Die Glückskurve des Lebens - Andrea Micus - E-Book

Die Glückskurve des Lebens E-Book

Andrea Micus

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Beschreibung

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Glückskurve des Lebens ähnlich wie ein U verläuft. Jugendliche und junge Erwachsene sind bis zum Alter von etwa 30 Jahren noch recht zufrieden mit ihrem Leben. Danach geht's gefühlsmäßig bergab. Man wird immer unglücklicher, bis man im Alter von 42,5 Jahren den Tiefpunkt erreicht: Und jetzt? Danach steigt bei vielen das Zufriedenheitsniveau unaufhörlich wieder an. Doch woran liegt das? Dieses "Glück" ist nicht einfach ein Geschenk der Biologie oder der Lebenserfahrung, sondern kann bewusst gesteuert werden. In ihrem neuen Ratgeber erklärt Andrea Micus das Phänomen der Glückskurve und zeigt, was man tun kann, um die Intensität und die Dauer des neuen Glücks zu lenken und zu beeinflussen. Anhand vieler Beispiele und Übungen kann man lernen, für sich den besten Weg in die neue Lebensphase zu finden. Erfrischende Erfahrungsberichte älterer Frauen und Männer machen Mut und nehmen die Angst vorm Älterwerden: werden Sie älter, es lohnt sich!

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Seitenzahl: 198

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

1. Auflage 2017

© 2017 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Lektorat: Dr. Alwin Letzkus, Freiburg

Umschlaggestaltung: Manuela Amode, München

Umschlagabbildung und Bilder im Innenteil: shutterstock.com/Angie Makes

ePub by Konvertus

ISBN Print 978-3-86882-859-7

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96121-103-6

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96121-104-3

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter:

www.mvg-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de.

»Das Glück beruht oft nur auf demEntschluss, glücklich zu sein.«

LAWRENCE GEORGE DURREL,ENGLISCHER SCHRIFTSTELLER (1912–1990)

Wenn Sie 18 Jahre alt sind, gerade den ersten Schulabschluss in der Tasche haben, liegt das Leben ausgebreitet wie ein Game-Park in grell blinkenden Farben vor Ihnen und Sie sitzen ganz oben auf der Glückskurve und sehen fröhlich und unbekümmert in die Zukunft.

Wenn Sie in der Mitte des Lebens sind, klappen manche Träume wie Kulissenwände im Sturm zusammen. Sie schuften, rennen, stöhnen und versuchen mit ganzer Kraft zu retten, was noch an Träumen in Ihren Köpfen spukt. Das Leben? Hui, ist das anstrengend. Das Glück? Es hat sich gerade gut versteckt. Sie hocken auf dem »bottom« der Glückskurve und sehen um sich herum nur farblose Wände.

Wenn Sie »Third Ager« sind, entpuppt sich das letzte Lebensdrittel plötzlich als Wellnessoase mit spannendem Animationsprogramm und überraschenden Ausflugsangeboten. Wenn Sie jetzt richtig Schwung geben und ein paar Kletterkniffe beherrschen, können Sie wieder da oben auf der Glückskurve sein, wo Sie schon mit 18 waren. Verlieren Sie keine Zeit. Nur los!

INHALT

Vorwort

Das Glück ist ein »U«

Das Rezept für Ihr ganz persönliches Glück

Positives Denken – Der Generalschlüssel zum Glück

Gelassenheit – Die herrliche Lebensart der Lässigkeit

Liebe – und zwar so viel wie möglich

Soziale Kontakte – sie halten uns mollig warm

Kreativität – Querdenken und von Künstlern Begeisterung lernen

Abwechslung – damit das Leben wieder Kopf steht

Eigenverantwortung – Schreiben Sie Ihr eigenes Drehbuch

Sinnvolles tun und anderen helfen

Und noch zum Schluss

Anhang

VORWORT

Liebe Leser/innen,

Mein Sohn hat gerade Abitur gemacht und zieht bald aus, meine Tochter ist seit Kurzem verheiratet, mein Hund ist altersblind und mein Mann trägt neuerdings grellgrüne Jacketts. Mein Leben ist im Umbruch und ich spüre das auch daran, dass Pumps partout nicht mehr zu meinen Füßen passen wollen, Partys um 24 Uhr enden und ich das Etikett auf der Weinflasche im Restaurant vor Kurzem nur mithilfe der Handylampe lesen konnte. Ach ja, noch etwas ist anders. Man hört mir seit einiger Zeit auffallend intensiv zu, besonders junge Leute, still, höflich, respektvoll. Dabei ist das, was ich sage, gar nicht sonderlich interessant. Aber sie sind eben gut erzogen und »ehren das Alter«. Wie weit das geht, habe ich kürzlich in einem Studentenlokal erlebt. »Darf ich Ihnen helfen?«, hat mich die junge Bedienung gefragt, als ich von der Toilette kam. Helfen? Wobei? Nein, ich hatte außer einem Kaffee nichts getrunken und empfand mich auch keineswegs als orientierungslos. Etwas verdattert habe ich sie angelächelt, was sie so interpretierte, dass sie mich höflich plaudernd zurück an den Tisch »geleitete«, und – kein Witz – mich dabei sogar am Ellbogen führte. Offenbar hatte sie irgendetwas an meinem Verhalten auf die Idee gebracht, dass ich einer betreuten Wohngruppe entwischt sein könnte. Aber rückblickend ist mir der Grund klar: In ihren Augen bin ich alt. Um mit der berühmten Milva zu sprechen: »Die Jugend gibt ihr wohl das Recht.«

Ich kann im Dunkeln schlecht Auto fahren, die Konfektionäre schneidern neuerdings enger, grau steht mir gar nicht mehr und den Anblick von Hals und Dekolleté ertrage ich nur, wenn das Kinn ganz oben ist. Im Winter tun mir die Knie weh und ich bin überrascht, dass die Sexidole meiner Jugend mächtig in die Jahre gekommen sind und außer dem Pflegeinstinkt nichts mehr in mir ansprechen. Sorry Richard Gere!

Meine Kollegen könnten meine Kinder sein und auf dem Geburtstag meiner besten Freundin saßen nur alte Frauen, von denen die eine oder andere eine Klassenkameradin war. Wie geht das eigentlich?

Aber zu all den Kuriositäten kommen auch andere Wahrnehmungen. Ich bin topfit! Ich fahre locker quer durch Deutschland zu Terminen, habe Spaß an meiner Arbeit, schreibe immer bessere Bücher und habe vor Kurzem barfuß im Sand getanzt, und das nicht nur fünf Minuten. Wenn es in meiner Familie kracht, füttere ich meine Schildkröte, und wenn ein Auftrag platzt, setze ich mich ganz entspannt in die Sonne. Aufregung? Was ist das?

Ich möchte unbedingt mal wieder nach Südamerika und innerhalb der nächsten sechs Wochen drei Kilo abnehmen. Ich plane ständig neue Projekte, lerne perfektes Spanisch, treffe mich mit spannenden Menschen und finde die Welt und mein Leben bunter denn je und werde so garantiert hundert. Es geht mir prächtig.

Wenn ich ehrlich bin, habe ich das nicht erwartet. Meine eigene Entwicklung hat mich überrumpelt. Und – das hat mich noch mehr überrascht – es gibt viele, denen es genauso geht wie mir. Die Generation 50plus ist gar nicht auf dem Abstellgleis, sondern auf der Startrampe. Ich wollte wissen, warum das so ist. Jetzt habe ich die Antworten. Deshalb gibt es dieses Buch.

Viel Spaß beim Lesen!

PS: Lassen Sie danach ruhig den Fuß auf dem Gas ...

DAS GLÜCK IST EIN »U«

»Ich bin so glücklich wie noch nie in meinem Leben«, sagt Ute lächelnd und lehnt sich entspannt zurück in ihren Korbstuhl. Sichtbar genießt sie die Sommersonne im Gesicht, atmet tief die herrlich milde Luft ein und wippt dabei fröhlich mit den Füßen.

Ist Ute frisch verheiratet? Hat sie gerade ein Kind bekommen? Oder ist sie befördert worden und freut sich über den Job, auf den sie sich in frühestens drei Jahren Chancen ausgerechnet hat? Das sind doch die Momente, in denen man tiefes Glück empfindet und so einen Satz selig entrückt ausspricht. Wir wissen: Es sind die Stimmungen zwischen erreichten Lebenszielen, Erfolg, Bestätigung und einfach Wohlbefinden, die glückstrunken machen.

Aber es ist nichts von alledem! Ute ist keine Mittdreißigerin, die ihre intensive Freude im Überschwang heraussprudelt. Ute ist eine gestandene Frau Mitte 60, mit mittellangem graumeliertem Haar, einer makellos gebräunten Haut und lebensfroh blitzenden Augen. Ihre Hochstimmung ist keine Momentaufnahme. Ute ist dauerhaft glücklich und wenn sie diesen Satz sagt, meint sie damit, dass sie das ultimative Lebensgefühl spürt, in dem für sie alles stimmt.

Dabei wirkt Utes »Hier und Jetzt« nicht besonders spannend. Sie ist vor Kurzem mit ihrem gleichaltrigen Mann Heiner an die Nordsee gezogen und hat sich 30 Kilometer von der Küste entfernt, in der Nachbarschaft ihrer ältesten Tochter, ein kleines, einfaches Häuschen gekauft. Ute geht viel mit einer Hundebesitzer-Gruppe spazieren. Heiner liebt es, mit Freunden zu angeln. Gemeinsam werkeln sie in Haus und Garten.

Nichts von dem haben sie früher gemacht. Früher, da führten sie ein komplett anderes Leben. Es gab ein imposantes Stadthaus in der Dortmunder Innenstadt, drei Kinder, zwei Autos, zwei Hunde, einen großen Freundeskreis und viele gesellschaftliche Termine. Ute hat als selbstständige Vertreterin für einen Modebetrieb gearbeitet, Heiner als Ingenieur deutschlandweit Projekte betreut. »Es war spannend, kein Tag war wie der andere«, erinnert sie sich. Und Heiner meint: »Unser Leben war anstrengend, fordernd, mit vielen Verpflichtungen, aber aufgrund unserer Selbstständigkeit mit wechselnden Erfolgen irgendwie auch immer ein Ritt auf der Rasierklinge.«

Es gab viel Tempo, nie Ruhe. Ute liebte die Großstadt, Bars, Geschäfte. Heiner schnelle Autos. Ganz anders als heute. Sie fahren viel Rad, meistens am Meer entlang. Mit der Nähe zum Wasser haben sie sich einen Traum erfüllt. Dazu die Abgeschiedenheit, das Einfache, Reduzierte – all das zusammen macht sie glücklich, sehr glücklich.

Gibt es das wirklich? Sind Ute und Heiner mit weniger zufriedener? Mit weniger Ansehen, Geld, Verantwortung, Komfort? Fühlen sie sich wirklich wohl in der Einöde zwischen Ebbe und Flut und dem einzigen Highlight des vergangenen Jahres, der 100-Jahr-Feier der Freiwilligen Feuerwehr, der sie seit sechs Monaten angehören? Reicht es ihnen, einmal im Jahr mit dem in die Jahre gekommenen Wagen gemütlich nach Skandinavien zu zuckeln?

Ute kann die Skepsis gut verstehen. Sie kann selbst kaum glauben, dass es ihr neuerdings so rundherum gut geht. Ohne teure Kleidung, die ihr Markenzeichen war, ohne teure Restaurants, in denen sie als Stammkundin verkehrte. Ohne das ständig rappelnde Handy, weil irgendein Kunde sie unbedingt sprechen musste.

Seitdem sie in Rente ist, gibt es nichts mehr davon und das genießt sie. Erwartet hat sie das Glück im fortgeschrittenen Alter allerdings nicht. Im Gegenteil, sie war besorgt und weiß noch genau, wie unsicher sie mit Anfang 50 auf diese Zeit, ihre Zukunft, geblickt hat, in zweierlei Hinsicht. »Damals hatte ich furchtbare Angst vor der Zukunft. Angst, nicht mehr gebraucht zu werden, und Angst, finanziell nicht zurechtzukommen. Ich habe mich viele Jahre damit gequält. Mein Mann und ich waren ja beide selbstständig gewesen und hatten nur eine kleine Rente zu erwarten. Ich dachte mir immer, das geht gar nicht, wir werden an Langeweile zugrunde gehen, weil wir uns keine aufwendigen Abenteuer mehr erlauben können. Das Leben wird noch ein bisschen vor sich hinplätschern, und das war’s dann. Heute weiß ich: Meine Sorgen waren unbegründet. Wir brauchen nicht viel, weil wir innerlich glücklich sind. Wir erleben gerade die beste Zeit unseres Lebens.«

Ute schüttelt jetzt den Kopf. »Hätte man mir damals gesagt, dass es im Alter gar nicht steil bergab, sondern steil bergauf geht, ich hätte jeden verlacht.«

So wie Ute denken die meisten Menschen bei uns. Mit Glück verbinden wir Jugend, und wie kann man glücklich sein, wenn der Körper abbaut und der Verstand schwindet und die Zeit unabänderlich dem Ende zugeht? Das passt einfach nicht zusammen!

Mit dem Alter verbinden wir auch wenig Spannung und Perspektive, dafür eher Schmerzen und Einsamkeit. Und weil das so ist, bedrückt uns diese Vorstellung meist schon in der Lebensmitte, wenn das Alter ab und zu mal vorsichtig anklopft. Wir realisieren, dass wir nicht mehr jung sind. Denn wenn wir uns unsere Lebenszeit wie eine Maßeinheit, zum Beispiel einen Zollstock, vorstellen, ist ein großer Teil bereits abgelebt. Das Ende blinzelt uns schon an. Für Glück ist angesichts der existenziell bedrohlichen Vorstellung kein Platz mehr.

Umso lieber blicken wir zurück. Denn da hat es ja mit dem Glück noch ganz gut geklappt. Wenn das Leben beginnt, denkt man nicht an das Ende, sondern mit übersteigertem Optimismus an die Zukunft.

Alles scheint möglich, nichts unmöglich, man kann alles werden, alles erreichen. Im Kindergarten werden wir Prinzessin, Tierpfleger und Raumfahrer, in der Schule »Germanys next Topmodel« und Fußballer. Bis auf schlechte Noten und strenge Lehrer, ein bisschen Liebeskummer und nörgelige Eltern geht es uns gut. Wir haben Träume, Visionen, bauen uns etwas auf. Im Auge haben wir die Zukunft. Es gibt nur eines: nach vorn gehen, so schnell und so gut wie möglich. Und alles soll uns noch glücklicher machen.

Wir planen, kalkulieren, streben, und wenn wir eine Stufe erreicht haben, denken wir sofort an die nächste, meistens sogar schon vorher. Das Glück ist und bleibt unser treuer Weggefährte. Daran gibt es keinen Zweifel.

In Ausbildung und Studium malen wir uns aus, wie wir später Firmen gründen, Geschäfte eröffnen, Topmanager werden und Konzerne umstrukturieren. Die Fantasie ist unbegrenzt und wir können uns vorstellen, an jedem Punkt der Erde zu leben.

Wir denken immer an die Zukunft, an das, was wir alles werden und erreichen wollen. Der Alltag, das Hier und Jetzt ist immer nur die nächste Startrampe. Wir werden Bankkaufmann, weil wir später exzellent Kunden beraten wollen. Wir studieren Architektur, weil wir hervorragende Häuser bauen wollen, wir werden Kaufmann, damit wir besonders gute Geschäfte machen können, natürlich die ganz großen. Wir leben den Tag mit dem Blick in die Zukunft, sind immer in Bewegung. Bloß nicht anhalten, nicht ruhen. Stillstand gibt’s nicht. Das ist für uns Glück. Dafür bringen wir Leistung, unermüdlich, für eine Wohnung, ein Auto, die Reise. Wir suchen einen Partner, weil wir uns Kinder wünschen, für die wir ein Haus brauchen.

Unser Leben verläuft nach einem unsichtbaren Konzept, dem wir engagiert folgen. Gut, manche drehen eine Schleife, lassen sich ein paar Jahre länger Zeit und gönnen sich den einen oder anderen Umweg. Aber das Ziel erreichen sie trotzdem. So what!

WAS PASSIERT, WENN ALLES DA IST?

Aber irgendwann ist es dann so weit: Wir haben alles: den Job und das Haus, den Partner und die Kinder. Und jetzt? Wir sind glücklich. Natürlich. Wir haben doch das, was wir wollten. Aber es soll trotzdem immer schneller, weiter, höher gehen. Nur gibt es jetzt Verpflichtungen. Schulzeiten, Verträge, Kredite. Und dass wir nicht Topmodel und Fußballer werden, haben wir längst begriffen. Aber langsam dämmert es uns auch, dass wir nicht mehr der Konzernlenker und die gefragte Innenarchitektin werden. Vielleicht haben wir sogar das Zeug dazu. Aber was hilft es, wenn es niemand erkennt. Und etwas Unumstößliches spricht dagegen: die Zeit. Denn mit der Umsetzung der vielen angestrebten Ziele sind die Jahre zwischen unseren Fingern zerronnen. Wir können rechnen, ja klar. Aber wir haben es einfach nie getan. Jetzt erwischt es uns wie eine kalte Dusche. Es ist glasklar: Ein großer Teil unseres Lebens ist unwiederbringlich vorbei. Aufgeraucht wie eine Zigarette. Und nach vorn sehen geht nicht mehr. Da wartet ja die Angst.

Wir müssen uns im Hier und Jetzt einrichten, doch das fällt uns nicht leicht, denn richtig zufrieden sind wir schon lange nicht mehr.

Aber da war doch noch was? Ja richtig, GLÜCK. Aber bloß nicht darüber nachdenken. Die Zeit ist knapp. Bei Männern lässt die Potenz nach. Frauen quälen sich durch die Wechseljahre. Die Augen funktionieren nicht mehr perfekt; wir brauchen eine Brille. Plötzlich sind auch die bislang ganz unbekannten gesundheitlichen Zipperlein da. Wir vertragen bestimmte Lebensmittel nicht mehr so gut und kommen nur mit einem lauten Aufstöhnen aus dem auf einmal irgendwie zu tief gelegten Auto, weil uns die Knochen schmerzen. Warum bauen die Autokonzerne neuerdings so enge Kisten?

Und noch etwas anderes macht uns zu schaffen: die Konkurrenz. Die Jugend rückt auf, versucht uns mal mehr, mal weniger offensiv, manchmal sogar mit Lichthupe von der Überholspur zu drängen. Eine Zeit lang halten wir noch mit, aber dann müssen wir sie an uns vorbeiziehen lassen und wehmütig den in der Ferne verschwindenden Rücklichtern nachsehen. Bitter!

Das ›Kann-ich-noch-mithalten‹-Gefühl wird zum Stressfaktor Nummer 1, sowohl im Job als auch bei den Äußerlichkeiten. Bei den Jüngeren beobachtet man den besser federnden Gang, die schlankeren Beine und die makellosen Gesichter. Und im Erwerbsleben fühlen wir uns plötzlich verfolgt und getrieben.

In den Firmen begegnen uns Verantwortliche, die das Alter unserer Kinder haben, und die Moderatoren im Fernsehen werden auch immer jünger. Überhaupt werden alle immer jünger: der Arzt, der Bankangestellte, selbst der Bürgermeister ist ein junger Spund.

Und zu allem Übel steckt das partnerschaftliche Erleben auch noch im Krisenmodus. Frauen fehlt die Bewunderung des anderen Geschlechts, das Begehrt- und Umworbenwerden. Sie merken deutlich, dass die Männer ihnen nicht mehr aufgekratzt nachstarren, sondern lieber weiter am Handy daddeln. Und mit jedem Jahr werden sie als Weib unsichtbarer. Das Selbstbewusstsein wird wackelig.

Den Männern geht es nicht anders. Sie stellen sich zwar alle vor, mit einer halb so alten Partnerin durchzubrennen. Aber was bitte machen die, die kein prall gefülltes Portemonnaie haben? Die gehen genauso leer aus wie die Frauen, bleiben unbeachtet.

Und dann sind sie da: erst die großen Fragen und dann die großen Ängste, vor der Zukunft, die jetzt das Synonym für »Alter« ist, vor der großen Einsamkeit, vor Armut, Krankheit, Unglück.

Habe ich alles richtig gemacht? Bin ich zu oft falsch abgebogen? Was ist mit den verpassten Chancen? Aber auch: Wie schnell werde ich richtig alt? Und damit auch: Wann geht es mir richtig schlecht? Veränderungen und ein Leben nach Neigung sind einfach nicht mehr möglich. Unser Glück, wo ist es bloß geblieben? Die Verzweiflungsschlinge zieht sich immer fester um unseren Hals. Soll das jetzt alles gewesen sein? Verunsichert sehen wir uns um und unsere Ängste werden bestätigt. Die Eltern sind klapperig geworden, der beste Freund geht neuerdings irgendwie gebückt und die liebste Freundin, die immer so rassig durchs Leben stöckelte, trägt nur noch lässige Sneakers, weil sie nur noch in denen laufen kann.

Dazu rütteln uns die ersten Todesfälle auf und wir gehen zunehmend auf Geburtstage, die mit einer 5 oder 6 beginnen. Uns wird schneller als erwartet klar: Wir sind die nächsten, die dran sind, tatterig zu werden. Der Zenit der Lebenszeit ist überschritten. Während uns früher die Zeit endlos erschien, können wir das Ende jetzt in greifbarer Nähe sehen, und das bei jedem Blick in den Spiegel.

Denn längst sind die Falten unübersehbar, die grauen Haare auch, die Gesichtsmuskeln erschlaffen zusehends. Und das Glück, es ist passé, untergegangen in all unseren Kämpfen darum.

Es fehlt die strahlende Zukunft, die früher doch so golden leuchtete und auf die man sich immer so freute. Was jetzt kommt, wirkt grau, düster, bedrohlich. Vor unseren Augen tanzen Bilder von alten, hilfsbedürftigen Menschen, die in bemitleidenswertem Zustand im Rollstuhl durch die Sommersonne gefahren werden.

»Ich will das nicht!«, schießt es uns durch den Kopf. Wir wollen nicht geistlose Dialoge führen mit Menschen, die immer im Plural sprechen. Hat es uns geschmeckt? Hatten wir Verdauung? Na, sind die Blumen draußen nicht schön bunt? Die Standardsätze der Pflegekräfte, wir wollen sie nicht hören.

Und das Ende ist so nah. Was ist denn mit all den Dingen, die wir noch erleben wollten? Wenn wir erst einmal über Pillen und Gymnastikkurse sprechen, kommt doch nichts mehr, da sind wir uns ganz sicher. Italienisch lernen, nach Schottland reisen, Angkor Wat besuchen, noch einmal Zebras in freier Wildbahn erleben, eine Hüttentour in den Alpen unternehmen und einmal sechs Wochen durch die neuen Bundesländer fahren und einfach nur das herrliche Land auf sich wirken lassen. Adler am Himmel beobachten und Esel streicheln. Wann sollen wir das alles machen, wenn nicht jetzt, jetzt sofort. Es wird knapp. Furchtbar knapp. Und plötzlich ist sie da, die große Unzufriedenheit in der Lebensmitte. Statt die Zeit zu nutzen, um uns in Ruhe auf den dritten Lebensabschnitt vorzubereiten, drehen wir durch, werden wunderlich und nehmen Reißaus vor den Realitäten.

Wir wollen unser Dasein deshalb rechtzeitig auskosten und so oft und intensiv wie möglich auf der Glückswelle schwimmen. Dafür sind wir bereit, jetzt besonders kräftig durch den Alltag zu strampeln und nichts auszulassen, was Glück verspricht.

Wir steuern jetzt mächtig dagegen, geben noch einmal richtig Gas, zeigen uns und allen anderen, dass wir noch jung sind und mithalten können. Dafür ist uns jedes Mittel recht, auch die Hände des Chirurgen.

Die Frauen nehmen sich jetzt nicht nur in der Fantasie junge Liebhaber aus dem Urlaub mit nach Hause und die Männer lassen wirklich Haus und Familie sausen, um mit Mädchen im Alter ihrer Töchter endlich »ganz neu anzufangen«. Eine Zeit lang glauben sie tatsächlich, dass die jungen Mädchen ihre wabbeligen Bäuche nicht sehen und sie ernsthaft attraktiv finden. Genauso wie die Liebhaber verschwinden, wenn sie die Aufenthaltsgenehmigung in der Tasche haben. Wie dumm ist das eigentlich?

Angst und Unzufriedenheit, Panik und ein gehemmter Blick in die düsteren letzten Jahre prägen den Alltag. Wir setzen noch mehr an, weil wir wissen, dass sowieso nichts Spannendes mehr kommt. Und wir wagen nichts mehr, weil es sich sowieso nicht mehr lohnt. Für die paar Jahre noch aufstehen? Wozu? Und die Psyche steckt die trüben Gedanken nicht gut weg.

In keinem Alter treten so häufig Depressionen auf wie zwischen 40 und 60 Jahren, auf der Schwelle zur Reife. In keinem Alter sind so viele Menschen beim Psychotherapeuten. Die Scheidungsrate ist hoch, die Aussteigerrate auch. Wer kann, haut ab. Egal wohin, nur schnell noch die wenigen Jahre auskosten, bis wir sabbernd in den Demenzgarten geschoben werden und uns über die gottverdammte Verdauung unterhalten müssen. Weltweit fühlen sich die Menschen mit etwa 44 Jahren am schlechtesten. Bei den Deutschen ist mit 42,9 Jahren die Stimmung am Tiefpunkt. Und die grausliche Nachricht: Es ist kein punktuelles Empfinden, sondern das düstere Elend verfestigt sich in diesem Alter und ist zeitlich ganz breit, das heißt auf mehrere Jahre angelegt. In dieser Untergrundstimmung dreht sich alles ums Aufgeben. Das ganze Leben ist Aufgeben. Untergehen. Aus. Vorbei. Tristesse. Und das geht interessanterweise allen Menschen so, überall auf der Welt.

Die Ökonomen David Blanchflower aus Amerika und Andrew Oswald aus England haben die Daten aus den Jahren 1972 bis 2006 von mehreren Millionen Menschen aus 80 Nationen auf allen Kontinenten ausgewertet. Das Ergebnis: Die Krise in der Lebensmitte ist ein weltweites Phänomen. Es betrifft beide Geschlechter und es ist unwichtig, ob man arm oder reich, verheiratet oder ledig, gebildet oder ungebildet ist. Die verbrauchte Lebenszeit realisierend und das Ende näherkommen sehend werden Menschen unzufrieden und teilweise depressiv, es geht ihnen schlecht.

Hier muss man anmerken, dass Leiden individuell ist. Jeder leidet anders, manche mehr, manche weniger. Aber dass es so vielen Menschen in dieser Altersgruppe weltweit ähnlich geht, ist ein Phänomen. Und noch schlimmer: Entrinnen kann dem Tief in der Lebensmitte anscheinend niemand.

Die Ursachen sind spekulativ. Forscher nehmen an, dass man sich im mittleren Lebensabschnitt eingestehen muss, bestimmte Ziele nicht mehr erreichen zu können.

Die Menschen haben den niedrigsten Grad an Zufriedenheit und – hört, hört – den höchsten Grad an Angst in ihrem Leben. Damit ähnelt die Midlife-Crisis der Pubertät.

Ruut Veenhoven, Soziologe und Glücksforscher an der Universität Rotterdam, schiebt es auf die zeitlichen Belastungen der Menschen in der Lebensmitte. »Sie sind außerordentlich ›busy‹. Ich nenne es die Rushhour des Lebens mit ihrem Verlust an Freiheit und ihren vielen Belastungen: Karriere, Kinder, Kredite.«

RICHTIG GLÜCKLICH, WENN DIE MAGISCHE 50 ÜBERSCHRITTEN IST

Aber wir dürfen aufatmen. Nichts ist für immer, auch nicht das Unglück. Wer glaubt, dass es ab 50 nur noch stetig bergab geht bis zum Supergau, der irrt. Genau das Gegenteil ist der Fall. Wie bei Ute und Heiner und Millionen anderer Menschen auf der ganzen Welt. Denn es gibt eine gute Nachricht und die konterkariert die Krisenstimmung grundlegend, weil auch sie sich durch viele Studien belegen lässt.

Die schlechte Stimmung verfliegt!

Wer in der Midlife-Crisis denkt, er muss sich beeilen, um noch einmal den Hauch von Glück zu spüren, kann einen Gang zurückschalten und den Wagen ausrollen lassen. Wir müssen nicht hektisch versuchen, etwas von der Jugend einzufangen, um noch einmal glücklich zu werden. Denn das Leben hält eine Riesenüberraschung für uns parat. Bevor leise das Licht ausgeht, dreht es noch einmal richtig auf, und jetzt lohnt es sich, wieder Gas zu geben. Denn die Erwartung überzeugt. Wie in einer Silvesternacht gibt das Leben auf der Schlussgeraden alles: Das Feuerwerk explodiert in den schönsten Farben, mit viel Brimborium und lautem Getöse bekommen wir die ganz große Lightshow des Glücks. Wir müssen in der Lebensmitte nicht panisch aufschrecken, sondern können geduldig nach vorn sehen und uns auf das freuen, was kommt: das Alter. Denn es wird schön, richtig schön, und wir werden wieder so glücklich wie als Kind und Jugendlicher. So wie damals in der Schule, als wir morgens früh um halb acht mit drei guten Freunden kichernd und feixend losgegangen sind und die einzigen Sorgen eine Mathearbeit und ein vergessenes Schulheft waren. Unbeschwert und lebensfroh. Wir werden intensiv lieben und intensiv leben und erleben, und wir können, wenn wir denn wollen, auch noch die ganz großen Erfolge feiern. Vorhang auf. Die Show beginnt. Und sie kann thematisch ganz unterschiedlich sein.