Die Gesammelten Werke - Ramana Maharshi - E-Book

Die Gesammelten Werke E-Book

Ramana Maharshi

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Beschreibung

Ramana Maharshi (1879-1950) war einer der bedeutendsten Weisen Indiens. Er führte am Berg Arunachala in Südindien ein zurückgezogenes Leben. Menschen aus allen Ländern, Bildungsschichten und Religionen kamen zu ihm. Er lehrte vorwiegend Selbstergründung (atma vichara) und kam mit vielen Standardwerken des Advaita Vedanta und des hinduistischen Schrifttums in Berührung, weil Devotees sie ihm brachten, damit er sie ihnen erklären möge. Im Laufe seines Lebens schrieb er Gedichte und Prosa, meist aber nicht aus eigenem Antrieb, sondern weil seine Anhänger ihn darum baten oder als Antwort auf ihre Fragen. Zudem übersetzte er einige wichtige Advaita-Werke.

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Sri Ramana Maharshi

Inhaltsverzeichnis

Vorwort der Übersetzerin

Vorwort von Arthur Osborne

Teil 1: Originalwerke

Prosa

1. Selbstergründung

2. Wer bin ich?

3. Spirituelle Unterweisung

Gedichte

4. Die Fünf Hymnen für Arunachala

5. Die Quintessenz der spirituellen Unterweisung (Upadesa Saram)

6. Die Wirklichkeit in Vierzig Versen (Ulladu Narpadu)

7. Fünf Verse über das Selbst (Ekatma Panchakam)

8. Verschiedene Verse

9. Gelegentliche Verse

Teil 2: Übersetzungen

10. Das göttliche Lied (Die Essenz der Bhagavad Gita)

11. Übersetzungen aus den Agamas

12. Übersetzungen von Shankara

13. Andere Übersetzungen

Anhang

Glossar

Literaturverzeichnis

Vorwort der Übersetzerin

Die Gesammelten Werke von Sri Ramana Maharshi, in Tamil ‚Sri Ramana Nool Thirattu‘ enthalten alle Prosatexte, Gedichte und Übersetzungen, die er jemals geschrieben hat. Meist schrieb Ramana seine Verse und Werke, weil ihn Devotees darum baten und nicht aus eigenem Antrieb. Die Entstehungsgeschichte ist ihnen jeweils vorangestellt.

Die erste Übersetzung der ‚Collected Works‘ in Englisch stammt von Arthur Osborne. Sie wurde 1959 veröffentlicht. In den späteren Ausgaben wurden einige weitere Werke Ramanas aufgenommen und einige Übersetzungen von Arthur Osborne gegen die anderer Übersetzer wie etwa Prof. K. Swaminathan und T.M.P. Mahadevan ausgetauscht. Die Texte in [eckigen Klammern] sind meine erklärenden Hinzufügungen.

Ich danke dem Ramanashram für die Genehmigung für diese Übersetzung und Miles Wright, der mir mit seinen Erläuterungen zum besseren Verständnis so mancher Textstelle verholfen hat.

Gabriele Ebert

Vorwort von Arthur Osborne

Als der Maharshi, Bhagavan Sri Ramana, das Selbst verwirklichte, war er ein Junge von siebzehn. Er gehörte einer südindischen Brahmanenfamilie der Mittelschicht an. Er ging noch in die High School, besaß keine spirituelle Ausbildung und wusste nichts über Philosophie. Normalerweise ist etwas Studium nötig, auf das ein langes, mühsames Training folgt, das meist ein Leben lang dauert und am Lebensende oft immer noch unvollständig ist. Wie die Weisen sagen, hängt das von der spirituellen Reife eines Menschen ab. Es kann mit einer Pilgerreise verglichen werden, wobei eine Tagesreise einem Leben entspricht. Wann der Mensch das Ziel erreichen wird oder wie nahe er ihm kommt, hängt teilweise von der Energie ab, mit der er nach vorne drängt, und teilweise von der Entfernung, die er noch vor sich hat, wenn er zu seiner Tagesetappe aufbricht. Nur sehr selten ist es wie beim Maharshi möglich, nach einem einzigen Schritt das Ziel zu erreichen.

Wenn man sagt, dass der Maharshi das Selbst verwirklicht hat, ist damit nicht gemeint, dass er eine neue Lehre oder Theorie aufgestellt oder durch eine wundersame Kraft einen höheren Zustand erreicht hat, sondern dass das „Ich“, das die Lehre versteht oder auch nicht versteht und Kräfte besitzt oder auch nicht besitzt, bewusst mit dem Atman, dem universalen Selbst oder Geist (spirit) identisch wird. Der Maharshi selbst hat in einfacher, bildhafter Sprache beschrieben, wie das geschehen ist.

„Es war etwa sechs Wochen bevor ich Madurai für immer verließ, als sich die große Wandlung in meinem Leben ereignete. Das geschah ganz plötzlich. Eines Tages saß ich allein im ersten Stock des Hauses meines Onkels. Ich war wie immer gesund. Ich war selten krank. Ich schlief aber ungewöhnlich tief. ... So war also an diesem Tag, als ich alleine im Zimmer war, mit meiner Gesundheit alles in Ordnung. Dennoch überkam mich eine plötzliche und unmissverständliche Todesfurcht. Ich spürte, dass ich sterben musste. Kein körperliches Empfinden war dafür die Ursache. Ich konnte es mir damals selbst nicht erklären, warum ich so fühlte. Ich bemühte mich jedoch erst gar nicht herauszufinden, ob die Angst überhaupt begründet war. Ich spürte einfach: ‚Ich sterbe jetzt‘. Sofort fing ich an, darüber nachzudenken, was ich nun tun sollte. Weder Ärzte noch Erwachsene, ja nicht einmal Freunde wollte ich um Rat fragen. Ich spürte, dass ich das Problem selbst lösen musste, hier und jetzt.

Der Schock der Todesangst bewirkte, dass sich meine Aufmerksamkeit sofort nach innen wandte. Ich sagte zu mir im Geist: ‚Jetzt ist der Tod gekommen. Was bedeutet das? Was ist es, das stirbt? Dieser Körper stirbt.‘ Sofort spielte ich die Todesszene. Ich streckte meine Glieder aus und hielt sie steif, als hätte die Totenstarre eingesetzt. Um meine weitere Untersuchung möglichst realistisch zu machen, spielte ich eine Leiche. Ich hielt den Atem an und presste die Lippen fest zusammen, sodass ihnen kein Laut entweichen konnte. Weder das Wort ‚ich‘ noch irgendein anderes Wort sollte gesagt werden! ‚Nun gut‘, sagte ich zu mir, ‚dieser Körper ist tot. Er wird steif zum Verbrennungsplatz getragen. Dort wird er verbrannt, und von ihm bleibt nur Asche übrig. Aber bin auch „ich“ mit dem Tod des Körpers gestorben? Ist dieser Körper „ich“? Dieser Körper ist still und unbeweglich, aber unabhängig von ihm spüre ich die ganze Kraft meiner Person und sogar den Klang „ich“ in mir. Also bin „ich“ Geist, etwas, das den Körper transzendiert. Der materielle Körper stirbt, aber der ihn transzendierende Geist kann vom Tod nicht berührt werden. Deshalb bin ich unsterblicher Geist.‘

All dies war kein rein intellektueller Prozess, sondern traf mich wie ein Blitz als lebendige Wahrheit und war etwas, das ich sofort und fast ohne eine Begründung erkannte. ‚Ich‘ war etwas Wirkliches, in dem Zustand das einzig Wirkliche überhaupt, und die gesamte bewusste Aktivität, die mit meinem Körper verbunden war, war jetzt daraufhin konzentriert. Von diesem Zeitpunkt an hielt eine machtvolle Faszination meine gesammelte Aufmerksamkeit am ‚Ich‘ oder meinem ‚Selbst‘ fest. Die Todesangst war ein für alle Mal verschwunden. Das Verschmolzen-sein im Selbst hat von diesem Moment an bis heute fortbestanden. Andere Gedanken mögen kommen und gehen wie die verschiedenen Noten bei einem Musiker, aber das ‚Ich‘ besteht fort wie die Grundnote, die alle anderen Noten begleitet und sich mit ihnen vermischt.1 Mochte der Körper mit Sprechen, Lesen oder etwas anderem beschäftigt sein, ich war immer auf das ‚Ich‘ konzentriert.

Vor dieser Krise hatte ich keine klare Wahrnehmung von meinem wahren Selbst und wurde nicht bewusst zu ihm hingezogen. Ich hatte auch kein spürbares Interesse daran, noch weniger irgendeine dauerhafte Neigung, in ihm zu verweilen.“2

Eine solche Erfahrung der Einheit führt nicht immer und üblicherweise zur Befreiung. Die inneren Neigungen des Egos verhüllen es erneut. Fortan hat der Sucher die Erinnerung, die unzweifelhafte Gewissheit des wahren Zustands, aber er lebt nicht beständig in ihm. Er muss sich bemühen, um den Geist zu reinigen und die völlige Unterwerfung zu erlangen, sodass es keine Neigungen mehr gibt, die ihn zur Illusion des begrenzten, getrennten Seins zurückziehen. Trotzdem wird das Selbst-vergessene Ego, auch wenn es sich einmal des Selbst bewusst geworden ist, nicht befreit, d.h. es erlangt keine Selbstverwirklichung wegen der Behinderung durch die angehäuften mentalen Neigungen. Es verwechselt häufig den Körper mit dem Selbst und vergisst, dass es in Wahrheit das Selbst ist. Das Wunder im Fall des Maharshi bestand darin, dass es keine Verhüllung, kein Zurückfallen in die Unwissenheit mehr gab. Er blieb von diesem Zeitpunkt an in beständigem Gewahrsein der Identität mit dem einen Selbst.

Er blieb noch einige Wochen nach seiner Erweckung bei seiner Familie und führte äußerlich das Leben eines Schuljungen, obwohl alle äußeren Werte für ihn an Bedeutung verloren hatten. Er achtete nicht länger darauf, was er aß, und nahm alles gleichmütig an, was ihm hingestellt wurde. Er verteidigte sich nicht länger und interessierte sich nicht mehr für seine jungenhaften Tätigkeiten. Soweit es ihm möglich war, passte er sich an die Lebensumstände an und verheimlichte seinen neuen Bewusstseinszustand, aber die Älteren bemerkten sein fehlendes Interesse am Lernen und an weltlichen Aktivitäten und nahmen es ihm übel.

In Indien gibt es viele heilige Orte, die verschiedene Arten von Spiritualität und verschiedene Wege repräsentieren. Der heilige Berg Arunachala mit der Stadt Tiruvannamalai zu seinen Füßen ist der höchste von allen, da er das Zentrum des direkten Wegs der Selbstergründung ist, der vom stillen Einfluss des Gurus auf das Herz des Devotees geleitet wird. Arunachala ist das geheime und heilige Herzzentrum Shivas, in dem Er immer als ein siddha (ein Großer) wohnt. Er ist die Wohnstatt Shivas, der als Dakshinamurti im Schweigen lehrt, wie das Leben Bhagavans es veranschaulicht. Er ist das Zentrum und der Weg, bei dem kein physischer Kontakt mit dem Guru nötig ist, denn die schweigende Lehre spricht direkt zum Herzen. Selbst bevor der Maharshi verwirklicht war, hat dieser Berg ihn begeistert und ihn wie ein Magnet angezogen.

„Sieh, hier steht er [Arunachala] als sei er empfindungslos3. Geheimnisvoll ist sein Wirken, jenseits des menschlichen Verstehens. Bereits in Kindertagen ist die Unermesslichkeit des Arunachala in meinem Bewusstsein erstrahlt.4 Aber selbst als ich von jemandem erfuhr, er sei dasselbe wie Tiruvannamalai, habe ich seine Bedeutung noch nicht verstanden. Als er meinen Geist still machte, mich an sich zog und ich ihm nahe kam, sah ich, das er völlig unbewegt dastand.“5

Ramana bemerkte, dass die Älteren es ihm übel nahmen, dass er wie ein sadhu lebte, aber die Vorteile eines häuslichen Lebens genoss. Heimlich verließ er sein Zuhause und ging als sadhu nach Tiruvannamalai. Er ging nie wieder von dort fort. Über fünfzig Jahre lang blieb er als Dakshinamurti dort und lehrte allen, die zu ihm kamen, aus Indien und aus dem Ausland, aus Ost und West, den Weg der Selbstergründung. Um ihn herum entstand ein Ashram. Sein Name Venkataraman wurde zu Ramana verkürzt, und man nannte ihn auch „den Maharshi“, das bedeutet „großer Weiser“ (Maha rishi), ein Titel, den man traditionellerweise jemandem gibt, der einen neuen spirituellen Weg eröffnet hat. Doch seine Devotees nannten ihn meist „Bhagavan“. Sie sprachen ihn auch in der dritten Person als „Bhagavan“ an. Selbstverwirklichung bedeutet ein beständiges, bewusstes Gewahrsein der Identität mit dem Atman, dem Absoluten, dem Geist (spirit), dem Selbst von allem. Es ist derselbe Zustand, den Christus ausdrückte, als er sagte: „Ich und mein Vater sind eins.“ Das ist etwas sehr Seltenes. Solch einer wird gewöhnlich als „Bhagavan“ angesprochen, was „Gott“ bedeutet.

Als Bhagavan in Tiruvannamalai ankam, stellte sich ihm noch nicht die Frage nach Schülern oder nach dem Lehren. Er verwarf selbst ein scheinbares Interesse an der manifesten Welt und saß in dieser Erfahrung des Seins versunken da, die wesentliche Erkenntnis und unaussprechliche Seligkeit ist, jenseits von Leben und Tod. Es war ihm völlig gleichgültig, ob sein Körper weiterleben würde, und er tat nichts dafür, ihn zu erhalten. Andere erhielten ihn, indem sie ihm täglich die Tasse Essen brachten, die für seine Ernährung nötig war. Als er allmählich begann, wieder am tätigen Leben teilzunehmen, geschah es für das spirituelle Wohl jener, die sich um ihn versammelt hatten.

Dasselbe trifft auch auf seine philosophischen Studien zu. Er brauchte nicht die Bestätigung des Geistes für die strahlende Wirklichkeit, in der er gegründet war. Nur seine Jünger brauchten sie. Es begann mit Palaniswami, seinem malayalischen Helfer, der Zugang zu tamilischen Büchern über Philosophie hatte. Er hatte Schwierigkeiten mit dem Tamil. Also las der Maharshi die Bücher für ihn und erklärte ihm ihren wesentlichen Inhalt. So las er auch für andere Devotees Bücher und wurde belesen, ohne dass er danach gestrebt und es geschätzt hätte.

Seine Philosophie veränderte oder entwickelte sich während eines halben Jahrhunderts nicht. Es konnte keine Veränderung geben, da er keine andere Philosophie studiert hatte, sondern sich nur an die Ausführungen über die transzendente Wahrheit in Theorie, Mythos und Symbolik erinnerte, die er gelesen hatte. Er lehrte die endgültige Lehre der Nicht-Zweiheit oder Advaita, in die alle anderen Lehren letztlich münden: Dieses Sein ist eines und manifestiert sich im Weltall und in allen Geschöpfen, ohne dass es sich jemals vom ewigen, unmanifesten Selbst wegbewegen würde. Es ist wie im Traum. Der Geist erschafft alle Menschen und Ereignisse, die der Träumer sieht, ohne dass er durch diese Schöpfung etwas verlieren oder durch ihre Resorption etwas gewinnen würde. Er hört nicht auf, er selbst zu sein.

Für einige war das schwer verständlich. Sie glaubten, damit sei gemeint, dass die Welt unwirklich ist, aber der Maharshi erklärte ihnen, dass die Welt nur als Welt unwirklich ist, d.h. als getrenntes, auf sich selbst beruhendes Ding, aber dass sie als Manifestation des Selbst wirklich ist. Es ist wie im Kino. Die Ereignisse, die man auf der Leinwand sieht, sind nicht als das tatsächliche Leben wirklich, aber als eine Schatten-Show. Einige fürchteten, dass damit die Existenz eines persönlichen Gottes, zu dem sie beten konnten, bestritten wurde, aber diese Lehre wird überschritten, ohne sie zu bestreiten, denn letztendlich wird der Verehrende in die Einheit mit dem Verehrten wieder aufgenommen. Der Betende, das Gebet und Gott, zu dem man betet, sind nur als Manifestationen des Selbst wirklich.

Wie der Maharshi das Selbst ohne vorausgegangene theoretische Unterweisung verwirklicht hat, so hielt er auch das theoretische Training seiner Schüler für weniger wichtig. Die Theorie, die in folgenden Werken dargelegt wird, hat den praktischen Zweck, dem Leser zur Selbsterkenntnis zu verhelfen, womit kein psychologisches Studium gemeint ist, sondern das Selbst, das hinter dem Ego oder Geist existiert, zu erkennen und zu sein. Fragen, die nur zur Befriedigung der Neugier gestellt wurden, fegte er beiseite. Wenn er über den Zustand nach dem Tod gefragt wurde, antwortete er: „Warum willst du wissen, was du sein wirst, wenn du gestorben bist, bevor du weißt, was du jetzt bist? Finde zuerst heraus, was du jetzt bist.“ Damit führte er den Frager von der Neugier zur spirituellen Frage. Ebenso wehrte er Fragen über samadhi oder über den Zustand des jnani (des Selbstverwirklichten) ab. „Warum willst du über den jnani Bescheid wissen, bevor du über dich selbst Bescheid weißt? Finde zuerst heraus, wer du bist.“ Aber wenn es um Fragen über die Aufgabe der Selbst-Entdeckung ging, erklärte er sie mit unendlicher Geduld.

Die Methode der Ergründung, die er lehrte, überschreitet die Philosophie und die Psychologie, denn es werden dabei nicht die Eigenschaften des Egos gesucht, sondern das Selbst, das ohne Eigenschaften erstrahlt, wenn das Ego zu wirken aufhört. Was der Geist zu tun hat, ist nicht, eine Antwort vorzuschlagen, sondern still zu sein, damit die wahre Antwort auftauchen kann. „Man soll aus der Frage ‚Wer bin ich?‘ keine beständige Anrufung machen. Stell dir die Frage nur einmal, und konzentriere dich dann darauf, die Quelle des Egos zu finden und zu verhindern, dass Gedanken kommen.“ Die Quelle des Egos zu finden beinhaltet die Konzentration auf das spirituelle Zentrum im Körper, das Herz auf der rechten Seite, wie der Maharshi es erklärt hat. Deshalb bedeutet Konzentration, das Entstehen von Gedanken zu verhindern. „Suggestive Antworten auf diese Frage wie etwa ‚Ich bin Shiva‘ sollte der Geist während der Meditation nicht hegen. Die wahre Antwort kommt von selbst. Keine Antwort, die der Geist geben kann, kann richtig sein. Diese Affirmationen oder Autosuggestionen können zwar denen helfen, die anderen Methoden folgen, sind aber bei der Methode der Selbstergründung nicht hilfreich. Wenn du weiter fragst, wird sich die Antwort einstellen.“ Die Antwort kommt als ein Strom des Gewahrseins im Herzen, zunächst unbeständig und nur durch intensive Anstrengung, aber allmählich machtvoller und beständiger. Sie wird immer spontaner und wirkt als Kontrolle der Gedanken und Handlungen, indem sie das Ego untergräbt, bis es schließlich verschwindet und die Gewissheit des reinen Bewusstseins übrig bleibt.

Wie der Maharshi gelehrt hat, umfasst Selbstergründung sowohl den Karma- als auch den jnana-Weg, sowohl den Weg des Handelns als auch den der Erkenntnis, denn sie wird nicht nur als Meditation gebraucht, sondern in den Ereignissen des Lebens, indem sie gegen die Erscheinungsformen des Egoismus anstürmt, indem man fragt, wer dieses Glück oder Unglück erfährt, diesen Erfolg oder dieses Desaster. Auf diese Weise werden die Lebensumstände, die überhaupt kein Hindernis fürs sadhana sind, ein Werkzeug fürs sadhana. Deshalb wurde allen, die fragten, ob sie dem weltlichen Leben entsagen sollten, immer davon abgeraten. Vielmehr wurden sie ermahnt, ihre Pflichten im Leben ohne Selbstinteresse zu erfüllen.

Die Selbstergründung umfasst auch den Weg der Liebe und Hingabe. Der Maharshi sagte: „Es gibt zwei Wege. Entweder du fragst dich ‚Wer bin ich?‘ oder du unterwirfst dich.“ Bei einer anderen Gelegenheit sagte er: „Unterwirf dich mir, und ich schlage den Geist nieder.“ Es gab viele, die dem Weg der Liebe durch Hingabe an ihn folgten. Er führt zum selben Ziel. Er sagte: „Gott, Guru und das Selbst sind nicht wirklich voneinander verschieden, sondern sind dasselbe.“ Jene, die dem Weg der Selbstergründung folgen, suchen das Selbst innen, während jene, die sich auf dem Weg der Liebe mühen, sich dem Guru unterwerfen, der sich außen manifestiert. Aber beides ist dasselbe. Das ist seinen Devotees jetzt, nachdem der Maharshi seinen Körper verlassen hat und zum inneren Guru im Herzen eines jeden von ihnen geworden ist, noch klarer geworden.

Es ist deshalb ein neuer und ganzheitlicher Weg, den der Maharshi jenen eröffnet hat, die sich ihm zuwenden. Der alte Weg der Selbstergründung ist ein reiner Weg der Erkenntnis (jnana marga), dem man in stiller Meditation als Einsiedler folgt. Die Weisen haben ihn für das kaliyuga, dieses spirituell dunkle Zeitalter, in dem wir leben, für ungeeignet gehalten. Bhagavan hat nicht so sehr den alten Weg wiederhergestellt, sondern vielmehr einen neuen geschaffen, der den Bedingungen unserer Zeit angepasst ist, einen Weg, dem man in einer Stadt oder in der Familie nicht weniger folgen kann als im Wald und in einer Einsiedelei, mit einer täglichen Meditationszeit und der beständigen Erinnerung während der täglichen Arbeit, wobei man äußere Bräuche beobachten kann oder auch nicht.

Der Maharshi hat sehr wenig geschrieben. Er lehrte hauptsächlich durch seine gewaltige Kraft der spirituellen Stille. Das bedeutet nicht, dass er keine Fragen beantworten wollte. Solange er spürte, dass sie aus einem ernsten Grund gestellt wurden und nicht aus eitler Neugier, gab er eine ausführliche mündliche oder schriftliche Antwort. Doch seine eigentliche Lehre war der stille Einfluss aufs Herz.

Er schrieb fast alles auf Bitten oder als Antwort auf die Fragen von Devotees, um ihr besonderes Bedürfnis zu erfüllen. Deshalb steht vor jedem Werk seine kurze Entstehungsgeschichte. Das ist zur Information des Lesers gedacht, beeinträchtigt aber nicht die Universalität der Gültigkeit der Lehre.

Die verschiedenen Gedichte erscheinen nicht in chronologischer Reihenfolge. Bhagavan selbst hat sie auf Bitten eines Devotees (A.W. Chadwick), der sie sammelte, geordnet, und diese Reihenfolge wurde hier beibehalten.

Die ‚Spirituellen Unterweisungen‘, die zwar zu Bhagavans Zeit veröffentlicht, aber nicht in den ersten beiden Auflagen enthalten waren, wurden jetzt hinzugefügt. Auch sind kleine Zusätze bei einigen Werken enthalten, die in den originalen Tamil-Versionen, die zu Lebzeiten Bhagavans veröffentlicht worden waren, enthalten sind. Sie verändern den Sinn dieser Werke nicht.

1 Die Grundnote, die sich durch die indische Musik zieht wie ein Faden, auf den die Perlen aufgereiht sind, steht für das Selbst, das in allen Formen des Seins fortbesteht.

2 s. Narasimha Swami: Self Realization, S. 16-18

3 Das Adjektiv bedeutet auch: objektives Wissen beseitigen

4 Folgender Vers ist besonders in Südindien bekannt: „Chidambaram zu sehen, in Tiruvarur geboren zu werden, in Varanasi zu sterben und nur an Arunachala zu denken bringt gewiss die Erlösung.“

5 Alternativ: … bemerkte ich, dass er völlige Stille bedeutet (Acht Verse für Arunachala, Vers. 1)

Teil 1: Originalwerke

Prosa

1. Selbstergründung

Selbstergründung ist das erste Werk, das der Maharshi geschrieben hat. Es entstand etwa 1901, als er ein junger Mann von etwa zweiundzwanzig war. Er war bereits ein Weiser (jnani), hatte das Selbst vollkommen verwirklicht und war selig im göttlichen Wissen. Damals lebte er in der Virupaksha-Höhle auf dem Berg Arunachala. Es hatten sich bereits einige Schüler um ihn versammelt. Obwohl er kein Schweigegelübde abgelegt hatte, sprach er nur selten und schrieb seine Antworten auf bestimmte Fragen auf, die Gambhiram Seshayya, einer seiner frühesten Anhänger, ihm stellte. Letzterer schrieb sie in sein Tagebuch ab. Nach Gambhirams Tod gab sein Bruder es dem Ashram. Die Fragen und Antworten wurden von Natanananda mit Bhagavans Zustimmung unter dem Titel ‚Vichara Sangraham‘ oder ‚Selbstergründung‘ veröffentlicht. Schließlich erschienen sie auch in Essay-Form. Dieses Buch enthält die Originalfassung.

Dieses Werk hat nichts von jugendlicher Unreife. Der Meister schrieb mit der Autorität völliger spiritueller Erkenntnis wie in seinen späteren Jahren. Wie bei allen seinen verbalen und schriftlichen Ausführungen geht es um praktische Fragen für den Weg der Selbstverwirklichung und nicht um reine Theorie. Doch in einem wichtigen Punkt unterscheidet sich diese Schrift von seinen späteren Ausführungen: Er beschreibt hier nicht nur den Weg der Selbstergründung, sondern auch andere Wege wie die Meditation über die eigene Identität mit dem Selbst und einen Yoga-Weg, der auf der Atemkontrolle beruht. Er selbst riet nur zur Selbstergründung oder zur Unterwerfung unter den Guru. Er pflegte zu sagen: „Es gibt zwei Wege: Entweder du fragst dich: ‚Wer bin ich?‘ oder du unterwirfst dich.“

Warum erwähnte er in seiner ersten Ausführung weniger direkte und kompliziertere Methoden? Der wahrscheinlichste Grund ist, dass der Schüler, für den er sie schrieb, Bücher über verschiedene Methoden gelesen hatte und entsprechende Fragen stellte. In einem weiteren Sinn ist es vielleicht auch zweckdienlich, der lebenslangen Unterweisung, die er empfahl, eine allgemeine Erklärung verschiedener Methoden voranzustellen. Obwohl auch andere Methoden beschrieben werden, so werden sie doch kaum empfohlen.

Die Atemkontrolle, die er beschreibt, ist natürlich keine rein physische Übung. Die spirituelle Bedeutung dieser Übung macht sie zu einer durchdachten Wissenschaft. Wissenschaft ist tatsächlich das richtige Wort dafür, denn es handelt sich dabei um eine traditionelle indische Lehre der Selbstreinigung. Das macht es für den westlichen Leser schwer verständlich, der darin keine Grundkenntnis besitzt, denn wie bei allen Wissenschaften besitzt sie ihre Fachbegriffe, die nicht ohne lange Erklärungen adäquat übersetzt werden können. Man muss bedenken, dass der Maharshi wusste, dass er bei der Person, für die er das schrieb, in diesem Punkt auf Fachwissen zählen konnte. Der westliche Leser kann sich damit trösten, dass der Maharshi weder Atemkontrolle empfahl noch vorschrieb und sie in seinen späteren Werken selten erwähnte. Es ist nicht nötig, diese Techniken zu lernen.

Einleitung

Gibt es einen anderen Weg, um das Höchste, das alles ist, zu verehren, außer entschieden als Es zu verbleiben?

1.

Schüler: „Meister, mit welchem Mittel kann man den Zustand ewiger Seligkeit erlangen, der stets ohne Leid ist?“

Meister: „Abgesehen von der Aussage der Veden, dass dort, wo es einen Körper gibt, es auch Leid gibt, ist das auch die direkte Erfahrung aller Menschen. Deshalb sollte man sein eigenes wahres Wesen, das immer körperlos ist, erforschen und als es verbleiben. Das ist das Mittel, um diesen Zustand zu erlangen.“

2.

Schüler: „Was ist damit gemeint: Man sollte sein wahres Wesen erforschen und verstehen?“

Meister: „Jeder macht solche Erfahrungen wie ‚ich ging, ich kam, ich war, ich habe getan‘. Wird daraus nicht ersichtlich, dass das bewusste ‚Ich‘ das Subjekt dieser verschiedenen Handlungen ist? Das wahre Wesen dieses Bewusstseins zu ergründen und das eigene Selbst zu bleiben ist der Weg, durch Ergründung sein eigenes Wesen zu verstehen.“

3.

Schüler: „Wie erforscht man ‘Wer bin ich?’“

Meister: „Handlungen wie Gehen, Kommen usw. gehören nur dem Körper an. Wenn man also sagt: ‚Ich bin gegangen, ich bin gekommen‘, will man damit sagen, dass der Körper ‚ich‘ ist. Aber kann man vom Körper sagen, dass er das bewusste ‚Ich‘ ist, da er vor seiner Geburt nicht existiert hat, aus den fünf Elementen besteht, im Tiefschlaf nicht existiert und zur Leiche wird, wenn er stirbt? Kann man von diesem Körper, der träge ist wie ein Holzscheit, sagen, dass er als ‚Ich-Ich‘ erstrahlt? Deshalb wird das ‚Ich-Bewusstsein‘, das zuerst in Bezug auf den Körper auftaucht, verschieden bezeichnet: als Selbstverblendung (tarbodham), Egoismus (ahankara), Nichtwissen (avidya), maya, Unreinheit (mala) und als individuelle Seele (jiva). Müssen wir das nicht untersuchen? Sagen nicht alle Schriften, dass die Vernichtung der Verblendung Freiheit (mukti) bedeutet und wir durch die Ergründung die Erlösung finden? Deshalb sollte man den leichenähnlichen Körper als Leiche bestehen lassen und nicht einmal das Wort ‚Ich‘ aussprechen, sondern aufmerksam fragen: ‚Was taucht jetzt als „Ich“ auf?‘ Dann wird im Herzen eine Art wortloser Erleuchtung in Form von ‚Ich-Ich‘ erstrahlen. Das heißt, reines Bewusstsein erstrahlt von selbst. Es ist unbegrenzt und eines. Das begrenzte Bewusstsein und die vielen Gedanken sind verschwunden. Wenn man still bleibt, ohne dies (dieses Erlebnis) aufzugeben, wird der Egoismus, das individuelle Empfinden in der Gestalt von ‚Ich bin der Körper‘ völlig vernichtet, und am Ende wird auch der letzte Gedanke, d.h. die ‚Ich-Gestalt‘, ausgelöscht wie das Feuer, das Kampfer verbrennt, ohne einen Rückstand zu hinterlassen. Die großen Weisen und Schriften erklären, dass das allein Befreiung ist.“

4.

Schüler: „Wenn man die Wurzel der ‚Selbstverblendung‘ in Form des ‚Ichs‘ untersucht, scheinen unendlich viele verschiedene Gedanken aufzutauchen, aber kein getrennter ‚Ich‘-Gedanke.“

Meister: „Ob nun der erste Fall, der Nominativ, auftaucht oder nicht, so haben doch die Sätze, die in den anderen Fällen auftauchen, den ersten Fall als Grundlage. Ähnlich haben alle Gedanken, die im Herzen auftauchen, die Ichheit als Grundlage, die die erste geistige Regung ‚Ich‘ ist, die Wahrnehmung in Gestalt von ‚Ich bin der Körper‘. Deshalb ist das Auftauchen der Ichheit die Ursache und Quelle, aus der alle anderen Gedanken entstehen. Wenn die Verblendung in Gestalt der Ichheit, die die Wurzel des illusorischen Baumes des samsara (Bindung, die in der Seelenwanderung besteht) ist, vernichtet wird, gehen damit auch alle anderen Gedanken zugrunde wie ein entwurzelter Baum. Welche Gedanken auch immer als Hindernisse während des sadhanas (der spirituellen Übung) auftauchen, es sollte dem Geist nicht erlaubt werden, ihnen nachzugehen, sondern er sollte im eigenen Selbst ruhen, das der Atman ist. Man sollte als Zeuge verbleiben, was immer auch geschieht, und die Haltung einnehmen: ‚Was immer auch Seltsames geschehen mag, lass es geschehen! Wir werden sehen.‘ Das sollte die Übung sein. In anderen Worten sollte man sich nicht mit dem identifizieren, was auftaucht, und nie das Selbst aufgeben. Das ist das richtige Mittel, um den Geist zu vernichten (manonasa), das darin besteht, den Körper als das Selbst zu betrachten, der die Ursache für alle zuvor genannten Hindernisse ist. Diese Methode, die leicht die Ichheit zerstört, verdient, Hingabe (bhakti), Meditation (dhyana), Konzentration (Yoga) und Erkenntnis (jnana) genannt zu werden. Weil Gott dem Wesen nach das Selbst ist, das als ‚Ich‘ im Herzen erstrahlt, weil die Schriften erklären, dass das Denken selbst die Bindung ist, besteht die beste Übung darin, still zu sein, ohne Ihn (Gott, das Selbst) jemals zu vergessen, nachdem man, egal auf welche Weise, in Ihm den Geist aufgelöst hat, der die Gestalt des ‚Ich‘-Gedankens hat. Das ist die schlüssige Lehre der Schriften.“

5.

Schüler: „Ist Selbstergründung nur ein Mittel, um den falschen Glauben an die Ichheit im grobstofflichen Körper zu beseitigen, oder auch, um ihn im subtilen und kausalen Körper zu beseitigen?“6

Meister: „Die anderen Körper existieren aufgrund des grobstofflichen Körpers. Im falschen Glauben ‘Ich bin der Körper’ sind alle drei Körper enthalten, die aus den fünf Hüllen bestehen. Wenn der falsche Glaube an die Ichheit im grobstofflichen Körper beseitigt wird, dann wird er auch in den beiden anderen Körpern beseitigt. Deshalb ist die Selbstergründung das Mittel, den falschen Glauben an die Ichheit in allen drei Körpern zu beseitigen.“

6.

Schüler: „Es gibt verschiedene Modifikationen des inneren Organs7, nämlich manas (Reflexion), buddhi (Intellekt), chitta (Erinnerung) und ahankara (Ichheit). Wie kann man sagen, dass allein die Vernichtung des Geistes die Erlösung bedeutet?“

Meister: „In den Büchern, die das Wesen des Geistes erklären, heißt es: ‘Der Geist wird aus der Verdichtung der subtilen Teile der Nahrung, die wir essen, gebildet. Er wächst mit den Leidenschaften wie Anhaftung und Abneigung, Verlangen und Ärger, ist die Gesamtheit aus Geist, Intellekt, Erinnerung und Ichheit und erhält den kollektiven Namen „Geist“. Seine Merkmale sind Denken, Bestimmen usw. Da er ein Objekt des Bewusstseins (des Selbst) ist, ist er das, was gesehen wird, ist aber träge. Obwohl er träge (untätig) ist, sieht es so aus, als sei er bewusst, weil er mit dem Bewusstsein verbunden ist (wie ein glühendes Stück Eisen mit dem Feuer). Er ist begrenzt, nicht ewig, nur ein Teil und verändert sich wie Gummilack, Gold, Wachs usw. Er besteht aus allen Elementen (der phänomenalen Existenz). Seine Wohnstatt ist der Herzenslotus, so wie die Wohnstatt des Sehsinns die Augen sind. Er ist ein Anhängsel der individuellen Seele. Wenn er an ein Objekt denkt, verändert er sich und fließt zusammen mit dem Wissen, das im Gehirn ist, durch die Kanäle der fünf Sinne, verbindet sich durch das Gehirn (das mit dem Wissen verbunden ist) mit den Objekten, erkennt und erlebt auf diese Weise die Objekte und erlangt Befriedigung. Diese Substanz ist der Geist.’

Obwohl derselbe Mensch je nach der Funktion, die er ausführt, verschieden gerufen wird [als Ehefrau, Mutter, Tochter usw.], so hat auch der Geist aufgrund seiner verschiedenen Funktionen, nicht aber aufgrund eines wirklichen Unterschieds, verschiedene Namen wie Geist, Intellekt, Erinnerung und Ichheit. Der Geist selbst ist die Gestalt von allem, d.h. von Seele, Gott und Welt. Wird er durch Erkenntnis zur Gestalt des Selbst, geschieht Erlösung, die dem Wesen nach Brahman ist. Das ist die Lehre.“

7.

Schüler: „Wenn diese Vier – Geist, Intellekt, Erinnerung und Ichheit – ein und dasselbe sind, warum werden sie dann an verschiedenen Orten lokalisiert?“

Meister: „Es stimmt, dass der Hals als der Ort des Geistes gilt, das Gesicht oder Herz als der Ort des Intellekts, der Nabel als der Ort der Erinnerung und das Herz oder sarvanga (der ganze Körper) als der Ort der Ichheit. Wenn sie auch verschieden genannt werden, so ist der Sitz der Gesamtheit des Geistes oder des inneren Organs allein das Herz. Das wird in den Schriften schlüssig erklärt.“

8.

Schüler: „Warum heißt es, dass nur der Geist, der das innere Organ ist, als die Gestalt von allem, d.h. der Seele, Gottes und der Welt, erstrahlt?“

Meister: „Die Werkzeuge, um Objekte zu erkennen, nämlich die Sinnesorgane, sind außen. Deshalb nennt man sie die äußeren Sinne. Den Geist nennt man den inneren Sinn, weil er innen ist. Aber der Unterschied zwischen innen und außen bezieht sich nur auf den Körper. In Wahrheit gibt es weder innen noch außen. Das Wesen des Geistes ist, rein wie der Äther zu bleiben. Was man als Herz oder Geist bezeichnet, ist die Zusammenstellung der Elemente (der phänomenalen Existenz), die als innen oder außen erscheinen. Somit besteht darüber kein Zweifel, dass alle Phänomene, die aus Namen und Formen bestehen, dem Wesen nach nur dem Geist angehören. Alles, was außen erscheint, ist in Wirklichkeit innen und nicht außen. Um das auszudrücken, beschreiben die Veden alles dem Wesen des Herzens zugehörig. Was man das ‚Herz‘ nennt, ist nichts anderes als Brahman.“

9.

Schüler: „Wie kann man sagen, dass das Herz nichts anderes als Brahman ist?“

Meister: „Obwohl das Selbst seine Erfahrungen in den Zuständen von Wachen, Traum und Tiefschlaf genießt, wobei es jeweils in den Augen, im Hals und im Herzen wohnt, verlässt es doch in Wirklichkeit nie seinen Hauptsitz, das Herz. Im Herzenslotus, der dem Wesen nach alles ist, in anderen Worten im Geist-Äther, erstrahlt das Licht dieses Selbst in Gestalt des ‚Ichs‘. Da das Selbst auf diese Weise in jedem erstrahlt, wird es als der Zeuge (sakshi) und das Transzendente (turiya, wörtl.: das Vierte) bezeichnet. Dieses ‚ich-lose‘ höchste Brahman, das inwendig in allen Körpern als ‚Ich‘ erstrahlt, ist der Selbst-Äther (oder Erkenntnis-Äther). Das allein ist die höchste Wirklichkeit. Das ist die höchste Transzendenz (turiyatita). Deshalb heißt es, dass das Herz nichts anderes als Brahman ist. Zudem heißt Brahman das Herz, weil es in den Herzen aller Seelen als das Selbst erstrahlt.8 Die Bedeutung des Wortes ‚hridayam‘, wenn man es in hritayam trennt, bedeutet tatsächlich Brahman. Der Beweis dafür, dass Brahman, das als das Selbst erstrahlt, im Herzen aller erstrahlt, ist, dass die Menschen auf die Brust zeigen, um auf sich zu weisen, wenn sie ‚ich‘ sagen.“

10.

Schüler: „Wenn das ganze Universum die Gestalt des Geistes ist, folgt dann nicht daraus, dass es eine Illusion ist? Wenn das aber so ist, warum wird dann die Schöpfung des Universums in den Veden erwähnt?“

Meister: „Es besteht überhaupt kein Zweifel darüber, dass das Universum eine reine Illusion ist. Die hauptsächliche Intention der Veden besteht darin, das wahre Brahman bekannt zu machen, nachdem aufgezeigt wurde, dass das wahrnehmbare Universum falsch ist. Nur aus diesem Grund anerkennen die Veden die Schöpfung der Welt. Zudem wird den weniger kompetenten Menschen die Schöpfung gelehrt, also dass in einer stufenweisen Evolution von prakriti (der Ur-Natur), mahat tattva (des kosmischen Verstandes), tanmatras (der subtilen Essenzen), bhutas (der grobstofflichen Elemente) die Welt, die Körper usw. aus Brahman hervorgebracht wurden, während den Fortgeschrittenen die gleichzeitige Schöpfung gelehrt wird. Diese Lehre besagt, dass diese Welt aufgrund der eigenen Gedanken wie ein Traum auftaucht, verursacht durch den Fehler, dass man sich selbst nicht als das Selbst erkennt. Die Tatsache, dass die Schöpfung der Welt in den Veden verschieden beschrieben wird, macht deutlich, dass die Intention der Veden nur in der Lehre des wahren Wesens von Brahman besteht, nachdem sie auf die eine oder andere Weise die illusorische Natur des Universums aufgezeigt haben. Dass die Welt illusorisch ist, kann jeder direkt im Zustand der Verwirklichung erkennen, indem man die eigene Glücks-Natur erfährt.“

11.

Schüler: „Ist die Erfahrung des Selbst für den Geist möglich, der sich ständig verändert?“

Meister: „Da sattva guna (der Bestandteil von prakriti, der Reinheit, Intelligenz usw. ermöglicht) das Wesen des Geistes ist und da der Geist rein und unbefleckt wie der Äther ist, ist das, was man den ‚Geist‘ nennt, in Wahrheit dem Wesen nach Erkenntnis. Wenn der Geist in seinem natürlichen (reinen) Zustand bleibt, kann er nicht einmal als Geist bezeichnet werden. Es ist nur das falsche Wissen, das Dinge verwechselt, das man den Geist nennt. Was ursprünglich der reine (sattva) Geist war, der dem Wesen nach reine Erkenntnis ist, vergisst durch seine Unwissenheit sein erkennendes Wesen, wird unter dem Einfluss von tamas (dem Bestandteil von prakriti, der zu Trägheit, Schlaffheit usw. führt) zur Welt verwandelt, gerät unter den Einfluss von rajas (dem Bestandteil von prakriti, der zu Aktivität und Leidenschaft führt) und denkt: ‚Ich bin der Körper‘, ‚Die Welt ist wirklich‘ usf. Durch seine Anhaftung, Vorliebe und Abneigung usw. erwirbt er Verdienst und Verlust, und durch die somit zurückbleibenden Eindrücke (vasanas) erlangt er Geburten und Tode. Aber der Geist, der seine Verunreinigung (Sünde) losgeworden ist, indem er in vielen vergangenen Leben selbstlos gehandelt hat, hört von einem wahren Guru die Lehren der Schriften, denkt über ihre Bedeutung nach und meditiert. Dadurch erlangt er den natürlichen Zustand der geistigen Form in Gestalt des Selbst, d.h. in Gestalt von ‚Ich bin Brahman‘, die das Ergebnis der kontinuierlichen Kontemplation über Brahman ist. Auf diese Weise wird die Transformation des Geistes in die Welt durch tamas und sein Umherstreifen in ihr durch rajas beseitigt. Dann wird der Geist fein und unbeweglich. Nur der unreine Geist, der unter dem Einfluss von rajas und tamas steht, kann die Wirklichkeit (das Selbst), die sehr subtil und unveränderlich ist, nicht erfahren. Ebenso wenig kann feiner Seidenstoff mit einem schweren Brecheisen genäht werden und können die Einzelheiten subtiler Objekte mit einer Lampe, deren Licht im Wind flackert, unterschieden werden. Aber im reinen Geist, der durch Meditation, wie oben beschrieben, subtil und unbeweglich geworden ist, wird die Seligkeit des Selbst (Brahman) manifest. So wie es ohne den Geist keine Erfahrungen geben kann, ist es für den reinen Geist, der äußerst subtil ist, möglich, die Seligkeit des Selbst zu erfahren, indem er in dieser Gestalt (d.h. in der Gestalt Brahmans) bleibt. Dann wird deutlich erfahren, dass das eigene Selbst das Wesen Brahmans ist.“

12.

Schüler: „Ist die zuvor erwähnte Selbsterfahrung auch in der empirischen Existenz möglich, wenn der Geist seinem jetzigen prarabdha (dem vergangenen Karma, das jetzt Früchte trägt) entsprechend Tätigkeiten ausführen muss?“

Meister: „Ein Brahmane kann verschiedene Rollen in einem Drama spielen, doch er denkt beständig daran, dass er ein Brahmane ist. Ähnlich sollte auch die feste Überzeugung ‚Ich bin das Selbst‘ vorhanden sein, wenn man in verschiedenen Bereichen aktiv ist, ohne dass man der falschen Vorstellung ‚Ich bin der Körper‘ usw. erlaubt, sich zu erheben. Wenn der Geist sich von seinem Zustand entfernt, dann sollte man sofort fragen: ‚Oh, oh! Wir sind nicht der Körper usw. Wer sind wir?‘ und damit den Geist in diesen (reinen) Zustand zurückführen. Die Ergründung: ‚Wer bin ich?‘ ist das wichtigste Mittel, um alles Elend zu beseitigen und die höchste Seligkeit zu erlangen. Wenn der Geist auf diese Weise in seinem wahren Zustand still wird, stellt sich die Erfahrung des Selbst von alleine und ohne Hindernis ein. Danach beeinflussen sinnliche Freude und Leid den Geist nicht mehr. Alles (alle Phänomene) erscheinen dann wie in einem Traum, ohne dass man an ihnen haftet. Wenn man seine vollkommene Selbst-Erfahrung nie vergisst, ist das wahres bhakti (Hingabe), Yoga (Geisteskontrolle), jnana (Erkenntnis) und alle anderen Entbehrungen. Das sagen die Weisen.“

13.

Schüler: „Wenn es um das Handeln bei der Arbeit geht, sind wir weder die Handelnden noch die Genießenden. Es sind die drei Instrumente, die diese Handlungen ausführen (der Geist, die Sprache und der Körper). Können wir ohne Anhaftung bleiben, indem wir so denken?“

Meister: „Wie kann der Geist so denken, nachdem er dazu gebracht wurde, im Selbst zu bleiben, das seine Gottheit ist, und dazu, alle Erfahrungen gleichmütig zu betrachten, da er nicht vom Selbst abirrt? Erzeugen nicht solche Gedanken Bindung? Wenn solche Gedanken aufgrund von zurückbleibenden Eindrücken (vasanas) entstehen, sollte man den Geist daran hindern, in diese Richtung zu gehen, und sich bemühen, ihn im Zustand des Selbst zurückzuhalten, und ihn dazu veranlassen, sich allen empirischen Dingen gegenüber indifferent zu verhalten. Man sollte dem Geist keinen Raum geben zu denken: ‚Ist dies oder jenes gut? Soll ich dies oder jenes tun?‘ Man sollte wachsam sein, bevor solche Gedanken auftauchen, und den Geist dazu bringen, in seinem ursprünglichen Zustand zu bleiben. Wenn man ihm auch nur etwas Raum gibt, schadet solch ein (beunruhigter) Geist uns, während er sich als unser Freund ausgibt, und bringt uns zu Fall wie der Gegner, der sich als Kamerad ausgibt. Entstehen solche Gedanken nicht und richten immer mehr Unheil an, weil wir unser Selbst vergessen? Es ist wahr, dass man unterscheidend denken soll: ‚Ich tue nichts. Alle Handlungen werden von den Instrumenten ausgeführt.‘ Das hindert den Geist daran, sich den vasanas hinzugeben. Aber folgt daraus nicht auch, dass wenn der Geist mit den Gedankenvasanas weiterfließt, er durch Unterscheidung zurückgehalten werden muss, wie zuvor erwähnt? Kann der Geist, der im Zustand des Selbst bleibt, ‚ich‘ denken und dass ‚ich‘ mich so und so verhalte? Man sollte auf jeden Fall zunehmend bestrebt sein, das eigene (wahre) Selbst, das Gott ist, nicht zu vergessen. Wenn man das erreicht hat, hat man alles erreicht. Der Geist sollte sich auf nichts anderes richten. Selbst wenn man wie ein Irrer die Handlungen, die aus dem prarabdha Karma resultieren, verrichtet, sollte man den Geist im Zustand des Selbst zurückhalten, ohne den Gedanken ‚ich tue’ aufkommen zu lassen. Haben nicht unzählige bhaktas (Devotees) ihre zahlreichen Tätigkeiten ohne Anhaftung ausgeführt?“

14.

Schüler: „Was ist die wahre Bedeutung von sannyasa (Entsagung)?“

Meister: „Sannyasa ist nur die Entsagung vom ‚Ich-Gedanken‘ und nicht die Zurückweisung äußerer Objekte. Wer auf diese Weise (dem ‚Ich-Gedanken‘) entsagt hat, bleibt derselbe, ob er alleine oder inmitten von samsara (der empirischen Welt) ist. Wenn der Geist sich auf ein Objekt konzentriert, bemerkt er keine anderen Dinge, auch wenn sie ganz in seiner Nähe sind. Der Weise kann völlig mit Tun beschäftigt sein, in Wirklichkeit tut er nichts, weil er den Geist im Selbst ruhen lässt, ohne dem ‚Ich-Gedanken‘ zu erlauben, sich zu erheben. Wie in einem Traum, in dem man kopfüber nach unten fällt, während man in Wirklichkeit unbeweglich ist, so ist der unwissende Mensch, d.h. der Mensch, dessen ‚Ich-Gedanke‘ nicht aufgehört hat, beständig beschäftigt, obwohl er alleine ist und ununterbrochen meditiert.9 Das haben die Weisen gesagt.“

15.

Schüler: „Der Geist, die Sinnesorgane usw. besitzen die Fähigkeit der Wahrnehmung. Warum aber werden sie als wahrnehmbare Objekte betrachtet?“

Meister: „Der Wahrnehmende (drik) und das wahrgenommene Objekt (drisya) verhalten sich zueinander wie:

der Sehende – der Topf (das gesehene Objekt)

das Auge – der Körper, der Topf usw.

der Sehsinn – das Auge

der Geist – der Sehsinn

die individuelle Seele – der Geist

das Bewusstsein (das Selbst) – die individuelle Seele

Der Vergleich oben zeigt, dass wir als Bewusstsein alle Objekte erkennen und deshalb der Wahrnehmende (drik) sind. Die Kategorien wie der Topf usw. sind die gesehenen Objekte, das, was erkannt wird. In diesem Vergleich von Wahrnehmendem und den wahrgenommenen Objekten sieht man, dass der Erkennende in einem Verhältnis zum Erkannten steht. Da das Objekt zum Subjekt von etwas anderem wird, ist keines in diesen beiden Kategorien in Wirklichkeit der Wahrnehmende. Obwohl wir von uns als dem Wahrnehmenden sprechen, da wir alles erkennen, und nicht vom wahrgenommenen Objekt, da wir von nichts anderem wahrgenommen werden, sind wir doch nur in Beziehung zum wahrgenommenen Objekt der Wahrnehmende. In Wirklichkeit ist das Wahrgenommene nicht von uns getrennt. Deshalb sind wir die Wirklichkeit, die sowohl den Wahrnehmenden als auch das Wahrgenommene überschreitet. Alles andere fällt in diese Kategorie von Wahrnehmendem und Wahrgenommenem.“

16.

Schüler: „Wie werden Ichheit, Seele, Selbst und Brahman bestimmt?“

Meister: „Sie verhalten sich zueinander wie

die Eisenkugel – die Ichheit

die heiße Eisenkugel – die Seele, die als Überlagerung des Selbst erscheint

das Feuer, das in der heißen Eisenkugel ist – das Licht des Bewusstseins, das unveränderliche Brahman, das in der Seele eines jeden erstrahlt

die Flamme des Feuers, die nur eine ist – das alldurchdringende Brahman, das nur eines ist

Dieses Beispiel macht deutlich, wie die Ichheit, die Seele, der Zeuge und der Zeuge von allem bestimmt werden.

Wie in der Wachskugel des Schmieds unzählige verschiedene Metallpartikel enthalten sind und alle als die eine Wachskugel in Erscheinung treten, so sind auch im Tiefschlaf die grobstofflichen und subtilen Körper aller individuellen Seelen im kosmischen maya enthalten, das aus Nichtwissen besteht und reine Dunkelheit ist. Da die Seelen sich im Selbst auflösen, indem sie eins mit ihm werden, sehen sie überall nur Dunkelheit. Aus der Dunkelheit des Tiefschlafs entsteht der subtile Körper, nämlich die Ichheit, und aus der Ichheit der grobstoffliche Körper. Auch wenn die Ichheit auftaucht, scheint sie das Wesen des Selbst zu überlagern wie die erhitzte Eisenkugel das Feuer. Demnach gibt es ohne die Seele (jiva), die der Geist oder die Ichheit ist und die mit dem Licht des Bewusstseins verbunden ist, keinen Zeugen der Seele, nämlich des Selbst, und ohne das Selbst gibt es kein Brahman, das der Zeuge von allem ist. Wenn der Schmied die Eisenkugel in verschiedene Formen schlägt, verändert sich das Feuer im Eisen dadurch nicht. Ebenso kann die Seele mit noch so vielen Erfahrungen befasst sein und Freuden und Leiden erleben, trotzdem verändert sich dadurch das Licht des Selbst in ihr nicht im Geringsten. Wie der Äther ist es die alldurchdringende, reine Erkenntnis, die nur eine ist, und sie erstrahlt im Herzen als Brahman.“

17.

Schüler: „Wie weiß man, dass das Selbst im Herzen als Brahman erstrahlt?“

Meister: „Wie das Element Äther in der Flamme einer Lampe ohne Unterschied und ohne Begrenzung sowohl das Innere als auch das Äußere der Flamme erfüllt, so erfüllt auch der Äther der Erkenntnis, der im Licht des Selbst im Herzen wohnt, ohne Unterschied und ohne Begrenzung sowohl das Innere als auch das Äußere dieses Lichts des Selbst. Das nennt man Brahman.“

18.

Schüler: „Wie tauchen die drei Zustände [Wachen, Traum und Tiefschlaf], die drei Körper [kausal, subtil und grobstofflich] usw., die Vorstellungen sind, im Licht des Selbst auf, das ein einziges ist und aus sich selbst erstrahlt? Und wenn sie auftauchen, woher weiß man dann, dass das Selbst immer unbeweglich bleibt?“

Meister:

„Das Selbst ist die Lampe (1) und scheint von selbst in der inneren Kammer, d.h. im kausalen Körper (7), der als innere Wand (4) mit Nichtwissen ausgestattet ist, und mit dem Schlaf als Tür (2). Wenn durch das vitale Prinzip, das von der Zeit, vom Karma usw. bewirkt wird, sich die Tür des Schlafs öffnet, reflektiert sich das Selbst im Spiegel der Ichheit (5), welcher der Türschwelle (mahat tattva) (3) am nächsten steht. Der Spiegel der Ichheit erleuchtet die mittlere Kammer, d.h. den Traumzustand (8), und durch die Fenster, welche die fünf Sinnesorgane sind (6), den äußeren Hof, d.h. den Wachzustand (9). Wenn sich durch das vitale Prinzip, das von der Zeit, vom Karma usw. bewirkt wird, die Tür zum Schlaf wieder schließt, hört die Ichheit zusammen mit dem Wachen und Träumen auf, und nur das Selbst erstrahlt. Das Beispiel veranschaulicht, wie das Selbst unbeweglich ist, wie es sich von der Ichheit unterscheidet und wie die drei Zustände, die drei Körper usw. auftauchen.“

19.

Schüler: „Obwohl ich deinen ausführlichen Erklärungen über die Merkmale der Ergründung zugehört habe, kann ich nicht den geringsten Geistesfrieden finden. Warum ist das so?“

Meister: „Der Grund ist, dass es dem Geist an Stärke oder Auf-einsgerichtet-sein fehlt.“

20.

Schüler: „Warum fehlt es an Geistesstärke?“

Meister: „Die Mittel, die einen zur Ergründung befähigen, sind Meditation, Yoga usw. Man sollte darin mit zunehmender Übung Fertigkeit erlangen und sich geistige Methoden aneignen, die natürlich und hilfreich sind. Wenn der Geist auf diese Weise reif geworden ist und von der Ergründung hört, wird er sofort sein wahres Wesen, das das Selbst ist, erkennen und in vollkommenem Frieden bleiben, ohne noch von diesem Zustand abzuweichen. Für einen Geist, der noch nicht reif ist, sind sofortige Verwirklichung und Friede schwer zu erreichen, wenn er von der Ergründung hört. Doch wenn man einige Zeit lang diese Übungen der Geisteskontrolle macht, kann sich schließlich Geistesfrieden einstellen.“

21.

Schüler: „Welches Mittel zur Geisteskontrolle ist das wichtigste?“

Meister: „Mit Atemkontrolle wird der Geist kontrolliert.“

22.

Schüler: „Wie kontrolliert man den Atem?“

Meister: „Entweder indem man den Atem völlig zurückhält (kevala kumbhaka) oder ihn reguliert (pranayama).“

23.

Schüler: „Wie hält man den Atem zurück?“

Meister: „Man hält den Atem fest im Herzen zurück ohne aus- und einzuatmen. Diese Fertigkeit wird durch Meditation über das vitale Prinzip usw. erlangt.“

24.

Schüler: „Wie reguliert man den Atem?“

Meister: „Man hält den Atem fest im Herzen zurück, indem man ausatmet, einatmet und den Atem anhält, wie es in den Yoga-Schriften beschrieben wird.“

25.

Schüler: „Wie kann Atemkontrolle zur Geisteskontrolle verhelfen?“

Maharshi: „Es besteht kein Zweifel darüber, dass Atemkontrolle das Mittel ist, um den Geist zu kontrollieren, weil der Geist, wie der Atem, ein Teil der Luft ist. Beide bewegen sich, weil beide denselben Ursprung haben. Wenn eines von ihnen kontrolliert wird, so wird auch das andere kontrolliert.“

26.

Schüler: „Da Atemkontrolle nur zu einem stillen Geist führt (manolaya) und nicht zu seiner Zerstörung (manonasa), wie kann man dann behaupten, dass die Atemkontrolle das Mittel für die Ergründung sei, deren Ziel die Vernichtung des Geistes ist?“

Meister: „Die Schriften lehren zwei Weisen, wie man Selbstverwirklichung erlangen kann: den achtgliedrigen Yoga (Ashtanga Yoga) und die achtgliedrige Erkenntnis (Ashtanga Jnana). Durch die Regulierung des Atems (pranayama) oder durch sein völliges Zurückhalten (kevala kumbhaka), das ein Glied des Yoga ist, wird der Geist kontrolliert. Wenn man es nicht dabei belässt und die weiteren Übungen (des Yoga) praktiziert, wie etwa den Rückzug des Geistes von äußeren Objekten (pratyahara), dann wird man am Ende mit Gewissheit die Selbstverwirklichung, die das Ergebnis der Ergründung ist, erlangen.“

27.

Schüler: „Was sind die acht Glieder des Yoga?“

Meister: „Yama, niyama, asana, pranayama, pratyahara, dharana, dhyana und samadhi.

Yama

steht für die Kultivierung guten Betragens wie Gewaltlosigkeit (

ahimsa

), Wahrheit (

satya

), nicht zu stehlen (

asteya

), Zölibat (

brahmacharya

) und Besitzlosigkeit (

aparigraha

).

Niyama

steht für die Befolgung von Regeln guten Betragens wie Reinheit (

saucha

), Zufriedenheit (

santosha

), Enthaltsamkeit (

tapas

), das Studium der heiligen Schriften (

svadhyaya

) und die Hingabe an Gott (

Isvarapranidhana

).

10

Asana

: Von den vielen Haltungen gelten 84 als die wichtigsten. Davon sind wiederum vier besonders wichtig, nämlich

simha

,

bhadra

,

padma

und

siddha

.

Siddha

ist davon wiederum die bedeutendste.

11

So erklären es die Yoga-Schriften.

Pranayama

: Nach den heiligen Schriften bedeutet Ausatmen

rechaka

, Einatmen

puraka

und das Halten des Atems im Herzen

kumbhaka

. Manche Schriften geben an, dass

rechaka

und

puraka

gleich lang sein sollten,

kumbhaka

aber doppelt so lang, während andere Schriften sagen, dass

rechaka

,

puraka

und

kumbhaka

im Verhältnis 1:2:4 stehen sollten. Mit einer Länge ist die Zeit gemeint, die man braucht, um einmal das Gayatri Mantra aufzusagen.

Pranayama

, das aus

rechaka

,

puraka

und

kumbhaka

besteht, sollte, je nach Fähigkeit, täglich langsam und schrittweise geübt werden. Dann steigt im Geist der Wunsch auf, bewegungslos im Glück zu verharren. Danach sollte man

pratyahara

üben.

Pratyahara

ist die Regulierung des Geistes, indem man ihn daran hindert, sich äußeren Namen und Formen zuzuwenden. Der Geist, der bis jetzt abgelenkt war, wird jetzt kontrolliert. Die Mittel dazu sind 1. Meditation über

pranava

(OM), 2. die Aufmerksamkeit zwischen den Augenbrauen zu fixieren, 3. auf die Nasenspitze zu sehen und 4. über

nada

[den Klang] zu reflektieren. Der Geist, der auf diese Weise auf eins gerichtet wird, ist nun in der Lage, an einem Ort zu verweilen. Danach sollte man

dharana

üben.

Dharana

bedeutet, den Geist auf einen Ort zu fixieren, der für die Meditation geeignet ist. Die besten Orte dafür sind das Herz und

Brahmarandhara

(die Öffnung am Scheitelpunkt des Kopfes). Man soll sich vorstellen, dass inmitten des achtblättrigen Lotus

12

dieses Ortes die Gottheit, die das Selbst, d.h. Brahman ist, wie eine Flamme erstrahlt, und sich darauf konzentrieren. Hiernach sollte man meditieren.

Dhyana

ist die Meditation über den Gedanken: ‚Ich bin Er‘, die beinhaltet, dass man sich nicht vom Wesen der besagten Flamme unterscheidet. Wenn man ergründet: ‚Wer bin ich?‘, dann, ‚erstrahlt Brahman, das überall ist, im Herzen als das Selbst, das der Zeuge des Intellekts ist‘, so erklären es die Schriften. Man erkennt dann, dass es das göttliche Selbst ist, das im Herzen als ‚Ich-Ich‘ erstrahlt. Diese Art der Reflexion ist die beste Meditation.

Samadhi

: Als Ergebnis dieser Meditation löst sich der Geist im Objekt der Meditation auf, ohne die Vorstellung ‚Ich bin so und so. Ich tu dies oder das‘ zu unterhalten. Dieser subtile Zustand, in dem selbst der Gedanke ‚Ich-Ich‘ verschwindet, ist

samadhi

. Wenn man das täglich übt und darauf achtet, dass einen nicht der Schlaf überkommt, wird Gott einem bald den höchsten Zustand der Geistesstille verleihen.“

28.

Schüler: „Es wird gelehrt, dass man in pratyahara über pranava (OM) meditieren muss? Was bedeutet das?“

Meister: „Die vorgeschriebene Meditation über pranava bedeutet folgendes: Pranava ist Omkara (OM), das aus dreieinhalb Silben (matras) besteht, nämlich a, u, m und das ardha matra. A steht für den Wachzustand, visva jiva, und den grobstofflichen Körper, u steht für den Traumzustand, taijasa jiva, und den subtilen Körper, m steht für den Tiefschlaf, prajna jiva, und den kausalen Körper, und das ardha matra steht für turiya (den vierten Zustand), das das Selbst oder das Wesen des ‚Ichs‘ ist. Jenseits von turiya befindet sich der Zustand von turiyatita, die reine Seligkeit. Der vierte Zustand, das Wesen des ‚Ichs‘, wurde im Abschnitt über die Meditation (dhyana) bereits erwähnt. Er wurde verschieden beschrieben: als das Wesen von amatra, das die drei matras a, u. und m beinhaltet, als maunakshara (die Silbe des Schweigens), als ajapa (Aufsagen eines Mantras ohne es aufzusagen) und als Advaita mantra, das die Essenz aller Mantren ist wie das panchakshara13. Um die wahre Bedeutung zu erfassen, sollte man über pranava (OM) meditieren. Diese Meditation ist Hingabe, die in der Reflexion über die Wahrheit des Selbst besteht. Das Ergebnis dieses Prozesses ist samadhi, das die Befreiung bringt, die im Zustand des unübertroffenen Glücks besteht. Die verehrten Gurus haben auch gesagt, dass man nur durch Hingabe, die in der Reflexion über die Wahrheit des Selbst besteht, Befreiung erlangen kann.“

29.

Schüler: „Was ist damit gemeint, dass man über ‚Ich bin Er‘ meditieren soll, über die Wahrheit, dass man sich nicht von der selbstleuchtenden Wirklichkeit, die wie eine Flamme erstrahlt, unterscheidet?“

Meister: „a) Man sollte deshalb die Vorstellung kultivieren, dass man sich nicht von der selbststrahlenden Wirklichkeit unterscheidet, weil die Schriften Meditation folgendermaßen erklären: ‚In der Mitte des achtblättrigen Herzenslotus, der das Wesen aller ist und der als Kailash, Vaikunta und als paramapada beschrieben wird, wohnt die Wirklichkeit, die daumengroß ist. Sie besteht aus einem blendend hellen Blitz und strahlt wie eine Flamme. Wenn man darüber meditiert, erlangt man Unsterblichkeit.‘ Daher wissen wir, dass man bei dieser Meditation folgende Fehler vermeiden muss: 1. den Gedanken an einen Unterschied, indem man denkt: ‚Ich bin anders und das ist anders‘, 2. die Meditation über etwas Begrenztes, 3. die Vorstellung, dass das Wirkliche begrenzt ist und 4. dass es auf einen Ort begrenzt ist.

b) Dass man bei der Meditation ‚Ich bin Er‘ (sahaham, soham) denken soll, hat folgende Bedeutung: ‚Sah’ meint das höchste Selbst und ‚aham‘ das Selbst, das sich als ‚Ich‘ manifestiert. Der