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Die junge Witwe London Harcourt begleitet ihren Vater auf einer Reise zu den griechischen Inseln. Dabei trifft sie auf den attraktiven Bennett Day, der unerwartete Gefühle in ihr weckt. Was sie nicht weiß: Ihr Vater will die Macht der Magie unter seine Gewalt bringen, und Bennett ist der Einzige, der das verhindern kann.
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Seitenzahl: 588
ZOË ARCHER
DIE KLINGEN DER ROSE
EIN UNWIDERSTEHLICHER SCHURKE
Roman
Ins Deutsche übertragen von
Babette Schröder
Für Zack:
Ein Schurke nach Maß
1
ZUFALLSBEGEGNUNG
Athen, Griechenland. 1875.
Das verdammte Problem mit der Magie war, dass er sie nicht einsetzen durfte.
Bennett Day duckte sich unter einer marmornen Platonbüste weg, die auf seinen Kopf zuflog. Sie krachte hinter ihm gegen die Mauer, wo sie ein beträchtliches Loch zurückließ, das durchaus als die Höhle aus dem berühmten Gleichnis des Philosophen hätte dienen können.
»Sie scheinen Platon nicht sehr zu schätzen, Kapitän«, tadelte Bennett. »Was er wohl dazu sagen würde?«
»Du englischer Schweinehund! Ich bring dich um!«
»Nie im Leben hätte Platon so etwas gesagt.« Als sich der deutsche Schiffskapitän mit der Anmut eines betrunkenen Bären auf ihn stürzte, wich Bennett erneut aus. Irgendwo kreischte Elena. Bennett seufzte. Dieses theatralische Gehabe! Typisch für eine Frau, der die Schau wichtiger war als jede Substanz.
Mit Leichtigkeit entging Bennett der Pranke des Deutschen. Ja, es wäre alles viel einfacher gewesen, hätte Bennett einen Paralysezauber anwenden können, den von den Malediven vielleicht, den er einst am eigenen Leib erfahren hatte und der so höllisch brannte. Doch durfte er weder diesen noch einen anderen Zauberspruch benutzen. Denn er war eine Klinge der Rose, und er durfte Magie nur dann verwenden, wenn sie ein Geschenk oder ihm von Natur aus eigen war – kurzum, so gut wie nie.
Um wütenden Ehemännern zu entkommen, die ihn im Schlafzimmer ihrer Frauen erwischten, bedurfte Bennett allerdings auch keiner Magie. Darin hatte er Übung. Im Allgemeinen mied er Verstrickungen dieser Art. Manchmal jedoch waren sie unumgänglich, vor allem, wenn er auf einer Mission war.
»Halt still!«, brüllte der Kapitän. »Kämpfe wie ein Mann!«
»Ungefähr so?«, fragte Bennett und landete einen sauberen Haken am Kinn des Deutschen. Der bullige Kapitän taumelte zwar nach hinten, ging aber bedauerlicherweise nicht zu Boden.
Ein Auftrag der Klingen hatte Bennett nach Athen geführt, und eine Spur dort zu Elena. Ihr seefahrender Ehemann galt als Verbündeter der vermaledeiten Erben von Albion. Über ihn konnte Bennett herausfinden, was die Erben in Griechenland vorhatten, nach welcher magischen Quelle sie suchten. Anhand der jüngsten Passagierliste des Deutschen wollte Bennett zunächst feststellen, ob diese diebischen Knilche sich bereits in Athen aufhielten, und wenn ja, wer von der Bande angereist war. Es gab zwei Möglichkeiten, an die Liste heranzukommen: Entweder brach er in das Haus des Deutschen ein, oder er verführte die Frau des Kapitäns und ließ die Liste bei dieser Gelegenheit mitgehen; Bennett bevorzugte letzteres. Er verband gern das Angenehme mit dem Nützlichen.
Elena war einer Verführung ganz und gar nicht abgeneigt. Doch kaum hatte Bennett sich mit ihr ins Schlafzimmer zurückgezogen, kehrte in einem höchst prekären Augenblick ihr Ehemann zurück. Na ja, wenigstens war Bennett noch angezogen. Er wäre nur ungern ohne Hose durch die Straßen von Athen gerannt.
Unglücklicherweise versperrte der Kapitän ihm den Weg zur Tür. So blieb ihm nur ein Ausweg – das Fenster.
»Ich binEngländer, das ist ganz richtig«, erklärte er dem Deutschen, derweil er die Entfernung abschätzte. »Weniger bekannt ist, dass ich zu einem Achtel auch Grieche bin, von mütterlicher Seite her. Ihre Familie stammt nämlich aus Olympia, dem Ursprungsort der Sportwettkämpfe des Altertums.«
»Warum erzählst du mir das, wo ich doch dabei bin, dir das blöde Grinsen aus dem Gesicht zu prügeln?«
»Zu den Disziplinen des Fünfkampfs zählt auch …«, Elena kreischte, als Bennett zum Fenster rannte, sich über das Geländer schwang und eine Etage tiefer in der Hocke landete, »… das Springen.«
Während er aufstand und sich den Staub von den Händen klopfte, schrie der Kapitän übelste Beschimpfungen zum Fenster hinaus. Elena zerrte schluchzend am Rock ihres Mannes. Sie schien ihren Auftritt als melodramatische Heldin regelrecht zu genießen.
»Aber, Sir«, rief Bennett zu ihrem Gatten hinauf, »Sie kennenmeine Schwester doch überhaupt nicht, und deshalb glaube ich einfach nicht, was Sie da für Behauptungen über sie in die Welt posaunen.«
»Und deine Mutter ist eine Ziege!« Mit dieser geistreichen Bemerkung verschwand der Kapitän vom Fenster. Doch Bennett wusste, dass Ehemänner sich in solchen Situationen selten in ihre Bibliothek zurückzogen, um bei einem Glas Brandy ihren Gedanken nachzuhängen. Und tatsächlich hörte er den Kapitän schon die Treppe herunterpoltern. Auch wenn der Anstand es eigentlich geboten hätte, beschloss Bennett, lieber nicht zu warten, bis der Mann auf die Straße herauskam.
»Eine weitere Disziplin des Fünfkampfs ist das Laufen«, sagte Bennett noch, dann stürmte er davon. Er tastete nach der Passagierliste und überzeugte sich, dass sie auch nach dem Sprung noch in der Innentasche seiner Jacke steckte.
Elena und ihr Mann wohnten in der Plaka, einem der ältesten Viertel Athens. Davon zeugten die verwinkelten Straßen, die offenbar nur zu dem Zweck existierten, Fremde in den Wahnsinn zu treiben. Wie Zuckerwürfel stapelten sich die weißen Häuser übereinander. Bennett hastete durch die engen gewundenen Gassen. Geschickt wich er mit Pistazienkörben beladenen Eseln aus. Aus Fenstern und Hauseingängen fielen Männer und Frauen in das Geschrei des deutschen Kapitäns ein. Diesen Spaß wollten sie sich keinesfalls entgehen lassen.
Das war nicht ganz das, was die Klingen mit seiner Entsendung nach Griechenland beabsichtigt hatten. Das Telegramm hatte Bennett in Bukarest erreicht, wohin er gerade eine Quelle zurückgebracht hatte. Mittels des Medaillons mit dem Davidstern hatte man in der Mongolei während einer Schlacht zwischen Klingen und Erben einen Golem heraufbeschworen. Zusammen mit einigen anderen Klingen – darunter Gabriel Huntley und seine Frau Thalia, die inzwischen ebenfalls in den Bund aufgenommen worden waren – hatte Bennett dort eine alte asiatische Quelle gegen die Erben verteidigt. Nach einem harten Kampf hatten die Klingen ihre Mission erfüllt. Der Erbe Henry Lamb, dieses wandelnde Stück Kamelscheiße, war ums Leben gekommen. Sein Kumpan Jonas Edgeworth war zu seinem Vater zurück nach England geflohen. Die mongolische Quelle befand sich nun wieder wohl verwahrt in der Sicherheit eines Klosters tief in der Wüste Gobi.
Um Bennetts Sicherheit war es deutlich schlechter bestellt. Der Deutsche holte auf und stürzte sich auf ihn. Flink tauchte Bennett unter den Armen des Mannes hindurch und rollte sich hinter dem Kapitän auf dem Boden ab. Der Deutsche schlug ins Leere und wurde von der Wucht seines eigenen Schlages nach vorn gerissen. Mit einem kräftigen Stiefeltritt in den Hintern verlieh Bennett ihm noch zusätzlichen Schwung.
Dann hetzte er an einer Gruppe Männer vorbei, die auf einem Platz zusammenstand. Einer von ihnen hielt einen langen Gehstock in der Hand, damit ihm die unebenen Straßen der Stadt nicht zum Verhängnis wurden. Ohne innezuhalten, entriss Bennett dem Mann seinen Stock und ignorierte den entrüsteten Aufschrei.
Er hastete ein paar steile Stufen hinunter und blieb auf den Fußballen wippend unten stehen. Keuchend rannte der Kapitän auf ihn zu. Wie einen Speer schleuderte Bennett den Gehstock mit einer geschmeidigen Bewegung gegen die Brust des wütenden Ehemanns. Der krümmte sich daraufhin nach vorn und rang nach Atem.
»Speerwurf«, erklärte Bennett grinsend, »ist die dritte Disziplin.«
Doch obschon er dunkelrot anlief, ließ sich der Kapitän nicht aufhalten. Mühevoll rappelte er sich auf und setzte die Verfolgung fort. Der Mann hatte Mumm. Bennett rannte weiter.
Er war ein guter Agent der Klingen. Vor allem seine Fähigkeiten im Entziffern und Entschlüsseln alter und geheimer Schriften kamen ihnen oft zugute. Aber wenn es sein musste, ließ er sich auch nur zu gern auf eine Schlägerei ein. Es war unleugbar befriedigender, von Angesicht zu Angesicht gegen einen Mann zu kämpfen, als über einem verschlüsselten Manuskript der alten Azteken zu brüten.
Wenn er diesen Deutschen nicht abhängte, drohte ihm ein Mordskampf. Er bezweifelte, dass ihm eine der orthodoxen Kirchen, an denen er vorbeistürmte, Unterschlupf gewähren würde. Ein schwarz gewandeter, bärtiger Priester stand auf einer der Kirchentreppen und schüttelte den Kopf. Der heilige Mann wusste bestimmt, dass Bennett gegen fast alle Gebote verstoßen hatte. Nun, wenigstens ehrte er Vater und Mutter, und er dachte eigentlich nie darüber nach, wie der liebe Gott wohl aussah. Zwei von zehn, gar nicht so schlecht.
Bennett hörte das fröhliche Lärmen schon, bevor er die Taverne sah. An den Tischen davor saßen Männer, tranken Ouzo, aßen Tintenfisch und plauderten. Geschickt schnappte sich Bennett einen leeren Teller, blickte kurz über seine Schulter zurück und schleuderte ihn nach dem Kopf des Deutschen. Pech nur, dass der Kapitän just in diesem Augenblick über einen Korb stolperte – der Teller verfehlte ihn knapp und zerschellte hinter ihm an der Mauer.
»Opa!«, schrien die Männer vor der Taverne.
»Diskuswerfen ist Nummer vier«, schnaufte Bennett. »Verdammt, das wird hier doch noch ein voller Fünfkampf.«
Scharf bog er um eine Ecke, sprang schnell nach oben und griff die unterste Strebe eines Balkongeländers. Er zog sich nach oben, kletterte jedoch nicht auf den Balkon hinauf. Stattdessen drehte er sich um, balancierte mit den Fersen auf dem Rand und fand mit den Händen hinter sich am Geländer Halt. Er war weder ein verweichlichter feiner Pinkel noch ein Erbe, der sich hinter einer Waffe oder einem muskelbepackten Leibwächter versteckte. Die Arbeit für die Klingen hielt ihn bei Kräften. Mit seinen zweiunddreißig Jahren war er noch genauso gut in Form wie zu Zeiten seines zweijährigen Studiums in Cambridge, ehe er seine wahre Berufung als Klinge gefunden hatte.
Nach dem Lächeln der jungen Frau zu urteilen, die auf dem Balkon saß, wusste auch sie seine athletische Figur zu schätzen. Sie wollte etwas sagen, doch Bennett schüttelte den Kopf und zwinkerte ihr zu. So richtete sie nur stumm ihr Halstuch und gewährte ihm einen besseren Blick auf ihren Busen.
Der Deutsche stürmte die Straße herunter, blieb stehen und schaute sich verdutzt um. Er sah nicht, dass Bennett über ihm gleichsam in der Luft schwebte. Der Kapitän wirbelte herum und suchte mit wüstem Blick nach Bennett, wobei er ohne Unterlass vor sich hinschimpfte, eine köstliche Mischung aus Seefahrerflüchen und Verwünschungen aus deutschen Landen.
Geschmeidig wie eine Katze warf sich Bennett vom Balkon aus auf den Rücken des hartnäckigen Kapitäns. Ein weniger kräftiger Mann wäre vornüber aufs Kopfsteinpflaster gestürzt, doch der Deutsche taumelte nur unter der Wucht des Aufpralls. Bennett schlang einen Arm um den Hals des Kapitäns und fixierte ihn mit der anderen Hand. Der Deutsche fauchte und würgte, fuhr herum und schlug wie wild auf den Arm ein, der seinen Hals strangulierte. Bennett gab nicht nach. Der Kapitän rammte ihn rückwärts gegen eine Wand. Vor Bennetts Augen tanzten Sterne, doch er ließ nicht locker. Weitere Hiebe. Bennett klammerte sich eisern fest. Im Vergleich hierzu hatte Herkules mit dem Erymanthischen Eber geradezu leichtes Spiel gehabt.
Die Bewegungen des Kapitäns wurden langsamer, die Kraft, mit der er sich aus Bennetts Griff zu befreien versuchte, ließ nach. Dann geriet der Deutsche endlich doch ins Taumeln und sank auf die Knie nieder, bevor er vollends erschlaffte. Vorsichtig löste Bennett seinen Griff. Der Kapitän sackte lautlos in sich zusammen. Als er ihn herumdrehte, musterte Bennett das rote Gesicht des Mannes, dann legte er sein Ohr an die Brust des Kapitäns.
»Und damit wäre also auch das Ringen abgehakt.« Bennett seufzte. »Wer sagt’s denn? Ein richtiger Fünfkampf. Meine Mama wäre stolz auf mich.«
»Ist er tot?«, fragte die junge Frau vom Balkon herab auf Griechisch.
»Er hält nur ein Schönheitsschläfchen«, erwiderte Bennett, ebenfalls auf Griechisch.
Er stand auf und zerrte den schlaffen Kapitän in eine Gasse. Dort griff er sich eine Wäscheleine und schnürte den Deutschen zusammen wie ein Brathuhn. Wenn der Kapitän zu sich kam, würde er eine Weile brauchen, um sich zu befreien.
Bevor er aus der Gasse schlüpfte, wischte Bennett sich den Staub von den Kleidern. Mit einem Winken verabschiedete er sich von der Frau auf dem Balkon und lief Richtung Westen zum alten Markt in Monastiraki. Nun war er zwar im Besitz der Passagierliste, doch galt es, noch mehr in Erfahrung zu bringen.
Ein Jammer, dass der Kapitän heimgekommen war, bevor Bennett bei Elena die Früchte seiner Verführungskunst ernten konnte. Ihr akrobatisches Talent war nämlich ganz beachtlich.
Aber er war schließlich nicht nach Athen gekommen, um sich spannende Verfolgungsjagden mit gehörnten Ehemännern zu liefern – er war dienstlich hier, und er wollte seine Geschäfte erfolgreich zum Abschluss bringen. Sosehr er weibliche Gesellschaft schätzte, seine wahre Berufung war und würde immer der Schutz der magischen Quellen sein. Wollte der Zufall es jedoch, dass sich beides unter einen Hut bringen ließ, nun, dann wäre es doch eine Sünde gewesen, diese Fügung des Schicksals zu ignorieren. Oder?
* * *
Victoria Regina Gloriana London Edgeworth Harcourt, bekannter als London Harcourt, genoss den herrlich bunten Trubel. Wie es der Anstand gebot, hatte sie nach Lawrence’ Tod zunächst ein ganzes Jahr in tiefer Trauer zugebracht und sich dann noch einmal anderthalb Jahre lang betrübt und bekümmert gegeben. Fast drei Jahre später hatte sie diesen finsteren Kerker des Jammers dann endlich verlassen dürfen – jetzt zog es sie in die große weite Welt hinaus. Und was für eine wundervolle Welt das war! Noch nie hatte sie England verlassen, noch nicht einmal auf ihrer Hochzeitsreise. Hier in Athen, inmitten des wunderbaren Markttreibens von Monastiraki, fühlte sie sich durch und durch lebendig.
In Buden und Zelten boten Verkäufer alles nur Erdenkliche an. Walnüsse, Oliven, bestickte Westen, Räucherwerk, Ikonen, Marmorscherben von antiken Säulen, kleine Gipsnachbildungen des Parthenons und Postkarten. Die heiße Nachmittagsluft über dem Platz duftete nach gegrilltem Lamm und Weihrauch und war erfüllt von einem schwirrenden Sprachengewirr aus Griechisch, Deutsch und Englisch. Jemand zupfte auf einer Busuki und wimmerte ein Liebeslied. Zwischen der traditionellen griechischen Kleidung und der eher modernen westlichen Mode waren die englischen Touristen mit ihren weißen Sonnenschirmen leicht zu erkennen, unter ihnen auch London. Eine Lady, erinnerte ihre Mutter sie unaufhörlich, musste stets ihren Teint schützen, zumal vor der sengenden attischen Sonne. Ihr schicker Strohhut bot ganz gewiss keinen ausreichenden Schutz.
»Wir sollten zum Hotel zurückgehen.«
London blickte sich ein wenig mitleidig nach ihrer erschöpften Zofe um. Den ganzen Tag hatte London die arme Sally kreuz und quer durch Athen geschleift. Sie hatten bereits das Hadrianstor und das Olympieion besichtigt sowie die Pnyx, die als Wiege der Demokratie galt. London und Sally hatten den steilen Berg erklommen, um die Akropolis zu bestaunen, und die verfallene Symmetrie des Parthenons bewundert. Zumindest London hatte sie bewundert. Sally hatte etwas von verwahrlosten alten Tempeln gegrummelt und weshalb um alles in der Welt sie durch diese schmutzige unzivilisierte Stadt latschen mussten, anstatt zu Hause ins Museum zu gehen? Dank Lord Elgin lägen dort doch haufenweise blöde Marmorscherben herum.
London selbst konnte es hingegen kaum fassen, dass sie wirklich durch diese Straßen lief und die Tempel von Theseus und Perikles mit eigenen Augen zu sehen bekam. Sie hatte so viel über die Antike gelesen, über ihre Helden und Tragödien. Jetzt leibhaftig hier zu stehen und die staubige Luft einzuatmen empfand sie als ein Geschenk, das sie einfach nur genießen wollte. Nachdem sie die Agora, im antiken Griechenland der zentrale Markt- und Festplatz, besichtigt hatten, wollte London die moderne Version dieses Ortes kennenlernen. Und so fanden Sally und sie sich im bunten Treiben und Lärmen von Monastiraki wieder, wo es leider von britischen und deutschen Touristen in weißen Leinenanzügen wimmelte. Na ja, immerhin konnte London hier ein paar Souvenirs für ihre Freunde zu Hause besorgen und vielleicht auch etwas für sich selbst. Wenn sie Athen morgen mit ihrem Vater verließ, würde es, so hatte er sie gewarnt, weit und breit nichts mehr geben, wo man Andenken kaufen könne. London kämpfte mit ihrer Enttäuschung. Erst gestern waren sie in Athen angekommen, und schon mussten sie wieder abreisen.
Doch sie wollte sich nicht beklagen. Dass sie sich überhaupt in Griechenland befand, hatte sie lediglich dem Zufall und ihrem eigenen Ungehorsam zu verdanken. Es grenzte an ein Wunder.
»Nur noch ein bisschen, Sally«, sagte London. »Versprochen. Dann gehen wir schnurstracks zurück zum Hotel.«
»Ihr Vater will nicht, dass Sie so lange allein unterwegs sind.«
»Aber ich bin nicht allein. Ich habe doch dich dabei.«
Sally brummelte von Neuem vor sich hin, doch London hörte darüber hinweg. Sie schlenderte zwischen Ständen mit Korinthen und Seidenschals umher. Die Verkäufer grüßten freundlich.
»Eine hübsche Halskette für eine hübsche Dame!«, rief jemand auf Deutsch.
»Herrliche Weintrauben, genauso süß wie Sie!«, lockte ein anderer auf Englisch.
Alles faszinierte sie. Sie wusste gar nicht, wo sie anfangen sollte. Ihr Kopf schwirrte von dem überbordenden Angebot und dem Tumult um sie herum. Bis ihr Blick an etwas hängen blieb. London ging zu einem Stand, an dem ein Verkäufer in traditionell weißem Kilt und kurzer Jacke seine Waren präsentierte. Auf den Tischen reihten sich schwarze und rote Urnen, Amphoren und Teller. Die Tonwaren zeigten klassische Motive aus der griechischen Mythologie.
»Wunderbare antike Vasen für Sie, Sir«, sagte der Verkäufer auf Englisch zu einem französischen Touristen. Er schob seinen Fez auf dem Kopf nach hinten. »Jede einzelne ein unschätzbares Kunstwerk.«
»Unschätzbar, sagen Sie?«, fragte der Franzose fasziniert.
»Eigentlich ist all das von unbezahlbarem Wert. Jedes dieser Stücke wurde behutsam aus der Erde geborgen, in der sie jahrhundertelang ruhten. Ach, jahrtausendelang sogar.«
London stand daneben und betrachtete die Amphoren und anderen Töpferwaren. Um ihnen einen antiken Anschein zu verleihen, hatte man etwas Erde in die Oberfläche gerieben und die Bemalung mit Schleifpapier bearbeitet. Obwohl sie keine Expertin für Archäologie war, erkannte sie doch, dass es sich hier um Fälschungen handelte. »Es überrascht mich, dass an Ihren Händen keine Farbe zu sehen ist«, schaltete sie sich ebenfalls auf Englisch in das Gespräch ein. »Denn all diese Sachen sind kaum älter als eine Woche.«
Erst blickte der Verkäufer sie mit finsterer Miene an, doch dann erschien auch schon ein Lächeln auf seinem Gesicht. »Die Dame ist klug. Genauso klug wie schön. Ja, diese Sachen sind nicht alt. Sie sind für die Dummköpfe, Sie verstehen? Die guten Stücke, die wirklich antiken, hebe ich für Kenner auf. Wie Sie und dieser geschätzte Gentleman welche sind.«
»Schon klar«, versetzte London trocken.
Der Blick des Franzosen zuckte zunächst nur flüchtig zu ihr her, dann musterte er sie eingehender. Er sah sehr gut aus und trug einen geschmackvollen Reiseanzug. Als er London anlächelte, nickte sie ihm höflich zu.
»Warten Sie, ich zeige sie Ihnen.« Der Verkäufer verschwand unter einem der Tische und tauchte mit einer kleinen Holzkiste wieder auf. Er schob einige Keramikgefäße achtlos beiseite und machte zwischen den Amphoren Platz, dann öffnete er die Kiste. Auf schäbigem Samt lagen verschiedene Tonscherben. »Die hier sind zu wertvoll. Ich möchte nicht, dass irgendein Idiot sie bekommt. Aber Sie, meine Dame, sind klug wie die Göttin Athene, und so will ich Ihnen dieses Privileg gern einräumen. Sie dürfen gern auch beide einen Blick darauf werfen.«
London zog einen ihrer cremefarbenen Glacéhandschuhe aus, reichte ihn Sally und nahm eine der Scherben in die Hand. Neben traditionellen Palmblättern zierte eine fast verblasste Schrift die Oberfläche. Wenn es sich dabei ebenfalls um eine Fälschung handelte, dann war sie nicht so offensichtlich zu erkennen wie im Fall der anderen Waren des Verkäufers. »Was können Sie mir darüber erzählen?«, fragte sie.
Der Händler strahlte, denn er glaubte, eine interessierte Kundin vor sich zu haben. »Dieses Stück ist alt. Ja, sehr alt sogar. Aus berufenstem Munde wurde mir bestätigt, dass es aus der Zeit von Darius dem Großen stammt.«
»Darius der Große?«, staunte der Franzose.
»Sind Sie sich da sicher?«, fragte London.
»Ganz sicher, meine Dame. Ich habe irgendwo Papiere, die es beweisen.«
»Sir«, sagte sie nach einem Augenblick, »Sie sind mir und diesem Gentleman gegenüber nicht ehrlich.«
Der Verkäufer wirkte beleidigt. »Sie misstrauen mir?«
»Ja, Sir. Sehr sogar.«
»Woher wollen Sie wissen, dass er nicht die Wahrheit sagt, Mademoiselle?«, fragte der Franzose mit einer Spur Herablassung. London sparte sich die Mühe, ihm zu erklären, dass sie eine Madame und keine Mademoiselle war.
»Sehen Sie hier.« Sie zeigte auf die Schrift. »Diese griechischen Worte stammen nicht aus der Zeit von Darius dem Großen. Da und da stimmt der Wortlaut nicht. Die Vokale haben sich verschoben. Verstehen Sie? Dieses Stück ist frühestens in der Zeit von Darius dem Dritten entstanden.«
Der Franzose starrte sie ungläubig an. Auch Sally wirkte fassungslos. Doch Sally hatte ja noch nie begriffen, mit welcher Ernsthaftigkeit London ihre Sprachstudien betrieb. Sie hatte die Jahre ihrer erzwungenen Einsamkeit nach Lawrence’ Tod strikt genutzt, um noch mehr alte Sprachen zu erlernen, als sie bereits kannte. Sie hatte ihre Diener beauftragt, bei den Buchhändlern in Covent Garden staubige, fast vergessene Bücher zu erwerben, und bis spät in die Nacht darüber gebrütet. Aber trotz all ihres Wissens, das sie sich in den Jahren seit ihrer unglücklichen Heirat angeeignet hatte, röteten sich nun doch ihre Wangen. Selbst hier in Athen galt eine gebildete Frau als Kuriosität.
Der Verkäufer blickte sie düster an. »Was soll das? Behaupten Sie etwa, dass ich lüge? Wollen Sie meine Kunden vertreiben?«
»Aber nein«, erwiderte London rasch. »Ich habe dem Herrn lediglich erklärt, dass die zeitliche Zuordnung nicht ganz …«
»Sie sind es, die hier lügt!«, wetterte der Verkäufer. »Keine Frau kennt diese Sprache! Sie wollen nur Ärger machen!«
Durch den Lärm aufmerksam geworden, richteten viele Marktbesucher den Blick auf sie. Die Leute reckten die Hälse und sahen zu, wie der Verkäufer immer mehr in Rage geriet. Er überschüttete London mit einem griechischen Wortschwall, zog ihre gute Erziehung in Zweifel und wollte wissen, warum eine Engländerin darauf aus sei, sein Geschäft zu ruinieren. Schließlich habe er eine Frau und Dutzende von Kindern zu ernähren, die sich doch nichts weiter wünschten als ein Stückchen Brot, diese bedauernswerten Geschöpfe.
Der Franzose stahl sich davon und überließ London allein dem verbalen Bombardement des Verkäufers. Eine solche Situation war im Benimmunterricht nie zur Sprache gekommen. London fragte sich, wie sie sich aus dieser misslichen Lage befreien sollte, ohne verhaftet zu werden.
»Werfen Sie diese Verleumdungen gefälligst Ihrer Großmutter an den Kopf«, sprach da eine tiefe Männerstimme den Verkäufer an, Griechisch mit englischem Akzent.
London drehte sich nach dem Sprecher um. Und fand sich überwältigt.
Sie führte noch immer ein sehr behütetes Leben. In England beschränkte sich ihr Umgang auf wenige Familien und ausgesuchte Bekannte, meist Geschäftspartner ihres Vaters sowie deren Bedienstete und Angestellte. Auf Veranstaltungen und Festen begegnete sie immer nur denselben Leuten. Dennoch wusste sie mit absoluter Sicherheit, dass es sich bei Männern von diesem Schlage um eine Ausnahmeerscheinung handelte.
Sicher gab es größere Männer, doch konnte sie ihm dies angesichts seiner schlanken, muskulösen Gestalt nicht als Makel auslegen. Sein englisches Jackett brachte seine Schultern wunderbar zur Geltung; sie wirkten darin nicht massig, sondern stark. Sie erkannte sofort, dass in seinen Armen und langen Beinen eine enorme Kraft steckte. Darüber konnte auch seine lässige Haltung nicht hinwegtäuschen. Er erinnerte sie an die Boxer, die ihr Bruder Jonas in seiner Jugend bewundert hatte. Der Fremde trug keinen Hut, was bei dieser Hitze seltsam war, doch erlaubte ihr dieser Umstand einen Blick auf seine dunklen, leicht gewellten Haare. Sie wirkten etwas zerzaust, als hätte er eben noch im Bett gelegen. Plötzlich stellte London sich vor, wie sie mit ihren Fingern durch die Haare dieses Mannes fuhr und ihn dichter an sich zog.
Wenn sie bei diesem Gedanken nicht bereits puterrot geworden war, dann spätestens beim Anblick seines Gesichts. Was für sündhafte Versprechungen er schon gemacht und gehalten haben musste mit einem Gesicht wie diesem! Das Kinn kantig und scharf geschnitten, der Mund unfassbar sinnlich. Um seine Lippen spielte ein ungehöriges, überaus maskulines Lächeln. Seine strahlend blauen Augen sprühten vor intelligentem Humor. Selbst der kleine Höcker auf dem Rücken seiner Nase, die er sich wohl einmal gebrochen haben musste, verstärkte den Eindruck überwältigender männlicher Schönheit nur noch. Dazu war er glatt rasiert. Dieser Fremde war fraglos ein über die Maßen gut aussehender Mann.
London konnte eigentlich gleich mit dem Schiff zurück nach England reisen. Denn gewiss würde sie in ganz Griechenland nichts finden, was den Anblick dieses Mannes übertraf.
»Wer sind Sie?«, fuhr der Verkäufer den Fremden auf Griechisch an. »Sie verteidigen diese Frau und ihre Lügen?«
»Es ist mir einerlei, was sie gesagt hat«, erwiderte der Engländer gelassen und wieder in der Landessprache. »Sollten Sie diese Dame weiter beleidigen, lasse ich Sie meine Faust sehen – und zwar aus allernächster Nähe.« Der Verkäufer glotzte ihn mit großen Augen an, klugerweise aber schweigend. Wer immer dieser Mann auch sein mochte, er hatte ohne Zweifel einen kräftigen Schlag am Leibe.
Ganz sanft hingegen legte er eine Hand auf Londons Taille und geleitete sie von dem Marktstand fort. Verblüfft von der überraschenden Wendung der Ereignisse ließ sie es zu.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte er sich auf Englisch. Er schenkte ihr ein besorgtes, herzerwärmendes Lächeln. »Dieser feilschende Hitzkopf hat Sie doch nicht etwa verletzt?«
Noch etwas verwirrt von dem, was gerade geschehen war, und mehr noch von der Attraktivität des Mannes neben ihr, schüttelte London nur den Kopf. Sie spürte seine warme Hand auf ihrem Rücken, und obschon es sich nicht schickte, vermochte sie sich weder zu rühren noch etwas gegen diese Dreistigkeit einzuwenden. »Nein, nein, seine Beleidigungen waren ja nicht sonderlich einfallsreich«, erwiderte sie.
Der Fremde lachte, und dieser Klang bereitete ihr ein kribbelndes Gefühl im Bauch. »Vielleicht sollte ich zurückgehen und ihm zeigen, wie man es richtig macht.«
»Oh nein«, sagte sie rasch. »Ich glaube, für heute haben Sie ihm schon genug beigebracht.«
Während er sie anlächelte, bedachte er zugleich doch jedermann, der zu ihnen herstarrte, mit einem warnenden Blick. »Und welche Laus ist ihm über den Fez gelaufen?«
Sie hob die Faust und öffnete sie. In ihrer Hand lag noch immer die Tonscherbe. »Darüber sind wir in Streit geraten. Du liebe Güte, ich habe ganz vergessen, dass ich die Scherbe noch immer bei mir habe. Ich muss sie zurückgeben.«
Er nahm sie ihr aus der Hand. Dabei strich er mit den Fingerspitzen leicht über ihre Haut und ließ eine heiße Welle über ihre Handfläche laufen. Ein Schaudern rann durch ihren Körper. Sie begegnete seinem Blick und versank in der kühlen Tiefe seiner meerblauen Augen. Es war mehr als bloße Anziehungskraft. Tief in ihr erklang eine wundervolle Melodie, die ihr eine neue Welt eröffnete. Er schien dasselbe zu empfinden, denn er hielt kaum merklich die Luft an und straffte sich ein wenig. London löste sich aus dem Bann seines Blickes, entriss Sally, die sie und den Fremden mit unübersehbarer Missbilligung beobachtete, den Handschuh und streifte ihn wieder über.
Der Fremde räusperte sich, dann gab er ihr die Scherbe zurück. »Sie sollten sie behalten. Betrachten Sie sie als Wiedergutmachung seinerseits.«
Obwohl es ein seltsames Gefühl war, etwas an sich zu nehmen, für das sie nicht bezahlt hatte, steckte London die Tonscherbe in ihren Pompadour.
»Haben Sie vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte sie im Weitergehen. »Ich gestehe, dass ein Streit mit einem Händler in Monastiraki nicht auf meiner Wunschliste für griechische Abenteuer stand.«
»Das Schöne an Abenteuern ist ja gerade, dass man sie nicht planen kann.«
Sie lachte. »Sie reden wie ein echter Abenteurer.«
»Ich habe schon einige erlebt.« Er grinste. »Zum Beispiel habe ich im Grabtempel der Felsenstadt Petra Banditen überwältigt. Und im dampfverschleierten Herzen von Island bin ich auf Vulkane geklettert.«
»Das hört sich wunderbar an«, gestand London mit einer Offenheit, die sie selbst überraschte. Seltsamerweise hatte sie das Gefühl, diesem englischen Fremden ihre intimsten Geheimnisse anvertrauen zu können. »Selbst das, was dort an dem Stand passierte, ist auf seine Weise wunderbar. Eigentlich möchte ich ja mit niemandem streiten, aber es ist so herrlich, endlich in die Welt hinauszukommen und etwas zu erleben.«
»Auch im heißen, staubigen, überfüllten Athen?«
»Vor allemim heißen, staubigen, überfüllten Athen.«
»Donnerwetter«, sagte der Fremde leise und blickte anerkennend auf sie herab. »Eine verwegene Lady. Das ist ja ein seltener Schatz.«
Sarkastisch fragte sie: »Ein Schatz oder eine Kuriosität?«
Er blieb stehen und sah sie so durchdringend an, dass es ihr den Atem nahm. »Ein Schatz. Ganz ohne Zweifel.«
Wieder überraschte er sie. Sie war eigentlich davon überzeugt, dass Männer eine Frau, die etwas erleben wollte und sich nach Abenteuern sehnte, bestenfalls lächerlich und schlimmstenfalls abstoßend fanden. Dieser Fremde jedoch verurteilte ihre Gefühle nicht, sondern akzeptierte und, ja, bewunderte sie. Athen steckte wahrlich voller Überraschungen! Doch vermutete London, dass dieser Eindruck weniger der Stadt als dem Mann, der da vor ihr stand, geschuldet war.
»Verraten Sie mir, werter Herr Abenteurer«, sagte sie, als sie ihre Stimme wiederfand, »wo Sie herkommen? Aus welchem exotischen Hafen?« Sie lächelte. »Dover? Plymouth? Southampton?«
Wachsamkeit blitzte in seinen Augen auf und sein Blick kühlte sich merklich ab. »Ich wüsste nicht, was das für eine Rolle spielt.«
Dieser abrupte Stimmungswechsel kam ihr seltsam vor. »Ich dachte, das macht man so, wenn man einem Landsmann im Ausland begegnet«, erklärte sie. »Man tauscht sich über seine Herkunft aus, stellt fest, ob man dieselben Leute kennt.« Als er sie weiterhin nur argwöhnisch betrachtete, demonstrierte sie, was sie meinte: »Ach, Sie sind aus Manchester? Kennen Sie Jane?«
Das Eis in seinen blauen Augen schmolz. Er lächelte. »Natürlich, Jane! Sie macht die furchtbarsten Fleischpasteten und kleidet sich wie ein anglikanischer Bischof.«
»Oh, und wie Sie Jane kennen!«
Sie lachten. Zwei englische Fremde auf einem turbulenten Markt mitten in Athen. Wie eine Springflut spürte London in sich eine Glückswelle aufsteigen. In stillschweigendem Einvernehmen schlenderten sie nebeneinander her. Er ging lässigen Schrittes und hatte die Daumen in die Taschen seiner gut geschnittenen, schlichten Weste gehakt, ein gesunder junger Mann, der sich wohl fühlte in seiner Haut. Und wieso auch nicht? Mit kaum einem anderen Mann schien die Natur es so gut gemeint zu haben wie mit ihm. Sie merkte, dass er ihr nicht verraten hatte, wo er herkam, doch anstatt auf dem Thema zu beharren, genoss sie den Zauber des Unbekannten.
Sie spürte seine Gegenwart deutlich in Form eines steten Pulsierens ungezügelter lebendiger Energie. Als befände sie sich in Begleitung eines wilden Raubtiers, das nicht wusste, ob es sie verspeisen oder in seine Höhle verschleppen sollte.
»Woher wussten Sie, dass ich aus England komme?«, fragte sie. »Der Verkäufer hat mit allen englisch gesprochen.«
»Ich habe es an Ihrer Haltung erkannt. Engländerinnen haben eine ganz besondere Art, sich zu bewegen. Als stünden sie ständig unter der strengen Beobachtung einer nörglerischen Gouvernante.«
»Im Gegensatz zu Französinnen oder Griechinnen etwa?«
»Aus der Haltung einer Engländerin spricht deutlich die selbst auferlegte anglikanische Moral. Mit Körpersprache«, fügte er mit einem vielsagenden Lächeln hinzu, »kenne ich mich sehr gut aus.«
»Oh, das bezweifle ich nicht«, versicherte sie ihm trocken.
Sein Lachen klang tief und samten und sehr, sehr sinnlich. Wenn man ihn auf die feine britische Gesellschaft losließe, würden sich jungfräuliche Debütantinnen ebenso wie ehrwürdige Ladys in rasende Weiber verwandeln, die sich die Kleider vom Leib rissen und jeden über den Haufen rannten, der es wagte, sich zwischen sie und das Objekt ihrer Begierde zu stellen. Sie verspürte diesen ungewohnten Drang ja selbst.
London tat so, als bewundere sie einen goldenen Seidenschal an einem Stand, beobachtete in Wirklichkeit aber verstohlen den fremden Engländer. Dabei fiel ihr auf, dass seine Haltung nur auf den ersten Blick locker und lässig wirkte. Tatsächlich war er konstant auf der Hut. Obwohl seine Augen fröhlich funkelten, war ihr Blick doch höchst wachsam und schweifte konzentriert über den Marktplatz. Er hielt nach jemandem Ausschau.
Aber nach wem? Eine derart unverschämte Frage wagte London nun doch nicht zu stellen. Sie war auch nicht sicher, ob sie die Antwort überhaupt hören wollte. Dieser Mann verbarg eine dunkle Seite, jedenfalls kam er ihr irgendwie bedrohlich vor. Sie fragte sich, ob er bewaffnet war. Wer durch Griechenland reiste, dem wurde empfohlen, einen Revolver bei sich zu tragen, wenn er Athen verließ. Doch der kräftige Körper dieses Mannes mochte als Waffe durchaus genügen.
»Gestatten Ihre Regeln die Frage, was Sie nach Griechenland führt?«, erkundigte sich London.
»Ich habe nie behauptet, dass es irgendwelche Regeln gibt.« In seinem Mundwinkel erschien ein kleines Grübchen. London wollte es berühren. Am liebsten mit ihren Lippen.
»Wenn es welche gibt«, erwiderte sie, »dann halten Sie sich jedenfalls nicht daran.«
Er zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Wer sich im Leben an Regeln hält, verzichtet auf Vergnügen und Genuss.«
Sie war sicher, dass er beidem zur Genüge frönte. »Und was ist mit Schicklichkeit? Mit Verantwortungsgefühl?«
»Schicklichkeit erstickt den Menschen. Vor allem Frauen.«
London nahm den Schal und drapierte ihn wie eine Balletttänzerin um ihre Schultern. »Das klingt wie die gut einstudierte Rede eines Lüstlings, mit der er Frauen zu einer Liebelei verführt.«
»Eine Verführung muss immer etwas Spontanes und Echtes haben. Nur dann funktioniert sie.« Er trat näher, nahm den Schal von ihren Schultern und wickelte ihn wie eine Schärpe zart um ihre Hüfte. Es fühlte sich wie eine Umarmung an. Mit seinen schlanken geschickten Fingern band er den Stoff zum schmucken Knoten. »So ist es besser. Griechischer«, raunte er.
Seine Nähe beschleunigte Londons Pulsschlag, doch sie wich ihm nicht aus. »Und wie steht es um das Verantwortungsgefühl?«
Er musterte sie mit kühlem Blick, und sie entdeckte in seinen klaren blauen Augen eine Entschiedenheit, die sie nicht erwartet hatte. »Meine Pflichten nehme ich sehr ernst.«
»Das scheint mir das Einzige zu sein, das Sie ernst nehmen«, meinte sie.
Sein Blick wanderte unmissverständlich zu ihrem Mund und verweilte dort länger als nur für einen Moment. »Stellen Sie mich doch auf die Probe, Sie kleine Unruhestifterin.«
Sie hatte das Gefühl, über dem Meer zu stehen. Warmes Wasser schien sie zu locken, sie sollte hineintauchen und in seinen Wellen tollen. Sie wollte springen, doch sie fürchtete die Tiefe. »Sir, Sie sind gefährlicher als ein Berberpirat«, erklärte sie nach einem Augenblick atemlosen Innehaltens.
Wieder lachte er, das schien er gern zu tun. Ein Schlafzimmerlachen. Verführerisch. Intim. Ein Lachen, auf das ihr Körper unwillkürlich ansprach. Ihre Haut fühlte sich auf einmal ganz empfindlich an, und in ihrem Innersten schien glutflüssige Hitze zusammenzuströmen. Ach, es war so lange her, dass ein Mann sie berührt hatte. Und kein halbherziges Streicheln von Lawrence hatte sie je so erregt wie das Lachen dieses Fremden. Sie dachte daran, wie seine Finger vorhin ihre Hand gestreift hatten. Allein diese flüchtige Berührung hatte eine unfassbar heftige Reaktion ihres Körpers zur Folge gehabt.
»Kennen Sie denn viele Berberpiraten?«, fragte er mit einer erhobenen Braue.
»Jetzt kenne ich einen.«
In diesem Augenblick wurde ihr etwas bewusst: Er hatte die ganze Zeit über auf einer Augenhöhe mit ihr gesprochen. Zugegeben, er flirtete auf Teufel komm raus, doch schien er nicht zu meinen, dass sie als Frau ihm, dem Mann, von Natur aus nicht ebenbürtig sein könne. Er unterhielt sich ehrlich und offen mit ihr, ohne die üblichen Höflichkeitsfloskeln und Belanglosigkeiten, die sie von anderen Männern kannte. Und wenn sie ihm antwortete, war es, als öffnete sich in ihr etwas. Sie begegnete ihm selbstbewusst und gleichberechtigt.
»Ich glaube, Siesind gefährlicher«, sagte er. »Sie wissen es nur noch nicht.«
Erneut trafen sich ihre Blicke und verfingen sich ineinander. Nein, sie bildete sich das nicht ein. Ihrem Blickwechsel wohnte etwas Leidenschaftliches, etwas Wissendes inne – und dazu noch etwas, das sie miteinander verband, auf eine Weise jedoch, die London nicht verstand.
»Wir sollten zum Hotel zurückgehen, Madam.« Sallys Stimme hatte einen scharfen Unterton. Ach, verflucht, fast hatte London ihre Anstandsdame vergessen. Aber es war einfach schön, sich so weit weg von zu Hause von einem umwerfend gut aussehenden Mann umgarnen zu lassen. Einen Moment lang so zu tun, als sei sie nicht die Tochter des ehrenwerten Gentlemans und Regierungsberaters Joseph Edgeworth, dieses Ausbunds an englischer Tugend.
London seufzte und trat zurück. So berauschend die Gesellschaft dieses Fremden auch war, sie musste zum Hotel zurück. Vater erwartete sie. »Na gut, gehen wir.«
»Verraten Sie mir den Namen Ihres Hotels«, bat der Fremde. »Ich schaue später vorbei. Wir könnten uns auf einen heißen … Tee treffen.«
»Sie wissen, dass ich das nicht tun kann«, erklärte London zögerlich. Vermutlich hatte ihn noch keine Frau abgewiesen. Sie konnte es keiner verübeln, aber Londons Schicklichkeit obsiegte. »Das wäre überaus unziemlich. Ich kenne ja noch nicht einmal Ihren Namen.«
»Ben Drayton.« Als befänden sie sich in eleganter Gesellschaft, ergriff er ihre Hand und hauchte einen Kuss darauf. Durch das dünne Leder ihres Handschuhs spürte sie seine warmen Lippen. »Jetzt müssen Sie mir Ihren Namen verraten.«
Sie sehnte sich danach, seine Lippen auf ihrer empfindsamen Handfläche zu spüren, zog sie jedoch zurück. »Da muss ich Sie enttäuschen.«
»Ich habe ein Faible fürs Rätselknacken.«
London wollte noch etwas erwidern, als sie am anderen Ende des Marktplatzes eine vertraute Gestalt entdeckte. Sie knirschte mit den Zähnen. Wie kam Vater dazu, Thomas Fraser hinter ihr herzuschicken? Schlimm genug, dass Fraser sie auf ihrer Reise nach Delos begleitete, wie sie zu ihrem Entsetzen bei ihrer gestrigen Ankunft erfahren hatte. Aber jetzt sollte der Mitarbeiter ihres Vaters sie offenbar auch noch beaufsichtigen! Als ob London nicht auf sich selbst aufpassen könnte. Herrgott, sie war sechsundzwanzig und keine sechzehn mehr, die Zeit der unschuldigen Jugend lag längst hinter ihr. Na, wenigstens erkannte der fremde Engländer, dass sie eine erwachsene Frau war.
London winkte Fraser nicht zu, damit er auf sie aufmerksam wurde. Wenn er unbedingt wissen wollte, wo sie steckte, musste er sich schon ein bisschen anstrengen. So hatte sie Gelegenheit, sich von Mr Drayton zu verabschieden.
Doch als London sich zu ihm umdrehte, blickte sie ins Leere. Er war verschwunden.
Sie blinzelte verwirrt. »Wo ist er hin?«, fragte sie Sally.
Die Zofe zuckte mit den Schultern und schnaubte: »Das weiß ich nicht, Madam. Eben war er noch da, und im nächsten Augenblick war er verschwunden. Wie ein Phantom.«
London lief ein Schauer den Rücken hinunter. Mr Draytons Abgang war recht unheimlich – lautlos und unversehens. Was für ein Mann konnte sich in Luft auflösen? Sicher keiner von anständigem Charakter. Vielleicht war es gut, dass London sich so vorsichtig verhalten hatte. Womöglich war er ein Dieb? Oder einer jener Männer, die wohlhabende Frauen auf Reisen beraubten? Oder … ein Söldner? Ein gefährlicher Mann jedenfalls. Wie sie vermutet hatte. Aber einer, der sie auf fast unwiderstehliche Weise anzog. Nicht nur, weil er hinreißend attraktiv war, sondern auch, weil er sie ihrer eigenen Fähigkeiten bewusst machte. Ihm hätte sie vielleicht sogar ihr linguistisches Wissen offenbaren können. Er hätte es akzeptiert, vielleicht sogar bewundert. Oder gehörte es zu seinen gefährlichen Waffen, Vertrauen zu wecken?
Mit einem unguten Gefühl drehte London sich um und winkte Fraser zu. Augenblicklich bahnte er sich seinen Weg zu ihr, wobei er sich wie üblich vollkommen rücksichtslos verhielt. Der dicke Mann im weißen Leinenanzug drängte sich über den Marktplatz, sein wenig attraktives Gesicht war mürrisch, seine blasse Haut gerötet. Als er sie erreichte, setzte er natürlich eine freundlichere Miene auf. Schließlich stand er der Tochter seines Vorgesetzten gegenüber. London war sehr wohl aufgefallen, dass Thomas Fraser und ein paar andere Männer ihr besondere Aufmerksamkeit geschenkt hatten, sobald sie aufgehört hatte, um Lawrence zu trauern. Sie vermutete, dass die Kerle sich weniger von ihrem Charme angezogen fühlten als vielmehr von der Tatsache, dass sie Joseph Edgeworths Tochter war.
»Da sind Sie ja, Mrs Harcourt.« Fraser nahm seinen Hut ab und fächelte sich Luft zu. Seine weizenblonden Haare klebten in feuchten Strähnen an seiner Stirn. »Wie schrecklich laut es auf diesem furchtbaren Markt ist. Und verflixt heiß.«
»Ich finde es ziemlich angenehm, zumal nach dem verregneten Frühling in England.«
»Na, wie Sie meinen.« Er setzte seinen Hut wieder auf. »Eine hübsche Schärpe haben Sie da. Sehr elegant.«
London hatte den Schal, den Ben Drayton ihr um die Taille geknotet hatte, ganz vergessen. Sie löste den Knoten und hielt dann inne. Sie würde den Schal als Andenken an diesen merkwürdigen und aufmunternden Tag behalten. In ihrer Tasche fand sie eine silberne Fünfzig-Lepta-Münze für den Verkäufer. Bevor sie das Geld herausnahm, strich sie mit den Fingern über die Tonscherbe, die Drayton ihr aufgedrängt hatte. Wahrlich, ein sündhafter Bursche, dachte sie.
Nachdem sie bezahlt hatte, fragte der sündlose Fraser: »Erweisen Sie mir die Ehre, mich zum Hotel zu begleiten? Ihr Vater wünscht, dass Sie sich zum Abendessen umziehen.«
Natürlich wünscht er das, dachte London. »Danke, sehr freundlich von Ihnen, Mr Fraser.« Sie ergriff seinen dargebotenen Arm und gefolgt von Sally verließen sie den Marktplatz. London blickte starr geradeaus, obwohl sie sich zu gern umgedreht hätte, um zu sehen, was aus dem rätselhaften Mr Drayton geworden war. Ach, es spielte keine Rolle. Sie bezweifelte, dass sie ihn jemals wiedersehen würde. Aber sie wusste nicht, ob sie deswegen froh oder traurig sein sollte.
* * *
Das war verdammt knapp gewesen. Bennett konnte von Glück reden, dass Fraser ihn nicht entdeckt hatte. Sonst hätte der Mistkerl wieder die üblichen Schläger auf ihn gehetzt. Und das wollte Bennett nicht noch einmal erleben. Die Erben heuerten immer einheimische Kraftprotze an, die für sie die Drecksarbeit erledigten. Gierhälse gab es überall auf der Welt, das gereichte den Erben zum Vorteil. Ganz gleich, wo die Suche sie hinführte, überall standen ihnen reichlich Kerle zur Auswahl, die keine Moral kannten.
Als Bennett durch eine Gasse vom Marktplatz verschwand, erwachten in ihm alte Hassgefühle zu neuem Leben. Dieser verdammte Thomas Fraser! Hier, in Griechenland. Dieser Idiot. Bennett scherte sich um keinen der Erben, aber Fraser verfolgte ihn wie ein Fluch. Vor allem, weil Fraser an dem Desaster in Norwegen beteiligt gewesen war, das Bennett vor Jahren ein Stück seiner kleinen Zehe und beinahe auch sein Leben kostete. Kaum hatte er Fraser entdeckt, war Bennett untergetaucht. Er wusste nicht, was Fraser auf dem Markt wollte. Wahrscheinlich befand sich der dumme Hund auf Erkundungstour. Erben reisten immer mindestens zu zweit. Irgendwo in Athen steckte also auf jeden Fall noch einer dieser gierigen Lumpen. Wer gehörte noch zum Stoßtrupp? Bennett wusste es nicht. Aber das fand er schon noch heraus. Er würde Fraser folgen und vielleicht dahinterkommen, wo er und die anderen Erben in Athen untergeschlüpft waren.
Als Bennett einen Schritt aus der Gasse trat, hielt ihn jedoch eine mittlerweile vertraute Stimme auf Deutsch zurück: »Du englischer Hund! Jetzt brech ich dir das Genick!«
Bennett stöhnte auf. Der Kapitän war wieder zu sich gekommen, hatte sich von den Fesseln befreit und stürmte nun direkt auf ihn zu.
Dann ging es eben nicht anders. Sobald der Deutsche in Reichweite war, versetzte Bennett ihm einen linken Haken, der dem Kapitän den Kopf in den Nacken schleuderte. Schnell und unerbittlich hämmerte Bennett seine Rechte gegen das Kinn des Mannes, der daraufhin ohne einen weiteren Laut bewusstlos zu Boden ging.
Zuversichtlich, dass der Kapitän dieses Mal liegen bleiben würde, kehrte Bennett auf den Marktplatz zurück und fluchte in verschiedenen Sprachen vor sich hin. Fraser war verschwunden. Unmöglich, jetzt noch festzustellen, wohin er gegangen war. Das Labyrinth von Athen hatte den Erben verschluckt.
Und die Lady war offenbar ebenfalls fort.
Bennett fand es jammerschade, dass er nicht mehr Zeit mit diesem reizenden Geschöpf verbracht hatte. Er betrachtete sich nicht grundlos als herausragenden Frauenkenner und -liebhaber. Und die namenlose Engländerin gehörte einer edlen Gattung an, die er gern mit Muße erkundet hätte. Sie war schön, keine Frage. Dickes, seidiges, dunkelblondes Haar und schokoladenbraune Augen, in denen ein Mann sich verlieren konnte. Ein herrlicher Mund, volle rosige Lippen. Ihr modisches hellblaues Tageskleid betonte ihre schlanke Figur. Sie hatte keine üppigen, aber doch sehr ansehnliche Kurven. Ihre Taille war schmal, das hatte er bemerkt, als er ihr den Schal umgebunden hatte. Er konnte sich mühelos vorstellen, wie er seine Hände um diese Hüften legte und sie an einer Wand emporhob, während er in sie eintauchte und sie ihm ins Ohr stöhnte. Das Bild wirkte so lebendig, dass er die Zähne zusammenbiss und sich zwingen musste, langsam über den Markt zu schlendern, bis sich sein erhitztes Blut abgekühlt hatte.
Die Sonne ging allmählich unter. Es war an der Zeit, zum Stützpunkt zurückzukehren und sich mit der anderen Klinge zu besprechen. Und mit der Passagierliste musste er sich auch noch befassen. Bennett verließ den Markt und lief nach Norden, doch seine Gedanken blieben bei der Engländerin zurück.
Sie war nicht nur schön gewesen, sie besaß auch einen scharfen Verstand, was Bennett bei einer Geliebten sehr schätzte. Es gab nichts Erregenderes als eine Frau, die sich dem Liebesspiel mit Intelligenz widmete. Diese Aussicht ließ ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen. Aber er war schon vielen intelligenten Frauen begegnet. Dass Bennett noch immer an die namenlose Engländerin in Monastiraki denken musste, hatte nicht nur mit ihrem Intellekt zu tun. Viele kluge Frauen begnügten sich mit Büchern, bevorzugten geistige Abenteuer.
Diese kleine Unruhestifterin hingegen begehrte das Leben mit all seinen Unwägbarkeiten und Irrwegen. Sie wollte die Welt kennenlernen und hieß sie mit offenen Armen willkommen.
Wie viele Männer hatte sie gekannt? Wie viele Liebhaber? Vermutlich nicht viele. Sie machte den Eindruck, als schlummere in ihr eine enorme, noch unerschlossene sinnliche Kraft. Eine talentierte Schülerin. Unter der richtigen Anleitung mochte sie ihren Lehrer übertreffen. Mit so einer Frau wäre die Welt ein ganzes Stück besser.
Nach der Enttäuschung mit Elena begrüßte sein Glied diese Bilder und richtete sich auf. Schlaf weiter, befahl Bennett. Doch es fiel ihm schwer, sie zu vergessen, vor allem diesen merkwürdig intensiven Augenblick, als seine Finger ihre Hand berührt hatten. Bennett konnte sich nicht erinnern, je im Leben einer Frau begegnet zu sein, auf deren Berührung er so unmittelbar und heftig reagiert hatte. Das ging über rein körperliche Anziehungskraft hinaus. Irgendwie empfand er augenblicklich eine tiefe Verbindung zu ihr, als kannte und brauchte er sie.
Unsinn! Er wollte einfach nur vögeln, aber das ging nicht. Zumindest vorerst nicht. Er war im Auftrag der Klingen hier. Sinnliche Gelüste mussten warten, bis die Mission erfüllt war. Dass dieser tumbe Bulle Fraser auf dem Marktplatz aufgetaucht war, bestätigte, dass die Erben sich tatsächlich in Griechenland aufhielten.
Bennett griff in eine Geheimtasche seiner Jacke. Er zog einen schweren alten Kompass heraus und betrachtete die Scheibe: Vier Klingen markierten die vier Himmelsrichtungen, in der Mitte war eine Rose abgebildet. Dieser Kompass war mehr als ein bloßer Wegweiser. Vielmehr barg er archaische Geheimnisse und heilige Versprechen. Anhand dieses Kompasses erkannten die Klingen sich untereinander. Jetzt leitete er Bennett zurück zum Stützpunkt in Athen. Es wurde Zeit, sich ums Geschäft zu kümmern. Denn es wartete eine gefährliche Aufgabe auf ihn.
2
UNERWARTETEVERBINDUNGEN
»Ich warte schon seit einer halben Stunde auf dich«, sagte Athene Galanos, als Bennett das Studierzimmer betrat. Sie saß an einem großen Schreibtisch, auf dem, nach einem nur ihr verständlichen System geordnet, Bücher und Papiere verteilt lagen. Zusammen mit Bennett kam ein Diener herein, um die Lampen anzuzünden, weil die Dämmerung anbrach.
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