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"Mein Name ist Simon. Ich lebe ewig. Solange ich zurückdenken kann, bin ich auf der Erde. Ich habe außergewöhnliche Dinge gelernt, auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage: Wer bin ich? Ich kann nicht sterben. Ich darf nicht lieben. Ich bin Simon." 11 n. Chr.: Simon arbeitet im alten Rom als Gärtner und hofft, nun endlich einen Ort gefunden zu haben, an dem er glücklich sein kann. Bis der talentierte Gärtner Magnus in die Stadt kommt und einen Senator nach dem anderen durch seine schnelle und herausragende Arbeit verblüfft. Simon ist sich sicher, dass er den Eindringling und seine stinkende Hyäne schon einmal irgendwo gesehen hat, scheint jedoch der einzige zu sein, der ihm mit Misstrauen begegnet. Als Simons Brotgeberin nach und nach die Aufträge ausbleiben, entlässt sie schließlich ihn und seine schöne Kollegin Albina. Simon fasst einen Entschluss: Er wird Magnus das Handwerk legen und ihn als Schwindler enttarnen. Wird es Simon gelingen, seine geliebte Gärtnerei zu retten? Was haben die blauen Rosen mit Magnus' Erfolg zu tun und warum sind Kinder in den Parks nicht mehr erlaubt? DIE EWIGEN: eine Serie von Geschichten vor den Kulissen der Weltgeschichte. Zu allen Zeiten finden sich Mystery, Horror und ein Hauch Liebe.
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Seitenzahl: 83
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Chriz Wagner
DIE EWIGEN
Die Gärten von Rom
Folge 1
Wagner, Chriz: DIE EWIGEN. Die Gärten von Rom. Folge 1, Hamburg, acabus Verlag 2017
Originalausgabe
ISBN: 978-3-86282-492-2
Lektorat: Carolin Wagner und Anna Coordes, acabus Verlag
Cover: © Annelie Lamers, acabus Verlag
Covermotiv: #126739448, a magic crystal ball on blue astrology background © starblue, fotolia.com; pixabay.com
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Der acabus Verlag ist ein Imprint der Diplomica Verlag GmbH, Hermannstal 119k, 22119 Hamburg.
© acabus Verlag, Hamburg 2017
Alle Rechte vorbehalten.
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eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net
Für meine drei Mädels, Manu, Denise und Celine, weil ihr immer bei mir seid, egal wo ich bin …
Thyri und Simon sind unsterblich.Auf ihrer Reise durch die Jahrtausende verloren sie sich aus den Augen. Ihre Geschichten führen uns vorbei an mystischen Orten und magischen Begebenheiten auf der Suche nach dem Grund für ihr ewiges Leben.
Mein Name ist Simon.Ich lebe ewig.Solange ich zurückdenken kann, bin ich auf der Erde.Ich habe außergewöhnliche Dinge gelernt auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage:Wer bin ich?Ich kann nicht sterben. Ich darf nicht lieben.Ich bin Simon.
Die Gärten von Rom
I
Anzino, Rom im Jahr 11 nach Christus
Es war etliche Jahrzehnte vor dem Jahre Null in christlicher Zeitrechnung. Nach dem Kalender der Bürger Roms muss es ungefähr 728 ab urbe condita – seit der Stadtgründung – gewesen sein. Aber das war den Menschen in dieser Gegend gleichgültig.
Dieses Mal führte mich meine Suche in ein Landgebiet, mehrere Tagesreisen von Rom entfernt, einer Metropole, die man schon bald als Die Mitte der Welt bezeichnen sollte. Aber davon bemerkte man hier nichts. Die unbefestigte Straße führte über Felder, die fast unablässig vom Wind heimgesucht wurden, sodass man den Weg oft nicht vom Acker unterscheiden konnte.
Alle Wege führen nach Rom, so sagt man heute. Doch dieser eine endete in Anzino, einer Hundert-Seelen-Gemeinde am Tiber, wie ich heute weiß. In sämtlichen Ecken stank es nach Fisch. Trotzdem war ich froh, in dem kleinen Dorf angelangt zu sein. Mein Hals kratzte vom Staub. Meine Lippen waren aufgeplatzt. Und der Wasservorrat, den ich in einem Lederbeutel auf dem Rücken trug, fühlte sich verdächtig leicht an. Die Häuser wirkten fehl am Platz, wie auf das Ödland aufgesetzt und vom Schutt begraben. Es gab kein Grün in Anzino. Nur Braun, Gelb und Grau. Der Weg führte zwischen zwei Holzhütten hindurch. Überall hingen schmutzige Gesichter an den Fenstern. Hinter den dunklen Gucklöchern leuchteten die Augäpfel weiß, die Pupillen sprangen hin und her. Ich vermutete Kinder, mindestens ein Dutzend, wunderte mich aber, dass sie nicht ausgelassen durch die Straßen tollten, wie andernorts auch.
Es wehte noch immer dieser unbarmherzige Wind, trotz der Bruchbuden, die rechts und links die Straße abschirmten. Ein ausgezehrter Mann mit fransigem Bart und Gehstock humpelte hinter mir hinter einer Baracke hervor.
Tok-tum. Tok-tum.
Er wirkte uralt, die Haut runzlig und wettergegerbt, die Beine krumm und dürr. Aber ich erinnere mich, dass er trotzdem recht flott mit dem Stock über den Schutt wackelte. Das einzige Geräusch weit und breit war das Aufsetzen seines Holzstabs im Dreck.
Tok-tum. Tok-tum.
Er lief in meine Richtung und überholte mich. Ich sah, wie er seine Knochen vorantrieb, sich quälte. Er hätte eigentlich auf einen Stuhl in der Ecke einer Stube gehört, zu seinen Enkeln und Urenkeln. Jetzt erst entdeckte ich eine kurze Schnur, die an den Gehstock gebunden war. Am anderen Ende baumelte ein knallrotes Fähnchen, in der Art, wie man es heute von den Gebrauchtwagenmärkten kennt.
Ich wollte von ihm wissen, ob es in Anzino eine Schlafmöglichkeit für mich gab. Daraufhin sah er mich an, als wäre ich eine einzelne Mohnblüte auf einem Kornfeld. Ohne stehenzubleiben, sagte er drei Worte, voller Hoffnung und Lebensenergie: „Er ist da.“
Und gleich tauchten noch mehr Kinderaugen und winzige Finger, die unruhig in unsere Richtung zeigten, an den Fenstern auf.
Tok-tum. Tok-tum.
Ich betrachtete den Alten skeptisch und mit einem Hauch Sorge. Ich hatte nicht den Eindruck, dass er die Strecke würde zurücklaufen können. Und so wie er schnaufte, würde es schon bald nötig sein. Aber er hatte mich neugierig gemacht. Und ich dachte als Allererstes, dass er wohl zu einem Heiler wollte.
„ Wer ist da?“
Das hätte ich nicht fragen dürfen. Sofort verschwanden die Augen an den Fenstern in der Dunkelheit der Häuser. Der Alte blieb stehen und sah mich fassungslos an. Dann hob er den Stock in die Luft. Seine Beine zitterten. Sie würden die Last des Körpers nicht lange tragen können. Und wieder kam der Wind auf. Das Fähnchen am Gehstock flatterte.
„Er“, sagte er, als würde dies alle Fragen beantworten.
Und winzige Gesichter wagten sich so nah an die Fenster heran, dass man sie erkennen konnte: Jungen und Mädchen, ungewaschene Wangen, verfilzte, strähnige Haare. Mit offenen Mündern und großen Augen sahen sie zu dem einzigen Farbklecks hin, der in diesem Ort zu sehen war – dem roten Gebrauchtwagenfähnchen.
*
Ich entdeckte die Erwachsenen auf dem Dorfplatz am Fluss. Wenigstens dreißig Menschen, Frauen wie Männer. Und noch mehr farbige Wimpel, auch in saftigem Grün, strahlendem Gelb und in kräftigem Blau. Ein junger Mann mit lockigem Haar trug seines sogar um den Kopf gebunden, eine Frau an der befleckten Schürze. Die meisten hielten ihre Fahne an einer Schnur in der Hand.
„Was ist hier los?“, fragte ich in die Runde. Die Frau mit dem Fähnchen an der Kochschürze fühlte sich angesprochen. Sie sah so aus, wie ich mir eine Haushälterin vorstellte: ein farbloses Kleid um den wulstigen Körper gewickelt, ein übereifriger Ausschnitt und ein verwaschenes Häubchen, um das Resultat ihrer Kochkünste vor Läusen zu schützen.
„Magnus ist zurück!“, rief sie begeistert. Sofort dachte ich an einen römischen Gesandten, der Brot und Wein verteilte und von der Güte des Kaisers Augustus berichtete. Ein Grund, sich zu freuen. Ich stellte mir einen krossen Brotlaib vor. Das Wasser lief mir im Mund zusammen. Sie deutete zum Fluss.
Ein Mann machte seinen Kahn an einem Pfahl fest und streckte mir dabei sein Hinterteil entgegen. Hätte ich damals gewusst, was noch kommen sollte, hätte ich ihm an Ort und Stelle einen Tritt in seinen Hintern verpasst, sodass er vornüber in den Tiber geplumpst und hoffentlich ersoffen wäre.
Magnus entpuppte sich als kräftiger, stämmiger Kerl, mit kurzem, naturgelocktem dunkelbraunem Haar und buschigen Augenbrauen. Wie Baumstämme ragten die behaarten Beine aus den abgenutzten Sandalen und verschwanden in der hochgezogenen Tunika. Durch den Vollbart wirkte sein Schädel kugelrund. Was mich damals am meisten überraschte, war seine Kopfbedeckung. Heute würde man sie wohl als Mütze eines Hofnarren bezeichnen. Doch diesen Begriff gab es damals noch nicht. Vier Zipfel hingen herab, jeder in einer anderen Farbe: blau, rot, gelb und grün. Dieselben Farbtöne wie die der Dreieckstücher.
„Liebe Leute sehet an …“, rief Magnus mit kräftiger Stimme und schon nach den ersten beiden Worten stimmten alle mit ein: „… was ich alles zeigen kann!“ Und wie von Geisterhand flogen vier apfelgroße Kugeln in die Luft, die eine rot, die anderen gelb, blau und grün. Die Leute klatschten in die Hände, die Gesichter strahlten. Und Magnus jonglierte die Bälle vor seinem Körper – hip, hip, hip – schneller, als meine Augen folgen konnten.
„Bildet einen Kreis“, rief ein Mann, der die Haare als Einziger ordentlich frisiert trug. Durch das Pallium über seiner Toga wirkte er seriöser, als die restlichen Menschen auf dem Dorfplatz. Ihm war die Begeisterung für die bunten Bälle ins Gesicht geschrieben. Und ich muss zugeben: Das Gefühl war ansteckend. Obwohl der Jongleur bisher keine besondere Leistung vollbracht hatte, spürte ich ein Hochgefühl in mir aufsteigen, für das, was noch kommen würde. Ich klatschte in die Hände und feuerte ihn mit an.
„Hip. Hip. Hip.“
Da schallte zum zweiten Mal Magnus‘ Stimme über den Platz: „Liebe Leute sehet her …“
Die Menschen kannten ihren Text. Und sie freuten sich, ihn zum Besten geben zu können. Im Chor forderte die Menge: „… Jongleur Magnus kann noch mehr!“
Und dann schwangen sie jubelnd ihre Wimpel.
Plötzlich wurden aus den Holzbällen acht kleinere Kugeln, zwei von jeder Farbe. Es sah aus, als teilten sie sich in der Luft und fielen abwechselnd in die rechte oder die linke Hand. Und Magnus jonglierte mit allen acht Farbkreisen. Es war wundervoll.
„Hip. Hip. Hip“, riefen die Menschen im Takt. Ein paar Hände klatschten. Und ich ertappte mich dabei, wie auch ich applaudierte.
Mit seinen bunten Bällen und der Zipfelmütze inmitten von zerlumpten Arbeitergewändern war dieser Mann ein besonderer Anblick. Das Kunststück wirkte kinderleicht. Trotzdem konnte ich meine Augen nicht mehr von ihm lassen. Vermutlich ging es den anderen auch so. Und deshalb entging ihnen das Tier, das gebückt über den Platz schnüffelte, als suchte es nach etwas Essbarem – einem Stückchen Dörrfleisch vielleicht? Als es an mir vorbeihuschte, stieg ein furchtbarer Geruch in meine Nase, der Geruch von Verwesung. Ich sah hinterher: eine Hyäne, gigantisch und kräftig wie ein kleines Pferd, das graue Fell zerrupft, als hätte es unzählige Kämpfe überstanden. Niemanden sonst schien das Wesen zu beunruhigen. Vermutlich bemerkten sie es gar nicht. Alle Augen folgten den bunten Bällen – hip, hip, hip.
„Liebe Leute sehet her …“, rief Magnus, so laut, dass seine Stimme zwischen den Hütten echote. Sofort hielt er die Hände still, mit dem Handrücken nach unten. Die Kugeln fielen eine nach der anderen auf die Handflächen. Und das Wunderliche war, sie prallten nicht daran ab, wie man es beim Zusehen erwartet hätte. Es sah aus, als würden sie in den Händen verschwinden; vier in der rechten und vier in der linken. Dann stand er da, lächelte, und die Bälle waren weg.
Und die Menge rief: „… Jongleur Magnus kann noch mehr!“