Die Haifischbande auf Zeitreise - Jan Flieger - E-Book

Die Haifischbande auf Zeitreise E-Book

Jan Flieger

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Beschreibung

Julia und Vanessa, Long Basti und Specki gehören zur Haifisch-Bande, die ihr Domizil in der alten Fischfabrik hat. Das Wahrzeichen ihrer Clique ist die Fahne mit dem Haifisch. Heute ist ihnen langweilig und daher gehen sie zu Old Krusemann, dem alten Seebären. Der besitzt eine geheimnisvolle Glaskugel, über die er allerdings nichts sagen will. Aber dann erfahren sie doch, dass diese Glaskugel das größte Geheimnis birgt, das Old Krusemann kennt. Das allergrößte. Die Glaskugel ist eine Zeitkugel, mit der man an jeden Ort und in jede Zeit reisen kann. Und auch wenn es Julia und Vanessa, Long Bast und Specki anfangs natürlich nicht glauben wollen, probieren sie es aus und begeben sich auf ihre erste Zeitreise zu den Piraten. Und dort erleben sie gefährliche Abenteuer … Nachdem sie es einmal ausprobiert haben, starten Julia und Vanessa, Long Basti und Specki von der Haifisch-Bande wieder mit Hilfe der Zeitkugel von Old Krusemann, dem alten Seebären, zu ihrer zweiten Zeitreise. Die Anregung für das Ziel ihrer zweiten Zeitreise stammt von Vanessa, die in der Schule einen Vortrag über ägyptische Grabräuber halten soll. Wie wäre es da, wenn man sich dort einfach mal persönlich umsieht. Und schon bald sind die vier Zeitreisenden unterwegs ins alte Ägypten. Ihre dritte Zeitreise führt Julia und Vanessa, Long Basti und Specki von der Haifisch-Bande wieder mit Hilfe der Zeitkugel von Old Krusemann, dem alten Seebären, zu den Maya. Eine große Maya-Ausstellung im Stadtmuseum hatte ihre Aufmerksamkeit geweckt. Noch neugieriger aber waren sie geworden, als sie in der Ausstellung erfuhren, dass es sich bei der dort in einem Film gezeigten Skulptur des berühmten Regengottes Chac um eine Fälschung handelt. Aber wo ist das Original? Natürlich wollen es Julia und Vanessa, Long Basti und Specki finden und fliegen wieder durch die Zeiten zu den Maya. Tatsächlich finden sie dort die gesuchte Skulptur, kommen aber auch wieder in allergrößte Schwierigkeiten … Wieder, diesmal schon zum vierten Mal, geht die Haifisch-Bande auf Zeitreise. Aber diesmal fliegen sie soweit zurück wie noch nie zuvor – in das Land der Dinosaurier. Und diesmal wird es auch noch gefährlicher als während der anderen drei Zeitreisen. Aber diesmal wollen die vier Zeitreisenden auch unbedingt einen Tyrannosaurus Rex treffen und ein „Jahrhundertfoto“ vom dem Dino schießen. Denn vielleicht sahen die Saurier damals ja ganz anders aus als die Wissenschaftler heute behaupten.

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Impressum

Jan Flieger

Die Haifischbande auf Zeitreise

ISBN 978-3-96521-079-0 (E-Book)

„Schatzsuche auf der Totenkopfinsel“ erschien 2000, „Grab des Pharaos“ 2001, „Verfolgung durch die grüne Hölle“ 2000 und „Duell mit dem Tyrannosaurus“ 2001im Arena Verlag GmbH, Würzburg.

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

© 2020 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860 505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de

Die Haifisch-Bande

Julia,

neun Jahre alt, ist immer gestylt und trägt meistens Markenklamotten aus Luxusläden. Trotzdem kann man mit ihr Pferde stehlen. Was sie toll findet: Tiere, gute Schulnoten, Spice Girls. Sie will mal Tierärztin werden (obwohl sie Angst vor Mäusen hat!).

Vanessa,

neun Jahre, hat meistens Jeans an und T-Shirts mit Werwolfmotiven. Sie ist superabenteuerlustig und hat vor nichts und niemandem Angst. Sie mag Piratenbücher und Tic Tac Two (Jazzy am meisten). Will mal Action im Beruf, zum Beispiel bei einer Sondereinheit der Polizei.

Long Basti,

zehn Jahre alt, heißt eigentlich Sebastian. Er ist Vanessas Bruder und genau das Gegenteil von ihr: ruhig und bedächtig. Er trägt meist T-Shirts, die mindestens zwei Nummern zu groß sind, Schlabberhosen und eine Gletscherbrille. Was ihm am wichtigsten ist: Immer cool bleiben!

Specki,

eigentlich Peter, zehn Jahre alt und ziemlich dick. »Specki« nennen ihn nur seine besten Freunde. Ein witziger Typ, der noch dazu ziemlich schlau ist, weil er ständig irgendwelche Sachbücher liest. Was er nicht mag: Skins. Und wenn die anderen über sein Gitarrenspiel lästern.

Schatzsuche auf der Totenkopfinsel

Ein toller Plan

Gemächlich schlendern Julia, Specki, Vanessa und Long Basti dem Treffpunkt ihrer Clique entgegen. Der rußgeschwärzte Backsteinbau liegt hinter großen Pappeln verborgen. Ein verwittertes Holzschild verrät seine einstige Funktion: Fischfabrik Henrik Michels. Die Fabrik ist schon vor vielen Jahren stillgelegt worden. Und das sieht man auch: Die Spitze des Schornsteins ist abgebrochen, viele Fenster an der Vorderseite sind kaputt und das Flachdach ist an manchen Stellen undicht.

Die vier Freunde gehen über den mit Unkraut bewachsenen Hof. Das Einzige, was hier neu und frisch aussieht, ist die Fahne, die an einem uralten Antennenmast im Wind flattert: Die Fahne mit dem Haifisch ist das Wahrzeichen ihrer Clique.

Über eine rostige Treppe gelangen die vier in das Erdgeschoss der Fabrik, eine große Halle mit einem Steinfußboden, von dem der Staub nur so aufwirbelt. Im ersten Stock, in dem früher die Büros untergebracht waren, ist ihr Treffpunkt.

Heute ist es hier unheimlich still.

»Wo sind die anderen bloß?«, wundert sich Julia.

»Abgeschwirrt«, mault Vanessa.

Sie laufen durch alle Räume. Aber weder in der Zentrale noch im Labor noch im Büro der Cliquendetektive finden sie die Freunde. Auch nicht im sogenannten Wohnzimmer, das mit einem alten Fernseher, einem Kühlschrank und verschiedenen Sperrmüllmöbeln ausgestattet ist. Nur die starren, gläsernen Augen ihres Maskottchens blicken ihnen entgegen: ein präparierter Haifisch mit weit aufgerissenem Rachen, der an zwei Bindfäden aufgehängt ist und mitten durch den Raum zu schwimmen scheint. Er hat der Clique ihren Namen gegeben: die Haifischbande.

»Da steht Majas Zauberkoffer«, stellt Specki fest.

Aber Majas rostroter Strubbelkopf ist nicht zu sehen. Auch Spocky ist nicht da, obwohl er doch fast immer hier am Fenster steht und den Himmel nach Außerirdischen absucht.

Und weder die Cliquendetektive Nosy und Mehmet mit seiner Ratte Mäuschen noch die lange Tine mit der Superzahnlücke noch Svenja und Alex sind irgendwo zu entdecken.

Das ist höchst seltsam.

»Nicht einmal Muffin lässt sich blicken«, sagt Julia, die Tierliebhaberin, enttäuscht. Aber vielleicht ist der Kater in irgendeinem dunklen Winkel der Fabrik auf Mäusejagd? Kann sein. Gestreichelt werden und Mäuse jagen ist ja sein Leben.

Vanessa stopft ihr T-Shirt mit dem wilden Werwolf auf der Brust tiefer in die Jeans. »Langweilig hoch hundert«, verkündet sie und schüttelt ihren braunen Pferdeschwanz.

»Gehen wir zu Old Krusemann«, schlägt ihr Bruder vor, Sebastian mit der Gletscherbrille und der Baseballkappe, die immer verkehrt herum auf seinem Kopf sitzt. Sein zwei Nummern zu großes rotes T-Shirt hängt über der Schlabberhose. Die Hände hat er tief in den Taschen vergraben. Ganz cool. Er ist der größte in der Clique. »Long Basti«, rufen ihn deshalb die anderen Kinder.

»Zu Old Krusemann - total genial!«, ruft Julia und streicht ihren gemusterten Markenpulli glatt.

»Elchstarke Idee«, stimmt auch Specki zu und leckt den Staub von seinen Brillengläsern. Als er die Brille wieder aufsetzt, muss er den Schirm seiner Baseballkappe etwas anheben, so tief sitzt sie.

Bevor die Freunde die alte Fischfabrik verlassen, verabschieden sie sich von ihrem Maskottchen: Sie streichen ihm einmal über das Maul, in dem die Reihen kleiner scharfer Zähne gefährlich aufblitzen.

Der Weg zu Old Krusemann führt am Hafen vorbei, am Gewimmel der Drehkräne, Verladebrücken und Containerschiffe. Sie gehen weiter in Richtung Halbinsel, an deren Spitze der große Leuchtturm steht, weiß mit roten Streifen.

Bald erblicken die vier auch den uralten Eisenbahnwaggon, von dem keiner weiß, wie er auf die Halbinsel gekommen ist. »Er steht dort schon ewig«, sagen die Leute. Und nun wohnt Old Krusemann in ihm, der alte Seebär mit dem weißen Vollbart, der immer dieselben Matrosenklamotten anhat und ein echter Freund der Kinder ist.

Im Innern des Waggons sieht es aus wie in einer Schiffskajüte. Alte Steuerräder hängen an den Wänden und ein verwitterter Rettungsring mit der Aufschrift YH 127.SOUTH. Auf selbst gezimmerten Schränken stehen Schiffsmodelle und tolle Flaschenschiffe, ein Teleskop und ein vergilbtes Schiffstagebuch. Das ist Old Krusemanns altes Logbuch aus den Tagen, als er noch zur See gefahren ist. Eine Standuhr aus blau bemaltem Treibholz zeigt die Zeit an, denn Old Krusemann besitzt keine Armbanduhr. Eine Hängematte dient ihm als Bett. »Die ist gut für mein Kreuz«, behauptet er.

Auch Stühle und Regale bestehen aus bemaltem Treibholz. In einem kurzen Regal zwischen zwei Fenstern liegt eine geheimnisvolle große gläserne Kugel. Leider verrät Old Krusemann nie, wozu sie gut ist. Aber etwas Wichtiges muss es schon sein, denn er hütet die Kugel wie seinen Augapfel.

Der alte Seebär empfängt die vier im Waggon. Er blickt Vanessa freundlich an. »Na, min Deern!«

Vanessa verdreht genervt die Augen. »Ich bin Vanessa«, verbessert sie Old Krusemann. »Jaja, min Deern«, sagt er strahlend und nickt. Vanessa schweigt lieber. Old Krusemann muss man eben so nehmen, wie er ist. Er ändert sich nicht mehr. Nun redet er auch Julia mit »Na, min Deern« an und Long Basti mit »Na, min Jong«. Aber Julia grinst nur und Long Basti zeigt keine Reaktion. Er will eben immer cool wirken. Und ein cooler Typ bleibt stets gelassen. Auch wenn man ihn komisch anredet.

Vanessa schlendert durch den Waggon und bleibt vor der Glaskugel stehen.

»Du hast uns nie gesagt, was mit der Kugel los ist«, stellt sie fest und blickt Old Krusemann an. »Du wolltest es aber mal sagen.«

»Hm - ja?«, macht Old Krusemann. Nachdenklich befühlt er seinen weißen Bart.

Vanessa will die Kugel anheben. Doch Old Krusemann ist sofort bei ihr, entreißt ihr die Kugel und presst sie an seine Brust.

»Finger weg!«, schimpft er los.

Die Kinder staunen. Noch nie haben sie Old Krusemann so böse gesehen. Was ist los mit ihm? Was ist los mit dieser Glaskugel? Warum dürfen sie sie nicht einmal anfassen?

Vanessa findet Old Krusemanns Verhalten einfach affig, superaffig sogar. Zu jedem anderen hätte sie mit Sicherheit laut gesagt: »Du hast wohl einen an der Waffel.« Aber Old Krusemann möchte sie nicht beleidigen. Also schweigt sie lieber und kaut stattdessen auf ihren Fingernägeln herum. Das hilft, wenn man erregt ist, glaubt Vanessa.

»Ich finde, du bist uns eine Erklärung schuldig, Old Krusemann«, sagt Julia ruhig. »Und ich finde, dass du Vanessa nicht anschreien solltest.«

Old Krusemann muss sich setzen. Er stellt die schwere Glaskugel auf dem Tisch mit der Muschelplatte ab und wischt sich über die Stirn. »Ach, Kinder, ihr habt ja recht«, sagt er schließlich und seufzt tief. »Ich bin ein alter Dösbaddel, der alles falsch macht. Dabei habe ich schon oft überlegt, ob ich euch nicht von der Glaskugel erzählen soll. Aber ich habe mich einfach nicht getraut.«

»Warum denn nicht?«, entfährt es Vanessa.

»So ein Quatsch!«, meint Specki.

»Also, diese Glaskugel«, fängt Old Krusemann geheimnisvoll an und blickt Vanessa, Julia, Specki und Long Basti der Reihe nach tief in die Augen. »Diese Glaskugel birgt das größte Geheimnis, das ich kenne. Das allergrößte.« Mucksmäuschenstill ist es im Waggon geworden.

»Ist doch bloß ’ne Glaskugel«, nörgelt Vanessa. »Langweilig hoch hundert.«

»Du nervst, Vanessa«, faucht Long Basti. »Hör lieber zu!«

»Hahaha«, macht Vanessa.

Julia starrt Old Krusemann mit angehaltenem Atem an. Auch Specki sagt kein Wort. Er knebelt den linken Daumen mit den Fingern der rechten Hand und zieht seine Baseballkappe tief in das Gesicht. Er denkt also wahnsinnig konzentriert nach.

Old Krusemann schmunzelt geheimnisvoll. »Weiter, Old Krusemann«, drängt Long Basti. »Kleine Mädchen muss man quatschen lassen.«

»Sehr witzig«, motzt Vanessa.

Old Krusemann streicht liebevoll über die Kugel. »Ihr seht vor euch eine Zeitkugel. Sie kann euch überall hinbringen. An jeden Ort. Sogar in eine andere Zeit. Man muss nur ein Foto oder Bild auf den Tisch legen, die Kugel darauf stellen und sie dreimal um die eigene Achse drehen. So einfach ist das.«

Specki blickt Old Krusemann misstrauisch an. Am liebsten würde er sagen: »Du hast wohl ’nen Sprung in der Schüssel, Old Krusemann!« Aber er verkneift sich den Spruch.

Julia schüttelt den Kopf. »Das ist doch Seemannsgarn!«

Die Kinder lachen Old Krusemann aus. Sie wollen einfach nicht glauben, dass die Kugel Zauberkräfte besitzen soll. Nur Long Basti lacht nicht mit. Er weiß nicht, was er denken soll. Also sagt er vorsichtshalber gar nichts. Old Krusemann blickt Vanessa fest an. »Tja, min Deern, dann muss ich euch das wohl beweisen?«

Specki knebelt noch immer seinen Daumen. »Und wie soll das ablaufen?«

»Ihr bringt mir ein Bild von einem Ort, zu dem ihr hinwollt«, antwortet Old Krusemann. »Das Bild legen wir auf den Tisch mit der Muschelplatte. Genau in die Mitte. Dann stelle ich die Zeitkugel darauf. Ihr setzt euch um den Tisch herum, fasst euch an den Händen und bildet einen Kreis um die Kugel. Ihr schließt die Augen, ich drehe die Kugel und ab geht die Reise.«

Vanessa verdreht die Augen. »Find ich affig. So was gibt’s nicht.«

Old Krusemann droht ihr mit dem Finger. Aber er grinst dabei.

»Old Krusemann, willst du uns verkohlen?«, kommt es von Julia.

Aber Old Krusemann schüttelt entschieden den Kopf und hört auf zu lächeln.

Specki zieht eine Tüte Gummibärchen aus der Hosentasche und beginnt zu essen. »Haha! Wenn das wirklich so funktioniert«, tönt er los, »wie kommen wir wieder zurück?«

»Wir machen eine Zeit aus«, antwortet Old Krusemann, »zu der ich euch zurückhole. Ich drehe die Zeitkugel auf dem Bild dreimal um die eigene Achse. Ihr spürt dann ein Kribbeln und müsst euch alle an den Händen halten. Wo ihr auch seid.«

»Null Risiko«, nickt Specki. Er scheint überzeugt. »Lösen wir elchstark.«

Vanessa kaut auf den Fingernägeln. »Da könnten wir ja zu den Piraten, zu den Wikingern, zu einer Elefantenherde nach Afrika ...«

»So ist es, min Deern«, bestätigt Old Krusemann. »So und nicht anders.«

»Total genial!«, ruft Julia. »Wenn es wahr wäre«, fügt sie rasch hinzu.

»Ihr könnt es ja ausprobieren«, brummt Old Krusemann. »Aber sucht euch einen ungefährlichen Ort aus. Denn dort, wo ihr dann seid, kann ich euch nicht beschützen.«

»Ich hab eine tolle Idee, wo wir hinkönnen«, verkündet Vanessa.

Specki spottet: »Du hast eine Idee?«

Vanessa streckt ihm die Zunge raus. »Wir könnten auf ein Piratenschiff. Auf ein echtes.«

»Was?«, entfährt es Julia. »Auf ein Piratenschiff?«

Long Basti kratzt sich den Kopf. Er blickt Vanessa skeptisch an.

»Gar nicht so übel«, stellt Specki fest. «Vanessa, die Piratin. Da flüchtet jeder.«

Vanessa nickt. »Ich wär bestimmt eine Piratin geworden. In früheren Zeiten, meine ich. Es hat genug Piratinnen gegeben. Ehrlich. In der Stadtbücherei stehen jede Menge Bücher dazu rum. Wenn ihr wollt, kann ich sie euch zeigen.«

Aber Julia hat eine andere Idee. »Unser Museumsschiff ist doch angeblich auch mal ein Piratenschiff gewesen. Sollen wir nicht lieber da hin?«

»Machen wir doch glatt«, sagt Specki und pfeift durch die Zähne. »Mensch, das wär was, wenn wir auf der >Victoria< um die sieben Weltmeere segeln würden, nur wir und lauter finstere Piraten.«

Julia guckt erschrocken, sagt aber nichts.

Die vier traben zum Hafen, wo der Dreimaster »Victoria« vor Anker liegt. Die Galionsfigur, ein gewaltiger weißer Neptun mit schwarzem Bart und wilder Mähne, blickt ihnen entgegen.

Über eine Falltreppe mit Tauen zu beiden Seiten gelangen sie an Deck der mächtigen Galeone. Die Kinder sind schon oft auf dem Dreimaster gewesen, aber diesmal bestaunen sie das Schiff mit besonderer Ehrfurcht.

»Ob wir wirklich bald auf diesem Schiff mitsegeln werden?«, will Specki wissen.

Unter Deck sind viele Bilder und Informationstafeln angebracht. Vanessa zeigt den Freunden das Porträt eines besonders wilden Typen, des schrecklichen Piratenkapitäns Schwarzbart. Sein pechschwarzer Bart und das Haupthaar sind mit Bändern in kleine Zöpfe geflochten, die wild nach allen Seiten abstehen. Auch er soll eine Zeit lang auf der »Victoria« gesegelt sein und Furcht und Schrecken verbreitet haben. Die Kinder steigen über schmale Treppen tief in den Schiffsrumpf hinab und erblicken ein Gefängnis mit einem Skelett darin. Um seinen Hals hängt ein Eisenring, mit dem es an die Wand gekettet ist. Julia schaudert und zieht die Freunde schnell weiter.

Da entdeckt Specki plötzlich die Karte einer einsamen Insel, die aussieht wie ein riesiger Totenkopf. Auf der Insel gibt es einen Dschungel, einen Vulkan und weiße Strände. Genau in ihrer Mitte soll der Piratenschatz Schwarzbarts vergraben liegen. Leider weiß aber kein Mensch, wo die Insel liegt, steht auf einem kleinen Schild neben der Karte. Der Schatz des Kapitän Schwarzbart ist nie gefunden worden. »Dann finden wir ihn eben!«, ruft Specki begeistert. »Wir lassen uns von Old Krusemanns Zeitkugel auf die alte >Victoria< bringen. Dann sehen wir weiter.«

»Als ob das so einfach wäre«, wendet Julia ein. »Meinst du, die Piraten verraten dir gleich, wo ihre Schatzinsel liegt?«

Aber Specki boxt sie in die Seite. »Schiss, Julia? Das musst du locker sehen.«

Julias blaue Augen werden schmal. »Ich? Spinner!«

»Der Vorschlag ist hypergalaktisch«, jubelt Vanessa. »Los, gehen wir auf Schwarzbarts Schiff. >Victoria< ahoi!«

Beim Verlassen des Museumsschiffs nehmen die Kinder ein Faltblatt mit, auf dem ein uralter Stich der »Victoria« zu sehen ist.

Möwen kreisen kreischend über dem alten Eisenbahnwaggon.

»Na, hallo«, begrüßt Old Krusemann seine Besucher.

»Wir haben ein Bild!«, ruft Vanessa und fuchtelt aufgeregt mit dem Faltblatt herum.

»So, so«, brummt Old Krusemann.

Vanessa zeigt ihm das Bild des Piratenschiffes.

Old Krusemann schüttelt den Kopf und sagt: »Ausgerechnet in die Piratenwelt wollt ihr! Alter Schwede! Ich weiß nicht mal, wie langsam die Zeit dort verstreicht. Wie lange ihr dort seid, wenn hier eine Stunde vergeht. Auf jeden Fall müsstet ihr einiges mitnehmen, Essen, Kleidung und so. Sicherheitshalber.«

Die vier blicken sich erstaunt an.

»Darauf wär ich nie gekommen«, platzt Vanessa heraus.

»Zum Glück bist du lernfähig«, spottet Specki. »Das Zeug besorgen wir. Ganz einfach. Und dann kommen wir wieder her.«

Old Krusemann nickt. »So macht ihr es, min Jong.« Dabei reibt er sich nachdenklich das Kinn. »In die Piratenwelt - na, da hole ich euch spätestens nach einer Stunde mit der Kugel zurück.«

»Gebongt«, sagt Vanessa.

Sie verlassen eilig den Waggon. Die Möwen, die auf dem riesigen verrosteten Anker vor dem Waggon sitzen, flattern erschrocken auf. Eine Wolke aus weißen Federn stiebt um den Waggon.

»Also, was brauchen wir?«, will Vanessa wissen und guckt Specki dabei an.

Der hebt den Schirm seiner Baseballkappe leicht an. »Jeder braucht einen kleinen Rucksack, mit Essen und Trinken. Jeder, was er so denkt. Eine Taschenlampe. Was gegen Mücken. Ersatzkleidung. Jeder eine Trillerpfeife, falls wir mal getrennt werden.« Er überlegt einen Augenblick. »Ob ich meine Gitarre mitnehmen soll?«

Die Freunde protestieren energisch.

Selbst Long Basti hat eine klare Meinung. »Willst du, dass wir mitfahren, oder nicht?«

»Okay, okay«, sagt Specki eingeschnappt. »Euer Pech, wenn ihr so wenig von Musik versteht.«

»Wir sollten auch unsere Taschenmesser mitnehmen«, schlägt Vanessa vor.

»Jeder braucht alles?«, fragt Julia ungläubig.

»Klaro«, meint Specki. »Wir müssen voneinander unabhängig sein.« Dann blickt er auf die Uhr. »Ich würde sagen, wir treffen uns in zwei Stunden am Waggon. Die Zeit müsste genügen.«

Der Flug in die Finsternis

Zwei Stunden später finden sie sich am Waggon wieder ein. Jeder trägt einen kleinen Rucksack auf dem Rücken. Speckis ist natürlich am prallsten gefüllt, denn er hat immer den größten Hunger.

Fast feierlich steigen sie die Stufen zur Tür des Waggons hinauf, Vanessa voran, dann Long Basti, dann Julia, dann Specki. Die Möwen kreischen ihnen hinterher und blicken sehnsüchtig auf die Rucksäcke. Zu gerne würden sie mit ihren Schnäbeln den Inhalt erkunden.

Und wieder betreten die vier den Waggon Old Krusemanns. Aber diesmal setzen sie sich gleich um den Tisch herum.

Vanessa blickt Old Krusemann herausfordernd an. »Action ist angesagt, Old Krusemann.«

»Wir haben das Bild. Du hast die Kugel«, fügt ihr Bruder hinzu.

Old Krusemann kratzt sich den Kopf. »Hm«, sagt er ausweichend.

»Versprochen ist versprochen«, erklärt Specki. »Hast du selbst mal gesagt.«

Die vier starren den alten Seebär erwartungsvoll an. Old Krusemann seufzt.

»Wenn das man gut geht«, brummt er und holt die Zeitkugel aus dem Regal.

»Klaro«, meint Vanessa und legt das Faltblatt in die Mitte des Tisches.

Old Krusemann setzt die Zeitkugel darauf. »Nun fasst euch alle an«, befiehlt er. »Es muss ein geschlossener Kreis entstehen. Und lasst euch auf keinen Fall los! Was auch geschieht.«

Die vier folgen seiner Anweisung. »Hypergalaktisch!«, jubelt Vanessa. Long Basti kaut auf seiner Unterlippe herum. Julia blickt ein wenig ängstlich drein. Specki schiebt sich gleich vier Gummibärchen auf einmal in den Mund.

Old Krusemann dreht die Zeitkugel. Einmal, zweimal, dreimal.

»Es kribbelt in meinem ganzen Körper!«, ruft Vanessa aus. »Das ist wie elektrischer Strom.« Julia ist nun ganz blass geworden.

Das Kribbeln nimmt bei jedem zu. Und dann, ganz plötzlich, wird es dunkel vor ihren Augen wie bei einer Narkose. Die vier schweben in eine totale Finsternis hinein, tiefer und tiefer. Sie spüren nur die Hände der Freunde.

Sie sitzen nicht mehr.

Sie fliegen!

»Super!«, kichert Vanessa und drückt Sebastians und Julias Hände, so fest sie kann.

Ein Sausen umgibt sie, der Wind pfeift um ihre Ohren.

Nur nicht loslassen! Wer weiß, was dann geschehen würde. Wer loslässt, stürzt vielleicht ab? Endlos scheint dieser seltsame Zustand zu dauern. Minuten? Stunden? Selbst Vanessa wird es unheimlich. Wir reiten wohl auf dem Wind, denkt sie.

Plötzlich spüren sie wieder Boden unter ihren Füßen. Sie sind gelandet!

»Wow!«, ächzt Vanessa. »Wir stehen ja wirklich auf einem Schiff.«

Sie kneift die Augen zusammen und schaut sich um. Ja, es stimmt. Und sie erkennt das Schiff wieder. »Wir sind auf der >Victoria<!«

Die vier lösen ihre Hände und blicken sich neugierig um.

Sie stehen in der Nähe des gewaltigen Hauptmastes. Über ihnen, auf schweren Balken, ruht ein Rettungsboot. Sie blicken zum Vorschiff hinüber, dort, wo sich der Vordermast befindet und die Schiffsglocke hängt. An der Spitze des Schiffes ragt der Bugspriet wie ein gewaltiger Speer in die Dunkelheit. Auf dem Achterdeck, wo der Besanmast in den Himmel ragt, stehen die Kanonen auf ihren Rollen. »Aber hier ist ja Nacht!«, entfährt es Long Basti.

»Und was machen wir nun?«, überlegt Julia. Vanessa grinst. »Na, wir wollten doch wohl hierher, oder? Ich sage nur: Piratenschatz, wir kommen! Nun muss uns auch was einfallen.«

Long Basti schaut mit zusammengekniffenen Augen zu den hohen Masten hinauf. Er fühlt sich etwas unbehaglich. Also schiebt er schnell die Hände in die Taschen seiner Schlabberhose, damit er trotzdem cool wirkt.

Es ist Nacht und völlig windstill. Das Schiff scheint im Wasser zu stehen. Der Steuermann hängt schlafend über dem Steuerrad. Der Mond schwebt rund und voll am Himmel.

»Du kannst deine Gletscherbrille absetzen«, sagt Julia zu Long Basti. Doch der überhört ihren Vorschlag.

Vanessa verschränkt ihre Arme und lehnt sich lässig gegen den Hauptmast.

»Wir wissen nicht, wie lange wir hier bleiben. Vielleicht sollten wir uns erst mal verstecken und die Lage peilen«, schlägt sie vor.

»Und wo?«, fragt Long Basti.

Vanessa zeigt mit dem Finger auf Specki und Long Basti. »Ihr geht ins Rettungsboot. Und Julia und ich verstecken uns im Mastkorb.«

»Was?«, stößt Julia erschrocken hervor. »Wie sollen wir denn da hochkommen?«

Vanessa grinst breit. »Na, die Wanten hoch, also die Strickleiter da hoch.« Als sie Julias empörtes Gesicht sieht, muss sie lachen. »Das ist genauso, wie wenn du eine Leiter hochkletterst. Es geht vorbei an den Rahen und schon bist du oben im Krähennest.«

»Im Krähennest?«, wiederholt Julia verständnislos.

»So nennen die Piraten den Mastkorb.«

Julia stöhnt leise auf. »Mir wird bestimmt schwindelig. Echt.«

Vanessa winkt ab. »Ich geh voran. Du musst nur hinterherklettern. Das ist pipileicht.«

Specki schlägt Julia auf die Schulter. »Das musst du locker sehen.«

»Und wenn uns Old Krusemann zurückholt?«, überlegt Julia. »Wenn es in unseren Körpern kribbelt? Dann müssen wir uns doch alle anfassen?«

»Bis dahin sind wir längst wieder zusammen«, sagt Vanessa zuversichtlich.

»Haha«, mault Specki. »Und wenn die Typen auf diesem Schiff was dagegen haben?«

»Wir müssen uns einfach durchsetzen«, behauptet Vanessa cool.

»Wo sind überhaupt die Piraten?«, wirft Long Basti ein.

»Die pennen«, sagt Vanessa. »Der Kapitän in seiner großen Kajüte, die Besatzung in den Hängematten und Kojen unter Deck. Selbst der Pirat am Steuerrad pennt.« Sie zieht Julia am Arm. »Komm! Wir klettern nach oben, bevor jemand aufwacht.«

Julia tritt aufgeregt von einem Fuß auf den anderen. Aber dann steigt sie doch hinauf.

»Nicht runtersehen«, rät ihr Vanessa. »Guck immer zum Krähennest hoch! Das hilft bestimmt.«

Julia erwidert nichts. Schweigend folgt sie Vanessa, die wie ein Affe die Wanten hinaufklettert, ohne Angst. Julia beißt die Zähne aufeinander. Einmal, als sie doch hinunterschaut, sieht sie, wie sich Long Basti und Specki im Rettungsboot verstecken. »Elchstark!«, sagt Specki wahrscheinlich gerade.

Vanessa klettert als Erste in das Krähennest.

»Nie wieder auf ein Schiff«, stöhnt Julia, als sie endlich neben Vanessa hockt.

Es ist still auf dem Schiff. Nur das Tauwerk knarrt und der Wind wimmert leise. Die beiden Mädchen blicken hinab. Specki winkt zu ihnen hinauf und Vanessa winkt zurück.

»Wie ein Blick vom Zehnmeterturm«, stellt Julia fest. Sie klingt nicht gerade begeistert.

Plötzlich fühlt Vanessa, dass sie gekitzelt wird. »Hör auf, Julia!«, schimpft sie leise.

»Was mach ich denn?«, will Julia wissen.

»Na, du kitzelst mich.«

»Ich mach gar nichts«, sagt Julia. »Aber du hast mich an den Haaren gezogen.«

»Quatsch«, meint Vanessa und rückt ein Stück ab. Aber wieder spürt sie Finger an ihrer Hüfte. Und die kitzeln sie diesmal ganz gemein.

»Du bist blöd, Julia«, sagt sie.

»Was hast du nur?«, mault Julia. »Ich mach doch wirklich nichts!«

Vanessa blickt Julia prüfend an. »Hier spukt es«, stellt sie dann fest.

Nun ist Julia wirklich geschockt. Sie findet es ohnehin schon ziemlich unheimlich auf diesem Schiff. Auch ohne Gespenster.

»Wer soll denn hier spuken?«, fragt sie zitternd.

»Wirst schon sehen«, sagt Vanessa geheimnisvoll.

Und tatsächlich - als hätte es auf diese Worte gewartet, hockt plötzlich ein kleines blaues Männchen neben ihnen im Krähennest. Es hat ein verschmitztes Gesicht und wirre Haare, die aus Seegras zu bestehen scheinen.

»Hihi«, macht das Männchen.

Erschrocken klammert sich Julia an Vanessa fest. »Wer ist das denn?«

Aber Vanessa winkt ab. »Das ist nur der Klabautermann«, flüstert sie. »Der Schiffsgeist. Ein freundlicher Kobold.«

»Der Schiffsgeist?« Julia macht große Augen. Vanessa nickt. »Der hat uns auch gekitzelt und an den Haaren gezogen. Ich hab’s mir gleich gedacht.«

»Ich bin Vanessa«, stellt sie sich mit lauter Stimme dem Männchen vor. »Und das ist Julia. Du bist der Klabautermann, stimmt’s? Auf Bildern siehst du ganz anders aus. Mit Seemannshut, langem Bart und Pfeife.«

Das Männchen kichert weiter.

»Du kannst uns helfen«, schlägt Vanessa dem Klabautermann vor. »Wir wollen, dass keiner hier hochkommt. Kannst du das?«

Das Männchen blinzelt und nickt. »Nichts ist leichter.«

»Ein guter Geist«, beruhigt sich Julia.

»Der ist nicht immer gut«, schnauft Vanessa.

»Manchmal schmeißt er den Piraten lebende Quallen in die Trinkbecher. Nur aus Schabernack. Und wenn er von Bord geht, sinkt sogar das Schiff.«

Der Klabautermann kichert wieder und mustert Vanessa interessiert.

Und dann ist er verschwunden, als habe er sich in Luft aufgelöst. Einfach so.

Sein Geruch nach Hanf und Salzwasser hängt noch eine Weile in der Luft.

Der Morgen graut. Und Wind kommt auf. Von Sebastian und Specki ist nichts zu sehen, aber nach und nach erscheinen immer mehr Piraten an Deck. Sie klettern an den Wanten zu den Rahen hinauf und setzen die Segel. Ein Pirat mit einem roten Kopftuch will zum Krähennest. Als es plötzlich von einer pechschwarzen Wolke umhüllt wird, steigt er erschrocken wieder nach unten. Misstrauisch blickt die Besatzung zum Krähennest.

Ob sich noch jemand nach oben wagt?

»Die haben jetzt Schiss«, jubelt Vanessa. Vorsichtig schaut sie durch das Korbgeflecht nach unten.

Die Piraten stehen an Deck und beraten. Dann greift einer nach der Strickleiter, die zum Krähennest hinaufführt. Die Pistole in seinem Gürtel gefällt Vanessa überhaupt nicht. Davon sagt sie Julia lieber nichts.

Der Pirat beginnt wirklich nach oben zu klettern. Er erreicht die erste Rahe. Und wenn er schießt?, überlegt Vanessa. Ihr Herz klopft wie verrückt. Eine echte Pistole! Eklig!

Der Pirat schaut lauernd zum Krähennest hoch. Aber er klettert nicht weiter, obwohl ihn die anderen Piraten lautstark anfeuern.

Ob er Angst bekommen hat? Vor dem Klabautermann? Vielleicht zaubert der Klabautermann gleich noch so eine schwarze Wolke herbei?, denkt Vanessa. Oder er lässt eklige Quallen herabregnen. Aber verlassen kann sie sich darauf nicht.

Da fährt der Wind in die Segel und bläht sie ganz überraschend auf. Der Steuermann dreht das Steuerrad, das mit einem riesigen Ruder am Ende des Schiffes verbunden ist. »Jetzt haben die anderes zu tun.« Vanessa ist zufrieden. Sie genießt den Wind, der ihr in das Gesicht bläst.

Julia ist ganz blass geworden.

Hoffentlich muss sie nicht brechen, denkt Vanessa. Denn nun wird es hier oben unruhig. Vanessa und Julia müssen sich an den Seitenwänden festklammern.

Nur keinen Sturm!, schießt es Vanessa durch den Kopf. Dann kriegen wir den Regen ab und den Wind.

»Du musst einfach denken, du sitzt in einer Achterbahn«, rät sie Julia. »Achterbahn ist viel schlimmer, ehrlich. Hier überschlägst du dich ja nicht mal.«

Piratenkapitän Schwarzbart

Vorsichtig lugt Vanessa hinab. »Hypergalaktisch«, flüstert sie aufgeregt. »Da unten ist Schwarzbart! Der Superpirat! Es ist also doch wahr! Mensch, Julia, wir sind auf Schwarzbarts Schiff!«

Und wirklich: Da steht der Piratenkapitän. Vanessa kennt ihn aus unzähligen Piratenbüchern. Er trägt einen blauen Rock und hat einen schwarzen Dreispitz auf dem Kopf. In seinen Bart sind kleine Zöpfe geflochten, die nach allen Seiten abstehen. Und um den Hals trägt er eine Kette aus Haifischzähnen. Sie sind von einem weißen Hai, den Schwarzbart eigenhändig erwürgt haben soll, weiß Vanessa.

»Die Kette könnten wir für unsere Clique gebrauchen«, sagt Julia.

Vanessa nickt begeistert.

Die Piraten sind alle recht bunt angezogen. Einer hat ein zerrissenes weißes Hemd und längs gestreifte Hosen an, die unterhalb der Knie zerfranst sind. Im Gürtel trägt er eine Pistole. Ein anderer hat seine langen Haare durch ein lila Kopftuch gebändigt. Über dem nackten Oberkörper trägt er eine offene Lederweste. Ein Dritter trägt eine Wollmütze und eine speckige Lederweste über dem grünen Hemd. Im Gürtel seiner Kniehosen steckt ein langes Messer. Fast alle Piraten sind barfuß. An Deck beginnt das Leben.

Die Piraten würfeln.

Sie spielen Karten.

Sie trinken Rum.

Sie putzen ihre Waffen.

Sie gähnen ausgiebig.

Auf dem erhöhten Hinterdeck flattert ein Dutzend zum Trocknen aufgehängte Hemden. »Langweilig hoch hundert«, verkündet Vanessa. »Tag und Nacht auf einem Schiff, das ist schlimmer als Schule.«

Julia wäre jetzt viel lieber in der Schule.

»Auf dem Schiff dürfen die Piraten noch nicht mal streiten«, erklärt Vanessa. »Nur an Land. Da gibt es strenge Regeln.«

»Wo ist eigentlich die Piratenflagge?«, will Julia wissen.

Vanessa strahlt. »Die hissen sie nur direkt vor einem Gefecht. Ohne die Flagge könntest du denken, das ist ein friedliches Handelsschiff. Wenn du sie dann siehst, ist es zu spät.«

Ein Mann mit einem Holzbein und einer hohen grauen Kochmütze, die einmal weiß gewesen sein muss, humpelt übers Deck.

»Der Smutje«, erklärt Vanessa. »Frag nicht, was der für einen Mist kocht. Schlangen und Schildkröten. Und dazu gibt es dann trockenen Zwieback, auf dem schon der Schimmel sitzt.« Julia schüttelt sich. »Gut, dass wir Essen mithaben.«

Vanessa grinst. »Die kriegen ihren Fraß nur runter, wenn er stark gewürzt ist. Oder sie essen ihn gleich im Dunkeln.« Dann tönt sie plötzlich los: »Ich habe eine tolle Idee!«

Julia blickt Vanessa neugierig an. »Und?«

»Wir klauen dem Schwarzbart die Kette mit den Haifischzähnen! Jeder aus der Clique kriegt einen Zahn. Den kann er dann immer an einem Halsband tragen. Als Talisman.«

»Und wie willst du das machen?«

Vanessa verdreht genervt die Augen. »Wir finden schon eine Gelegenheit.« Sie beginnt intensiv auf einer Haarsträhne zu kauen. »Ich schleich nachts runter, wenn die alle pennen, und dann nichts wie rein in seine Kabine.«

Julia schüttelt entschieden den Kopf. »Das ist viel zu gefährlich. Der hört dich doch.«

»Döskopp!«, schimpft Vanessa. »Der schnarcht bestimmt! Wie soll er mich da hören?«

»Das ist eine dumme Idee«, stellt Julia fest. »Wir wollen doch den Piratenschatz finden und nicht eine Kette klauen.«

»Winseltüte«, mault Vanessa. »Den Schatz finden wir noch extra.«

Plötzlich hören sie ein gewaltiges Geschrei an Deck.

»Die haben Long Basti und Specki entdeckt!«, stößt Vanessa erschrocken hervor.

»Oh nein!«, kommt es von Julia.

Die Piraten stehen in einem Kreis um Long Basti und Specki herum. Erstaunt mustern sie Speckis Brille und vor allem die Gletscherbrille von Long Basti. Überhaupt scheinen sie die Kleidung der Jungen seltsam zu finden.

Julias Augen sind ganz groß geworden. »Was werden sie mit ihnen machen?«

»Die brauchen immer Schiffsjungen«, beruhigt sie Vanessa. »Vielleicht müssen die beiden auch dem Koch helfen. Alles nicht so schlimm. Wir sind ja bald wieder weg.«

»Bisher habe ich noch kein Kribbeln gespürt«, sagt Julia nachdenklich.

»Kommt alles noch«, verspricht Vanessa. »Die Zeit läuft hier eben anders. Vielleicht ist eine Stunde bei uns hier so viel wie ein ganzer Tag.«

Julia bleibt vor Schreck der Mund offen stehen. »Du meinst, wir müssen so lange bleiben?«