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Destruktive Machtprozesse sind die wichtigste Ursache für das Scheitern von Partnerschaften. Dabei gibt es in jeder Liebesbeziehung vom ersten Moment an Machtkonflikte, die wir frühzeitig erkennen sollten. Nur wenn wir bewusst und souverän mit dieser Macht umgehen und faire Konfliktmuster finden, können wir den Traum einer leidenschaftlichen Partnerschaft realisieren.
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Seitenzahl: 237
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Die ersten drei Wochen der Liebe
Das Samenkorn der Liebe
Der Machtaspekt der Liebe
Die Koalitionsverhandlungen der Macht
Die Machtstrategien in Liebesbeziehungen
Der Interessenausgleich
Die Ablösung
Die drei Stadien der Macht
Die zwölf Strategien der Macht
Die drei positiven Machtstrategien
Die Kraft der Autonomie
Soll man zusammen wohnen?
Die Bedeutung der Freundschaften
Die Trennung der Lebensbereiche
Der Machtkrieg
Der Haushalt
Die Kinder
Der Teufelskreis der Macht
Abwärtsspirale 1 + 2
Geld, Liebe und Macht
Es ist mein Geld
Die Überschätzung des Geldes
Macht und Sexualität
Überwältigender Sex
Der Seitensprung
Wie ein Machtkampf gelingt
Abschreckende Reaktionen
Die Vertrauensbasis
Kann man den Partner ändern?
Die 15 Regeln der Liebe und Macht
Es ist immer etwas Wahnsinn in der Liebe.
Es ist aber immer auch etwas Vernunft im Wahnsinn.
Friedrich Nietzsche
Die ursprünglich so lebendigen und aufregenden Liebesbeziehungen wirken oft nach vielen Jahren etwas langweilig. Aber ein Trennungsgrund ist dies meist nicht. Im Allgemeinen scheitern Partnerschaften erst dann, wenn es keine Nähe mehr gibt und der Sex eingeschlafen ist. Doch hinter dieser Entfremdung stecken immer destruktive Machtprozesse. Sie geben den angeschlagenen Partnerschaften den Todesstoß. Deshalb ist es verhängnisvoll, dass wir uns mit diesen Machtprozessen am Anfang einer Liebesbeziehung nur sehr selten beschäftigen. Und wenn wir sie endlich erkennen, ist die Partnerschaft bereits schwerwiegend beschädigt.
Das wurde mir auch in einem Therapiegespräch deutlich, in dem mir eine 44-jährige Journalistin ausführlich von den Problemen in ihrer Liebesbeziehung berichtete. Sie war lange Zeit allein gewesen, hatte sich sehr nach einer Partnerschaft gesehnt und traf vor sechs Monaten den Mann ihres Lebens, den sie im Internet kennengelernt hatte. Die Journalistin erinnerte sich: „Als ich zum ersten Mal seine Stimme am Telefon hörte, war ich überzeugt: Der ist es. Dann verabredeten wir uns in einem Gartenlokal und haben uns wunderbar verstanden. Er hatte eine schöne Stimme, hatte so warme Hände, war gebildet, konnte gelegentlich zuhören. Er wusste, was er wollte, wirkte sehr entschlossen. Von seinem werbenden Verhalten fühlte ich mich fast überrannt. Das war ich nicht gewohnt. Er war eben ein Ausnahmemann. Auf ihn hatte ich gewartet. Ich schwebte wie auf Wolken.“
Die verliebte Frau schlief mit ihm und war irritiert, als er sich einen Tag nicht meldete, hatte dafür aber auch Verständnis, da er meist lange arbeiten musste. Sie war etwas verwirrt, wenn er manchmal sehr viel über sich redete und sich mehrfach über seine Ehefrau aufregte, von der er sich nach einem großen Streit getrennt hatte. Da sie sich oft in seiner Wohnung aufhielt, half sie ihm immer mehr im Haushalt, passte sich an seine Lebensvorstellungen an. Obwohl sie lieber an die Küste gefahren wäre, ging sie mit ihm auf eine Bergwanderung. Obgleich sie Rückenprobleme hatte, unternahm sie mit ihm eine Bootstour. Sie tat dies auch, um in die Partnerschaft zu investieren. Sie wollte nicht wieder so skeptisch sein wie in früheren Liebesbeziehungen. Immerhin war ihr Partner wesentlich lebendiger und interessanter als ihre bisherigen Männer. Und wenn sie in den Spiegel schaute, bekam sie oft das Gefühl, dass sie den Höhepunkt ihres Lebens schon überschritten hatte.
Sie war sehr selbstkritisch, aber kritische Gedanken gegenüber dem Partner schob sie zurück, zu übermächtig war in ihr das Liebesverlangen. Sie merkte zwar nach zwei Monaten, dass er reichlich Alkohol trank und erinnerte sich, dass er schon seit dem Beginn der Beziehung gern eine Flasche Wein öffnete, wenn sie abends kam. Diese Beobachtung beunruhigte sie ein wenig, aber dann genoss sie doch die langen Spaziergänge mit ihm, seine Zärtlichkeit, seine Wärme.
Bis sie nach vier Monaten spürte, dass er ihre Bedürfnisse kaum noch beachtete, seine Anliegen immer stärker in den Mittelpunkt stellte. Nach fünf Monaten spöttelte er herum, die Beziehung wurde zunehmend eisiger. Die Patientin hatte das Gefühl, eine Bruchlandung zu erleben. Sie hatte monatelang nicht realisiert, dass ihr Partner sehr konsequent seine Wünsche durchsetzte, während sie noch verliebt war. Fast naiv glaubte sie an die große Liebe und merkte nicht, dass sie vollständig in eine Unterlegenheitsrolle geraten war.
Die attraktive Journalistin war so froh, diesen Mann gefunden zu haben, dass sie lange Zeit ihre Beobachtungen nicht genügend ernst nahm. Sie war bereit, viel für die Partnerschaft zu tun und auf seine Wünsche einzugehen. Ihr war nicht klar, dass wir in jeder Liebesbeziehung kritische Punkte vorfinden, mit denen wir geschickt umgehen sollten, um das gemeinsame Glück zu bewahren. Wenn sie gescheitert ist, müssen wir uns eingestehen, dass die wichtigsten Streitpunkte von Beginn an vorhanden waren.
Wie bei einem Samenkorn können wir in den ersten Minuten und Tagen einer Beziehung schon alles entdecken, was die spätere Partnerschaft ausmachen wird. Auch die Gründe des Scheiterns existieren von Anfang an. Wir bewerten sie nur anders, blenden sie aus und verdrängen sie. Diese Erkenntnis vertrat auch der Paartherapeut Michael Lukas Moeller. Er war überzeugt, dass „die ersten Minuten die gesamte künftige Bindung bis in tiefste Einzelheiten (enthalten). Das meiste bemerken die Partner nicht, sie können es gar nicht; denn es ist unbewusst. Doch verblüfft viele der geradezu prophetisch anmutende Charakter der ersten Minuten, die sich später erst in ihrer ganzen Tiefe offenbaren.“ 1 Ich stimme dem zu, wobei meine Studien gezeigt haben, dass wir durchaus viele Kleinigkeiten sehen. Aber wir halten sie nicht für bedeutend und glauben, dass sich dies schon ändern wird.
Doch worauf müssen wir bereits in den ersten Minuten und Tagen des Kennenlernens achten? Was führt in mehr als 50% der Partnerschaften zum Zerfall der Liebe? Wenn man bedenkt, wie stark die Liebe am Anfang fast immer war, wie sehr man sich aufeinander gefreut hat, wie glücklich man miteinander war – müssen es gewaltige Kräfte sein, die zum Schiffbruch der Liebe führen. Kleine Probleme könnte man lösen, über Meinungsverschiedenheiten reden. Aber durch die Machtstrategien werden Konflikte enorm verschärft. Hat die Partnerin nicht genügend Zeit für ihn, ist er tagelang wortkarg. Wenn er immer zu spät aus dem Büro kommt, verhält sie sich im Bett abweisend. Offenbar besteht der Machtkampf nicht nur in wortreichen Auseinandersetzungen. Vielmehr wird meist auf den Partner ein massiver psychologischer Druck ausgeübt, auf die eigenen Vorstellungen einzugehen. Dieser Druck wird allerdings oft etwas kaschiert, da man seine Verletzlichkeit und seinen Ärger versteckt. Dennoch sind die eigenen Handlungen sehr effektiv. Denn es sind insbesondere die leisen Beeinflussungen, die so wirksam sind. Da schweigt der Partner bei schwierigen Themen, zieht sich zurück und nimmt dadurch paradoxerweise Einfluss auf die Beziehung. Von solchen Machtaspekten ist fast jede Partnerschaft von Anfang an durchdrungen. Selbst sehr nette Menschen kennen Machtimpulse. Gerade am Anfang einer Beziehung lässt sich diese Machtverteilung anhand von drei Fragen erkennen:
Wer bestimmt stärker, was in der Partnerschaft passiert?
Wer lenkt bei den Konflikten eher ein?
Wer ist weniger verliebt und bewahrt seine Überlegenheitsrolle?
Leider verdrängen wir diesen Machtaspekt der Liebe. Wir sind überzeugt, dass es Machtprozesse vor allem in der Politik und im Wirtschaftsleben gibt und gehen davon aus, dass die Partnerschaft davon verschont bleibt. Schließlich glauben wir an die Harmonie der beginnenden Beziehung und hoffen – mit Friedrich Schiller – dass sie ewig bliebe, die schöne Zeit der jungen Liebe. So ist es kein Zufall, dass mir bei einer Umfrage 82% der Interviewpartner sagten, Liebe und Macht passten nicht zusammen. „Liebesgefühle und das Streben nach Macht sind ein Widerspruch“, „Wo man liebt, hat die Macht keinen Platz“ – waren typische Aussagen. Nur 18% der Befragten gaben zu bedenken, dass immer Machtprozesse ihre Wirkung entfalten, weil stets unterschiedliche Interessen in einer Partnerschaft vorhanden sind. Es sei normal, wenn man versucht, diese durchzusetzen. Letztlich käme es auf den Machtbegriff an. Dies war auch die Meinung des Berliner Psychotherapeuten Helmut Albrecht. Er stellte fest, man dürfe Liebe und Macht nicht spalten. Es wäre falsch, wenn man zwischen der himmlischen Liebe und der bösen Macht trenne. In jeder Partnerschaft gäbe es Machtkonflikte und es wäre wichtig, damit mutig und geschickt umzugehen. Nur so wäre ein Ausgleich der Machtinteressen möglich. Allerdings mahnte er, dass es auch zerstörerische Machtprozesse gibt. Damit dürfe man sich nicht abfinden.
Vor allem sollten wir nicht alle Liebeshoffnungen begraben und als Illusion ansehen. Zu Recht wünschen wir, dass wir uns in der Liebe verstehen, dass wir uns auch in einer Krise auf den Partner verlassen können. Eine Liebesbeziehung ist kein Wirtschaftsunternehmen und es wäre fatal, wenn wir uns an jene Machtprozesse gewöhnen, die in Industriebetrieben an der Tagesordnung sind.
Wenn destruktive Machtkämpfe die Beziehung bestimmen, wenn einer den anderen nur als Objekt behandelt, ist die Liebe gescheitert. Doch alltägliche Machtprozesse finden wir in nahezu allen Partnerschaften. Sie beruhen darauf, dass jeder andere Lebensvorstellungen hat und diese auch verwirklichen möchte. Daraus resultieren Machtkonflikte und so lautet die gängige Definition der Macht: Es ist die Fähigkeit, die eigenen Interessen gegen die des Partners durchzusetzen. Mit dieser Tatsache können wir uns notfalls anfreunden, wenn es um die kleinen Konflikte in längeren Beziehungen geht. Aber das Perfide an solchen Machtprozessen besteht darin, dass sie auch in jener Anfangszeit wirksam sind, in der wir vertrauensselig in den Armen des Partners liegen und ihm die ewige Treue schwören.
Bereits in den ersten sechzig Sekunden taxieren wir den Anderen, erfassen unbewusst seine seelische Stärke oder Schwäche und erahnen sein Beziehungsmuster. Schon in den ersten Stunden des Kennenlernens beginnt ein Ringen um Macht, und nach dem ersten Tag fangen die Koalitionsverhandlungen der Liebe an, in denen die konkreten Strukturen der Partnerschaft festgelegt werden. Dabei ist derjenige im Vorteil, der Sehnsuchtsgefühle verspürt und dennoch die Beziehung kühl zu analysieren vermag. Er klärt die Machtfragen, während sich der eher verträumte Partner im Liebesrausch befindet.
In gewisser Weise geht es dann zu wie auf einem politischen Kongress, wo miteinander getrunken und gefeiert wird. Dort demonstriert man in der Öffentlichkeit, wie gut man sich versteht. Doch gleichzeitig wird auch verhandelt und der Diplomat des anderen Staates völlig ,über den Tisch gezogen‘, wenn er zu naiv ist und auf die Machtspiele nicht genügend achtet. Der Schriftsteller Milan Kundera warnt daher die Liebenden, ihre Beziehung beruhe auf ungeschriebenen Abkommen, die sie „ … in den ersten Wochen der Liebe übereilt abschließen. Sie sind noch wie im Traum, legen dabei aber, ohne es zu wissen, wie unversöhnliche Anwälte die einzelnen Vertragsklauseln fest. Liebende, seid auf der Hut in diesen gefährlichen ersten Tagen.“ 2
Leider achten die meisten Menschen nicht auf diese Entwicklungen, solange sie verliebt sind. Und wenn sie den Umfang der Machtprozesse erkennen, ist für sie die Liebe beendet. Dann scheitern auch jene Beziehungen, die sonst durchaus eine Chance gehabt hätten. Wenn wir die Liebe retten wollen, müssen wir uns daher rechtzeitig dieser Dynamiken bewusst werden. Wir dürfen die dunkle Seite der Liebe nicht ausblenden. „Wer nur den Himmel sieht, wird in der Hölle enden“ – lautet eine alte Lebenserkenntnis. Nur wenn wir die Macht in allen Facetten kennen, können wir sinnvoll mit dieser oftmals zerstörerischen Kraft umgehen und sie bändigen. Nur dann können wir unsere eigenen Interessen genügend in die Beziehung einbringen und gleichzeitig die Liebe genießen.
Wenn wir uns weigern, diese Machtprozesse zu sehen, zahlen wir dafür einen hohen Preis. Eine 30-jährige Ärztin, die bei mir in Therapie ist, sagte mir: „Ich mag in einer Partnerschaft nicht strategisch handeln. Ich will Vertrauen haben, mich anlehnen. Ich will an nichts Böses denken.“ Dieser Wunsch ist verständlich, doch die sehr intelligente junge Frau wurde immer wieder davon überrascht, dass ihr Partner ,rumzickte‘. Sie war dann ,wie vom Donner gerührt‘, wenn er sie nicht regelmäßig anrief, keine Zeit für sie hatte. Sie würde ruhiger leben, wenn sie manches Verhalten des Partners auch als ein Machtspiel sehen und bewusst darauf reagieren könnte.
Bei den Machtzielen geht es zunächst darum, den Anderen zu erobern. Denn es ist fast zwangsläufig so, dass einer mehr liebt, schon in Flammen steht und begehrt – während der Andere zögert und mit skeptischem Blick beobachtet. Der Verliebte muss nun alle Hebel in Bewegung setzen. Er verhält sich daher wie ein schlauer Räuber, meinte bereits vor 2000 Jahren Ovid. Letztlich sei die Eroberung ein wesentlicher Teil der Liebe. Dies geschieht allerdings nicht in erster Linie durch Worte, sondern durch ein geschicktes Verhalten, bei dem sich der Werbende vorteilhaft präsentiert und sich dann nach Momenten großer Vertrautheit immer wieder zurückzieht, bis im Umworbenen sowohl Sehnsuchtsgefühle als auch Selbstzweifel („Kann er mich wirklich lieben, so wie ich bin?“) unentwegt stärker werden.
Manchmal wird dieser Vorgang als die Technik des Angelns beschrieben, wo es ebenfalls darauf ankommt, den Fisch zunächst anzulocken, dann das Anbeißen abzuwarten und ihn schließlich am Haken zu sich heranzuziehen. Andere bezeichnen diesen Vorgang als Jagd, als Kampf. Mitunter hat man sogar den Eindruck, dass es darum geht, eine Burg zu erstürmen, eine Festung einzunehmen. Auf jeden Fall ist dies nicht nur ein ruhiger Vorgang, bei dem wir romantisch gemeinsam den Mond betrachten. Es ist auch ein sehr kraftvolles Ringen, in dem ein Mensch mit allen Mitteln der Verführungskunst die Widerstände ausräumen will, die im Anderen vorhanden sind.
Diese Verführungskunst beherrschte meisterhaft ein befreundeter Tauchlehrer, der mich bei einem Glas Wein in seine Fähigkeiten einweihte: „Ich achte immer darauf, dass sich die Frauen wohlfühlen. Es muss eine Stimmung der Heiterkeit entstehen. Liebe hat was mit Leichtigkeit zu tun. Also erzähle ich nichts von Krankheiten und Sorgen. Ich versuche vielmehr, die Frauen zum Lachen zu bringen. Ich interessiere mich für sie und achte bei den Treffen darauf, dass sich eine aufregende Spannung aufbaut. Wir gehen ins Kino, ins Theater, fahren Boot. Immer ist es interessant. Langeweile ist der Tod der Liebe.“
Vielleicht sind Sie skeptisch bei dieser männlichen Verführungskunst, die fast etwas machohaft wirkt. Aber Tatsache ist, dass dieser Tauchlehrer sehr erfolgreich war, da er geschickt die Erkenntnisse über die Entstehung der Liebe anwandte. Beispielsweise zeigten zahlreiche Tests, dass die erotische Anziehungskraft von Frauen und Männern bei ‚Eustress‘ steigt. Bei einem solcher Tests wartete eine attraktive Frau auf einer Stahlbrücke und stellte vorbeikommenden Männern einige Fragen. Außerdem gab sie ihnen ihre Telefonnummer, falls sie noch etwas wissen wollten. Sie wiederholte dann diese Prozedur auf einer schwankenden Hängebrücke. Die Männer auf dieser Brücke riefen erheblich häufiger bei ihr an und baten um eine Verabredung. Dies verwundert nicht, denn Gefühle der Aufregung fördern die Entstehung von leidenschaftlichen Emotionen.
Insofern war der Tauchlehrer immer bemüht, die Begegnungen aufregend und abwechslungsreich zu gestalten. Es waren sehr aktive Treffen, wo etwas passierte. Zudem war er aber auch ein Experte der stimmungsvollen Verführungskunst. Beispielweise war er bestrebt, beim ersten Treffen ‚sinnliche‘ Gesamtumstände herzustellen. Als er mein Stirnrunzeln bemerkte, erzählte er mir folgende Begebenheit: „Ich fuhr mit einer bildhübschen Studentin in einer lauen Sommernacht mit dem Boot auf den stillen See hinaus. Die Sonne ging gerade unter, ich holte eine Flasche Sekt und zwei Gläser hervor, als am Strand romantische Klänge aus einer Musikbox ertönten.“
Wenn Sie so vorgehen, wächst in der umworbenen Partnerin ein angenehmes Gefühl, das sie mit Ihnen in Verbindung bringen wird. Wir alle nehmen das Leben ganzheitlich wahr und die Studentin wird kaum genau erklären können, ob ihre sinnliche Erregung durch den Sekt, das Bootfahren, die wunderbare Musik oder den flirtkundigen Tauchlehrer entstanden war. Auf jeden Fall war dieser Mann ein Werbungsexperte, der Begegnungen sehr bewusst inszenierte und dabei eine unwiderstehliche Macht auf die Frauen ausübte.
Das wichtigste Ziel der Werbungsoffensive besteht darin, den kritischen Verstand der Umworbenen auszuschalten und sie mit sinnlichen Erlebnissen zu verzaubern. Das ist eine sehr machtvolle Strategie, in der Männer zunächst fast immer den Frauen überlegen sind. Sie empfinden sich gern als die Gestalter des Liebesprozesses, während die Frauen meist versteckter vorgehen und den Männern die führende Rolle überlassen. Oft wird dies damit begründet, dass der Mann schon seit der Steinzeit ein Jäger, die Frau die Eroberte sein müsse. Aber eine solche vergangenheitsbezogene, konservative Erklärung klingt verharmlosend und verkennt, dass es hier sehr konkret um Macht geht.
Denn immer geht es hier um einen machtgeprägten Einfluss und deshalb legen Männer viel Wert darauf, dass sie die Eroberer sind. In über 2/3 aller Partnerschaften unternehmen sie daher den entscheidenden Schritt der Annäherung. Insofern ist von der Emanzipation der Geschlechter in der ersten Liebesphase noch wenig zu spüren. Und so zeigt sich, dass Männer eher schüchterne, mädchenhafte Frauen bevorzugen. Nach einer Umfrage des Inra-Instituts träumt nur ein Drittel aller Männer von einer absolut selbstbewussten Frau. Männer sehen es deshalb als ‚weiblich‘ an, wenn Frauen bei der Anbahnung der Beziehung ein wenig zögern. Und ein solches Zögern ist wichtig, denn noch immer gilt die Erkenntnis von Ovid: „Was man leicht uns gewährt, das nährt nie lange die Liebe.“
Wenn Frauen also in dieser Eroberungsphase zögern, ist dies nicht nur Schüchternheit, sondern auch Klugheit. Sie machen damit deutlich, dass sie sich etwas wert sind. Gleichzeitig müssen sie aber aktiv werden. Denn Männer sind in der Werbungsphase fast immer vorsichtig, da sie kein Risiko eingehen wollen. Selbst die Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat nichts daran geändert. Auch wenn sie es selten zugeben: Männer wollen gern Helden sein – und sind es meist nicht. Das macht sie so empfindlich und deshalb können sie mit Niederlagen schlecht umgehen und sind in der Werbungsphase oft gehemmt.
Gerade weil für die Männer die Eroberungsphase von einer großen Unsicherheit geprägt ist, sollten also Frauen in den entscheidenden Situationen eindeutige Signale aussenden. Dem entspricht der typische Flirtblick beim Tanzen, in Cafés oder bei intensiven Gesprächen, der meist von Frauen ausgeht. Er besteht in einem drei Sekunden langen, direkten Blick, wobei die geweiteten Pupillen das Interesse an dem potentiellen Partner bekunden. Diesen Blick kann man auch als ‚Anmacheblick‘ bezeichnen, da die Pupillen in diesem Erregungsstadium deutlich auf ein sexuelles Entgegenkommen hinweisen.
Da die Erweiterung der Pupillen ein Reflex ist, der nicht unserem Willen unterliegt, ist sie immer ein sehr verlässliches Kennzeichen für die erotische Neugierde eines Menschen. Auf diesen Flirtblick der Frauen reagieren die Männer, denn sie spüren, dass ihre Bemühungen nachdrücklich bejaht werden. Die Schriftstellerin Colette brachte es auf den Punkt:
„Männer laufen einer Frau nach, die längst hinter ihnen her ist.“ Und im machtbewussten Wirtschaftsleben würde man sagen, dass die Frauen eine Bewerbung abgegeben haben, während die Männer nun den eigentlichen Vertrag aushandeln.
Für die meisten Männer ist das Gefühl wichtig, dass sie ihre Partnerin erobert haben. Sie begreifen nicht, dass die Frauen die eigentlichen Strateginnen in diesem Liebesprozess waren. So ahnungslos war auch ein guter Studienfreund von mir, als er vor vielen Jahren im Urlaub eine bezaubernde Frau kennen lernte. Beim Stierkampf fiel sie ihm mit den Worten: „ ... es ist alles so schrecklich ...“ um den Hals und entschuldigte sich für ihre Schwäche. Bei der Rückfahrt im Bus fanden sich dann ihre Hände, bald küssten sie sich und trafen sich beim Mondschein am Strand: „Wenn ich sie streichelte, wehrte sie scheinbar ab und fragte: ,Was machst Du da?‘ Diese an sich überflüssige Frage, die mit einem sehr entgegenkommenden Verhalten gepaart war, vermittelte mir die Überzeugung, ein unwiderstehlicher Mann zu sein. Erst Jahre später wurde mir klar, wie geschickt diese junge Frau alles eingefädelt hatte. Sie hatte mich geködert und sich zurückgezogen, nachdem ich zappelnd an der Angel hing. Und sie gab mir durch diese Strategie das Gefühl, ein toller Hecht zu sein.“
Dies ist allerdings nicht nur ein Rollenspiel, sondern es werden unterschiedliche Machtpositionen geschaffen, die für die Partnerschaft von entscheidender Bedeutung sind. Indem Männer nach einigem Zögern auf der Handlungsebene aktiver sind, bestimmen sie sowohl das Tempo als auch die konkreten Schritte der Liebesannäherung. Das zeigt sich vor allem bei der Sexualität. Viele Frauen geben in dieser Phase dem Drängen des Partners nach und schlafen mit ihm, obgleich dies noch nicht ihrem Bedürfnis entspricht und häufig keine Gespräche über Aids und sinnvolle Vorsichtsmaßnahmen geführt wurden. Sie sind sehr beziehungsorientiert, sehr auf Hingabe eingestellt und machen Kompromisse, um den Mann nicht zu verlieren.
Insofern sind Frauen am Anfang einer Beziehung oft zu nachgiebig. Sie überlassen den Männern häufig die Entscheidung darüber, wie man den Urlaub verbringt, sind im Haushalt aktiver, takten sich in ihr Leben ein. Erst nach Monaten und Jahren gewinnen sie dann aufgrund ihrer größeren sozialen Kompetenz eine gewisse Machtüberlegenheit. Natürlich sind junge Frauen heutzutage erheblich selbstbewusster und durchsetzungsfähiger. Sie wissen viel über die emotionalen Prozesse in einer Partnerschaft und durchschauen die Strategien der Männer. Aber tragisch ist die Tatsache, dass sie trotzdem in der Liebe oft so leicht zu manipulieren sind und ihr seelisches Gleichgewicht verlieren.
Doch warum haben es Verführer am Anfang dermaßen einfach, warum können sie den Verstand auch emanzipierter Frauen erfolgreich überlisten? Es liegt vor allem daran, dass der gesamte Prozess der Verliebtheit durch eine seelische Verwirrung geprägt ist. Wir handeln dann teilweise wie unsere Eltern und Großeltern. Aber gegen diese Verwirrung kann man sich schützen, wenn man weiß, was am Beginn der Liebe passiert. Auf diese Weise bleibt man handlungsfähig und kann die Machtverteilung gleichberechtigter gestalten.
Der französische Schriftsteller Stendhal meinte, es sei vor allem die von Einsamkeit geprägte Liebessehnsucht, die uns handlungsunfähig macht. Treffen wir dann unseren Wunschkandidaten, geraten wir in einen Zustand der Hoffnung, der sich mit der Angst abwechselt, der Andere könne sich von uns abwenden. Dies Schwanken zwischen Hoffnung und Angst bewirkt, dass wir innerhalb weniger Wochen völlig besinnungslos werden. 3 Dann haben es Verführer leicht, die gelernt haben, die Phantasiewelt von Frauen zu aktivieren, indem sie romantische Momente der Liebe inszenieren.
Leider sind die besten Verführer/innen meist schlechte Liebhaber und für das tägliche Zusammenleben wenig geeignet. Die Verführungsexperten sind oft sehr narzisstisch, sie sind gute Schauspieler und in ihre eigenen Worte und Gefühle verliebt. Das realisieren wir aber oft nicht, denn diese narzisstischen Könner haben immer hervorragende soziale Antennen und sind sehr auf den Anderen bezogen. Alles ist auf Außenwirkung bedacht und so haben sie die Fähigkeit, unsere Liebesgefühle bis zum Wahnsinn zu steigern. Und das nutzen sie aus, denn sie beherrschen das Machtspiel, weil sie sich wenig in die Beziehung einlassen. Eine wirkliche Bindung entsteht so nicht und daher werden wir in ihrem Leben immer nur Begleiter, nie ein wirklicher Partner sein und gerade darin liegen die massiven Machtkonflikte, die solche Liebesbeziehungen prägen.
Dies war auch die Erfahrung einer 35-jährigen Lehrerin, die sich nach fast einem Jahr von ihrem Partner getrennt hatte: „Ich war am Anfang sehr verliebt. Er war ein sehr schöner Mann, er war klug, konnte gut reden. Wenn er sprach, hatte ich immer ein Prickeln auf der Haut. Ich war so verliebt und tat alles für ihn. Ihm wollte ich mich hingeben, wollte sogar mit ihm zusammenziehen. Ich kochte für ihn, bügelte seine Wäsche. Aber dann kritisierte er mich immer mehr und wir stritten ständig. Am Schluss war er kalt wie ein Fisch, nach nicht einmal einem Jahr war die Beziehung am Ende. Damals erzählte er mir, dass seine Liebesbeziehungen nie länger als zwölf Monate gedauert hatten.“
Das ist keine Ausnahme, denn oft scheitern Partnerschaften schon nach relativ kurzer Zeit. Verantwortlich dafür ist immer die Tatsache, dass zwei Menschen nicht über jene zwei Eigenschaften verfügen, die für eine Beziehung wichtig sind: Sozialkompetenz und Gestaltungskraft. Dies bedeutet: Wir müssen zuhören und den Partner verstehen. Gleichzeitig brauchen wir aber auch ein gutes Selbstbewusstsein, wir müssen die eigenen Bedürfnisse kennen und notfalls auch durchsetzen – dies nenne ich Gestaltungskraft. Stellen Sie sich daher folgende Fragen, wenn Sie eine potentielle Partnerin, einen Partner treffen:
Ist er fähig, auch ohne Partnerin gut zu leben? Ist er beruflich erfolgreich und hat eigene Lebenspläne? Verfügt er über eine innere Sicherheit oder reagiert er panisch, wenn Sie sich einmal ein wenig zurückziehen?
Daran erkennen Sie sein Selbstbewusstsein. Doch zugleich sind Sie in einer Liebesbeziehung auch auf Sozialkompetenz angewiesen. Deshalb sollten Sie prüfen, ob der potentielle Partner gut kommunizieren kann und auf Sie eingeht. Zu ich-hafte Menschen können sich zu wenig in die Partnerin versetzen, sie streben eher nach Überlegenheit und Macht. Insofern ist es für unser Lebensglück von größter Wichtigkeit, dass wir rechtzeitig merken, wie stark die sozialen Eigenschaften eines Menschen sind.
Wir sollten uns daher nicht zu schnell faszinieren lassen und uns verlieben, sondern den Anderen regelrecht kritisch durchleuchten. Dazu brauchen wir aber eine solide Menschenkenntnis, um die Stärken und Schwächen des zukünftigen Partners zu erkennen. Jeder Arbeitgeber führt Bewerbungsgespräche durch, er ist geschult in der wissenschaftlichen Methode der psychologischen Beurteilung von Menschen. Doch obwohl die Liebe nach der Einschätzung der meisten Menschen für unser Glück einen größeren Stellenwert hat als der Beruf, gehen wir hier rein emotional und regelrecht naiv heran. Das ist verhängnisvoll, denn Sie sollten zumindest einige Hinweise beherzigen.
Achten Sie am Anfang vor allem auf kleine Grenzüberschreitungen und Respektlosigkeiten. Es gibt zwar Menschen, die an jedem potentiellen Partner herummäkeln. Im Allgemeinen haben sie Angst vor Nähe und schützen sich vor dem unberechenbaren Liebesglück. Doch die meisten von uns ignorieren Kleinigkeiten. Wir sind buchstäblich blind, weil wir die Bedeutung alltäglicher Handlungen unterschätzen. Aber die kleinen Vorkommnisse in der Annäherungsphase sind fast immer wichtig, spätestens am Ende einer Partnerschaft werden wir es bereuen, dass wir sie nicht genügend gewürdigt haben. Wir sollten daher hellhörig sein, wenn der Andere geizig ist, schnell gereizt reagiert oder ständig redet.
Hören Sie also auf Ihr Bauchgefühl, wenn eine Begegnung nicht Ihren Erwartungen entspricht. Beispielsweise sollten Sie davon ausgehen, dass der Andere am Beginn einer Beziehung vorsichtig und einfühlsam ist. Deshalb war auch ein Patient von mir verwundert, als er eine junge Dame per Internet kennen lernte. Er berichtete mir: „Wir telefonierten, nachdem wir einige Emails ausgetauscht hatten. Und dabei teilte sie mir dann unbekümmert mit, sie fände meinen Dialekt ein wenig seltsam. Ich war irritiert. Hatte sie wirklich Interesse an mir? Nun denn – wir trafen uns, sie war eine tolle Frau, aufregend, gut aussehend und ... kritisch. Ständig nörgelte sie an mir herum, an meiner Kleidung, meinem Dialekt, meinen Ansichten. Ich hätte es vorher wissen können.“
Zwar gibt es durchaus kleine Fehler des Partners, bei denen wir schmunzeln. So schreibt Marcelle Sauvageot: „Nichts ist liebenswerter als die Schwächen und Fehler: durch sie dringt man zur Seele des geliebten Menschen vor … “ 4 Aber es gibt Fehler, die nicht liebenswert sind, die man nicht tolerieren sollte. Es handelt sich vor allem um kleine Warnzeichen, die deutlich auf ein Machtverhalten hinweisen. Nehmen Sie solche Kleinigkeiten ernst, denn hier zeigt sich oft der wahre Charakter eines Menschen.
Beispielsweise lässt sich der Machtwille von Männern und Frauen beim Autofahren erkennen. Dies ist das Ergebnis einer Studie der englischen Universität Exeter, die von einem Automobilverband finanziert wurde. Nach einer zweijährigen Untersuchung kam man zu dem Ergebnis, dass schlechte Autofahrer auch miserable Liebhaber sind. Der Typ des aggressiven Fahrers, der rücksichtslos überholt, andere Autofahrer schneidet und lautstark über Verkehrsteilnehmer schimpft, sei auch in der Partnerschaft ein Mensch, der sich ständig ohne Rücksicht auf Verluste behauptet. Der Psychologe Chris Burgess meinte sogar, das Profil des aggressiven Autofahrers habe auffallende Ähnlichkeiten mit einer Unfähigkeit zur Liebe. Sein Charakterprofil zeige: „Kann er seinen Willen nicht durchsetzen, verliert er das Interesse und gibt sich keine Mühe mehr.“ 5
Man kann natürlich auch den zukünftigen Partner in einer Bewährungssituation testen. Renovieren Sie mit dem Mann Ihre Wohnung und Sie werden seinen Charakter spätestens dann genauer erkennen, wenn die erste Tapete wieder von der Wand fällt. Oder Sie spielen mit ihm Karten. 90% aller Partner, die sich beim Bridgespielen kennen lernen, würden ihr Leben lang zusammenbleiben, behauptet der Londoner Bridge-Lehrer Mike Burtt. Man würde sehr schnell herausfinden „ob jemand aggressiv spielt oder eher nicht.“ 6 Dann weiß man, ob der Andere fair ist und auch einmal verlieren kann.
Den besten Einblick in das Machtverhalten eines Menschen bekommen Sie natürlich, wenn Sie ihn in einer vertrauten sozialen Situation beobachten. Wie verhält er sich in seinem Freundeskreis? Hat er überhaupt gute Freundschaften? Damit sind Beziehungen gemeint, in denen eine emotionale Offenheit besteht, so dass man dem Anderen auch persönliche Geheimnisse mitteilt. In solchen innigen Freundschaften gibt es naturgemäß immer wieder Konflikte, die gelöst werden müssen. Insofern zeigt die Qualität seiner Freundschaften sehr deutlich, ob ein Mensch beziehungsfähig ist oder nicht. Wenn er keine guten Freundschaften hat, ist seine soziale Kompetenz meist sehr eingeschränkt und Sie sollten sich sehr gründlich überlegen, ob Sie mit ihm eine Partnerschaft beginnen.
Am deutlichsten können Sie jedoch das Machtverhalten eines Menschen studieren, wenn Sie ihn im Kreis seiner Herkunftsfamilie erleben. Dort spüren Sie regelrecht, in welcher Atmosphäre er aufgewachsen ist, welche Werte und welches Beziehungsverhalten ihm vermittelt wurden. Allerdings