Ich danke allen Prominenten und vor allem auch meiner Frau Bärbel Rothhaar für ihre große Unterstützung.
Wolfgang Krüger
Nähere Informationen zu den Prominenten finden Sie auf den Seiten 178 ff.
Der Humor nimmt die Welt hin, wie sie ist, sucht sie nicht zu verbessern und zu belehren, sondern mit Weisheit zu ertragen. Charles Dickens
Mein Lieblingsfilm ‚Alexis Sorbas‘ ist von Tragik und Dramatik geprägt. Ein Bergwerk stürzt teilweise ein und Liebestragödien führen zu einem Lynchmord und einem Suizid. Und dann stürzt auch noch die fertige Seilbahn zusammen, die Alexis Sorbas bauen ließ, um Baumstämme zu transportieren. Doch Sorbas bricht nicht zusammen, sondern freut sich: „He Boss, hast Du jemals etwas erlebt, das so schön zusammengekracht ist?“ Und dann lacht und tanzt Alexis mit seinem Boss, der sein ganzes Geld verloren hat, Sirtaki. Dieser Film wurde für mich zu einem Vorbild für eine humorvolle Lebenshaltung. Denn gerade in der Perfektionsgesellschaft, in der wir leben, sollten wir lernen zu lachen, wenn wir im Alltag scheitern.
Trotz Schwierigkeiten lachen
Immer wenn ich diesen Film sehe, wird mir klar: Wir können glücklich sein, auch wenn unser Leben schwierig verläuft und von den fast unvermeidlichen Enttäuschungen und Kränkungen geprägt ist. Wir können glücklich sein, wenn wir es schaffen, die kleinen und großen Schwierigkeiten wegzulachen. Tatsächlich gelingt dies 23% aller Deutschen und die Frage ist: Was machen sie richtig? Warum können sie trotz aller Schwierigkeiten lachen? Und warum leiden die restlichen 77% unter einem massiven Humordefizit? 1
Die Ohnmachts-Allmachtspirale
Die große Mehrheit der Befragten meinte, sie hätten zwar in den normalen Zeiten des Lebens durchaus Humor. Doch bei allen größeren Belastungen würde ihnen der Humor vergehen. Offenbar verlieren wir ihn leicht, während uns die von Angst und Ärger getönten Stimmungen sehr vertraut sind. Dann unterschätzen wir häufig die Bedeutung des Humors. Schließlich beeindruckt er uns nicht mit einer heldenhaften Entschlossenheit und selbst Gefühle von Wut und Zorn wirken zunächst durch ihre Wucht. Und doch kann uns der Humor ein Gefühl der Größe in einer Situation vermitteln, die wir zunächst nicht ändern können. Und weil wir alle unaufhörlich schwierigen Belastungssituationen ausgesetzt sind, ist der Humor so wichtig für unser Lebensglück.
Wir müssen kleine oder schwerwiegende Krankheiten bewältigen, die Partnerschaften, die Arbeit und die Kindererziehung sind gelegentlich anstrengend und mühselig. Sehr leicht führt dies bei den meisten Menschen zu einem resignativen Ohnmachtsgefühl. Dies wird jedoch massiv durch eine gesellschaftliche Grundstimmung verstärkt, die sich in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Noch in der Studentenbewegung gab es eine Aufbruchsstimmung und die Hoffnung auf eine bessere Welt. Für die meisten ist dies längst Vergangenheit und jetzt empfinden sie, dass ihr Leben von mächtigen Faktoren bestimmt und eingeengt wird, die sie nicht steuern können: Die zunehmende Klimakatastrophe, Kriege auch in Europa, eine Flüchtlingswelle und die Tatsache, dass in vielen Ländern Regierungen an die Macht kommen, deren Programm von einem unverkennbar autoritären Geist geprägt ist. Angst macht sich breit und in einer Allensbacher Neujahrsfrage im Jahre 2016 zeigte sich, dass immer weniger Menschen der Zukunft gelassen entgegen sehen. Wir werden resignativ.
Aber diese Resignation unterscheidet sich sehr von der unserer Großeltern. Diese nahmen fast fatalistisch die Unwägbarkeiten ihres Schicksals an, das sie nicht beeinflussen konnten. Soziale, religiöse und politische Strukturen waren autoritär geprägt und wurden von den meisten als nicht veränderbar akzeptiert. Doch wir bäumen uns gegen die Widrigkeiten unseres Lebens auf und können tragische Ereignisse oft nicht akzeptieren. Vielmehr wollen wir die Zusammenhänge unseres Lebens begreifen und steuernd eingreifen. Wir haben den Anspruch, über unser Leben zu bestimmen und so feiern alle Theorien Hochkonjunktur, die uns vorgaukeln, wir seien die Schöpfer unseres Lebens. Man denke nur an die amerikanische Bewegung Christian Science, die davon ausgeht, man könne jede Krankheit durch geistige Kräfte überwinden. Man kann sich ihre Krise vorstellen, als ihre Gründerin trotzdem starb. Und ich erinnere mich noch deutlich an die Botschaft ‚Forever Young‘ von Ulrich Strunz. Das Älterwerden könne man durch seine Bewegungsprogramme aufhalten – versprach er. Millionen seiner Bücher wurden verkauft, er bekam riesige Gagen als Redner. Doch dann stürzte er mit seinem Rennrad und verletzte sich schwer.
Hybris ist offenbar gefährlich. Wir brauchen einen gesunden Realismus und müssen unsere Grenzen erkennen, sollten bodenständig bleiben und begreifen, wie sehr wir mitunter dem Schicksal ausgeliefert sind. Wenn wir übertriebene Ansprüche an das Leben stellen, werden wir nicht nur enttäuscht, sondern unsere Resignation verstärkt sich, weil wir die realen Möglichkeiten des Lebens nicht mehr erkennen.
Der Stoßdämpfer
Offenbar liegt die Grundproblematik unseres Daseins in einer Ohnmachts-Allmachts-Spirale, die sich wechselseitig verstärkt. Sie prägt unser Leben und daher haben sich seit Jahrhunderten zahlreiche Philosophen damit beschäftigt. Sie zeigen uns, wie wir diese Spirale überwinden und das Leben sowohl mit seinen schönen Seiten, aber auch seiner Tragik und Dramatik gelassen ertragen und mitunter sogar genießen können. Und sie haben jenen Stoßdämpfer des Lebens gefunden, der unsere Sorgen abfedert und uns auch schwere Krisen überstehen lässt. Auf diesen Stoßdämpfer hat schon Kant vor 200 Jahren hingewiesen. Denn er war davon überzeugt, der Himmel habe uns als Gegengewicht gegen die vielen Mühseligkeiten des Lebens vor allem den Humor mitgegeben.
Der Abstand zur Welt
Tatsächlich ist der Humor der wichtigste Schlüssel zu unserem Glück. Er ist die Eigenschaft, die unser Leben grundlegend verbessern kann. Der Anthropologe Plessner meint sogar, nur der Mensch könne humorvoll sein, dies sei die Folge seiner exzentrischen Position im Leben. Der Mensch sei im Leib und gleichzeitig in der Welt. Dadurch könne er einen Abstand zu sich und zum Leben gewinnen, er könne über sich nachdenken und über sich und die zu bewältigenden Schwierigkeiten lachen.
Diese positiven Kräfte des Humors wurden lange unterschätzt. Zu sehr war der Mensch auf das Überleben programmiert. Er musste daher immer auf das Schlimmste gefasst sein, um Gefahren abzuwehren. Ängste waren in ihrer Signalfunktion wichtig, Ärger und Wut dienten dazu, in Bedrohungssituationen alle Kräfte zu mobilisieren. Doch nun ist zumindest für Westeuropa seit Jahrzehnten eine völlig neue Lebenssituation entstanden. Seit 70 Jahren gibt es keinen Krieg auf deutschem Boden und ökonomisch geht es uns vergleichsweise gut. Gemessen zum Leben unserer Großeltern und Eltern können wir uns – trotz aller Probleme und Bedrohungen – über ein relativ glückliches Dasein freuen. Nun können wir uns auch mit den positiven Gefühlen wie Freude, Heiterkeit und dem Humor beschäftigen.
Das Irrenhaus des Lebens
Für unsere innere Gelassenheit ist der Humor unverzichtbar - damit wir den Alltag überstehen können, damit wir jenes Irrenhaus des Lebens weglachen können, in dem wir uns alle gelegentlich befinden. So schrieb mir auch der gesellschaftskritische Grafikdesigner Klaus Staeck, nur mit Humor könne er den Wahnsinn unserer Zeit im Zaum halten: „Immerhin bietet er die Chance, sich selbst nur als winzigen Teil des Nabels der Welt zu sehen, nicht einem Fundamentalismus gleich welcher Spielart zu verfallen. Humor schafft für mich Nähe durch Distanz. Humor macht frei.“
Wenn wir an dem Irrsinn dieser Zeit nicht verzweifeln wollen, müssen wir das Weltgeschehen aus einem größeren Abstand sehen. Dann wird deutlich, dass die Gegenwart erheblich friedlicher ist als frühere Zeiten. Zwar sind die Opferzahlen durch Kriege in den letzten Jahren wieder gestiegen und die Flüchtlingszahlen sind erschreckend. Der Terrorismus hat weltweit zugenommen, aber die Konflikte im Ersten und Zweiten Weltkrieg und im Koreakrieg haben erheblich mehr Todesopfer verursacht. Daher kam das Institute for Economics and Peace (IEP) zu der Erkenntnis, der Weltfrieden habe große Fortschritte gemacht. Angesichts der aktuellen Entwicklungen mag dies erstaunen, aber die Geschichte lehrt, dass frühere Jahrhunderte noch viel brutaler waren als die Gegenwart.
Die Revolution im Kopf
Der Humor bewirkt, dass wir nicht in den alltäglichen Sorgen versinken, sondern den Überblick behalten. Insofern ist er der Rettungsanker unseres Lebens. Er hilft uns, über das Leben zu lachen oder zumindest zu lächeln, auch wenn wir uns wie eine Billardkugel des Schicksals fühlen. Selbst wenn wir machtlos sind, bleibt uns noch immer die Kraft des Humors, mit dem wir uns aus der Position des Opfers in die Einstellung einer inneren Überlegenheit bringen können. Wir sind dann nicht mehr ohnmächtig, sondern es findet eine Revolution im Kopf statt.
Die aktive Maus
Sie kennen sicher die Geschichte mit den beiden Mäusen, die in ein Glas Milch fallen. Und viele Stunden strampeln, da sie nicht sterben wollen. Doch eine Maus resigniert bald und geht unter. Ihre kleine Freundin ist verzweifelt, es bricht ihr kleines Mäuseherz, aber entschlossen kämpft sie weiter, bis auch ihre Kräfte nachlassen. Da fällt ihr ein, dass ihre Mutter einmal sagte, im Paradies würde man in Sahne und Honig baden. „Dann ist ja alles in Sahne.“ - kichert sie piepsend und strampelt wie wild mit ihren Mäusebeinen. Sie ist am Ende ihrer Kraft, als sie schließlich nach einigen Stunden festen Boden unter den Füßen verspürt. Sie ist gerettet, denn sie hat die Sahne zu Butter geschlagen.
Das Mäusebeispiel zeigt, wie vital der Humor sein sollte. Deshalb geht es mir nicht in erster Linie um den harmlos, liebenswürdigen Humor im Lebenswinkel. Ich stimme sehr dem Schriftsteller Adolf Muschg zu, der eine Einschätzung über jene Menschen vornahm, die nur verhalten ‚trotzdem‘ lachen:
„Dieser Humor ist an seiner Tauglichkeit für die böse, fremde und undurchsichtige Welt verzweifelt und behauptet wenigstens seine Nische darin. Gegen diesen Humor zeugt ... seine Harmlosigkeit. Denn sie garantiert auf ihre still-vergnügte Art das Fortbestehen der unerträglichen Verhältnisse, vor denen sie sich wegduckt wie der Hund vor dem Schlag. Nun ist er unter den Tisch geflohen und redet sich ein, da sei er vor den Fußtritten am sichersten.“
Humor im Urwald
Wie lebensrettend der aktive Humor sein kann, zeigt das dramatische Beispiel einer Expedition, die in der Hölle des südamerikanischen Urwalds nahe am Aufgeben war. In der tropischen Sumpfhitze erschlafften Forscher und Träger zunehmend und der Proviant drohte auszugehen. Immer schwerer fiel es dem Expeditionsleiter, die Kolonne zum Weitermarschieren zu motivieren. Schließlich folgte niemand mehr seinen Anweisungen. Jeder lag am Boden, keiner rührte sich, alle bereiteten sich auf den Tod vor. Doch plötzlich ertönte aus einer Ecke ein Lachen. Etliche hoben ihren Kopf, einige Gestalten richteten sich auf und schließlich blickten alle auf den Mann, der lächelnd auf seiner Plane lag. Es sah nicht danach aus, dass er verrückt geworden war. Vielmehr steigerte sich nun: „ … sein Schmunzeln zu einem belustigten Glucksen, und langsam, jedes Wort deutlich formend, zitierte er Wilhelm Buschs berühmtes Verspaar: 'Denn hinderlich, wie überall, ist hier der eigne Todesfall.' Es war, als hätte ein leuchtender Blitz gezuckt.“ 2
Bald war hier und dort ein überraschendes Lachen zu hören, einer nach dem anderen bewegte sich – bis sich alle auf den Aufbruch vorbereiteten. Noch vor wenigen Minuten hatte man sich zum Sterben hingelegt und nun machte man sich ärgerlich und fluchend wieder auf den Weg. Und obwohl es in den kommenden Tagen mitunter schier unüberwindliche Schwierigkeiten gab, war die Lähmung endgültig überwunden.
Die Expedition des Lebens
Auch unser Leben ist eine Expedition mit Höhen und Tiefen und beschwerlichen Wegstrecken. Häufig müssen wir seelische Durststrecken überwinden und Ängste aushalten und unser Lebensmut wird auf eine harte Probe gestellt. Dann sind wir auf unseren Humor angewiesen, um durchzuhalten und nicht aufzugeben. Das bestätigte mir auch Astrid Lindgren in einem sehr berührenden Brief. Sie schrieb: „Ich bin in einer Gegend von Schweden geboren, wo die Menschen eigentlich sehr humorvoll sind. Nur weil es eine arme Gegend immer gewesen war und die Menschen brauchten den Humor, um zu überleben.“
Doch die fast unüberwindbar scheinende Schwierigkeit besteht darin, dass wir gerade dann über fast keinen Humor verfügen, wenn wir dringend auf ihn angewiesen sind. Denn unseren Humor müssen wir zunächst dem Leben abringen, bevor er zu einem inneren Impuls wird. Dies setzt voraus, dass wir die geheimen Wege des Humors finden und beharrlich verfolgen. Dies erfordert – in unserer schnelllebigen Zeit – Ausdauer und Geduld. Aber wir werden reich belohnt und wenn wir schließlich unsere Lebensprobleme weglachen, hat er eine regelrechte Befreiung zur Folge. So sagte mir der Schlagersänger Roland Kaiser in einem Gespräch: „Immer in Situationen, in denen der Spaß aufgehört hat, hat mich der Humor befreit.“ Ich schrieb Roland Kaiser, nachdem ich einen ‚Tatort‘ gesehen hatte, in dem er sich selbst ‚auf die Schippe‘ nahm. Und so war es für mich sehr glaubhaft, dass er meinte: „Ich habe dann alles relativieren können. Der Humor war für mich extrem wichtig.“
Dieser Humor ist der Kern unserer seelischen Stabilität, da er auch dann wirksam ist, wenn wir die äußeren Gegebenheiten nicht ändern können, weil wir dem Schicksal ausgeliefert sind. Das war auch die Erkenntnis von Ralph Giordano, der mit einer jüdischen Mutter aufwuchs und oft unter Todesängsten litt. In einer sehr bewegenden Schilderung erinnert er sich: „Noch unter den grausamsten Bedingungen, also in der Nazizeit, war er wirksam, etwa, wenn wir ‚jüdelten‘. Das waren heimliche Tänze, bei denen wir drei Brüder uns in greinende, mauschelnde, säbelbeinige Krüppel verwandelten, an deren Anblick sich jeder Judenfeind geradezu berauscht hätte – und die doch nichts anderes waren, als durch die groteske Überhöhung der antisemitischen Karikatur eben diesen Feind zu übertrumpfen und damit lächerlich zu machen.“
Ich war sehr beeindruckt, dass der Humor offenbar selbst dann seine befreiende Wirkung entfaltet, wenn wir verfolgt, erniedrigt und bedroht werden.
Gerade in Existenzkrisen hilft uns der Humor, nicht zu verzweifeln und in Ängsten zu versinken. Deshalb ist die Tatsache dramatisch, dass der Humor eher Seltenheitswert hat. Das fängt bereits damit an, dass es sehr schwierig ist ihn wissenschaftlich zu erfassen, da es sich hierbei um sehr tiefe, emotionale Prozesse handelt. Wesentlich leichter kann man das Lachen erforschen. Zwar weist Lachen nicht unbedingt auf Humor hin, aber dieser hat immer auch eine Neigung zum Lächeln und Lachen zur Folge. Insofern ist es bemerkenswert, dass Kinder 400-mal am Tag lachen und Erwachsene nur noch 15-mal. Dabei lacht man in den südlichen Ländern wie Portugal 18 Minuten am Tag, aber in Deutschland ist das Lachen seltener – wir lachen täglich nur noch 6 Minuten. Das ist verhängnisvoll, denn schon Nietzsche stellte vor über 100 Jahren fest: „Es ist immer viel zu wenig gelacht worden in der Welt und das ist des Menschen größte Schuld.“
Der Tanz auf dem Vulkan
Nun mögen Sie diese Aussagen erstaunen, denn nach einer neuen Umfrage sehen es 4/5 aller Menschen als ihren Lebensinhalt an, Spaß zu haben. Und der Spiegel stellte 1996 sogar fest, es gäbe eine neue Spaßkultur, eine deutsche Amüsieroffensive. Doch diese Spaßkultur erinnert an die zwanziger Jahre, an die frechen Gedichte von Tucholsky, an die Chansons von Claire Waldoff („Wer schmeißt denn da mit Lehm?“), an rauschende Feste und ein fast besinnungsloses Vergnügen. Stimmungsmäßig war es damals der Tanz auf dem Vulkan und auch heute nimmt das Gefühl der Unsicherheit bei den meisten Deutschen eher zu. Aus tiefem Herzen gelacht wird daher immer weniger und meine Studien zeigen sehr deutlich, dass wir fast alle ein Humordefizit besitzen. 80% der Befragten hatten daher das Gefühl, ihr Humor wäre sehr steigerungsfähig.
Was ist Humor?
Doch worum handelt es sich bei diesem Humor, der so wichtig und zugleich so selten ist? Der englische Schriftsteller Henry Fielding schrieb vor 300 Jahren, nichts sei so ungewiss wie unsere Anschauung über den Humor. Denn mit dem Erzählen von Witzen hat er wenig zu tun. Er ist vielmehr die Kunst der heilsamen Selbstdistanz. Insofern ist Humor immer mehr als Lachen, es ist eine Lebenshaltung. Das trifft allerdings nur für den Lebenshumor zu, der sich gesellschaftlich erst in den letzten 200 Jahren durchsetzte. Vorher war eher der boshafte Humor typisch, es war die Schadenfreude, das Lachen über andere. Jede Phase der Menschheitsgeschichte war von einer spezifischen Einstellung zum Humor geprägt. Und in jedem von uns sind all diese Arten des Humors enthalten. So lachen wir herzhaft über unsere Mitmenschen, können gelegentlich humorlos sein oder über uns selbst lachen. Damit Sie die verschiedenen Formen Ihres eigenen Humors verstehen können, möchte ich Sie daher zunächst auf eine Reise durch die Geschichte des Humors mitnehmen. Anschließend werde ich Ihnen dann mein Humor-Programm vorstellen.
Humor im antiken Griechenland
Ursprünglich kam das Wort Humor aus dem Griechischen und bedeutete Körpersäfte. Man ging früher davon aus, dass die Persönlichkeitseigenschaften mit den Körperflüssigkeiten zusammenhängen. Vor allem der besondere Saft des Sanguinikers, dem eine lebensfrohe Grundhaltung zugesprochen wurde, war wichtig für den Humor. Und diese Fähigkeit zum Humor war für die griechischen Philosophen göttlichen Ursprungs. So gelangte Aristoteles zu der Überzeugung, erst das Lachen würde den Menschen von Tieren unterscheiden. Unbefangen lachte man daher im antiken Griechenland in der Öffentlichkeit. Aber es war oft mehr ein Auslachen, eine Schadenfreude. Es war eine Form des Lachens, die vor allem die Herrschenden infrage stellte und so äußerte sich schon Platon kritisch über die gefährliche Lust am Lachen. Er rief sogar dazu auf, sich des übermäßigen Lachens zu enthalten. Daher war Aristoteles überzeugt, dass man die gebildete Frechheit anstreben solle, die durch Geist und Witz entsteht. Und er forderte die Zähmung des groben Lachens, da man sonst sehr schnell vulgär werde. Diese Haltung verschärfte sich in der Spätantike (ca. 200 vor Christus). Nach dem römischen Recht war es verboten, einen Adligen lächerlich zu machen und Cicero beschäftigte sich mehrfach mit der Unangemessenheit von Witzen.
Der Humor im Alten Testament
Diese kritische Einstellung zum Lachen verschärfte sich schließlich im aufkommenden Christentum, das sowohl lust- als auch lachfeindlich war. Im Alten Testament wurde zwar noch gelacht, wie die folgende amüsante Geschichte belegt: Abraham und Sara wünschen sich ihr Leben lang ein gemeinsames Kind, nachdem er bereits eine Sklavin geschwängert hat. Als sie 90 ist und er 100 Jahre alt, prophezeit ihnen Gott, sie würde Mutter werden. Daraufhin fällt Abraham vor Lachen auf sein Gesicht und auch Sara lacht Gott aus. Aber sie bringt tatsächlich ein Kind zur Welt.
Seid traurig – die Botschaft des Christentums
Das Alte Testament ist also mitunter humorvoll und sinnenfroh, doch im Neuen Testament ändert sich dies fundamental. Jesus lacht nicht. Er ist vielmehr sanftmütig und leidend und wird schließlich am Kreuz von den Henkersknechten verhöhnt. Und nun werden die späteren Christen aufgefordert: „Seid traurig, statt zu lachen, und niedergeschlagen, statt euch zu freuen. “3
Im Christentum wird das Lachen fortan fast immer als Sünde angesehen, während die Trauer und das Weinen zur frommen Lebensweise gehören. Diese Verunglimpfung des Lachens hält bis zum Mittelalter an. Nur selten darf beispielsweise im Karneval gelacht werden. Das Wort ‚Heidenspaß‘ weist noch heute auf die heidnischen Ursprünge hin.
Mittelalter: Das Lachen und das Zähnefletschen
Im Mittelalter war der Humor eher derb, spöttisch und gehässig und richtete sich oft gegen Außenseiter, aber auch die Herrschenden. Dieser Aspekt des aggressiven Humors wurde noch in den letzten hundert Jahren von Wissenschaftlern hervorgehoben. Lachen war für sie ein Instinktrelikt aus der ‚Raubtierphase‘, in der das Zähnefletschen eine Drohgebärde darstellte. Diese wurde dann jedoch im Laufe der Jahrhunderte so weit entschärft, dass nur noch die lustvolle Überlegenheit in einem Machtkampf erhalten blieb. So sagt auch das Sprichwort: „Wer zuletzt lacht, lacht am besten.“
Dieser aggressive Humor ist in jedem von uns lebendig geblieben und wir können herzhaft lachen, wenn einem Menschen, der uns gekränkt hat, ein Missgeschick passiert. So enthalten die deftigen Witze meist eine gewisse Schadenfreude oder sind nicht ‚politisch korrekt‘. Elegant können wir im Witz unsere Enttäuschung über die versagende Welt unterbringen. Deutlich wird dies im folgenden Witz, bei dem eine Frau klagt: „20 Jahre lang waren mein Mann und ich die glücklichsten Menschen auf der Welt. Dann lernten wir uns kennen.“
Wie lustvoll kleine und größere Bosheiten sein können, erlebte ich auf einem Kongress bei einer Heiterkeitsübung, die darin bestand, die Kollegen spielerisch zu beschimpfen. Es machte uns ausgesprochen viel Spaß, weil wir nun mit Erlaubnis all jene Gemeinheiten ausleben durften, die wir bisher höflich unterdrückten. Der Kursleiter war sichtlich irritiert, wie leidenschaftlich wir unsere Kollegen mit Schimpfwörtern überschütteten, um danach wieder sehr nett miteinander umzugehen.
Anregung: Wann empfinden Sie Schadenfreude? Schämen Sie sich manchmal für die lästerlichen Bemerkungen oder die boshaften Witze, die Sie über Kollegen oder Ex-Partner/innen erzählen?
Neuzeit: Humor und die inneren Kämpfe
Es ist gut für unsere Vitalität, dass wir einen Zugang zu unseren Bosheiten besitzen, doch für die Kulturentwicklung war es entscheidend, den Einfluss der Schadenfreude zu begrenzen. Aber obwohl dies in der Aufklärung (ca. 1750) zunehmend gelang, blieb die Skepsis gegenüber dem Humor erhalten. Selbst in der französischen Nationalversammlung war zunächst noch immer das Lachen verboten, da es gegen das Prinzip der Ernsthaftigkeit verstieß. Erst ab 1800 sah man den Humor vor allem als befreiende Kraft an. Doch es hatte sich auch die Art des Lachens verändert. Während man sich früher über andere lustig machte, lachte man nun über sich selbst. Aus dem boshaften Lachen wurde die Weisheit des Humors. Der neue Humor speiste sich nicht mehr aus den äußeren Kämpfen, sondern vorwiegend aus inneren Konflikten, die man überwinden musste. Es waren Kämpfe gegen eigene Perfektionsansprüche und das zu starke Über-Ich. Das Lachen war fortan ein Werkzeug in der Auseinandersetzung mit den moralischen Normen.
Kant, Hegel und Nietzsche
Dass der Humor nun zunehmend eine Form der Lebensbewältigung wurde, erregte das Interesse der Philosophen. Dabei beschäftigten sich Kant und Hegel vor allem mit dem Phänomen des Lachens – sowie später auch Nietzsche, der vor über 100 Jahren forderte: „Zehnmal musst Du lachen am Tage und heiter sein. ...“ Und im Jahr 1900 schrieb schließlich Bergson sein Standardwerk über ‚Das Lachen‘. Für ihn war Lachen vor allem ein Erziehungsmittel, ein Auslachen, wenn Menschen sich gegen die Normen der Gemeinschaft verhalten.
Sigmund Freud und der Humor
Die eigentliche Blütezeit des Humors setzte allerdings erst nach 1900 ein, als sich zahlreiche Psychologen und Psychotherapeuten mit dieser Thematik beschäftigten. Es begann mit Sigmund Freud, der vor allem darauf hinwies, dass der humoristische Lustgewinn aus erspartem Gefühlsaufwand hervorgeht. Man spart jene Kraft, die bisher zur Verdrängung erforderlich war.
Sigmund Freud schätzte den Humor als außerordentliche Fähigkeit und stellte fest: „Humor hat nicht nur etwas Befreiendes, sondern auch etwas Großes und Erhebendes.“ Und seitdem wurde nicht nur über das Lachen geforscht, sondern das Augenmerk richtete sich zunehmend auf den Humor.
Die neue Humorforschung