Die gute Kita - Ilse Wehrmann - E-Book

Die gute Kita E-Book

Ilse Wehrmann

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Beschreibung

Kinder wachsen heute in einer Welt auf, die sich rasant und unvorhersehbar verändert. Wir können nur raten, welche Kompetenzen sie später benötigen werden. Die Kita hat deshalb die entscheidende wie herausfordernde Aufgabe, Kinder stark zu machen für die Zukunft. Dafür müssen sie in der Kita erfahren, dass sie selbst etwas bewirken können. Wie dies genau gelingt und welche Rahmenbedingungen es dafür braucht, beschreiben die Autor:innen ganz konkret in diesem Buch.

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© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2024

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlagkonzeption und -gestaltung: Gestaltungssaal, Rohrdorf bei Rosenheim

Satz: Sabine Hanel, Gestaltungssaal

Coverillustrationen: © syntika - GettyImages

Illustrationen im Innenteil: © Abbasy Kautsar - GettyImages, © bgblue - GettyImages, © Blankstock – GettyImages, © Culombio Art - GettyImages, © LueratSatichob - GettyImages, © Oksana Sazhnieva - GettyImages, © ozalp - GettyImages, © PeterSnow - GettyImages, © rambo182 - GettyImages, © syntika - GettyImages, © Sabine Hanel - Gestaltungssaal

E-Book-Konvertierung: Newgen Publishing Europe

ISBN (Print) 978-3-451-39826-1

ISBN EBook (EPUB) 978-3-451-83266-6

ISBN EBook (PDF) 978-3-451-83258-1

Inhalt

Einleitung

TEIL I: WIE SIEHT GUTE STRUKTURQUALITÄT AUS?

1. Räumliche Dimension

2. Gruppengrößen

3. Personalschlüssel, Fachkraft-Kind-Relation und Arbeitsbedingungen

4. Qualifikation der Fachkräfte/Leitung

5. Multiprofessionelle Teams

6. Inklusive Kindertageseinrichtungen

7. Unterstützungssysteme

8. Finanzierung

TEIL II: WIE SIEHT GUTE PROZESSQUALITÄT AUS?

9. Entwicklungs- und Bildungsbegleitung

10. Raum und Ausstattung im Innenbereich

11. Raum und Ausstattung im Außengelände

12. Alltagsgestaltung

13. Körperliches und psychisches Wohlbefinden, Gesundheit

14. Haltung, Wertevermittlung und Partizipation

15. Diversitätsorientierte Inklusion

16. Altersmischung

17. Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit Familien

18. Sozialraumöffnung und Vernetzung

TEIL III: WIE SIEHT GUTE QUALITÄTSSICHERUNG AUS?

19. Qualitätsmanagement und Qualitätsmessung

20. Externe Evaluation – der kompetente Blick von außen

Ausblick

Literatur

Danke

Unser Dank gilt allen, die am Entstehungsprozess des PromiK-Verfahrens beteiligt waren. Stellvertretend seien hier Katrin Gralla-Hoffmann, Nikolas Schnabel, Susanne Kalbreier und Ilka Maserkopf genannt. Ebenso danken wir allen PromiK-Erheber:innen, die durch ihre professionellen Erhebungen zur Qualität des Verfahrens beigetragen haben, die es heute hat. Außerdem ein großes Dankeschön an Maren Buchholzke und Sandra Richter für ihre wertvollen Anregungen und Ergänzungen.

Last but not least danken wir allen pädagogischen Fachkräften, die in den Kitas unter widrigsten Umständen täglich ihr Bestes geben. Halten Sie durch und kämpfen Sie mit für bessere Bedingungen in der Frühpädagogik! Wir haben Hochachtung vor Ihnen und sind an Ihrer Seite!

Einleitung

Verschlafen wir die Zukunft unserer Kinder? Kaum ein anderes europäisches Land gibt weniger seines Bruttoinlandsprodukts für Bildung aus als Deutschland (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2019). Die erste Studie zur Qualität in deutschen Kitas, die Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit (NUBBEK) zeigte, dass nur drei Prozent der untersuchten Krippen-Einrichtungen eine gute, 85 Prozent eine mittelmäßige und zwölf Prozent sogar eine unzureichende Qualität aufwiesen. Und in den Kitas sieht es nicht viel anders aus. Noch gibt es viel zu wenige wirklich gute Kitas (vgl. Laewen & Andres 2022, S. 35ff.).

Zahlreiche Forschungsergebnisse machen deutlich, dass die institutionelle Betreuung nur dann nicht die kindliche Entwicklung schädigt, wenn sie von hoher Qualität ist (vgl. ebd., S. 43). Deshalb ist hier zuerst einmal zu fragen: Was ist schiefgelaufen?

Es gibt noch viel zu wenig gute Kitas.

Kita-Ausbau ohne Qualitätssicherung

Mit der Schaffung eines Rechtsanspruchs auf Betreuung im Jahr 2013 hatte sich das deutsche Bildungssystem ein sportliches Ziel gesetzt. Es kam zu einem raschen Ausbau an Kita-Plätzen, wobei auch heute noch – eigentlich ein Rechtsbruch – immer noch insgesamt 430.000 Betreuungsplätze in Deutschland fehlen (vgl. Bertelsmann Stiftung 2023). Ganz nebenbei droht hierdurch inzwischen ein wirtschaftliches Risiko (vgl. Böcking & Marquardt 2023). Auf der Strecke geblieben ist die gleichzeitige Sicherung eines Qualitätsanspruchs in der frühkindlichen Bildung. Der aktuelle Fachkräftemangel führt so dazu, dass Kinder in manchen Einrichtungen nur noch „verwahrt“ werden können und die Erzieher:innen ihrem Bildungsauftrag und ihren pädagogischen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden können (vgl. Klusemann et al. 2023).

Personalschwund im deutschen Bildungssystem

Der Personalmangel in deutschen Kitas verschärft sich seit Jahren und hat durch die Pandemie einen weiteren Schub erfahren. Schon heute können viele Kitas ihre Öffnungszeiten nicht mehr gewährleisten, Tendenz steigend. Im kürzlich veröffentlichten „Cornelsen Bildungsindex“ gaben 74 Prozent der befragten Expert:innen an, dass sie (sehr) unzufrieden mit der Personalsituation seien (vgl. Cornelsen Verlag GmbH 2023, S. 10). Der Kita-Ausbau verursachte einen höheren Personalbedarf bei gleichzeitiger Tendenz zur Verrentung und stagnierender Attraktivität des Berufsfelds. Nach wie vor ist der Beruf Erzieher:in gesellschaftlich wenig angesehen, Lohn und Aufstiegsmöglichkeiten sind gering bei erheblicher Arbeitsbelastung.

Neue Herausforderungen der letzten Jahre

Mit dem Fachkräftemangel einher gehen seit einigen Jahren Herausforderungen, welche Kitas vor weitere Aufgaben stellen. Migrierte und geflüchtete Familien brauchen eine besondere Unterstützung, die Kinderarmut nimmt zu, „Brennpunkt-Kitas“ sind auf sich gestellt, und die Chancenungleichheit verschärft sich. Hier werden Fachkräfte schlicht alleingelassen, und die Gesellschaft versäumt es, sich um die Schwächsten zu kümmern.

Bürokratische Hürden und die Tücken des Föderalismus

Die Länder stehen sich beim Kita-Ausbau selbst im Weg. Viel zu oft verzögern bürokratische Hürden den Bau von Kindertagesstätten, sodass es manchmal Jahre dauert, bis ein Projekt überhaupt genehmigt, geschweige denn abgeschlossen wird. Weitere Problemlagen ergeben sich durch den deutschen Föderalismus: Weil Bildung Ländersache ist, fehlen einheitliche Standards, und Zuständigkeitswirrwar sowie mangelnde Verantwortlichkeiten sind oft die Folge.

Fehlentwicklungen seit der Wiedervereinigung

Deutschland musste nach der deutschen Einheit zwei Systeme vereinen, die sowohl hinsichtlich der Betreuungsstruktur als auch hinsichtlich des Familienbildes differierten. Das hat – wie wir heute im Rückblick erkennen können – einen Reformprozess im Bildungssystem, wie ihn andere europäische Länder vollzogen haben, verschleppt.

Was ist zu tun?

Es ist an der Zeit für nachhaltige Veränderungen. Seit Jahrzehnten werden im Kita-Bereich Vorschläge gemacht, Enttäuschung und Frust formuliert. Es ist an der Zeit, laut zu werden, wachzurütteln und eine Bildungsrevolution zu starten. Hergen Sasse spricht von konstruktiver Aggression, die von Erwartungen über Enttäuschung, Frust und Ärger zu Wut führt (vgl. ebd. 2023, S. 93f.). Nun müssen wir unsere Wut konstruktiv nutzen!

„Ich wünsche mir, dass unser Bildungssystem eines Tages allen Kindern in Deutschland, egal welche soziale und ethnische Herkunft sie haben, optimale Startchancen für ihr Leben bietet. Und das geht zuallererst durch Bildung“ (Wehrmann 2023, S. 221). Wir, das Land der (Dichter und) Denker, ein Land ohne nennenswerte Bodenschätze, können es uns nicht erlauben, unsere einzige Ressource, die Bildung, zu vernachlässigen. Wir können es nicht dem Zufall überlassen, ob ein Kind in einer Kita mit mittelmäßiger oder ungenügender Qualität, von einer mehr oder weniger feinfühligen Fachkraft betreut wird – und damit, welche Zukunftschancen es hat. Dazu kommt: In unserem föderalistischen System ist Bildung nach wie vor Ländersache; jedes Bundesland hat ganz unterschiedliche gesetzliche Vorgaben und Empfehlungen, und die Qualität ist entsprechend Auslegungssache.

Für eine gute Qualität in Kitas tragen alle Beteiligten Verantwortung: Politik, Träger und ihre Verbände, Leitungen und Fachkräfte. Eine Bildungspolitik, die sich allein auf das Berufsethos und Engagement der pädagogischen Fachkräfte verlässt, ohne gleichzeitig die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, „wird die Misere des Bildungssystems nicht lösen“ (Martinet 2021, S. 341).

Der Weg zu höherer Qualität in der Frühpädagogik muss ein gemeinsamer Weg von Politik, Trägern und Mitarbeitenden sein: Die Politik schafft die Bedingungen, unter denen Träger ihren Mitarbeitenden wiederum die Bedingungen bieten können, die es den Fachkräften ermöglichen, qualitativ hochwertige Bildung und Betreuung zu gewährleisten. Wenn es um gute Bedingungen für Kinder und ihre Entwicklung geht, darf sich keiner mehr rausreden können.

Stellen wir uns vor, dass die Kinder die Blumen sind, die wir zum Blühen bringen wollen: Dann muss die Politik den Blumentopf mit reichhaltiger Erde stellen. Der Träger sät den Samen, und die Fachkräfte in den Einrichtungen gießen, bis aus dem Samen eine Blume entsteht. Damit diese blühen kann, benötigt sie Licht und Wasser und manchmal auch etwas Extra-Dünger. Stehen diese Dinge aber nicht zur Verfügung, wird die Blume gar nicht erst anfangen zu blühen.

Qualitätssicherung als Voraussetzung für Chancengleichheit

Auch der Bund hat das erkannt und 2018 das „Gute-Kita-Gesetz“ beschlossen. Der Name klang zunächst vielversprechend: 5,5 Milliarden Euro sollten den Kitas bundesweit bis 2022 zur Verfügung gestellt werden. Letztendlich fielen diese jedoch dem „Flickenteppich des Föderalismus“ (Pergande 2019) zum Opfer. Beim Gesetzentwurf hatte man nämlich vergessen, verbindliche Ziele der Qualitätsentwicklung zu formulieren, weshalb die Bundesgelder zu großen Teilen für Maßnahmen zur Beitragsfreiheit ausgegeben wurden (vgl. Göring-Eckardt et al. 2018). Nun hat niemand etwas gegen beitragsfreie Kita-Plätze. Allerdings wird das Ziel des Gesetzes, „die Qualität frühkindlicher Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindertagesbetreuung bundesweit weiterzuentwickeln und die Teilhabe in der Kindertagesbetreuung zu verbessern“ (§ 1 KiQuTG), auf diese Weise verfehlt.1

Mit dem KiTa-Qualitätsgesetz von 2023 versucht man jetzt, zu korrigieren und stärker auf die Weiterentwicklung der Qualität der Kindertagesbetreuung zu fokussieren. Konkrete Qualitätskriterien sind jedoch nicht formuliert. Diese braucht es aber – und zwar verbindlich. Und mit der Einführung von bundeseinheitlichen Vorgaben wäre es auch noch nicht getan. Um nachhaltig eine gute Qualität im deutschen Bildungssystem zu erreichen, müssen auch Qualitätssicherungsverfahren – wie übrigens in der Wirtschaft bereits seit den 20er-Jahren Usus (vgl. Erath & Amberger 2000, S. 11) – gesetzlich vorgeschrieben werden.

Qualitätserhebungen, intern wie extern, sollten zum selbstverständlichen Bestandteil des Kita-Alltags werden, um verlässlich eine stetige Weiterentwicklung pädagogischer Qualität zu erreichen (siehe Teil III). In Berlin ist dies bereits der Fall. Auch Waltraud Weegmann, Vorsitzende des Deutschen Kitaverbands, ist der Meinung, dass Bund, Länder und Kita-Träger „den Prozess für ein echtes Qualitätsgesetz mit einer stärkeren Orientierung an der Ergebnis-Qualität wieder aufnehmen [sollten]. Die Bundesländer müssen die Interne und Externe Evaluation als für alle Kitas verpflichtend in ihre Kita-Gesetze aufnehmen […]. Die systematische und fachlich begründete Überprüfung und Einschätzung der erreichten Qualität der Kita-Arbeit sollte in einem modernen Bildungssystem selbstverständlich sein“ (ebd. 2021). Diese Qualitätserhebungen müssen trägerübergreifend durch unabhängige Erheber:innen stattfinden, aufgrund ihrer Regelmäßigkeit nachhaltig sein und zu einem obligatorischen Bestandteil des Kita-Alltags werden.

Pädagogische Fachkräfte geben tagtäglich ihr Bestes. Externe Erhebungen sollen ihnen durch wertschätzende Rückmeldungen Impulse geben.

Wir wissen, dass pädagogische Fachkräfte tagtäglich ihr Bestes geben. Bei externen Erhebungen soll es insbesondere darum gehen, durch wertschätzende und ressourcenorientierte Rückmeldungen Impulse zu geben, zu Reflexion anzuregen und so Weiterentwicklung anzustoßen. Dass dies gelingen kann, wissen wir aus zahlreichen externen Beobachtungen und den darauf bezogenen Rückmeldungen an Träger, Leitungen und Fachkräfte.

Das Verfahren „PromiK – Professionalität messen in Kitas“ (Wehrmann et al., i.A.) erfasst anders als andere Verfahren die Prozessqualität sehr detailliert und ermöglicht feinteilige und ressourcenorientierte Rückmeldungen. Die Qualitätskriterien aus „PromiK“ sind die Vorlage für dieses Buch.

In der Frühpädagogik müssen Bedingungen geschaffen werden, die allen Kindern bestmögliche Bildungs- und Entwicklungschancen bieten.

Qualität vor Quantität

Der Anspruch ist hoch – aber nicht unerreichbar. Wir brauchen allerdings rechtlich festgeschriebene Qualitätsstandards, die unabhängig von Bundesland und Trägern sind. In den 16 (sehr) unterschiedlichen Bildungsprogrammen der Länder sind die angestrebten Bildungsziele beschrieben, an denen die pädagogischen Fachkräfte ihre Arbeit orientieren sollen. Hier tun sich allerdings gleich zwei grundlegende Probleme auf:

1. Wir können nicht davon ausgehen, dass alle Kinder sich die Welt auf die gleiche Art und Weise aneignen. Wir müssen also in der Frühpädagogik Bedingungen schaffen, die allen Kindern gute Bildungs- und Entwicklungschancen bieten, indem wir ihre Individualität und die Bedeutung des selbstwirksamen Lernens achten.

2. Die Kinder werden später vor ganz anderen Aufgaben stehen als wir heute. Wir können nur raten, welche Kompetenzen sie dafür einmal benötigen werden und die Bedingungen schaffen, die für eine kindgerechte Entwicklung nötig sind: eine achtsame und bedürfnisorientierte Begleitung und vielfältige Anregungen (vgl. Hohmann et al. 2023, S. 9f.; Martinet 2021, S. 341).

Wie aber sehen gute Bedingungen für frühkindliche Bildung und Entwicklung aus? Wie also geht Kita gut, im doppelten Sinne?

Wie geht Kita gut?

Das vorliegende Buch beschreibt, wie Kriterien der Struktur- und Prozessqualität gute Voraussetzungen für die frühkindliche Bildung schaffen können. Diese Qualitätskriterien werden in zwei Teilen dargestellt: Der erste Teil befasst sich mit der Strukturqualität, also den strukturellen Rahmenbedingungen wie Personal-Kind-Schlüssel, die Qualifikationen des pädagogischen Personals, die Räumlichkeiten (Gruppenräume, Außengelände) sowie spezielle institutionsspezifische Merkmale (vgl. auch Tietze 2008). Im zweiten Teil werden Aspekte der Prozessqualität dargestellt, die durch Interaktionen der pädagogischen Fachkräfte mit den Kindern, das soziale Umfeld, die Ausstattung, die Tagesstruktur und die pädagogische Planung beeinflusst werden.

Der abschließende dritte Teil beantwortet die Frage, wie die aktuelle pädagogische Qualität durch interne und vor allem externe Evaluation objektiv erfasst, gesichert und weiterentwickelt werden kann. Träger, Fachberatung, Leitung und Team müssen die Qualität im Blick behalten und für den gesamten Tagesablauf regelmäßig überprüfen (lassen): Sind wir bereits da angekommen, wo wir gemeinsam hinkommen wollten, und wenn nicht, was müssen wir in welchen Bereichen zeitnah ändern?

Auch wenn es – gerade im Bereich der Prozessqualität – keine „One size fits all-Lösung“ für Kitas gibt, ist das Buch als „Kompass“ mit Vorschlägen für Qualitätsmerkmale zu verstehen, die Anregungen für die pädagogische Praxis geben und die Fachkräfte ihrem Anspruch näherbringen können.

1 Welche Maßnahmen hierfür nötig wären, erklären die Betroffenen selbst, nämlich die Kinder, ganz hervorragend in einem Video des BMFSFJ (2019). Online unter: www.bmfsfj.de/bmfsfj/media-thek/so-erklaeren-kinder-das-gute-kita-gesetz-141594 (letzter Zugriff am 15.11.2023).

Teil I:

WIE SIEHTGUTE STRUKTUR-QUALITÄT AUS?

1.RÄUMLICHE DIMENSION

2.GRUPPENGRÖSSEN

3.PERSONALSCHLÜSSEL, FACHKRAFT-KIND-RELATION UND ARBEITSBEDINGUNGEN

4.QUALIFIKATION DER FACHKRÄFTE/LEITUNG

5.MULTIPROFESSIONELLE TEAMS

6.INKLUSIVE KINDERTAGESEINRICHTUNGEN

7.UNTERSTÜTZUNGSSYSTEME

8.FINANZIERUNG

 

In der Wissenschaft besteht die einhellige Meinung, dass gute pädagogische Qualität angemessene Rahmenbedingungen braucht. Mehrere ineinandergreifende Strukturmerkale wie der Personalschlüssel bzw. die Fachkraft-Kind-Relation, die Gruppengröße sowie die Qualifikation und die Bezahlung der pädagogischen Fachkräfte beeinflussen Studien zufolge die pädagogische Prozessqualität (vgl. Viernickel & Fuchs-Rechlin 2016, S. 31ff.; Tietze et al. 2013).

1.

Räumliche Dimension

Raumgröße und -gestaltung zählen zu den wirkmächtigsten strukturellen Faktoren der Kindertagesbetreuung.

Die Raumgröße und -qualität beeinflussen die kindliche Entwicklung.

Der Einfluss der Raumgröße und Raumqualität auf die kindliche Entwicklung ist empirisch belegt (vgl. Bensel et al. 2016, S. 320). Untersuchungen zufolge führt mehr Raum zu positiven Effekten auf Sozialkompetenz und Alltagsfertigkeiten sowie Sprachkompetenz von Kita-Kindern bis zum Alter von acht Jahren (vgl. Bensel et al. 2016, S. 325ff.). In einer Studie von Vermeer und van Ijzendoorn (2006) zeigten Kinder ein höheres Stressniveau, wenn weniger als fünf Quadratmeter pro Kind zur Verfügung standen. Die bundesweite NUBBEK-Studie führte zu dem Ergebnis, dass mehr Fläche pro Kind die pädagogische Prozessqualität bis hin zur kindlichen Sprachentwicklung positiv beeinflusst. Bei Kindern im Krippenalter traf dies bei mehr Fläche im Innenbereich zu. Größere Außenflächen beeinflussten das Interaktionsklima positiv (vgl. Tietze et al. 2013, S. 80). Auch Bogatzki fand in einem Berliner Projekt heraus, dass Räume Resilienz stärken und ein Kohärenzgefühl entstehen lassen können (vgl. ebd. 2015).

Kohärenzgefühl bedeutet für ein Kind das Vertrauen in seine Fähigkeit, auch in anspruchsvollen Situationen zurecht zu kommen.

In einer Studie von Bensel, Martinet und Haug-Schnabel (2016) wurden neben Fachveröffentlichungen und Angaben einschlägiger Fachgremien und -verbände 24 Raumexpert:innen unter anderem zu den empfohlenen Raumgrößen befragt (vgl. ebd., S. 320). Diese betragen 6 Quadratmeter pro Kind im Innenbereich und 15 Quadratmeter pro Kind im Außengelände – unabhängig vom Alter der Kinder und der Betreuungsform (vgl. ebd., S. 330).

Expert:innen empfehlen 6 Quadratmeter pro Kind im Innen- und 15 Quadratmeter im Außenbereich einer Kita.

Kinder wollen Räume erobern. Das fängt schon bei der Raumgestaltung an: Sie soll den Kindern ermöglichen, sich in den Räumen als kompetent, eigenständig und selbstwirksam zu erleben. Eine entsprechende Raumqualität, die Kindern verschiedenste Erfahrungsmöglichkeiten bietet, ist kein Selbstläufer, sondern erfordert vonseiten des Trägers und der Länder Unterstützungs- und Qualifizierungsangebote (vgl. Haug-Schnabel & Bensel 2015, S. 4f.).

Die Größe der Räume und der Außenflächen beeinflusst zum Beispiel die Sozialkompetenz, Alltagskompetenz und Sprachentwicklung der Kinder.

Die Raumqualität schließt auch gesundheitliche Aspekte mit ein, zum Beispiel ein gesundes Umfeld in Bezug auf Klima, Akustik, Licht und Barrierefreiheit. Auch hier sind die Träger verpflichtet, entsprechende bauliche und organisatorische Maßnahmen zu ergreifen und diesbezügliche Vorschriften einzuhalten.

Über diese Räumlichkeiten bzw. Raumbereiche sollten alle Kitas verfügen:

• Außengelände

• Gruppenraum

• Gruppennebenraum/Funktionsraum

• Separater Schlafraum (auch für Kinder über drei Jahre)

• Sanitärbereich (inklusive Pflegebereich für unter Dreijährige) mit Gelegenheiten für Wasseraktivitäten

• Mehrzweck-/Bewegungsraum

• Separater Essraum (Bistro/Kinderrestaurant)

• Weitere Räume zur Differenzierung der pädagogischen Arbeit, zum Beispiel Atelier, Werkstatt und für Kleingruppenarbeit (zur Vertiefung spezieller Themen durch die Kinder)

• Großzügiger Empfangsbereich mit Garderobe (als „Visitenkarte“, Willkommensplatz, Treffpunkt und Gemeinschaftsraum)

• „Schmutzschleusen“ in den Garten und zu den Toiletten (ohne Gruppenräume als Durchgang zu nutzen)(vgl. Bensel et al. 2016, S. 331)

Die Anordnung der Räume und der Verkehrswege sollte durchdacht sein, um möglichst reibungslose Abläufe zu ermöglichen: keine weiten Wege zum Sanitärbereich, großzügige zentrale Ausgänge in den Außenbereich.

Die Anordnung der Räume und der Verkehrswege sollte nicht dem Zufall überlassen, sondern den Bedürfnissen des Kita-Alltags gerecht werden.

Ratsam ist eine Verbindung zwischen den Räumen in Form von Fenstern, Gucklöchern und überdachten „Verkehrswegen“ zwischen Innen- und Außenbereich.

Diese Räume sollten für Leitung und Team zur Verfügung stehen:

• Büro

• Ausreichend Abstellräume in der Nähe der Nutzungsbereiche (Material-, Geräte-, Lager- und Putzraum, Geräteraum im Außengelände)

• Hauswirtschaftsraum, Personal-WC

• Küche

• Funktionale und großzügige Flurbereiche

• Separater Garderobenraum

• Aufenthalts- und Besprechungsraum für die Fachkräfte (inklusive Schreibtische und PCs für die Vor- und Nachbereitung, Bibliothek und Mediathek)(vgl. ebd.)

Idealerweise sollten die Räume neben logistischen und organisatorischen Basisfunktionen auch Teambesprechungen und Gespräche mit Eltern2 in angenehmer Atmosphäre ermöglichen (vgl. Haug-Schnabel & Bensel 2015, S. 7). Nach wie vor werden Raumaspekte in pädagogischen Einrichtungen vonseiten der Länder nicht verbindlich festgelegt. Hier besteht dringender Handlungsbedarf (vgl. Bensel et al. 2016, S. 320ff.).

Dem Deutschen Kinderhilfswerk (o.J.) zufolge sollte bei Kita-Neubauten immer ein ausreichend großes Außengelände eingeplant werden. Für ein kindgerechtes Außengelände seien folgende Kriterien genannt:

• Kita-Neubauten sind immer mit einem ausreichend großen Außengelände zu planen. Eine Befreiung von dieser Pflicht darf nur in echten Ausnahmefällen gestattet sein.

• Ein adäquates Außengelände ist auch bei Umgestaltungen oder Erweiterungen von Kindertagesstätten zu gewährleisten.

• Maßgebend für die Größe des Außengeländes sind die gesetzlichen Vorgaben und Richtwerte, die mindestens zehn Quadratmeter pro Betreuungsplatz vorsehen.

• Neben der ausreichenden Größe muss das Außengelände auch Qualitätsstandards erfüllen (z.B. nach DIN 18034). Diesen zufolge ist zum Beispiel auf eine möglichst naturnahe Gestaltung zu achten, ebenso auf Anregungsvielfalt und die Gestaltbarkeit der Spielmöglichkeiten.

• Des Weiteren muss das Außengelände den Altersstufen der Kinder entsprechend gestaltet sein und ihren Bedürfnissen nach selbstbestimmtem Spiel und Bewegung sowie nach Naturerfahrung oder Ruhe und Rückzug gerecht werden.

• Die Gestaltung des Außengeländes soll in Ermangelung adäquater Angebote auf öffentlichen Spielplätzen insbesondere auch den Bedürfnissen von unter Dreijährigen besonders Rechnung tragen.

• Für die Gestaltung des Außengeländes sollten möglichst hohe ökologische Standards gelten.

• Bei der Planung und Gestaltung des Geländes wird auch die Meinung der Fachkräfte und der Kinder berücksichtigt.

• Im Sinne der inklusiven Kindertagebetreuung ist beim Ausbau oder Neubau von Kitas der Bau von inklusiven und barrierefreien Spielplätzen zu berücksichtigen, nach Maßgabe der entsprechenden DIN-Normen und Richtlinien (vgl. Wehrmann 2023, S. 68).

Wilk, M. & Jasmund, Ch. (2015): Kita-Räume pädagogisch gestalten: Den Raum als Erzieher nutzen. Weinheim: Beltz.

Haug-Schnabel, G. & Wehrmann, I. (Hrsg.) (2012): Raum braucht das Kind. Anregende Lebenswelten für Krippe und Kindergarten. Weimar, Berlin: verlag das netz.

2 Der Begriff „Eltern“ umfasst im Sinne einer „sozialen Elternschaft“ alle Personen, die Verantwortung für die Kinder übernehmen (also z.B. auch Stieffamilien, Adoptivfamilien, Pflegefamilien, Regenbogenfamilien, binukleare Familien und auch einige Formen nichtfamilialer sozialer Elternschaft).

2.

Gruppengrößen

Etliche Studien belegen positive Zusammenhänge zwischen kleinen Gruppen und besserer Prozessqualität, kindlichem Verhalten und kindlicher Entwicklung (Howes et al. 1992; Smith 1995; Whitebook 1996; NICHD ECCRN 1999; Harrison 2008; Groark et al. 2013). In einer Studie von Vermeer und van Ijzendoorn (2006) hatten Kinder ein höheres Stressniveau, wenn die Gruppe mehr als 15 Kinder umfasste.

In teiloffenen bzw. offenen Einrichtungen sind die Gruppengrößen, das heißt die Anzahl der Kinder, die einer organisatorischen Einheit zugerechnet werden, größer. Aufgrund mangelnder empirischer Befunde kann derzeit nicht zuverlässig beantwortet werden, ob sich für diese Organisationsformen die gleichen Zusammenhangsstrukturen finden lassen wie für die Arbeit in geschlossenen Gruppen (vgl. Viernickel & Fuchs-Rechlin 2016, S. 34).

Die Gruppengröße beeinflusst die kindliche Entwicklung.

Die Vorgaben der Bundesländer sehen in den meisten Fällen für unter Dreijährige eine Gruppengröße von acht bis zehn Kindern vor, was im Wesentlichen den fachlichen Empfehlungen für diese Altersgruppe folgt. Die Vorgaben für Gruppen für Kinder im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt liegen bei 20 bis 25 Kindern, womit sie bei Weitem die empfohlenen Gruppengrößen von maximal 18 Kindern überschreiten (vgl. ebd., S. 74). Dazu kommt, dass die Gruppengrößen derzeit durch Ausnahmeregelungen noch weiter angehoben werden dürfen.

Neben einer pädagogisch ausgewogenen Gruppenstruktur hinsichtlich Altersstufen, Geschlecht, Halb- und Ganztagskindern sowie unterschiedlicher Familiensprachen und Kulturen müssten die Kinderzahlen in den Gruppen wie folgt reduziert werden, um pädagogisch wertvolle Arbeit leisten zu können:

Empfohlene Gruppengrößen

• Kinder von 0 bis 3 Jahren: maximal 10 Kinder

• Kinder von 2 bis 6 Jahren: maximal 15 Kinder

• Kinder von 1 bis 6 Jahren: maximal 15 Kinder

• Kinder von 3 bis 6 Jahren: maximal 18 Kinder(vgl. Verband KiTa-Fachkräfte Rheinland-Pfalz 2023)

3.

Personalschlüssel, Fachkraft-Kind-Relation und Arbeitsbedingungen

In Bezug auf die Arbeitsbedingungen im Kita-Alltag stoßen die pädagogischen Fachkräfte nach eigenem Bekunden zunehmend an ihre Belastungsgrenzen. Die vorhandenen (Personal-)Ressourcen im System der Kindertagesbetreuung können mit den gestiegenen Anforderungen an die pädagogischen Fachkräfte und Institutionen nicht mehr Schritt halten (vgl. nifbe 2022a). Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung noch verschärft: Die Anzahl der psychisch belasteten Kinder ist in dieser Zeit von 20 auf 30 Prozent gestiegen, Spannungen in Familien haben zugenommen, bei häuslicher Gewalt ist ebenfalls ein Anstieg zu verzeichnen.

Die hohe Arbeitsbelastung wirkt sich auf die pädagogischen Fachkräften aus: Sie weisen im Vergleich mit anderen Berufsgruppen einen sehr hohen Krankenstand aufgrund psychischer Erkrankungen wie Burnout und Depression auf. Es besteht die Gefahr, dass sie den Ansprüchen an eine qualitativ hochwertige Kindertagesbetreuung nicht mehr gerecht werden können (vgl. ebd.).

Der arbeitnehmerfreundliche Arbeitsmarkt zeigt jedoch positive Auswirkungen auf die Beschäftigungsbedingungen in Kindertageseinrichtungen:

Der arbeitnehmerfreundliche Arbeitsmarkt wirkt sich positiv auf die Beschäftigungsbedingungen in Kitas aus.

Der Anteil der befristet angestellten pädagogischen Fachkräfte und Leitungen sank von 15 Prozent im Jahr 2015 auf elf Prozent im Jahr 2022. Die Gehälter in der Frühen Bildung sind zwischen 2012 und 2021 um 26 Prozent gestiegen.

Trotz dieser positiven Entwicklung wächst die Lücke zwischen offenen Stellen und Bewerber:innen. Im Jahr 2012 kamen noch 142 arbeitslos gemeldete pädagogische Fachkräfte auf 100 offene Stellen, zuletzt waren es nur noch 62. Eine Erklärung dafür wäre, dass die Zahl der Stellenangebote für diese Berufsgruppe in den letzten drei Jahren um 20 Prozent gestiegen, gleichzeitig die Zahl der arbeitslos gemeldeten Personen um vier Prozent zurückgegangen ist. Die berufsspezifische Arbeitslosenquote liegt in der Frühen Bildung bei lediglich 1,1 Prozent, was statistisch mit Vollbeschäftigung gleichzusetzen ist (vgl. DJI 2023).

Forderungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen

Angesichts der Befunde des Personalchecks der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di im Jahr 2022, denen zufolge 93 Prozent der befragten Fachkräfte angaben, ihren eigenen pädagogischen Ansprüchen nicht genügen zu können, und nur circa 13 Prozent das Gefühl hatten, den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden (vgl. ebd.), erstellte ver.di folgenden Forderungskatalog zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen des pädagogischen Fachpersonals in Kindertageseinrichtungen:

Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel

Qualifizierung: Rechtsanspruch auf Qualifizierung für alle Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen, einschließlich Quereinsteigern und Assistenzkräften.

Lernort Praxis: Qualifizierung, ein festes Stundenkontingent und eine verbesserte Vergütung gefordert für Anleiter:innen von Auszubildenden und Studierenden, Aufwertung der Ausbildung von Nachwuchskräften, keine Ausbildung „nebenbei“ und keine Anleitungsgespräche in der Freizeit zulasten der Kinder oder anderer Kolleg:innen.

Mobilität: Anerkennung der Berufstätigkeit und der bei anderen Trägern erworbenen Berufserfahrungen.

Verbesserungen der Arbeitsbedingungen

Zeit für mittelbare pädagogische Arbeit: tarifvertraglich festgelegte Anspruchs- und Planungsregelungen von Arbeitszeiten für genau diese Aufgaben für alle Beschäftigten.

Entlastung: Einführung von Entlastungstagen als Konsequenz bei Belastungssituationen.

Finanzielle Anerkennung der Arbeit/Verbesserung der Eingruppierung

Regeleingruppierung: EG S 8b statt bisher in die EG S 8a.

Besonders schwierige fachliche Tätigkeiten: Eingruppierung in die EG S 10 statt bisher EG S 8b.

Fachlich koordinierende Tätigkeiten: Eingruppierung in die EG S 11a statt wie bisher EG S 9.

Anpassung der Stufenlaufzeiten: Verkürzung der Stufenlaufzeiten auf die Stufenlaufzeiten, die auch für die allgemeinen Entgeltgruppen gelten.

(vgl. ver.di 2022)

Personalschlüssel

Der Personal-Kind-Schlüssel gehört neben der Gruppengröße und der Qualifikation des pädagogischen Personals zu den zentralen Merkmalen für die Strukturqualität einer Kindertageseinrichtung. Er gibt an, wie viel Personal in einer Kita eingestellt wird, bezogen auf den Zeitraum eines Jahres unter der Annahme einer Vollzeitbeschäftigung.

Der Personalschlüssel setzt die Arbeitszeit einer pädagogischen Fachkraft ins Verhältnis zu den zu betreuenden Kindern.

Er setzt die bezahlte Arbeitszeit einer pädagogischen Fachkraft ins Verhältnis zu den zu betreuenden Kindern und den jeweiligen Betreuungszeiten, sagt aber nichts über die unmittelbare pädagogische Arbeit aus, das heißt darüber, wie viel Zeit eine pädagogische Fachkraft tatsächlich für ein Kind hat. Die Fachkraft-Kind-Relation berücksichtigt dagegen Zeiten für Urlaub, Krankheit und Fortbildung sowie die mittelbare pädagogische Arbeit.

Empfohlener Personalschlüssel

• für Kinder von 0 bis 1 Jahr: 1:2

• für Kinder von 1 bis 3 Jahren: 1:3

• für Kinder von 3 bis 6 Jahren: 1:7,5(vgl. Verband KiTa-Fachkräfte Rheinland-Pfalz 2023)

In der Realität sieht es derzeit folgendermaßen aus: Im Osten betreut eine vollzeitbeschäftigte Fachkraft rechnerisch

• 5,4 Kinder unter drei Jahren oder

• 10,5 Kinder über drei Jahren.

Im Westen kommt eine Fachkraft auf

• 3,4 unter Dreijährige und auf

• 7,7 ältere Kinder ab drei Jahren.

(vgl. Bertelsmann Stiftung 2023)

Für einen guten Personalschlüssel sollten folgende Kriterien gelten:

• Eine unmittelbare pädagogische Arbeitszeit, das heißt, direkte Kontaktzeit mit den Kindern

• Eine mittelbare pädagogische Arbeitszeit für Teamgespräche, Dokumentationen, Elterngespräche etc. von mindestens 25 Prozent der Arbeitszeit

•Berücksichtigung von Ausfallzeiten bei Urlaub, Fortbildung oder Krankheit

•Zusätzliche Fachkräfte mit sonderpädagogischer und diskriminierungssensibler Ausbildung für inklusives Arbeiten

Mittelbare pädagogische Arbeitszeit

Unter mittelbarer pädagogischer Arbeit werden die Tätigkeiten verstanden, die zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der unmittelbaren pädagogischen Arbeit mit Kindern dienen. Diese Arbeitszeit wird für pädagogische Aufgaben außerhalb der direkten pädagogischen Arbeit mit Kindern aufgewendet, zum Beispiel:

• Erstellen von Dokumentationen und Portfolios (für jedes einzelne Kind der Gruppe), Planen von Angeboten und Projekten, Materialbereitstellung

• Zusammenarbeit mit Eltern: Vor- und Nachbereitung von individuellen Entwicklungsgesprächen, Elternsprechstunden und Familienbildungsangeboten, von Elternabenden, Ausflügen, Festen und anderer gemeinsamer Zeit

• Kooperation mit Hoch- und Fachschulen, Anleitung von Praktikant:innen

• Weiterentwicklung der pädagogischen Konzeption, Evaluation von pädagogischen Qualitätsprozessen, Schaffung von Freiräumen zum Beispiel zur Teamreflexion, für kollegiale Fallberatungen etc.

Je nach Bundesland werden 20 bis 25 Prozent der vereinbarten vertraglichen Arbeitszeit als mittelbare pädagogische Arbeitszeit gefordert.

Die mittelbare pädagogische Arbeitszeit sollte 25 Prozent der Arbeitszeit umfassen.

Auch sollte die mittelbare pädagogische Arbeit als gleichwertiger Bestandteil der Arbeit und nicht als nachrangig betrachtet werden (vgl. GEW Berlin 2017).

Freistellung der Leitung

Das Leitungspersonal verfügt über unterschiedliche Zeitressourcen, um seine Managementfunktion auszuüben. Die vollständige Leitungsfreistellung sank von 53 Prozent im Jahr 2011 bis 2019 um zehn Prozent auf 43 Prozent (vgl. WiFF 2023).

Mit „Leitungsfreistellung“ ist eine vollumfängliche oder teilweise zeitliche Freistellung von der unmittelbaren Arbeit mit den Kindern gemeint, die nach Maßgabe der Mindestpersonalschlüssel der Länder berechnet wird.