Die Kita im Sozialraum - Stefan Lenz - E-Book

Die Kita im Sozialraum E-Book

Stefan Lenz

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  • Herausgeber: Hirnkost
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Kein Kind soll sich in der Kita unerwünscht fühlen. In "Die Kita im Sozialraum" geht es um die Idee, dass Kinder nicht schon in jungen Jahren aus Einrichtungen verwiesen werden (müssen), weil sie als nicht mehr zumutbar gelten und so ganz früh eine Erfahrung des Scheiterns machen. Dazu müssen sich alle Kitas in einer Region gemeinsam auf den Weg machen, Konkurrenzen abbauen und ein kooperatives Modell entwickeln und pflegen. Das Buch beginnt mit der (fiktiven) Geschichte von Mia, die schon früh Scheitern erlebt hat. Sie zeigt auf, was solche Erfahrungen auslösen können. Beim Konzept "Kita im Sozialraum" müssen gleichzeitig die bisherigen Strukturen der Kita angepasst und die geltenden Routinen verändert werden, und es bedarf eines veränderten Denkens und Handelns der Fachkräfte. Es braucht Akteur:innen, die für die Idee brennen. Nur dann kann das Konzept "Kita im Sozialraum" funktionieren. Und daher dieses Buch, das vor allem Fachkräfte in Kindertagesstätten erreichen und motivieren will, sich auf den Weg zu machen.

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Stefan LenzFriedhelm PetersDenise Ziegler

DIE KITA IMSOZIALRAUM

Was man aus der Geschichte vonMia lernen kann

Eine andere Einführung insozialraumorientiertes Denken und Arbeiten

mit Bildern von Kira Gregan

Originalausgabe© 2021 Hirnkost KG, Lahnstraße 25, 12055 Berlin;[email protected]; http://www.hirnkost.de/Alle Rechte vorbehalten1. Auflage September 2021

Vertrieb für den Buchhandel:Runge Verlagsauslieferung; [email protected]

Privatkunden und Mailorder:https://shop.hirnkost.de/

Layout: benSwerk; www.benswerk.com

Lektorat: Klaus Farin

ISBN:PRINT: 978-3-949452-06-2PDF: 978-3-949452-08-6EPUB: 978-3-949452-07-9

Dieses Buch gibt es auch als E-Book – bei allen Anbietern und für alle Formate.

Unsere Bücher kann man auch abonnieren: https://shop.hirnkost.de/

Stefan LenzFriedhelm PetersDenise Ziegler

DieKITAim Sozialraum

Was man aus der Geschichte von Mia lernen kann

mit Bildern von Kira Gregan

Eine andere Einführung in sozialraumorientiertes Denken und Arbeiten

INHALT

Einleitung

„Du wirst schon noch sehen, was du davon hast“

Was uns die Geschichte von Mia lehrt

Problemaufriss

Ziel ist eine aushaltende Jugendhilfe

Die Kita als Ort für alle Kinder

Drei Spieler im kommunalen/regionalen Feld: Kita, ASD und HzE

„Schwierige Kinder“ in der Kita

Wo sehen welche Fachkräfte welche Probleme?

Das Konzept „Die Kita im Sozialraum“ basiert auf einem sozialräumlichen Ansatz

Veränderung wird von Personen und Verfahren getragen

Der Runde Tisch als Fundament einer sozialräumlichen Kooperation

Gemeinsame Fortbildungen im Sozialraum

Die Fallbesprechungen am Runden Tisch und in der Kita

Die Unterstützung von außen

Wie weiter?

Literatur

Autor:innen und Dank

Der Arbeitskreis Hilfen zur Erziehung und Kindertagesbetreuung (AK HzE/Kita)

Weiterführende Literatur

EINLEITUNG

Mit dem vorliegenden Buch möchten wir vor allem Fachkräfte in Kindertagesstätten ansprechen. Es geht darum, das Konzept „Kita im Sozialraum“ kennenzulernen. „Kita im Sozialraum“ ist Variante und Teil einer sozialraumorientierten Kinder- und Jugendhilfe. Das vorliegende Buch resultiert aus einem Modellprojekt, das von der Stiftung Aktion Mensch gefördert wurde. Dabei wurde das Konzept einer sozialräumlichen Kinder- und Jugendhilfe auf Kindertageseinrichtungen übersetzt und in der Praxis weiterentwickelt. Es geht um die Idee, dass Kinder nicht schon in frühen Jahren aus Einrichtungen verwiesen werden (müssen), weil sie für die Einrichtungen als nicht mehr zumutbar gelten. Kein Kind soll schon in frühen Jahren erleben, in der Einrichtung nicht erwünscht zu sein und dadurch eine Erfahrung des Scheiterns zu machen.

Es handelt sich im Folgenden um Erfahrungen, die in der Praxis gewonnen wurden. Im ersten Modellprojekt1 stand noch die Optimierung einzelner Kitas im Vordergrund; die Kitas, die im Modellverbund mitmachten, sollten für alle Kinder ein guter und aushaltender Ort sein können. Dieser an sich naheliegende Gedanke, dem vermutlich zunächst alle Kita-Mitarbeitende überall zustimmen (würden), hatte jedoch im Projekt teilweise einen unerwünschten Nebeneffekt: Hatte sich herumgesprochen, dass in dieser oder jener Kita auch „schwierige Kinder“ untergebracht werden können, beeinflusste das das Belegungsverhalten von Eltern und Fachkräften. Erschwerend kam hinzu, dass, sobald in irgendeiner Kita ein Kind aus Sicht der dortigen Fachkräfte als schwierig galt, die Tendenz bestand, dieses Kind in die vermeintlich besser für „die Schwierigen“ geeignete Kita zu schicken. Beides zusammengenommen und fortgesetzt würde dazu führen, dass es gegen alle Absichten plötzlich „Kitas für Schwierige“ gäbe. Hierdurch wurde deutlich, dass der Gedanke, eine einzelne Kita zu „optimieren“, doch nicht so gut ist. Daraufhin ist die Idee eines sozialräumlichen Vorgehens entstanden. Das heißt, dass sich alle Kitas in einer Region gemeinsam auf den Weg machen, Konkurrenzen abbauen und ein kooperatives Modell – auch gegenseitiger Unterstützung – entwickeln und pflegen. Davon will dieses Buch sprechen.

Das Buch beginnt mit einer Geschichte über Mia. Der Text beschreibt einen Ausschnitt aus dem fiktiven Lebenslauf von Mia, die schon früh Scheitern erlebt hat. Er zeigt auf, was solche Erfahrungen auslösen können. Mias Lebenslauf ist von uns konstruiert, aber fußt auf Erfahrungen aus der Praxis, sodass er eben nicht so ganz fiktiv ist. Es ist eine Anreicherung von vielen Eindrücken aus der Berufspraxis. Allerdings sind Ort und Name(n) frei erfunden. Die Geschichte soll dazu dienen, die Idee zu verstehen, die hinter unserer Arbeit steht. Nach der Geschichte wird in einem weiteren Teil des Buches das Konzept „Kita im Sozialraum“ erläutert. Wie jedes Konzept enthält es bestimmte Kernelemente, die jede Region unter ihren je gegebenen Rahmenbedingungen allerdings für sich selbst umsetzen muss. Dabei wird in dem Buch auch die Problematik beschrieben, dass viele Ideen des Konzepts „Kita im Sozialraum“ von einer einzelnen Fachkraft in einer Kita gar nicht allein realisiert werden können. Es handelt sich vielmehr um ein Projekt, das die gesamte Kita – als Organisation – betrifft. Im Idealfall müssen gleichzeitig die bisherigen Strukturen der Kita angepasst und die geltenden Routinen verändert werden. Aber allein die abgewandelten Strukturen bringen noch keine wesentlichen Veränderungen. Dazu bedarf es eines veränderten Denkens und Handelns der Fachkräfte. Es braucht Akteur:innen, die für die Idee brennen. Nur dann kann das Konzept „Kita im Sozialraum“ funktionieren. Und daher dieses Buch.

Wir würden uns wünschen, dass dieses Buch Ihnen Anregungen vermittelt, aber begreifen Sie es nicht als Gebrauchsanweisung oder Bauanleitung für Ihre pädagogische Praxis. Es handelt sich eher um eine grundsätzliche Idee, ein offenes Programm. „Kita im Sozialraum“ ist keine Franchise-Unternehmung. Die Bedingungen der Kinder- und Jugendhilfe in der Republik sind sehr unterschiedlich. Dies hängt vom Bundesland, von Landesgesetzen, vom Landkreis, von Personen und leider auch von der finanziellen Leistungsfähigkeit und -willigkeit einer Kommune ab. Aber auch Beharrungstendenzen der Träger, die ihre „Pfründe“ sichern wollen, wirken hemmend. Dies steht einer Kooperation mitunter im Weg. Die Kooperation und Transparenz zwischen den Einrichtungen bzw. Diensten, zwischen Kita und Hilfen zur Erziehung ist ein wesentlicher Teil des Erfolgsrezepts von „Kita im Sozialraum“. Dabei geht es nicht um Kooperation nach dem Motto, Kooperation oder Vernetzung an sich ist gut, weil „modern“ und allseits gefordert, sondern um Kooperation mit einem klaren inhaltlichen Bezug und konzeptionellen Kern. Im Mittelpunkt stehen die Kinder (und deren Familien) sowie die – gemeinsame, sozialräumliche – Entwicklung einer Praxis, die mehr Handlungsmöglichkeiten für alle Beteiligte generiert.

Es würde uns freuen, wenn Sie Ideen aus dem Buch für die Weiterentwicklung Ihrer Arbeit in Ihrer Region nutzen könnten. Es bedarf unter Umständen eines langen Atems, ein solches Reformprojekt gelingt nicht „über Nacht“ – aber es lohnt sich!

1)Das erste Modellprojekt (2015–2018), das auch von der Aktion Mensch gefördert wurde und ebenfalls als Praxisentwicklungsprojekt angelegt war, suchte die sozialräumliche Kooperation von Kindertagesstätten, Hilfen zur Erziehung und Allgemeinem Sozialen Dienst in fünf Regionen innerhalb Deutschlands zu verbessern. Vgl. dazu: Peters/Lenz/Kannicht/Düring/Röttger 2018.

„DU WIRST SCHON NOCH SEHEN, WAS DU DAVON HAST“

Mia, 18 Jahre

„Was ist denn jetzt schon wieder?“, ruft Katrin über den Flur. Sie ist genervt, der Tag war einfach nicht der ihre. Katrin arbeitet in einer Wohngruppe für acht Jugendliche, die nicht mehr zu Hause leben bzw. wohnen können, wollen oder zeitweilig nicht sollen. Offiziell nennt sich das „Hilfen zur Erziehung“. Katrins Tag hat schon doof angefangen, da sich die Bewerberin Ulrike als Totalflop herausgestellt hat. Anschließend hat die Schule angerufen, da eine Jugendliche nicht zum Unterricht erschienen ist. Während ihr dies alles durch den Kopf geht, läuft sie zu dem Zimmer, aus dem der Lärm kam. Es ist das Zimmer von Mia. Diese ist gerade dabei, ihre gesamte Einrichtung in Kleinteilen aus dem Fenster zu werfen. Katrin stöhnt und geht auf Mia zu. Mia ist seit vier Wochen in der Wohngruppe, aber das Team hat bisher keinen richtigen Zugang zu ihr bekommen können. Katrin nimmt sie an der Schulter und schaut sie verzweifelt an. Wie durch ein Wunder hält Mia inne und bricht plötzlich in Tränen aus. Sie setzen sich aufs Bett und Mia beginnt, ihre Geschichte von klein auf zu erzählen.

Wie durch ein Wunder hält Mia inne und bricht plötzlich in Tränen aus.

Mia wuchs in einem kleinen Ort auf

Mias Eltern betrieben seit drei Generationen einen kleinen Kiosk mit Buchladen in einer kleinen, sehr ländlichen Gemeinde. Mia genoss es als kleines Kind, ihren Vater oder ihre Mutter zur Arbeit zu begleiten. Sie liebte den Geruch von frisch gelieferten Zeitungen und Zeitschriften. Ein besonderes Vergnügen war selbstverständlich die breite Auswahl an Süßigkeiten. Mia lernte durch den Kiosk viele verschiedene Menschen kennen, die dorthin zum Einkaufen, Essen oder einfach nur zum Reden kamen. Einige dieser Menschen mochte sie, andere fand sie manchmal ein bisschen unheimlich, und einige machten ihr sogar ein bisschen Angst. Ihre Eltern waren sehr stark mit dem Verkauf beschäftigt, aber zwischen den Kund:innen hatten sie immer wieder Zeit, sich um die kleine Mia zu kümmern. Mias großer Bruder war dann immer im Kindergarten, sodass sie die volle Aufmerksamkeit ihrer Eltern hatte. Natürlich abgesehen davon, dass ihre Eltern sehr stark im Kiosk eingebunden waren. Als sie drei wurde, konnte sie den ersten Kindergarten besuchen. Das war für sie eine Abwechslung, wenngleich es auch schade war, weil sie die Zeit im Kiosk vermisste.

Mia liebte den Geruch von frisch gelieferten Zeitungen und Zeitschriften. Ein besonderes Vergnügen war selbstverständlich die breite Auswahl an Süßigkeiten.

Doch der Ort veränderte sich. Immer mehr Menschen zogen in die Stadt. Die Einwohner:innenzahlen waren rückläufig. Das wirkte sich auch auf den Kiosk aus. Es kamen immer weniger Kund:innen. Für die Eltern war das nicht leicht und sie waren oft gereizt. Sie stritten auch öfter. Mia spürte, dass sich in ihrer kleinen Welt etwas veränderte. Schließlich kam der Tag, als die Eltern den Kiosk das letzte Mal abschlossen. Es folgte die Privatinsolvenz und der damit verbundene Umzug in die nächstgrößere Kleinstadt. Die Familie musste von einem Haus in eine kleine Wohnung ziehen. Mias Vater hatte jetzt einen anderen Beruf, bei dem er seine Tochter nicht mehr mitnehmen konnte. Er hatte einen schlecht bezahlten Job als Paketzusteller ergattert. Mias Mutter pflegte in ihrem alten Wohnort Neckardorf noch eine ältere Frau. Das brachte zumindest noch die ein oder andere Einnahme. Dass Geldsorgen immer wieder Thema waren, merkte Mia, auch wenn sie noch klein war. Mit dem Umzug hatten Mia und ihr großer Bruder Ben einige Entbehrungen und Veränderungen zu ertragen. Ihr Bruder Ben musste z. B. auf seinen geliebten Fußballverein verzichten.

Mia im neuen Kindergarten

Einige Wochen vergingen und Mia erlebte ihren fünften Geburtstag in der neuen Stadt. In ihrem jetzigen Wohnort gab es in der Nachbarschaft einen schönen Spielplatz; dort konnte sie ganz allein hinlaufen. Es gab eine Schaukel, auf der sie bis in den Abend schaukeln konnte. Zum Glück war da nie viel los. Sie besuchte nach dem Umzug auch einen neuen Kindergarten, der Bärenhöhle hieß. Jeden Morgen, wenn Mia in den Kindergarten kam, bewunderte sie das große Schild, auf dem ein großer starker Bär abgebildet war. Den Namen Bärenhöhle konnte sie noch nicht buchstabieren, aber sie sah das Bild des Bären. Das gab ihr jeden Morgen Kraft. Sie mochte Bären. Das waren tolle Tiere, groß und stark und alle hatten vor ihnen Angst. „Ich habe auch manchmal Angst, wenn ich in den Kindergarten gehen muss“, dachte sich Mia. Dann stellte sie sich vor, dass sie ein Bär sei, groß und stark. Das half ihr meistens. Aber das war schon eine Weile her. Manchmal wollte sie nicht hingehen, da die Kinder nicht mit ihr spielen wollten.

Es gab eine Schaukel, auf der sie bis in den Abend schaukeln konnte. Zum Glück war da nie viel los.