Die Externsteine - Árpád Baron von Nahodyl Neményi - E-Book

Die Externsteine E-Book

Árpád Baron von Nahodyl Neményi

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Beschreibung

Viel wird über die berühmten Felsen der Externsteine im Teutoburger Wald spekuliert: Waren sie ein sächsisches Heiligtum, welches Kaiser Karl zerstören ließ? Waren sie eine christliche Wallfahrtsstätte? Stand hier die berühmte "Irminsul", das Abbild der den Himmel stützenden Weltsäule, und wo befindet sich diese Säule heute? Wohnte hier einst die berühmte Seherin Veleda? In diesem Buch werden nun erstmals alle bekannten Sagen über die Externsteine vollständig angeführt und gedeutet, dazu zahlreiche weitere historische Überlieferungen im Wortlaut zitiert und mit wissenschaftlichen Erkenntnissen der Archäologie und Archäo-Astronomie verbunden. Auf diese Weise wird Licht in das Dunkel der Vermutungen gebracht, und viele Fragen zu diesem Ort werden endlich überzeugend beantwortet. 70 meist farbige Abbildungen machen die behandelten Aussagen verständlich und nachvollziehbar.

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Meiner lieben Großtante Irmgard Born-Borowski (24.9.1900-23.10.1983) die die Externsteine so gerne besuchen wollte.

Inhalt

Vorwort

Name und Lage

Zwei Externstein-Sagen

Der Grottenfelsen

Die Grotte

Das Kreuzabnahmerelief

Die Irminsul

Der Steintisch

Turmfelsen, Treppenfelsen und Höhenkammer

Die Priesterin Veleda

Wackelsteinfelsen und Ruferfelsen

Der Sargstein

Vor den Steinen

Christliche Kultstätte

Nachwort

Abbildungsverzeichnis, Literatur, Anmerkungen

Vorwort

Die Externsteine im Teutoburger Wald sind eine bedeutende Natur- und Kulturstätte und ein beliebtes Ziel für Touristen aus aller Welt. Sie liegen 1 km westlich der Kleinstadt Horn (heute: Horn-Bad Meinberg); in Bad Meinberg gibt es einen Bahnhof, von dem Busse nach Horn und nahe an die Externsteine fahren.

Schon Johann Wolfgang v. Goethe hatte eingeräumt, daß diese Felsen, deren ausgezeichnete Merkwürdigkeit schon von den frühesten Zeiten an Aufmerksamkeit erregten, dem heidnischen Gottesdienst gewidmet sein mochten.

Trotz ihrer Berühmtheit sind die Externsteine bis heute umstritten; Forscher, Esoteriker, Geomanten, Heiden und Christen streiten darüber, ob es sich bei dieser Stätte auch um ein Heiligtum der Germanen gehandelt hatte oder nicht.

Unbestritten waren die Externsteine seit der Missionierung auch eine bedeutende christliche Kultstätte. Aber schon zuvor waren sie eine heidnische Kultstätte, was die Ausgrabungen erwiesen haben sowie die erhaltenen Sagen erzählen. Die christliche Nutzung führte also eine alte Tradition fort, die aus heidnischer Zeit stammte, gab ihr neue, ähnliche Inhalte und trug selbst mit dazu bei, daß wir uns noch heute mit den rätselhaften Felsen befassen. Die heidnische Funktion anzuerkennen beraubt die Steine nicht ihres christlichen Wertes; im Gegenteil steigert diese lange Zeit der religiösen Nutzung die Bedeutung der Externsteine. Der Tourist interessiert sich zwar für das Kreuzabnahmerelief, doch gibt es tausende von christlichen Bildwerken in den mittelalterlichen Kirchen, die nicht auf so großes Interesse stoßen; offenbar ist das Bewußtsein, hier zugleich an einer geheimnisvollen, heidnischen Kultstätte zu stehen, mit ein wichtiger Faktor, der die Menschen hierher lockt. Immer schon übten geheimnisvolle Orte die größte Anziehungskraft auf die Menschen aus. Daneben lockt natürlich auch die Schönheit und Einzigartigkeit der Natur dieses Ortes viele Besucher an.

In Stonehenge gibt es dagegen keine christliche Nutzung, dennoch ist dieses Heiligtum weltberühmt und die ganze Region in Südengland lebt direkt oder indirekt vom Tourismus, den sie dem Steinkreis von Stonehenge verdankt.

Ich bin fest davon überzeugt, daß es bei den Externsteinen viel weniger Touristen gäbe, wenn nicht das Bewußtsein, daß es auch in heidnischer Zeit ein bedeutender Kultort war, vorhanden wäre.

Ich möchte mich in diesem Buch nicht auf den Streit der verschiedenen Richtungen und Deutungen einlassen, sondern will beiden Seiten gerecht werden. Warum sollte man nicht emotionslos anerkennen können, daß ein und dieselbe Stätte in verschiedenen Religionen Bedeutung hatte? Ja, warum sollte es nicht sogar möglich sein, daß heutzutage christliche Priester zu den christlichen Feiertagen an den Steinen ihre Messen lesen und heidnische Goden (Priester) an den heidnischen Festen auch heidnische Kulte zelebrieren? Es wäre doch ein Modell der religiösen Toleranz zweier einstiger Gegner, welches durchaus Vorbildfunktion haben könnte.

Was nun die wissenschaftlichen Fakten betrifft, so sind wir in diesem Bereich leider auch auf unsern Glauben angewiesen: Funde, die Prof. Andree machte, sind verloren; nach Mitteilung des ehemaligen Direktors des Staatsarchivs in Detmold, Dr. Erich Kittel, lagert das Fundmaterial (darunter auch ca.100 prähistorische Scherben, die 1934/35 bei den Ausgrabungen gefunden wurden) in etwa 60 Kisten verpackt im Keller des Lippischen Landesmuseums. Es müßte gesichtet, sortiert und bearbeitet werden, bevor man es für genauere Deutungen heranzieht. Rekonstruktionen wie der „Steintisch“ oder die Trockenmauern wurden 1948 abgebaut. Es ist also nun die Frage, ob man Andrees Ausgrabungen traut, oder ob man davon ausgeht, daß er unwissenschaftlich gearbeitet hat und einer damaligen NS-Wunschvorstellung folgte. Es gibt auch ältere Angaben zu gemachten Funden. Auf einem Stich von Frisch von 1750 sind „gefundene Urnen und Waffen“ dargestellt (siehe Bild 49 Seite →). Diese Funde stammen allerdings nicht von den Externsteinen, sondern aus der Gegend von Hanau.

Daneben aber gibt es einige Sagen, die ab dem 19. Jh. aufgeschrieben wurden. Ich bringe hier sämtliche mir bekanntgewordene Sagen der Externsteine (zur einfachen Kennzeichnung in deutscher Schrift) und deute diese. Diesen Weg ist bisher niemand gegangen, da man Sagen nicht allzuviel Beweiskraft zubilligt. Aber Sagen sind mündliche Überlieferungen, oft in ihren Kernen uralt und durch langjährige mündliche Weitergabe zuweilen ein wenig verfälscht. Ich verändere die Texte der Sagen in keiner Weise, da ich ihnen einen hohen Quellenwert zubillige. Es gilt also den wahren Kern der jeweiligen Sage herauszufinden und dadurch etwas über die Externsteine zu erfahren, was durch die Archäologie nicht herausgefunden werden kann. Auch dieser Weg ist nicht einfach und kann Fehler beinhalten. Deswegen bleiben meine von den Sagen abgeleiteten Schlußfolgerungen immer auch nur Deutungen, wobei mir meine über 35jährige Beschäftigung mit dem Thema hilfreich ist, denn ich habe umfangreiche Kenntnisse über den Ablauf heidnischer Feste, kenne die heidnischen Glaubens- und Wertvorstellungen und kann daher einige Rätsel der Externsteine entschlüsseln. Durch meine Zeit als Mitglied der Katholischen Kirche kenne ich auch den christlichen Glauben gut, zumal mein Vater Theologe war.

Natürlich kann niemand die publizierten Ausgrabungsergebnisse von Prof. Andree von 1934/35 ernsthaft in Frage stellen. Es ist zutreffend, die Externsteine sollten zu Beginn der NS-Diktatur entsprechend vereinnahmt werden; die SS-Stiftung Ahnenerbe wollte hier ein „germanisches Heiligtum“ ausgraben und die Anlage entsprechend umgestalten. Das NS-Regime traute aber dem Wissenschaftler Andree nicht und sorgte dafür, daß ein SS-Mann als ständiger Aufpasser bei den Grabungen zugegen war1. Aber das blieb ein kurzes Zwischenspiel, der Wind hatte sich etwa ab 1934 gedreht, das NS-Regime setzte auf die kirchliche Unterstützung für seine Kriegspläne, schloß mit dem Vatikan ein Reichskonkordat ab und wollte nun die christliche Bevölkerung nicht mit Germanentümelei verärgern. Nationalsozialisten, die vor 1933 begeistert aus ihren Kirchen ausgetreten waren, traten nun plötzlich wieder ein, wie mir der verstorbene Mitarbeiter der Dortmunder Stadtverwaltung, Ludwig Dessel, mitgeteilt hatte, der als Beamter die Aus- und Eintritte seinerzeit beurkunden mußte. Die Ausrichtung des Regimes hatte sich gewendet, und nun war das Auffinden eines germanischen Heiligtums nicht mehr erwünscht – schließlich sollten die Kirchen nicht verärgert werden, deren Unterstützung der Nationalsozialismus für seine Kriegspläne benötigte.

Es durfte daher kein offizieller Ausgrabungsbericht des Ausgräbers Prof. Dr. Julius Andree erscheinen. Stattdessen gab es lediglich eine populärwissenschaftliche Kurzdarstellung („Die Externsteine – eine germanische Kultstätte“); die Ergebnisse der Fundauswertung wurden ansonsten verheimlicht. Dies geschah nicht, weil sie keine Beweiskraft besaßen, sondern weil das NS-Regime nun keine beweiskräftigen Fundstücke mehr wünschte. Der Bericht von Prof. Andree wurde zensiert, wie man an kleinen Einzelheiten sehen kann. So heißt es auf dem Titel der 2. Auflage „mit 48 Abbildungen“, es finden sich aber nur 46 Abbildungen, zwei wurden offenbar entfernt. In der 3. Auflage auf Seite 43 weist Andree in Zeile 27 auf die Seite 180 hin, auf S. 45 derselben Auflage weist Andree in Zeile 21 von unten auf Seite 178 hin, in Zeile 17 von unten auf Seite 107, der ganze Bericht hat aber nur 72 Seiten. Der ursprüngliche Bericht muß also mindestens 180 Seiten umfaßt haben, statt der 72 in der vorliegenden Form. Das ist eine Kürzung um mehr als die Hälfte.

In der Vergangenheit wurden die merkwürdigsten Theorien oder besser: Spekulationen aufgestellt, was an den Steinen einst angeblich geschah. Die Vertiefung in der unteren Grotte sollte nach einer Behauptung dazu dienen, daß Frauen in der mit Wasser gefüllten Mulde ihre Kinder zur Welt bringen konnten. Daß dies völliger Unsinn ist, kann man leicht erkennen, wenn man sich vor Augen führt, daß früher die Geburt etwas so alltägliches war, daß Frauen deswegen nicht extra mühevoll zu den Externsteinen reisen mußten, um im kalten Wasser der Grotte zu gebären; man hatte damals in den Familien viele Kinder, anders als heute, wo die Geburt tatsächlich seltener ist und deswegen als etwas Besonderes angesehen wird. Auch hätte man schwerlich das Wasser in der Mulde immer wieder ausschöpfen und erneuern können.

Vom UFO-Landeplatz bis zum vorzeitlichen Atomkraftwerk reichen die wildesten Spekulationen, die über die Externsteine aufgestellt wurden. Schnurgerade Peillinien („Ley-Linien“) werden von den Externsteinen zum englischen Stonehenge oder dem französischen Carnac auf Landkarten gezogen, wobei vergessen wird, daß die Erde eine Kugel ist: Gerade Linien auf der Erdoberfläche müßten auf flachen Landkarten gebogen erscheinen.

Umgekehrt wurden die Externsteine als mittelalterliche Passions- und Kalvarienberganlage gedeutet, um den Gläubigen die immer schwieriger werdenden Pilgerfahrten ins heilige Land zu ersparen. Dazu werden insbesondere die Treppenreste als Reste eines Prozessionsweges an den Steinen, der in der Passionszeit begangen worden sein soll, angeführt. Aber auch diese Deutung erscheint bei genauer Betrachtung unglaubwürdig.

Auf die wilden Spekulationen will ich nicht weiter eingehen. Wer mich kennt, weiß, daß mich vor allem Fakten interessieren, die ich hier in diesem Buch sachlich auflisten will. Fakten, die zwar bekannt sind, aber eben nicht immer in dem Sinne gewürdigt werden, wie sie es verdienen. Ich bin fest davon überzeugt, daß dieser Ort als bedeutsame Kultstätte in heidnischer Zeit diente, und nach der Missionierung weiterhin – nun im christ ­lichen Sinne – genutzt wurde, bis genügend Kirchen zur Verfügung standen und die Bedeutung der Externsteine nach der Reformation langsam zurückging.

1. Name und Lage

Bei den Externsteinen am Nordostabhang des Teutoburger Waldes beim Städtchen Horn handelt es sich um 13 voneinander abgrenzbare Felsen, die von nordwest nach südost verlaufen und von nordwest beginnend auch durchnumeriert werden. Sie bilden ein einzigartiges Kulturdenkmal und liegen im ältesten Naturschutzgebiet Lippes. Die Sandsteinfelsen entstanden in der Unterkreidezeit vor etwa 70 Millionen Jahren, als der ursprünglich flach liegende Sandstein im Zuge der Gebirgsbildung bei Bewegungen der Erdkruste senkrecht aufgepreßt wurde. Dies geht auf Sedimentablagerungen des ehemaligen nordwesteuropäischen Flachmeeres vor rund 100 Millionen Jahren und deren nacheinander erfolgende Verdichtung zurück.

Durch die Auffaltung wurde das Gestein gebrochen und zerklüftet, die Erosion durch Wind und Wasser spülte die Felsen frei und formte die Oberfläche der Steine. Auch die Eiszeit vor 150.000 Jahren brachte einen Gletschervorstoß von Skandinavien bis zum südlichen Teutoburger Wald und führte durch Frost und Wassereinwirkungen zu weiteren Zerstörungen. Noch heute gut sichtbar sind blasenförmige Auswitterungen in den Felsen, wo tonige Bindemittel der Erosion einen geringeren Widerstand leisteten.

Die Felsen, die früher meist als „Steine“ bezeichnet wurden, ragen bis zu 40 Mtr. in die Höhe. Die Steine bilden eine Reihe, die aus der steinfreien Umgebung deutlich hervorragt.

Felsen I liegt am weitesten westlich und wird in I, Ia und Ib unterteilt. In diesem Felsen befindet sich unten die von Menschenhand eingeschlagene „untere Kapelle“ oder „Grotte“, daher nennt man ihn auch den „Grottenfelsen“. Außen an diesem Felsen auf der Nordostseite des Felsens befindet sich zwischen den Eingängen zur Grotte das in den Stein geschlagene Kreuzabnahmerelief. Vor dem Felsen befindet sich der sog. „Sargstein“, zum Teich hin das „Teufelsloch“, und auch die „Reclusenzelle“ ist in den Stein eingehauen. Felsen I ist der größte der Felsen; er ragt heute in den künstlichen Teich hinein, der durch Aufstauen des kleinen Baches, der Wiembeke, entstanden ist. Dieser Bach floß einst neben dem Felsen I vorbei.

Der Felsen II ist der höchste der Felsen, er wird als „Turmfelsen“ bezeichnet. Oben befindet sich die „obere Kapelle“ oder „Sonnenwarte“, neutral „Höhenkammer“ genannt, unten vor dem Felsen die „Kanzel“.

Felsen III ist der Felsen, der die Treppe zum Felsen III enthält und der daher „Treppenfelsen“ genannt wird.

Abb. 1: Die Externsteine heute.

Es folgt der recht große Felsen IV, der oben den „Wackelstein“ trägt, der „Wackelsteinfelsen“. Zwischen Felsen III und IV verlief die alte Reichsstraße 1, auf der sogar einst eine Straßenbahnlinie verkehrte; vor Felsen IV stand früher ein recht großes Wirtshaus.

Der nächste Felsen V wird wegen eines großen Gesichtes an seiner Spitze, dem „Rufer“, auch der „Ruferfelsen“ genannt.

Es schließen sich die weiteren Felsen an, an denen weniger Bearbeitungsspuren zu finden sind; die Abstände zwischen diesen Felsen werden dabei größer, und durch den Wald sind sie vom Wege aus nicht oder schlecht zu sehen.

Menschliche Bearbeitungsspuren finden sich in erster Linie auf der nordöstlichen Seite der Steine. Diese Seite ist gemeint, wenn es heißt „vor den Steinen“ oder „vor den Felsen“, die Südwestseite ist entsprechend „hinter den Steinen“.

Das Gebiet, in dem die Externsteine liegen, wird seit alters her der „Osning“ oder „Osnegg “ genannt; dieser Name bedeutet „Asen-Egge“. „Asen“ ist der Name der germanischen Götterfamilie, und „Egge“ bedeutet „Spitze“, althochdeutsch ecka, niederländisch eg[ge] geht mit zahllosen verwandten Wörtern auf indogermanisch *ak-, *ok-(„scharf, spitz, kantig“) zurück. Sowohl unser heutiges Wort „Ecke“, als auch das Gerät zum Ackern, „Egge“ (wegen der daran befindlichen Spitzen), aber auch der Name der „Eiche“ (wegen der knorrigen Rinde) entstammen dieser Wortwurzel. Weiters der Name „Ahorn“ (wegen seiner spitz zulaufenden Blätter), die „Ähre“ (wegen der spitzen Grannen) und auch der Name des Vogels „Elster“ (wegen des spitzen Schwanzes). Im „Osning“ gibt es tatsächlich zwei Berge, die diesen Namen tragen, die Große- oder Asen-Egge und die Kleine Egge. Ob nun das Gebirge wegen der spitzen und kantigen Felsen so benannt wurde oder wegen der dort stehenden Eichen oder Ahörner, vielleicht sogar wegen der Elstern, ist unklar und bleibt Interpretation. Jedenfalls beweist der Name „Osning“, daß diese ganze Gegend als den Göttern geweihtes Land galt. Die Gegend der Steine hieß Wedmeri oder Wethigau („Gau des glänzenden Heiligtums“).

Der Name des Gebirges findet sich bereits in Einhards „Vita Karoli Magni“. Einhard lebte von 770 bis 840, seine Biographie über Karl den Großen endete mit dem Jahr 836; der Sachsenkrieg dauerte von 772 bis 804. Im Kapitel 8 schreibt Einhard von Karls Feldzug gegen die Sachsen2:

Wenn wir also Zerstörungsspuren an den Externsteinen finden, dann werden sie mit großer Wahrscheinlichkeit aus der Zeit der Sachsenkriege, der Missionierungskriege der Franken unter Karl dem Großen gegen die Sachsen stammen.

Auch in der Thidreks Saga (Mitte des 13. Jh. verfaßt) kommt der Osning vor. Da heißt es über Thidrek, den König Dietrich von Bern3:

Dietrich von Bern trifft hier auf Ecke und es kommt zum Kampfe der beiden; Ecke wird erschlagen. Eckes Burg „Drachenfels“ lag an der Ostseite des Osning, dort, wo auch G. A. B. Schierenberg vor über einem Jahrhundert die aus der Nibelungensage bekannte „Gnitaheide“ wiedergefunden haben wollte.

Wenden wir uns nun dem Namen „Externsteine“ zu. Diese Steinformation wurde in Urkunden folgendermaßen genannt:

Abb. 2: Die Externsteine im 19. Jh., Kupferstich.

13. Jh. Eggesterenstein, Agistersteyn, Agistersten („Schreckenstein“),

1360 Egesterensteyn, Egesterenstein, Eghesterenstene,

1369 Eghesterensteyne,

1560 zum Egesterensteine,

1564 Rupis picarum („Fels der Elstern“)

1584 Egesterenstein,

1592 in lapideo monte vulgo Eggestrensteyn, thon Eggesterensteyn, Eggesternstein,

1627 und 1655 Eggesterstein,

1672 picarum rubes, vulgo Exterenstein („Elsterfels, volkstümlich Exterenstein“)

1693 Egisterstein seu Exterstein.

1750 Eostrae Rupes („Eostras Fels“)

Weitere Namensformen: Exterenstein, Exterstein, Externstein(e), Exsterstein, Egersterstein.

Der wohl älteste Name lautet „Agistersten“. Wie schon ausgeführt, bedeutet der erste Namensbestandteil „Egge“ (Spitze). Nun ist allerdings unmstritten, ob es sich bei dem mittleren Bestandtei des Wortes um eine bloße grammatikalische -str- Ableitung handelt, die es besonders bei i und j-Stämmen gibt, oder ob eine eigene Bedeutung zugrunde liegt. Die germanischen Begriffe „*blostra“, althochdeutsch „bluostar“ („Verehrung“) oder „*gelstra“, althochdeutsch „gelstar“ („Tribut, Zoll, Opfer“) haben diese Endung. Allerdings haben die meisten überlieferten Namensformen einen längeren

Abb. 3: Karte von Asgard und der Gnitaheide nach Schierenberg.

Mittelteil, welcher nicht nur aus der Silbe -str- besteht, sondern diese noch mit „e“ auffüllt und mit „-en“ erweitert: „-steren“. Dadurch ist eine andere Deutung wahrscheinlich, nämlich das Wort „Stern“, mhd. „stern[e], sterre“, althochdeutsch „sterno, sterro“, niederl. „ster“, was auf die indogermanische Wurzel „*ster-“ („Stern“) zurückgeht.

Denkbar ist, daß der ältere „Stern-Begriff“ mit der „-str-“-Endung zusammenfiel. Das führt zu der Übersetzung „Egge-Sternen-Steine“ („die Sternen-Steine des Egge-Gebirges“), statt der Kurzdeutung „Egges-Steine“ („die Steine des Egge-Gebirges“ oder „spitze Steine“, „eichenbestandene Steine“). Wir haben hier bereits einen Hinweis darauf, daß diese Felsen mit den Sternen bzw. Sternbeobachtungen in Verbindung stehen.

Im 17. Jh. leitete der Gelehrte Johann Piderit den Namen der Steine von der mittelniederdeutschen Bezeichnung „Egester“ für „Elster“ ab, die denselben Wortstamm hat wie „Egge“, und deutete sie als „Elsterfelsen“4:

Da die Elster ein bekanntes Hexentier ist, Elstern aber an den Felsen gar nicht nisten, kann „Elsterfelsen“ auch „Hexenfelsen“ bedeuten. Da im Schwedischen die Elster „Skata“ heißt, hat Schierenberg die Externsteine mit der Göttin Skadi und ihrer Burg Thrymheim zusammengebracht.

Schon 1564 hatte Hermann Hamelmann in seinem Werk „Delineatio Oppidorum Westfaliae“ geschrieben5:

»Horne oppidum campos et agros iucundos habet, et ex vicina rupe picarum, antiquo monumento, cuius veteres scriptores mentionem fecerunt, claret; legi aliquando, quod ex rupe illa picarum, idolo gentilitio, fecerit Carolus magnus altare Deo sacratum et ornatum effigiebus apostolorum.«

Er hatte die Steine also lateinisch „Rupis picarum“ („Fels der Elstern“) genannt. Nach seiner Darstellung muß das Kreuzabnahmerelief aus der Zeit von Karl, also nach 772 stammen. Die alten Schriftsteller, auf die er sich beruft, sind unbekannt und nicht mehr erhalten. Deswegen muß diese Behauptung Hamelmanns nicht falsch sein, wir können sie heute nur nicht weiter nachprüfen.

Tatsächlich sind die Wörter „Egge“ und „Elster“ verwandte Begriffe, wie ich oben darlegte; und damit ist es eine Interpretation, wie man den Namen deutet. Man kann also nicht von „richtig“ oder „falsch“ sprechen.

1750 ist der Name „Eostrae Rupes“ überliefert, der sich auf die Göttin Eostre oder Ostara (mutmaßlich ein Name der Göttin Frova/Freyja), bezieht. Tatsächlich finden wir Hinweise, daß Eostar an den Felsen einst verehrt wurde, was bekannt war und zu dieser Namensdeutung geführt hatte. Denn schon in der Chronik des Meinberger Pastors Friedrich Christoph Pustkuchen (gest. 1775) von 1762 heißt es6:

Zuweilen wird behauptet, die Göttin Ostara / Eostre sei eine von Jacob Grimm (17851863) vermutete und erfundene Frühlingsgöttin, doch diese Erwähnung entstand bereits 23 Jahre vor der Geburt von Jacob Grimm.

Die Chronik beweist, daß noch 1762 hier heidnischer Kult geübt wurde, denn ein weltliches oder kirchliches Osterfeuer kann hier nicht gemeint gewesen sein, darüber hätte sich der Pastor kaum erregt. Dazu paßt auch, daß im Kloster Corvey ein uralter Eostar-Segen erhalten ist, dessen erste Zeile schon bei Nikolaus Hocker7 zitiert wurde, und im Dom zu Paderborn das bekannte Drei-Hasen-Fenster prangt (Abb. 4, rechts); diese drei Hasen hat man in den Mondflecken gesehen und sie beziehen sich auf die Göttin Eostar (Ostara).

Noch heute kann man einen großen, nach links gekehrten Hasen im Nest, der ein Ei trägt, zu Ostern in den Flecken des Vollmondes erkennen, siehe Abb. 4, links. In anderen Jahreszeiten ist die Mondscheibe etwas gedreht und daher deutet man die Flecken dann anders. So ist der Osterhase keine menschliche Erfindung, sondern zu Ostern tatsächlich in den Mondflecken zu sehen.

Wenn man sich den Hasen im Monde genauer ansieht, kann man drei Hasen erkennen: Das obere Ohr ist ein kleiner, nach rechts blickender Hase, das Nest unter dem Großen Hasen ist auch ein kleiner, kauernder Hase, Abb. 4, Mitte. So sind es drei zusammenhängende Hasen, die dann in der Symbolik der Kunst zum Drei-Hasen-Symbol wurden, ein Zeichen des Mondes und der Göttin Eostar, an die das Paderborner Drei-Hasen-Fenster erinnert, weil der Eostar-Kult einst an den nahen Externsteinen zelebriert wurde.

Abb. 4 links: Die Mondflecken als Osterhase mit Ei im Nest, Mitte: Die Mondflecken als drei verbundene Hasen, rechts: Drei-Hasen-Fenster im Dom zu Paderborn.

Schon einige Jahre vor Pustkuchen, nämlich 1654, bezeichnete auch der Landdrost von Donop den Externstein als eine Stätte der Abgötterei. Damit kann nur weiterhin im Verborgenen geübtes Heidentum gemeint sein, unter anderem die Verehrung der Göttin Eostar (Ostara) zu Ostern.

Die Externsteine stehen nicht allein im weiten Lande. In der Gegend lassen sich weitere Heiligtümer finden. So liegt in Richtung des Sonnenaufgangs zur Sommersonnenwende, von den Externsteinen aus betrachtet, der „Leistruper Wald“, ein heiliger Wald mit einem gut erhaltenen Opferstein und einem großen Peilstein auf einem Hügel, der – so man sich die Bäume wegdenkt – von den Externsteinen aus angepeilt werden konnte. Auch gibt es eine Steinreihe im Leistruper Wald, die den Steinreihen von Carnac (Bretagne) ähnelt, wobei es aber kleinere Steine sind. Mittlerweile hat man die Ausrichtung der Externsteine genauer vermessen und gelangt zum Beckerberg bei Blomberg als genauen Zielpunkt einer Peilung.

Vor über einem Jahrhundert hat der Altertumsforscher G. A. B. Schierenberg in dem ganzen Gebiet südlich der Externsteine einen Bezug zur Götterwelt Asgard gesehen und dort an verschiedenen Orten die einzelnen Himmelsburgen der Götter lokalisiert. So etwa die Himmelsburg Thrudheim mit dem Palast Bilskirnir des Gottes Thor (Donar) in der Bilsteinschlucht mit der Bilsteinhöhle. Das Gebiet hieß in alten Karten „Truhem“. In der Nähe gibt es eine Höhle Lukeloch, die Schierenberg auf Loki deutete. An den Externsteinen liegt nach Schierenberg die Burg der Göttin Skadi, Thrymheim. Die Karte zeigt Abb. 3, Seite →.

Sicher ist er damit in vielen Punkten über das Ziel hinausgeschossen, denn z. B. das Lukeloch kann auch einfach eine Luke bezeichnen, da die Höhle nur senkrecht von oben zugänglich ist, sozusagen durch ein Loch in der Höhlendecke. Dennoch ist der Gedanke, daß es sich beim Osning-Gebirge um ein deutsches Kultzentrum handelte, in dem man Heiligtümer für alle Gottheiten hatte und das einen vergleichbaren Stellenwert hatte, wie etwa der Berg Olymp für die Griechen, nicht abwegig. Der Name Osning (Osnegg) spricht für diese Theorie. Wenn der schwedische Vorzeitkönig Gylfi eigens nach „Asgard“ reiste, um dort mit den Göttern in Verbindung treten zu können, wie das die Jüngere Edda erzählt8, dann kann auch so ein Kultzentrum gemeint gewesen sein.

Für unsere Deutung der Externsteine ist auch die Lage innerhalb der Stammesgebiete bedeutsam. Die Externsteine liegen zwischen den Quellen der Richtung Westen abfließenden Flüsse Ems und Lippe (die Lippequelle ist wenige Kilometer von den Externsteinen entfernt). Dieses schmale Gebiet gehörte zum Stamm der Bructerer, nordwestlich schlossen sich die Usipeter an. Im Gebiet südlich der Lippe bis zur Ruhr lebte der Stamm der Marser (Marsakier) und östlich davon die Sugamber und Campsianer, südlich der Ruhr lag südöstlich das Stammesgebiet der Chatten, nordwestlich bis zum Rhein das der Sugamber und Tencterer. Nördlich der Externsteine und östlich der Ems lebte der Stamm der Chaimer und Landudier, östlich der Externsteine finden wir hauptsächlich die Cherusker. Die Bructerer scheinen jedenfalls bei den Externsteinen tonangebend gewesen zu ein. Ab dem 4. Jh. gehörten die Bructerer zu den Franken, 451 nahmen Teile der Bructerer am Gallienfeldzug des Hunnenkönigs Attila teil, danach schweigen die Quellen von ihnen, doch wahrscheinlich sind die bei Beda erwähnten Boructuari unsere Bructerer, die Ende des 6. Jh. von den Sachsen unterworfen wurden. Die Sachsen waren dann in der Missionierungszeit die Herren der Externsteine. „Sachsen“ („Schwertgenossen“) war aber wohl nur ein Sammelname, die Bezeichnung eines Bundes, der sich aus den Nachkommen der vielen kleinen Stämme zwischen Ems, Weser und Elbe gebildet hatte oder zumindest ein Volksstamm, der die anderen Stämme überschichtet und aufgesogen hat.

Die Externsteine lagen also vor zwei Jahrtausenden am äußersten östlichen Rande im Stammesgebiet der Bructerer, direkt begrenzt nordöstlich von den Cheruskern und südlich den Sugambrern, Chatten und Marsern. Die genauen Stammesgrenzen sind nicht bekannt, zumal sie in den verschiedenen Zeitabschnitten auch wechselten.

Wenn es sich also bei den Externsteinen nicht nur um ein gewöhnliches Heiligtum gehandelt hatte, sondern um ein Hauptheiligtum, dann waren sie sicher kein Hauptheilig