Eifersucht - Wolfgang Krüger - E-Book

Eifersucht E-Book

Wolfgang Krüger

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Beschreibung

Eifersucht ist ein Warnsignal der Liebe, denn wenn wir lieben, wollen wir die Beziehung schützen. Doch wir müssen selbstbewusst mit der Eifersucht umgehen, weil sie sonst zerstörerisch sein kann. Wolfgang Krüger beschreibt die drei Stufen der Eifersucht, wie man sie erkennt, wie man sein Selbstbewusstsein steigert und seine Abhängigkeit verringert. Er zeigt uns, wie man so um den Partner wirbt, dass man ihn an sich bindet und dadurch die eigenen Eifersuchtsgefühle überwindet. (Mitwirkung und Lektorat: Bärbel Rothhaar)

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Inhaltsverzeichnis

Prolog

Die Eifersucht als Warnsignal

Die milde Eifersucht

Die mittlere Eifersucht

Die massive Eifersucht

Die fehlende Eifersucht

Kindheit und Eifersucht

Wenn der Partner fremdgeht

Die Eifersuchts-Untreue-Spirale

Das Geheimnis der guten Ehe

Wer nicht eifersüchtig

ist, liebt nicht.

Augustinus Aurelius

Prolog

Wer wirklich liebt, kennt auch Eifersuchtsgefühle. Denn Eifersucht ist immer der Wunsch, das Bestehende zu bewahren. Doch oft verdrängen wir diese Eifersucht, weil sie so starke Schamgefühle auslöst. Und dies führt nun aktuell zu einer dramatischen Entwicklung. Vor allem jüngere Menschen begeistern sich für offene Liebesbeziehungen, Seitensprünge gelten als tolerabel und die Eifersucht stört bei solchen Lebensentwürfen. Insofern besteht wieder die Gefahr, dass in einer ganzen Generation die Eifersucht verdrängt wird. Aber dies ist tragisch, denn die Eifersucht ist ein sinnvolles Warnsignal, wenn die Liebe bedroht ist.

Die Eifersucht fordert uns auf, um die Liebe zu kämpfen und sie zu erneuern. Sie ist ein wichtiger Motor der Liebe. Wenn wir die Eifersucht verdrängen, verlieren wir viele Kräfte, die diesen mitunter ungeliebten Gefühlen innewohnen. Deshalb müssen wir lernen, geschickt mit der Eifersucht umzugehen. Dazu müssen wir über unsere Kindheit nachdenken, selbstbewusster und unabhängiger werden. Andererseits sollten wir uns bemühen, den Partner durch intensive Nähe an uns zu binden. Dann spüren wird, dass die Eifersucht eine unterstützende Kraft werden kann, die zum Gelingen der Liebe beiträgt.

Allerdings können wir die Bedeutung der Eifersucht nur erkennen, wenn wir den Wert der Treue zu schätzen wissen. Eifersucht und Treue sind Geschwister. Nun kann ich jeden verstehen, der die Lust des erotischen Abenteuers genießt. Aber der Preis dafür ist oft zu hoch, da man damit die Partnerschaft beschädigt. Das Vertrauen geht verloren, der /die Partner/in leidet darunter, dass wir sie betrogen haben. Nach intensiven Forschungen bin ich daher überzeugt: Treue macht uns glücklicher.

Obwohl ich schon seit Jahrzehnten ein Spezialist für Eifersuchtsprobleme bin, habe ich mich erneut intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Und ich habe außerdem auch ein neues Buch zum Thema Treue geschrieben, um eine leidenschaftliche Debatte über die Grundlagen der Liebe zu ermöglichen.

Ich wünsche Ihnen erkenntnisreiche Stunden beim Lesen

Herzlichst Wolfgang Krüger

Die Eifersucht schlummert auf dem

Grunde eines jeden Menschenherzens.

Balzac

Die Eifersucht als Warnsignal

Fast jeder von uns kennt Eifersuchtsgefühle. Dies stelle ich immer wieder in meiner Therapiepraxis fest. Ich bin Psychotherapeut und behandle viele Patienten mit Partnerschaftsschwierigkeiten. In jeder zweiten Behandlung spielen Eifersuchtsaffekte eine erhebliche Rolle. Und so fand ich in dieser Woche folgende Aufzeichnungen in meinen Therapienotizen:

Ich bin sehr unruhig, wenn mein Mann später aus dem Büro kommt. Er hat eine attraktive Assistentin. Ich frage dann oft nach ihr. Mit dem Verstand weiß ich, dass mich mein Mann liebt, aber ich kenne doch diese ständige Unsicherheit. Ich denke oft, er könnte sich für eine andere entscheiden.

Wenn mein Partner längere Zeit nicht mit mir schläft, habe ich sofort den Gedanken: Bin ich nicht mehr attraktiv für ihn? Hat er vielleicht eine andere? Und wenn wir essen gehen, schaut er etwas zu sehr Frauen hinterher.

Meine Frau trifft sich einmal im Monat mit ihrem Exmann. Er ist der Vater der Kinder. Sie verstehen sich gut. Ich zucke immer zusammen, wenn sie gemeinsam lachen. Ich habe Angst, dass sie wieder etwas beginnen und mir dann sagen: Wegen der Kinder haben wir uns zusammengerauft. Ich mag es nicht, wenn sie häufig von ihm erzählt …

Dies sind drei Beispiele einer ganz normalen Eifersucht, wie sie die meisten Menschen kennen. Nach einer von mir durchgeführten Umfrage leiden 80 Prozent der Deutschen unter Eifersuchtsgefühlen:. 1

22 Prozent haben schon einmal im Handy des Partners/der Partnerin spioniert.

12 Prozent haben sogar die E-Mails des Partners kontrolliert.

11 Prozent der Deutschen sagen über sich selbst, dass sie massiv eifersüchtig sind. Wiederholt haben Sie dem Partner eine heftige Szene gemacht.

Nur 18 Prozent der Deutschen sind überzeugt, dass sie nie eifersüchtig sind.

Die Eifersucht ist also sehr weit verbreitet. Und sie gehört zu jenen Gefühlen, die unser Leben massiv beeinträchtigen können. Vielleicht kennen Sie auch diese Gefühle, die mir eine Patientin schilderte: »Manchmal denke ich, ich habe einen kleinen Teufel im Ohr. Er flüstert mir zu, dass ich meinem Mann nicht vertrauen darf. Er kommt später aus dem Büro und ich denke sofort: Er hat eine andere. Blödsinn – sage ich mir. Und dann schweigt dieser kleine Teufel eine Weile. Doch bald darauf fallen mir Situationen ein, in denen mein Mann wie abwesend war. Dann denke ich wieder: Ob er nicht doch in Wirklichkeit eine Geliebte hat?« Diese Gefühle beschäftigen die Patientin immer wieder, mal sind sie stärker, dann wieder schwächer. Doch sie verstummen nie ganz und rauben ihr die Lebensfreude.

So geht es auch einer sehr lebensklugen 45-jährigen Frau, die mich vor einigen Jahren fragte: »Wie kann ich meine Eifersucht überwinden? Ich mache mir das Leben unnötig schwer. Er ist schon ein flirtender Typ. Er ist sehr attraktiv und das merken sicher auch andere Frauen. Aber er ist treu – warum bin ich so eifersüchtig?« Um dies Problem zu lösen, stellte ich ihr zunächst viele Fragen. Denn jede Eifersucht ist etwas anders, »die« Eifersucht gibt es nicht. Aber es gibt sehr typische Formen der Eifersucht, und ich habe in den letzten dreißig Jahren eine Therapie der Eifersucht entwickelt, die ich Ihnen vermitteln möchte. Ich würde Sie daher gern auf eine Forschungsreise mitnehmen, damit Sie die eigene Eifersucht erkennen und überwinden können. Denn Sie haben als Leser / Leserin sicher drei Gründe, dieses Buch zu lesen: Entweder sind Sie selbst eifersüchtig oder Ihr Partner / Ihre Partnerin leidet unter Eifersuchtsgefühlen oder eine gute Freundin oder eines Ihrer Kinder ist eifersüchtig.

Auf jeden Fall sind Sie an einer Frage interessiert: Wie überwindet man Eifersucht? Und dabei will ich Ihnen helfen, denn Eifersucht ist eines der schrecklichsten Gefühle, die uns plagen können. Im Mittelalter sagte man, Eifersuchtsgefühle seien schlimmer als Zahnschmerzen und in einem irischen Sprichwort heißt es, die Eifersucht sei eine Nacht, in der keine Sterne leuchten. Die Eifersucht zerstört unsere innere Gelassenheit, oft stürzen wir in Gefühle der Verzweiflung, weil wir das infrage stellen, was uns wichtig ist: die Liebe unseres Partners.

Wie überwindet man die Eifersucht?

Wie also können wir diese Eifersucht überwinden, unsere Gelassenheit finden, selbstbewusster werden und den Partner lieben? Leicht ist es nicht, denn wir müssen uns zunächst eingestehen, dass wir eifersüchtig sind. Oft verdrängen wir jedoch die Eifersucht, da uns dieses Eingeständnis schwerfällt. Vor einigen Wochen erzählte mir eine junge Frau zögernd in einer Therapiestunde: »Ich habe eine furchtbare Eigenschaft: ich bin eifersüchtig. Kürzlich haben wir auf dem Markt die Ex-Freundin meines Partners getroffen und sie schickte ihm anschließend eine SMS. Das beschäftigte mich dann sehr. Früher habe ich auf so etwas mit Schweigen reagiert, ich zog mich zurück. Mein Partner sagte oft, ich sei bockig. Doch nun will ich das überwinden, ich will reden.« Ich begrüßte diesen Vorsatz sehr und war zugleich erstaunt. Die Patientin hatte mir bereits viel über Ängste, Partnerschaftsschwierigkeiten und über peinliche Situationen erzählt. Doch die Eifersuchtsgefühle hatte sie bisher verschwiegen. »Ich habe mich geschämt«, erklärte sie mir.

Die Eifersucht akzeptieren

Wir müssen also zunächst lernen, die Eifersucht zu akzeptieren. Dies ist der erste Schritt zur Heilung. Denn die starke Eifersucht ist tatsächlich eine Sucht, die wir nur dann überwinden können, wenn wir sie nicht verdrängen. Eine esoterisch orientierte Freundin sagte mir, man müsse die Eifersucht »liebevoll umarmen«. Das heißt nichts anderes, als dass wir lernen müssen, auch mit jenen Schwächen umzugehen, die wir selbst als problematisch empfinden. Und dazu müssen wir insbesondere die Scham durchdringen, die uns den unbeschwerten Zugang zur Eifersucht verstellt.

Scham ist das Gefühl, sich eine Blöße gegeben zu haben und der erste Impuls besteht darin, sich zu verstecken. Man möchte im Erdboden versinken. Doch bei den Eifersuchtsgefühlen ist man noch radikaler: Meist verdrängen wir diese Affekte, indem wir eine Situation so verarbeiten, als wäre unser Gefühl nur eine zwangsläufige Reaktion auf das Verhalten des Partners. So sagte mir eine Patientin:

»Ich bin immer ganz unruhig, wenn mein Mann spät aus dem Büro kommt. Ich habe Angst, dass ihm etwas passiert. Diese Angst ist besonders stark, wenn er sich auf einer Geschäftsreise befindet, dann bin ich erst ruhig, wenn er sich bei mir meldet.« Das sieht wie ein ganz vernünftiges Gefühl aus, hinter dem sich allerdings eine anhaltende Eifersuchtsproblematik verbirgt. Dies wurde mir deutlich, als mir der Ehemann schilderte, wie er sich kontrolliert fühlt und sich kaum noch traut, mit Freunden etwas zu unternehmen.

Die Überwindung der Scham

Es gehört viel Mut dazu, die eigenen Eifersuchtsgefühle zu erkennen. Ich möchte Sie daher bitten, folgende Fragen zu beantworten:

Können Sie die eigenen Eifersuchtsgefühle genauer beschreiben?

Wann haben diese begonnen und in welchen Situationen sind Sie eifersüchtig.

Weiß Ihr Partner, dass Sie eifersüchtig sind?

Haben Sie mit Ihrer besten Freundin einmal über diese Thematik gesprochen?

Wahrscheinlich sind Ihnen diese Eifersuchtsgefühle eher peinlich, und dafür habe ich großes Verständnis. Wer gelegentlich den Partner kontrolliert, immer wieder Zweifel hat und misstrauisch ist, fühlt sich nie wohl damit. Er empfindet sich irgendwie als kleinlich, als wäre er nicht großzügig genug, dem Partner ein wenig Liebe (außerhalb der eigenen Beziehung) zu gönnen. Und zumindest die massive Eifersucht ist doch wirklich ein schreckliches Gefühl, das an Krankheit grenzt.

Die quälende Eifersucht

Tatsächlich ist die Trauer ehrwürdiger, der Zorn anerkannter, die Wut großartiger. Aber die Eifersucht ist quälend, weil man so sehr von einem anderen Menschen abhängig ist. Kurzum: Eifersucht ist nie ein schönes Gefühl. Es ist ja die große Angst, dass uns ein anderer vorgezogen wird. Dahinter stecken in aller Regel Kleinheitsgefühle. Man hat Angst, austauschbar zu sein und fühlt sich wie ein kleines, unsicheres Kind. Erwachsen wirkt dies jedenfalls nicht.

»Ich bin unruhig, habe irgendwie immer ein angespanntes Gefühl in der Magengrube. Gleichzeitig fühle ich, dass ich ungerecht, kleinlich und zickig bin«, sagte mir eine Patientin. Ich konnte sie verstehen, denn mit der Eifersucht ist man weit entfernt von jenem charmanten, verführerischen Verhalten, das man sich wünscht. Und man fragt sich manchmal: Wie soll denn der Partner auf dieses »Häuflein Elend« eingehen, wie soll er uns lieben, wenn er vorher von uns massiv beschuldigt wurde? Oft verhalten wir uns doch wie die Kriminalpolizei. Wir sind nicht nur aufmerksam, sondern haben einen festen Verdacht und spionieren, spähen das Leben des Partners aus und verhalten uns misstrauisch gereizt.

Der Kurschatten

Und so leiden wir nicht nur selbst unter den Eifersuchtsgefühlen. Wir haben auch den Eindruck, dass wir dem Partner das Leben schwer machen. Und wir leiden darunter, dass lange Zeit die Eifersucht gesellschaftlich nur wenig akzeptiert war. In Büchern, Filmen und auf der Bühne wurde die Eifersucht lächerlich gemacht und während der 68-iger Studentenbewegung wollte man sie gleich ganz abschaffen. Das war eine radikale Antwort auf das Familienmodell der Nachkriegszeit, das vor allem die Funktion hatte, gemeinsam die Not zu bewältigen und einen Schutz gegenüber einer unsicheren Welt zu gewährleisten. Das Modell »Festung« war das typische Muster dieser Familien. Folgerichtig schottete man sich nach außen ab und blieb auch dann noch zusammen, wenn man sich überhaupt nicht mehr verstand. Man unternahm kaum etwas allein. Doch vor allem dann waren Versuchungssituationen gefährlich. Sprichwörtlich war und ist der Kurschatten, der einen der Ehepartner wieder aufblühen ließ.

Jede Ehe braucht Freiheit

Die Betrogenen waren natürlich extrem wütend, wenn eine solche Geschichte entdeckt wurde. Sie sahen das Kernproblem nicht in der unlebendigen Ehe, sondern im Seitensprung. Eines begriff man seinerzeit nicht: dass jede Ehe auch Freiheit braucht, auch Anregungen von außen. Dass Freundschaften eine Ehe beleben, dass die frische Luft solcher Bindungen wichtig ist für eine Ehe. Ende der sechziger Jahre passierte nun das gleiche wie in der Natur. Weil sich eine ganze Gesellschaft jahrzehntelang gegen notwendige Veränderungen gewehrt hatte, gab es ein Erdbeben. Die Spannungen entluden sich und fegten die alten Normen fort, die jetzt nicht mehr gelten sollten. Alle Bindungen wurden infrage gestellt, man suchte die totale Freiheit – auch in der Erotik.

Nichts sollte mehr einengen, nichts uns verpflichten. Man übertrieb maßlos und schüttete wieder einmal das Kind mit dem Bade aus. Plötzlich war Treue nicht mehr zeitgemäß, Eifersucht störte nur noch. Zwar gab es durchaus Vertreter der Studentenbewegung, die treu waren. Beispielsweise heiratete Rudi Dutschke heimlich. Aber Sartre und Beauvoir waren jenes Paar, das uns beispielhaft vorlebte, dass man auch in der Sexualität großzügig und freizügig sein konnte. Umso erschütterter waren wir, als wir von den Eifersuchtsdramen der Simone de Beauvoir lesen mussten. Sie hatte sich immer mit den Liebesaffären Sartres arrangiert. Doch schließlich erkrankte sie schwer und schrieb einer Freundin: »Wenn A mit B etwas erlebt, und B erlebt das gleiche mit Z, wird sich A verständlicherweise ausgeschlossen fühlen; etwas Gemeinsames zerbricht, etwas Unersetzliches, das er mit B erlebt hat, wird zerstört.« 2

Mordmotiv Eifersucht

Diese Einschätzung von Simone de Beauvoir war eine Sensation. Denn im Allgemeinen wurde Eifersucht in den letzten Jahrzehnten abgewertet. Der Eifersüchtige galt als liebesunfähig und man war überzeugt: Wer wirklich liebt ist nicht eifersüchtig. Man zweifelte also an der Liebesfähigkeit und zugleich hatte man Angst vor den Affekten des Eifersüchtigen. Schließlich schadet er oft dem Partner und bringt ihn manchmal sogar im Affekt um. Tatsächlich werden ein Viertel aller Morde aus Eifersucht verübt, wobei Männer bei 90 Prozent aller Partnertötungen die Täter sind. Und Männer bringen dann eher den Rivalen um, während Frauen ihren Mann töten. Die Eifersucht ist also manchmal so mörderisch, dass man überzeugt sein könnte, es würde sich hierbei mehr um eine Selbstliebe handeln. Der Menschenkenner La Rochefoucauld verurteilte daher die Eifersucht als die schlimmste aller Leidenschaften. Sie habe kein Erbarmen mit dem, den sie zu lieben vorgibt.

Oft ist Eifersucht destruktiv, sie ist die dunkle Seite der Liebe. Dies wird schon bei der Herkunft des Wortes Eifersucht deutlich. »Eiver« kommt aus dem althochdeutschen und bedeutet: das Herbe, das Bittere. Und »suht« bedeutet: Krankheit, Seuche. Eifersucht muss früher vor allem in kleinen Gemeinschaften als eine enorme Störung des sozialen Friedens angesehen worden sein. Doch heutzutage sollten wir souveräner mit der Eifersucht umgehen. Wir sollten stark genug sein, auch den Dämon Eifersucht zu bändigen.

Die kleine Schwester der Treue

Glücklicherweise können wir heute offener über die Eifersucht sprechen. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass Treue von vielen Menschen wieder als sehr wichtig angesehen wird. Wir leben in unsicheren Zeiten, in denen der Partner bedeutender wird und die Treue an Wert gewinnt. Die durchschnittliche Dauer der Partnerschaften hat sich in den letzten Jahren von 12 auf 14 Jahre erhöht und mein Eindruck ist, dass die Liebesbeziehungen besser geworden sind. Viele haben gelernt, geschickter mit dem Partner umzugehen und nun will man das Erreichte bewahren. Treue ist dann nicht das Resultat einer Hemmung. Vielmehr will man bewahren, was man sich in vielen Jahren erarbeitet hat. Deshalb ist man treu und bejaht auch die Eifersucht. Offenbar ist die Eifersucht die kleine Schwester der Treue.

Wie man zur Eifersucht steht, hängt immer auch davon ab, wie wir die Treue bewerten. Ich selbst bin überzeugt, dass die Treue wichtig ist. Wir müssen soziale Wurzeln haben, damit wir uns im Leben sicher und geborgen fühlen. Wir müssen insbesondere dem Partner vertrauen können und die Gewissheit haben: Er ist der Mittelpunkt meines Lebens. Vieles können wir nicht kontrollieren, oft ist das Leben tragisch: Wir werden von schweren Krankheiten heimgesucht, leiden oft unter großen Unsicherheitsgefühlen, der Arbeitsplatz ist bedroht. Deshalb sollte der Partner jener Mensch sein, auf den man sich verlassen kann. Natürlich gibt es auch in einer Liebesbeziehung Konflikte, Probleme, Streitigkeiten. Aber es gehört dennoch für mich zu einer Liebesbeziehung, dass wir spüren: Uns verbindet ein besonderes Band der Nähe. Und diese wertvolle Nähe sollten wir schützen.

Zur Liebe gehört Eifersucht

In unserer Zeit darf man wieder die Eifersucht ernst nehmen und über sie sprechen. Sie ist heute einigermaßen rehabilitiert. Das war noch vor 20 Jahren anders. Damals wurde die Eifersucht als Besitzstreben angesehen und geraten, den Partner freizugeben. Der Partner sei nicht der Besitz des Liebenden. Deshalb vermied man sogar, von ‚meinem Partner‘ zu reden. Häufig wurde die Eifersucht auch als Ergebnis kapitalistischer Verhältnisse gesehen, wo man alles besitzen müsse. Man war überzeugt, dass es im Sozialismus keine Eifersucht gäbe. Nun gibt es zwar solche Ideologien noch heute, aber meist respektiert man, dass man für die Liebe kämpft und eine dauerhafte Bindung anstrebt. Insofern gehören nach meiner Umfrage Liebe und Eifersucht heutzutage für 80 Prozent der Befragten untrennbar zusammen. In diesem Sinne ist die Eifersucht normal. Dies jedenfalls war die Überzeugung von Sigmund Freud, der die Eifersucht für einen ganz normalen Gefühlszustand hielt. Er betonte, man würde ein gewisses Maß an Eifersucht im Alltagsleben sogar als wünschenswert ansehen. Denn sie besteht vor allem in einer großen Empfindungsfähigkeit und man hört gleichsam das Gras wachsen. Sigmund Freud meinte sogar, der Eifersüchtige habe eine außerordentliche Sensibilität für das Unbewusste des Partners. Dies traf auch auf Freud selbst zu, er spürte sofort, wenn ihm seine Verlobte etwas verschwieg. Doch ihre Zurückhaltung stellte sich oft als normale Magenstörung heraus.

Eifersucht als Warnsignal

Aber auch wenn die Eifersucht oft übertrieben sein mag: Ich kann mir Liebe ohne Eifersucht nicht vorstellen. Deshalb stimme ich einer Aussage in dem Roman »Mitjas Liebe« von Bunin zu, wo es heißt: »Wer nicht eifersüchtig ist, der liebt meiner Meinung nach auch nicht.« Denn die Eifersucht ist ein Alarmsignal der Liebe. Deshalb meinte der französische Schriftsteller Balzac: »Nichts ist gesünder und geheiligter als Eifersucht.« Und er fährt fort, die Eifersucht sei eine Schildwache, die niemals schläft, sie sei eine wahrhaftige Warnung. Die Eifersucht soll uns also davor warnen, dass die Liebe bedroht sein könnte. Sie zeigt uns, dass eine Gefährdung der Beziehung vorliegt und dass wir uns in der Partnerschaft zu weit voneinander entfernt haben. Die normale Eifersucht sagt uns also: »Du bist so weit weg, hier stimmt etwas nicht, Du solltest das ändern, sonst reißt das Band der Nähe.« Insofern ist die Eifersucht eine positive Fähigkeit. Es weist oft auf ein Erkalten der Liebe hin, wenn man nicht eifersüchtig ist. Deshalb bin ich überzeugt: Wer den Partner liebt, verfügt über die Fähigkeit der Eifersucht.

Die Revierverteidigung

Die Eifersucht ist also ein Warnsignal. Hätten wir diese Möglichkeit nicht, würden wir ahnungslos leben, und die Liebe könnte verlorengehen. Denn es gibt immer wieder Versuchungssituationen, in denen der Partner von mir abrücken könnte. Immer kann es in einer Partnerschaft zu Situationen kommen, in denen das Band der Nähe etwas dünner wird. Das kann für die Beziehung gefährlich werden. Wir wissen, dass über 20 Prozent aller Beziehungen durch ein »Wildern« zustande kommen. Alleinstehende Personen jagen einem Ehemann die schöne Frau, einer Ehefrau den attraktiven Mann ab. Und das wissen wir alle instinktiv und reagieren empfindlich auf solche Wilderer. Dann setzen wir Stoppsignale: Wenn der eigene Mann zu sehr flirtet, kommt seine Frau fast zufällig vorbei, gibt ihm beherzt einen Kuss oder schnippt die Fussel von seinem Anzug und macht deutlich, dass sie mit ihm verheiratet ist. Und wenn dies nicht reicht, fragt sie nach: Wann gehen wir nach Hause? Wirkungsvoll ist auch die Frage, ob er seine Herztropfen schon genommen hat. So verteidigt man sein Revier, die »Eigentumsrechte« werden verdeutlicht. Solche Interventionen sind wichtig, weil sie am Beginn eines Flirts durchaus erfolgreich sein können. Reagiert die Frau auf das Flirtverhalten gar nicht, könnte dies ein Zeichen dafür sein, dass der innere Draht zum Partner verlorengegangen ist.

Eifersucht als Frühwarnsystem

Die Eifersucht ist also ein sinnvolles Alarmsystem. Und solche Alarmsysteme gibt es überall, wenn uns etwas wichtig ist. Alarmanlagen schützen unser Geld in der Bank, unser Internetzugang wird durch Antivirenprogramme kontrolliert, Rauchmelder sollen verhindern, dass wir nachts ersticken, wenn es brennt. Und auch die Eifersucht ist ein solches sinnvolles Alarmsystem. Denn wie würde es Ihnen gehen, wenn ihr Partner nie eifersüchtig wäre? Sie erzählen von anderen Männern und er reagiert völlig ungerührt. Dann wissen Sie, dass er das Interesse an Ihnen verloren hat.

Die Eifersucht ist ein Liebesbeweis und grundsätzlich wichtig, weil sie uns oft sehr frühzeitig auf Bedrohungen der Liebe hinweist. Gerade am Beginn einer Partnerschaft ist es oft ein Fehler, wenn wir zu kompromissfähig sind. Sonst geht es uns so wie der 60-jährigen Frau, die von ihrem Mann folgende Phantasie hörte: »Ich habe den Tagtraum, dass ich zusammen mit einer Frau Cello spiele, die nackt ist. Und nach dem Konzert gehen wir zusammen hinter die Bühne und vergnügen uns.« Nun ist diese Phantasie uralt, sie wurde in zahlreichen Filmen und Kunstwerken umgesetzt und man mag sich fragen: was ist dabei? Aber es war ein Testfall. Die Festigkeit des Nähe-Vertrags und die Wehrhaftigkeit der Partnerin wurden geprüft. Sie sagte nichts, er flirtete tatsächlich zunehmend mit Frauen, ging schließlich fremd. So entstanden »Gewohnheitsrechte« und er reagierte sehr verstimmt, als sie ihn nach vielen Jahren zur Treue verpflichten wollte.

Eifersucht als Stoppsignal

Die Eifersucht hat vor allem eine Bedeutung. Sie ist ein Stoppsignal, um die Liebe zu retten. Deshalb wird die Eifersucht auch als positiv angesehen. Allerdings dürfen solche Eifersuchtsregungen nicht zu destruktiv sein. Fast alle Menschen sind überzeugt, dass Eifersucht nerven kann. Doch wir akzeptieren die Eifersucht vor allem dann, wenn sie eine Warnung beinhaltet. Vorsicht, Du hast die Grenzen bereits überschritten – das ist die Botschaft dieser Mitteilung. So jedenfalls empfand eine 50-jährige Lehrerin ihre Affekte, als sie mit ihrem Partner auf einem Kongress war. »Eine seiner jüngeren Kolleginnen schwärmte ihn an. Sie flirtete unverhohlen mit ihm, obgleich ich neben ihm stand. Sie machte ihm schöne Augen, übersah mich geflissentlich. Ich habe dann meinen Partner von ihr weggezerrt und habe ihm deutlich gemacht, dass mir das nicht gefällt.« Diese Eifersucht ist notwendig und sinnvoll, denn eine Beziehung kann beschädigt werden, wenn der Partner ungehindert mit einer anderen Frau/einem Mann flirtet. Das muss nicht von ihm ausgehen, es reicht aus, wenn er dies zulässt, beziehungsweise wenn er mitmacht.

Sie rief auch am Wochenende an

Nun handelt es sich oftmals noch nicht einmal um einen erotischen Flirt, sondern um eine aktive Beziehungsaufnahme, die jedoch weit über die Grenzen einer Freundschaft hinausgeht. Das zeigt unser zweites Bespiel, das mir die Frau eines Unternehmers mitteilte: »Mein Mann hatte eine neue Sekretärin eingestellt, die sich sehr um ihn kümmerte. Man muss wissen, dass mein Mann immer bis spät in die Nacht hineinarbeitet. Also ging sie gelegentlich auch für ihn einkaufen. Aber als sie ihm Hemden kaufte, wurde ich unruhig. Doch die Alarmglocken läuteten, als sie dann auch am Wochenende bei uns anrief und sich erkundigte, wie es ihm ginge. Da bat ich sie um ein Gespräch und sagte ihr ganz klar, er sei mein Mann.«

Das Austesten der Grenzen

Solche Stoppsignale haben eine wichtige Funktion. Sie verhindern, dass eine möglicherweise verhängnisvolle Auflösung der Grenzen der Beziehung beginnt. Jede Partnerschaft ist ein inneres Abkommen, das auf der Grundlage einer tiefen Wertschätzung auch gewisse Regeln und Normen enthält. Wir sind uns meist darüber einig, dass man nicht übermäßig mit anderen flirtet, keine Seitensprünge begeht, nicht untreu ist. Die Erotik ist der Partnerschaft vorbehalten. Doch manchmal »juckt uns das Fell«. Dann testen wir Grenzen aus, sind übermütig und schauen gespannt, wie die Partnerin, der Partner darauf reagiert. Dies passiert nicht nur geltungssüchtigen Männern, obgleich diese besonders gern fremdflirten. Auch Frauen testen gelegentlich, ob ihr Partner Grenzen setzen kann und ein »richtiger Mann« ist.

Die Radarantenne

Wenn man hier kein Stoppsignal setzt, hat dies verhängnisvolle Auswirkungen. Das ist so, als würden Sie das Dach nicht reparieren lassen, es regnet durch, die Mauern werden feucht, schließlich ist das Haus ein Sanierungsfall. Mir fällt bei vielen sehr schwierigen Ehekrisen auf, dass es anfänglich solche Testsituationen gab, auf welche die Ehefrau nicht reagierte. So nahm eine sehr lebendige Beamtin das Fremdflirten ihres Mannes zunächst nicht so ernst, sie wollte ihn nicht einengen, weil es durchaus immer wieder zu Situationen verlässlicher Nähe kam. Doch so wie langsam eine durchfeuchtete Böschung abrutschen kann, nahm das Verhängnis seinen Lauf: »Erst merkte ich nur, dass er gern mit anderen Frauen flirtete. Saß ich mit ihm im Restaurant, schaute er sich immer um, als wäre er eine Radarantenne. Ich liebte ihn trotzdem, er war so ein jungenhafter Typ und wir begannen eine Partnerschaft. Das ging eine Weile gut, dann merkte ich, wie er aktiv mit Frauen flirtete, sie richtig anbaggerte. Schließlich sprach er sogar gelegentlich davon, dass er gern was mit anderen Frauen hätte, er würde gern mit ihnen schlafen. Heute frage ich mich, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn ich schneller reagiert hätte. Aber ich wollte ihm immer seine Freiheit lassen …« – so die 54-jährige Beamtin, die wegen ihrer Eifersuchtsgefühle kaum schlafen kann.

Die Beziehungskrise

Besonders häufig ist natürlich das Fremdflirten, wenn die eigene Beziehung in einer Krise steckt. Nach vielen Konflikten und seelischen Verletzungen haben sich beide zurückgezogen, Erotik findet kaum noch statt, und nun ist ein Partner innerlich auf der Suche. Das kann uns doch nicht gleichgültig lassen. Darauf müssen wir sowohl einfühlsam, aber auch entschlossen reagieren. Wir müssen dem Partner zeigen, dass wir weiter an der Beziehung interessiert sind, sein Fremdflirten aber nicht akzeptieren. Kurzum: Wir müssen geschickt handeln.

Die Empfindlichkeit der Warnmelder

Der erfolgreiche Umgang mit der Eifersucht setzt also voraus, dass wir angemessen reagieren können. Aber dazu müssen die Alarmmelder der Eifersucht nicht zu empfindlich eingestellt sein, weil sie sonst auch dann einen Alarm auslösen, wenn keine Gefahr droht. Sehr drastisch wurde mir dies vor Augen geführt, als ich Lehrling in einem großen Betrieb war, der Telefone herstellte. Man hatte dort in der Nachkriegszeit einen Erschütte