Die Köchin und der Hauptgewinn - Tanja Griesel - E-Book
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Die Köchin und der Hauptgewinn E-Book

Tanja Griesel

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Beschreibung

Was hält die Lotterie des Lebens für sie bereit? Die kulinarische Komödie »Die Köchin und der Hauptgewinn« von Tanja Griesel als eBook bei dotbooks. Schnippeln im Akkord und durch die Luft fliegende Kochtöpfe: Seit Maxies Traum vom eigenen Restaurant wahr geworden ist, hat sie dem entspannten Leben in ihrem beschaulichen Heimatort Rothard bis auf weiteres Lebewohl sagen müssen. Und dann flattert ein überraschendes Angebot herein, das alles noch mehr auf den Kopf stellt – als Ersatz für einen Starkoch soll sie ins Rampenlicht einer renommierten Berliner Kochshow treten … und sich dabei gegen zwei alte Hasen des Showgeschäfts behaupten! Doch obwohl sich die taffe Köchin sicher ist, mit ihren ausgefallenen Kreationen die Herzen der Fernsehzuschauer erobern zu können, würde das auch bedeuten, ihr kleines Glück in der idyllischen Heimat aufzugeben … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der amüsante Wohlfühlroman »Die Köchin und der Hauptgewinn« von Tanja Griesel ist der zweite Band ihrer Reihe um die Dorfköchin Maxie Kaiser, der unabhängig vom Vorgänger gelesen werden kann – ein Lesevergnügen, dass die Fans von Anne Barns und Cosy-Crime-Queen M.C. Beaton gleichermaßen begeistern wird! Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 384

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Über dieses Buch:

Schnippeln im Akkord und durch die Luft fliegende Kochtöpfe: Seit Maxies Traum vom eigenen Restaurant wahr geworden ist, hat sie dem entspannten Leben in ihrem beschaulichen Heimatort Rothard bis auf weiteres Lebewohl sagen müssen. Und dann flattert ein überraschendes Angebot herein, das alles noch mehr auf den Kopf stellt – als Ersatz für einen Starkoch soll sie ins Rampenlicht einer renommierten Berliner Kochshow treten … und sich dabei gegen zwei alte Hasen des Showgeschäfts behaupten! Doch obwohl sich die taffe Köchin sicher ist, mit ihren ausgefallenen Kreationen die Herzen der Fernsehzuschauer erobern zu können, würde das auch bedeuten, ihr kleines Glück in der idyllischen Heimat aufzugeben …

Über die Autorin:

Tanja Griesel wuchs in einem kleinen hessischen Dorf auf und ist mittlerweile so oft umgezogen, dass sie selbst sagt, sie führe ein Nomadenleben. Momentan lebt sie mit ihrer Familie in Berlin. Auf ihrem Blog rezensiert sie regelmäßig neue Bücher: www.lettergirl.blog/

Die Website der Autorin: www.tanja-griesel.de/

Die Autorin auf Instagram: www.instagram.com/tanja.griesel/

Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre Romane um die liebenswerte Provinz-Köchin Maxie Kaiser: »Die Köchin und das Dorfgeflüster« und »Die Köchin und der Hauptgewinn«. Ihr erster Maxie-Kaiser-Roman ist auch in dem Sammelband »Wer wird denn da gleich sterben?« zu finden.

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Originalausgabe Dezember 2018, April 2023

Dieses Buch erschien bereits 2018 unter dem Titel »Kleine Morde unter Köchen« bei dotbooks.

Copyright © der Originalausgabe 2018, 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Susanne Zeyse

Titelbildgestaltung: Covergestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fb)

ISBN 978-3-98690-552-1

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Tanja Griesel

Die Köchin und der Hauptgewinn

Roman

dotbooks.

»Sag mir, was du isst, und ich sage dir, wer du bist.«

Jean Anthèlme Brillat-Savarin

Aperitif

Ein Aperitif ist ein Getränk, das vor dem Essen gereicht wird, um den Appetit anzuregen und auf die bevorstehende Menüfolge einzustimmen. Ein solches Getränk, ob mit oder ohne Alkohol, sollte sich am Speiseplan orientieren. Es war noch nie ein Fehler, ein klassisches Menü mit einem guten Champagner zu beginnen. Aber eine Hauptstadtbulette?Ein solcher Bratklops wird am besten von einem gut gekühlten Bier begleitet. Maxie Kaiser schlürft es aus einem Weißweinglas.

Maxies Bier-Cocktail2/3 Weißbier1/3 ProseccoSchuss GrenadineEiswürfel

Tag des deutschen Butterbrotes 1

»Wer Fleisch essen will, muss auch ein Tier töten können.« Mit diesen Worten hatte sein Vater ihm die erste Patrone in die Hand gedrückt. Neun mal siebzehn Millimeter. Seitdem befand sich immer eine in seiner rechten Hosentasche. Er würde nicht sagen, dass es sich um einen Talisman handelte, aber die kleine Bohne half ihm, seine Gedanken zu ordnen. Auch jetzt zog es seine rechte Hand in die Hosentasche. Er ließ den glatten und wohlgeformten Stahlzylinder durch seine Finger gleiten. Dann umschloss er die Patrone und zog die Hand hervor. Seine Linke griff in den Koffer, nahm das Gerät. Er öffnete das Köpfchen, legte das Geschoss ein und klappte den Aufsatz wieder zu. Sein ungebetener Gast redete immer noch. Dabei hatte er das oberlehrerhafte Geschwätz so satt! Was wusste denn der schon? Dieser Schwachkopf! Er entsicherte das Geschoss, drehte sich um, setzte das Gerät zwischen die weit aufgerissenen Augen seines Gegenübers, aus denen Überraschung sprach statt Angst. Ohne zu zögern, betätigte er den Abzug. Die Feder drückte den Bolzen in die Stirn und zog sich mit gleicher Wucht wieder in ihr dunkles Refugium zurück. Der Betäubte sackte in Zeitlupe in sich zusammen. Seine Augen starrten ins Leere, ein Ausdruck, als sei die Zeit stehen geblieben, was für den Mann am Boden in gewisser Weise zutraf, denn obwohl er noch nicht tot war, spielte Zeit für ihn keine Rolle mehr. Das Geschoss hatte sein Hirn irreparabel verletzt.

Wenige Tage später ...

Maxie riss eine neue Packung quietschgelber Gummihandschuhe auf, zog sie über und schliff das Messer. Hilde beobachtete die Szene, bereit, Maxie eine Küchenschürze oder wenigstens ein Tuch zu reichen. Es war für sie nur schwer zu ertragen, dass ihre Chefin sich weigerte, ordentliche Arbeitskleidung zu tragen, eine, die man, wenn nötig, bei 90 Grad kochen konnte. Aber nein, die Dame trug ja ausschließlich teure Fetzen. Und das am Herd. Nur Handwäsche oder Reinigung. Gerade griff Maxie nach der Roten Bete. »Lass mich das machen«, bot sich Hilde schnell an. Sie konnte sich ausmalen, dass sie es auch dieses Mal nicht schaffte, ihr schönes Kleid nicht zu ruinieren. Aber Maxie wehrte ab. »Wofür habe ich denn diese Dinger hier?« Sie hielt ihre behandschuhten Hände in die Höhe.

»Ich geb’s auf.« Hilde seufzte. »Die Finger willst du dir nicht schmutzig machen, aber sonst hast du keine Skrupel.«

Maxie warf ihre eine Kusshand zu. Dann verzog sie das Gesicht. »Das ist eklig mit Gummihandschuhen!« Sie lachte. Das war auch wirklich die einzige Tätigkeit, für die sie die brauchte. Schließlich wollte sie ihren Gästen später nicht mit dreckigen Fingern die Speisen servieren. Konzentriert schnitt sie die Kugel in hauchfeine Scheiben. Unterlage und Handschuhspitzen färbten sich in Sekundenschnelle rot. Es war eher ein dunkles Beerenrot als ein richtiges Blutrot, fand Maxie. Das Telefon klingelte.

»Soll ich rangehen?«, fragte Hilde, aber Maxie schüttelte den Kopf. Konzentriert drapierte sie die Scheiben wie einen Fächer auf dem weißen Porzellan. Beim letzten Scheibchen zog sie einen Tropfen des ausgetretenen roten Safts mit, der die ersten feinen Spritzer auf dem Gucci-Kleid hinterließ. Maxie war es gar nicht aufgefallen, aber Hilde schlug sofort die Hände über dem Kopf zusammen. »Ich hab’s gewusst!« Obwohl ihr eigentlich klar war, dass sie den Fleck nur tiefer in den Stoff einreiben würde, tränkte sie den Zipfel eines Geschirrtuches mit Wasser.

»Soll ich?« Maxie deutete auf die Blumen.

Sofort ließ Hilde das Tuch sinken und reichte ihr eine orangefarbene Dahlie. Maxie zupfte ein paar Blütenblätter ab und ordnete sie zusammen mit etwas Giersch über dem Carpaccio an. Zum Schluss träufelte sie Vinaigrette darüber und setzte eine kleine Kugel Räucherfischmousse in die Mitte des roten Fächers.

Im Radio berichtete der Moderator gerade vom Verschwinden des Fernsehkochs Wolf Schumann.

»Als hätte die Welt keine anderen Probleme«, sagte Maxie.

Hilde drehte die Lautstärke auf.

»Seit Sonntag wird der beliebte Fernsehkoch Wolf Schumann vermisst. Seine Ehefrau, Schauspielerin Veronika Maier, hatte am Montag die Polizei informiert. Noch ist unklar, welche Umstände zu seinem Verschwinden geführt haben. Aus Insiderkreisen drangen Gerüchte um einen möglichen Burn-out Schumanns an die Öffentlichkeit. Es wird spekuliert, ob er sich vielleicht aus gesundheitlichen Gründen eine unfreiwillige Auszeit nehmen musste. Hot-spot-tv nahm dazu bislang keine Stellung, kündigte aber an, die Hauptstadtköche auch ohne Schumann erst einmal fortzusetzen.«

»The show must go on«, murmelte Maxie vor sich hin und beendete die Arbeit am nächsten Teller. »Kann man das so lassen?« Maxie musste jetzt einen Gang hochschalten, wenn sie nicht ganz und gar in Verzug geraten wollte.

»Hilde?«

Aber Hilde reagierte immer noch nicht. Mittlerweile waren die Nachrichten beendet und ein Moderatorenpaar plauderte weiter belangloses Zeug.

»Hast du gehört, Juri? Die suchen nach einem Ersatz für Schumann«, nahm die Moderatorin den Faden auf.

»Und?«, fragte ihr Kollege zurück.

»Wäre das nichts für dich?«

»Du meinst, sie stehen auf Nudeln mit Ketchup?«

Hilde lachte und drehte die Lautstärke wieder etwas zurück. »Da bin ich jetzt aber auch gespannt, wer Schumanns Platz einnehmen wird.«

»Mich fragt ja keiner«, sagte Maxie, lachte und besah sich das farbenfrohe Kunstwerk auf dem Teller. »Ich würde es machen.«

»So weit kommt es noch!«, entrüstete sich Hilde. »Und was wird dann aus mir und der Rothardhöhe?«

Darauf gab Maxie keine Antwort. Stattdessen deutete sie mit dem Zeigefinger in Richtung Küchentür. »Da draußen sitzen hungrige Gäste, die auf ihr Essen warten. Und es müssen noch 20 Teller angerichtet werden. Und das pronto!«

»Himmelherrgott. Dann lass mich doch endlich etwas tun und die nächsten Knollen schneiden!«

Maxie gab nach und reichte Hilde das Messer. »Aber butterbrotpapierfein!«

Diese Anweisung war völlig überflüssig, denn Hilde wusste, was sie tat. Sie war vermutlich die einzige Person, mit der Maxie reibungslos in der Küche zusammenarbeiten konnte. Und Hilde wiederum war die Einzige, die Maxies Macken bedingungslos ertrug. Das Telefon klingelte erneut. Maxie ignorierte es. Wer etwas von ihr wollte, durfte sie nicht beim Kochen stören. Nun war sie es, die das Radio lauter stellte. On the Run. Der Elektro-Pop gab den Takt vor. Quasi wie von selbst füllten sich die nächsten Teller und ein rot-gelb-oranges Farbenmeer breitete sich vor ihnen aus. »Wie gemalt«, schwärmte Maxie und griff sich mehrere Teller. Sie ließ es sich nicht nehmen, hin und wieder selbst etwas an den Tischen zu servieren und sich davon zu überzeugen, dass es ihren Gästen an nichts fehlte.

In der Küche bereitete Hilde unterdessen alles für den nächsten Gang vor. Die Arbeitsflächen zum Anrichten waren blitzblank poliert. Die Teller für die selbst gemachten Gnocchi wärmten vor. Behutsam legte Hilde die italienischen Kartoffelklößchen ins heiße Wasser. Fehlte nur noch das Aroma der Tonkabohne. Maxie ließ eine gute Prise der getrockneten Frucht über eine Reibe ins Wasser rieseln. Zarter Duft nach Marzipan und Bittermandel breitete sich aus. Das Telefon klingelte noch einmal.

Hilde sah Maxie flehend an. »Nervt dich das nicht?«

Maxie erbarmte sich, legte die Reibe aus der Hand und nahm das Gespräch an. »Sie haben eine Minute für Ihr Anliegen! In drei Minuten müssen die Gnocchi aus dem Wasser!«

Während Hilde die Arbeitsplatte säuberte, begann Maxie, in der Küche auf und ab zu gehen. Ihre Antworten waren einsilbig. Als sie das Telefonat beendete, sah sie blass um die Nase aus.

Hilde ließ das Putztuch sinken. »Ist jemand gestorben?«, fragte sie besorgt.

Maxie atmete einmal tief durch, stieß dann einen Freudenschrei aus und fiel der erschrockenen Hilde um den Hals.

»Du hast im Lotto gewonnen?«

»Ganz heiß«, sagte Maxie lachend und ließ Hilde endlich los. »Ich darf als Gastköchin bei den Hauptstadtköchen auftreten. Ich fahre nach Berlin. Ich koche in der ersten Liga der Fernsehköche!«

Noch nicht einmal die Gnocchi, die sich langsam in kleine Kartoffelflöckchen auflösten, konnten ihrer guten Laune etwas anhaben.

Bunter Salat

Betanin ist der pflanzliche Farbstoff, der nicht nur für den Namen, sondern auch die betenroten Flecken der von Maxie so geliebten Rübe verantwortlich ist. Da muss die Liebe zum Designerkleid hintenanstehen. Maxie wird das Kleid samt Flecken mit Mineralwasser tränken und das Beste hoffen ...

300 g Rote-Bete-Knollen300 g gelbe Rübchen1 DahlieGiersch

Vinaigrette3 EL Himbeer-Balsamessig8 EL Sesamöl8 EL Olivenöl2 Tl HonigSalzSaft einer Limone

Rote Bete mit Schale im Wasser garen, danach pellen und in dünne Scheiben schneiden. Die Rübchen längs in ebenso feine Streifen schneiden. Auf einem Teller fächerartig anrichten, darauf Blütenblätter und Giersch verteilen, die Mitte aussparen, mit der Vinaigrette beträufeln.

Fischmousse

300 g Räucherfisch (Forelle, Lachs oder Heilbutt)

1 kleine gelbe Möhre

1 Schalotte

1 EL Olivenöl

Salz, Pfeffer

2 Blatt Gelatine

150 g Crème fraîche

100 g Sahne

frischer Dill

frischer Meerrettich

Die fein gehackte Schalotte mit der fein gewürfelten gelben Rübe in Olivenöl andünsten. Gelatine in kaltem Wasser einweichen. Räucherfisch mit Crème fraîche pürieren. Sahne schlagen, die Hälfte davon unter die Fischcreme ziehen. Die Gelatine ausdrücken, erhitzen und zwei Löffel Fischcreme unterrühren, dann in den Rest der Masse einrühren und im Kühlschrank anziehen lassen.

Nach 15 Minuten die restliche Sahne unter die Fischmasse heben, den fein geschnittenen Dill und die abgekühlten Schalotten/Rübchenwürfel ebenfalls untermischen. Mit Salz und Pfeffer und etwas Meerrettich-Abrieb würzen. Fischmousse mehrere Stunden oder über Nacht kaltstellen.

Zum Anrichten zwei Esslöffel in heißes Wasser tauchen und Nocken aus der Mousse stechen. In die Mitte des Rübchen-Fächers setzen.

Hauptstadtbulette

Alle waren nackt. Der muskelbepackte Popeye, der in die Knie ging, um ein Kabel zu entwirren. Der Bärtige hinter der Kamera, der Kopfhörer trug und dazu eine krause Ganzkörperbehaarung. Die zarte Elfe, die gerade ihre Knospenbrüste hinter einem verbeulten Klemmbrett versteckte. Der Beleuchter, der sich strecken musste, um eine Feineinstellung vorzunehmen, und auf dessen Rücken sich ein japanischer Drachen vom Kreuzbein bis zum Nacken schlängelte. Nackt. Splitterfasernackt. Dafür also hatte sie ihr vertrautes Rothard verlassen. Aber was um Himmels willen hatte sie sich dabei gedacht?

Es war ein gut gemeinter Ratschlag von Laucht-Hemmer gewesen, dass sich alle Personen am Set nackt vorstellen, aber diese kleine autosuggestive Übung funktionierte bei ihr nicht. Das Lampenfieber blieb.

Sie war die Neue. Dies war die Hauptstadt und Maxi nur eine Provinzköchin. Wie naiv war sie? Natürlich. Sie hatte sich geschmeichelt gefühlt, als man sie gefragt hatte. Es ging um Ruhm und Ehre und Anerkennung, vielleicht auch um Geld und das nächste kostspielige Kleid, das sie sich leisten würde. Ohne länger darüber nachzudenken, hatte sie zugesagt. Und jetzt? Jetzt wurde es ernst. Hier und heute musste sie unter Beweis stellen, was in ihr steckte.

»Wenn die dir blöd kommen, setzt du dich in den Zug und fährst nach Hause«, hatte Erwin ihr geraten. »Dann haben sie dich nicht verdient.« Ihr guter, alter Freund Erwin! Leider stand er vollkommen unter dem Einfluss seiner herrschsüchtigen Mutter. »Halt dich ans Kochen«, hatte Hilde empfohlen, »das kannst du!« Aber ging es hier eigentlich noch ums Kochen? Ratlos stand Maxie in dieser sterilen Edelstahlküche, die gerade mit etwas Farbe aufgepeppt wurde. Fremde Menschen wirbelten um sie herum, rückten das Sträußchen Petersilie einen Zentimeter nach links, die rote Obstschale einen Hauch nach rechts, klebten bunte Streifen auf den Boden und wussten offenbar genau, was sie taten. »Verzeihung.« Eine junge Frau mit einem großen Flechtkorb zwängte sich an ihr vorbei. Maxie stand im Weg. Auf der meterlangen Arbeitsfläche wurden die frischen Zutaten drapiert: glänzende Zitronen, Rote Bete, saftiger Rucola. Da sie nicht wusste, was sie tun oder auf wen sie warten sollte, beschloss Maxi, zunächst einmal die Schränke zu inspizieren, ohne dabei das geschäftige Treiben zu stören. Neben dem Kochgeschirr gab es auch eine Auswahl an Vorräten. Gleich neben Mehl und Zucker standen, Maxie konnte es kaum glauben, eine Reihe von Instantprodukten. Mit einem Tütchen Geschmacksverstärker was Schönes zaubern! Jede Menge Soßenbinder, Fonds und Brühwürfel. Und sie hatte gedacht, es handele sich bei den Hauptstadtköchen um eine ehrliche Kochsendung! War es möglich, dass sie im Kühlschrank auf die bereits fertigen Gerichte der Sendung stieß? Im Sinne von: Ich habe hier schon einmal etwas vorbereitet ... Sie öffnete die Tür. Beinahe war sie enttäuscht. Ein Dutzend Eier, mehrere Pfund Butter, etwas Sahne, Milch, der Inhalt war nicht besonders aufregend. Sie schloss die bodentiefe Edelstahltür wieder. Ihr Atem stockte. Da stand er, der Rockstar der deutschen Sterneküche: Bo Bendix. Ihre Blicke trafen sich. Er trug ausgefranste Jeans, ganz so, als besäße er nur die eine, dazu ein T-Shirt, Drei-Tage-Bart und eine Wuschelfrisur, als wäre er gerade aus den Federn gestiegen. Mit und ohne Kleidung war dieser Typ sicher nett anzusehen, dachte Maxie, und versuchte Laucht-Hemmers Tipp auf den Kochkollegen anzuwenden. Ihre Fantasie verließ sie schlagartig, als Hans Aslan dazu kam. Wenn Bo der Rockstar war, dann verkörperte Aslan den in die Jahre gekommenen Schlagerstar. Mit seinem dunkelblauen Sakko und dem roten Seidentuch in der Brusttasche hätte er auch im Musikantenstadl auftreten können, aber vermutlich hatte er das auch schon. Als Koch tingelte man schließlich durch alle Fernsehformate. Väterlich klopfte Aslan Bo auf die Schulter und wechselte ein paar Worte mit ihm. Er und seine Goldknöpfe strahlten im Scheinwerferlicht um die Wette. Eine Sonnenbrille, bitte, dachte Maxie, ich bin geblendet von so viel Ruhm!

Maxie drehte sich um. Von überall her wurden Anweisungen gegeben, aber sie galten nicht ihr.

»Licht auf eins«, hörte sie eine Stimme rufen.

Wie bestellt und nicht abgeholt stand sie in der Showküche und kniff die Augen gegen das Licht zusammen. Die anderen beiden Köche ließen sie links liegen. Vielleicht sollte Maxie den ersten Schritt auf ihre neuen Kollegen zu machen. Doch noch bevor sie sich ihnen vorstellen konnte, eilte jemand aus der hinteren Reihe auf sie zu und sprach sie an. »Du bist Cora, oder?«

»Wer ist Cora?«, fragte Maxie zurück.

Er ignorierte die Frage. »Und du bist …?«

»Die Köchin.«

»Die Köchin?« Er schob seine lila getönte Brille in die Haare. »Sorry.« Er musterte sie von oben bis unten. »Also, du bist die Köchin?« Er sah in seine Unterlagen. Maxie wusste nicht, was genau ihn irritierte. Ihr Kleid konnte es nicht sein. Das war neu. Baumelte das Preisschild noch irgendwo? Vielleicht war es aber auch zu luftig, zu bunt oder einfach nur zu schön für die Hauptstadtköche? Ihr hatte es das Bandeau-Kleid ihres französischen Lieblingsdesigners mit den gelben, grünen und roten Blockstreifen sofort angetan. Vielleicht zu grell? Oder doch zu viel nackte Haut?

»Mit diesem Kleid sind Sie immer gut angezogen«, hatte die Dame im Geschäft ihr versichert. »Es hinterlässt Eindruck, ohne aufdringlich zu sein. Zu welchem Anlass wollen Sie es denn tragen?«

»Zum Kochen«, hatte Maxie wahrheitsgemäß geantwortet. Der Verkäuferin hatte es die Sprache verschlagen. Maxie hatte auf weitere Erklärungen verzichtet und eilig den Laden verlassen.

Mit diesem Kleid konnte sie gar nicht danebenliegen. Vielleicht lag es über ihrem Budget, aber sparen konnte sie morgen, heute hieß es: Adieu Regionalfernsehen, Bonjour Berlin! Ihr Gegenüber musterte sie immer noch. Also ging Maxie in die Offensive.

»Ich bin Haute Couture in der Haute Cuisine!« Aua, das tat weh! Ich Idiotin, fluchte Maxie innerlich. Schnell nahm sie einen neuen Anlauf. »Ich bin Maxie Kaiser.« Dazu ein fester Händedruck.

»Peter Lau«, beeilte sich jetzt der Mann mit der Brille und stellte sich Maxie als der verantwortliche Mensch hier im Studio vor. »Das ist dein Outfit?« Er setzte die Brille wieder auf. »Haute Couture?«, murmelte er fragend.

»Ja.« Maxie gab keine weiteren Kommentare zu ihrem Kleid ab und Peter Lau ließ es darauf beruhen.

»Tut mir leid. Normalerweise läuft das hier nicht so ab. Aber der Zeitdruck … Wolfs Verschwinden hat uns ganz schön in die Klemme gebracht. Also, du musst noch zu Kim in die Maske. Aber vorher stelle ich dir das Team und natürlich unsere beiden Stars vor.« Er winkte Bo und Aslan zu sich. »Das ist unser neues Sternchen für heute Abend. Sie wird auf Schumanns Platz genau zwischen euch beiden kochen. Seid nett zu ihr.«

Hatte Peter Lau gerade hinter seinen lila Gläsern Bo Bendix zugezwinkert? Seid nett zu ihr – zwinker, zwinker … Dabei hätte Peter Lau schon für den Ausdruck »neues Sternchen« eins mit der Bratpfanne verdient.

Na, das kann ja heiter werden, dachte Maxie.

Die Männer reichten ihr die gepflegten Hände. Diese Hände hatten viele Helfer in der Küche. Darauf konnte Maxie nicht bauen, aber wann hatte sie sich das letzte Mal eine Maniküre gegönnt? Sie erinnerte sich nicht mehr daran. Statt auf wohlgeformte Fingernägel fiel ihr Blick auf den zuckerschotenförmigen, violetten Abdruck auf ihrem Handrücken. Aus einem Impuls heraus hatte sie mit bloßen Händen in den Backofen gegriffen, um eine Poulardenbrust zu wenden, und dabei den heißen Rost touchiert.

»Maxie bringt TV-Erfahrung mit«, erklärte Peter Lau. »Sie hatte eine eigene Show, ein Kleinod im Regionalprogramm. Für die ganz große Bühne ist sie ein frisches Gesicht, genau das, was wir brauchen.« Er legte ihr die Hand auf die Schulter und dirigierte sie hinter das Kochfeld. »Keine Angst, Maxie, wir kriegen das hin.« Bratpfanne, dachte Maxie und lächelte süßlich. »Ist das nicht eine Nummer zu groß für sie?«, fragte Aslan, ohne Maxie dabei in die Augen zu sehen.

Niemand griff Aslans Bedenken auf.

»Wichtig ist«, fuhr Peter Lau fort und legte seine Hände jetzt wie ein Masseur auf Maxies nackte Schultern, »dass du dich an den Plan hältst.« Er verstärkte kurz den Druck und ließ sie dann los. »Du bist mit uns über den Knopf im Ohr verbunden. Da kann nichts schiefgehen.« Welcher Plan? In ihrer Sendung hielt sie sich in der Regel nicht an Absprachen. Sobald das Licht aufleuchtete und die Kamera lief, vergaß sie alles um sich herum und tat, was sie immer tat: kochen. Wie sie hier klarkommen würde, konnte sie beim besten Willen nicht sagen.

»Haute Couture«, murmelte Peter Lau und ließ sie stehen.

»Was meint er damit?«, fragte Maxie die erfahrenen Hauptstadtköche.

»Halt dich einfach an die Absprachen, dann läuft es schon«, versicherte Bo. Er bedachte sie mit einem Lächeln, das in Natura noch viel schöner war als in den Fotomagazinen, die Hilde ihr als Vorbereitung auf die Hauptstadtköche ausgeliehen hatte. »Ich finde es toll, dass endlich auch eine Frau im Team ist. Willkommen an Bord!«

Maxie lächelte zurück. Ihre Blicke trafen sich und taxierten den jeweils anderen neugierig. Keiner wollte den Blick abwenden. Sie mochte ihn, das stand bereits fest. Ob sie gut miteinander klarkamen, würde sich zeigen.

»Hast du schon gehört?«, fragte Hans Aslan und zog Bo Bendix etwas zur Seite. Bo entschuldigte sich bei Maxie und überließ sich dem Redeschwall seines Kollegen. »Der Urs hat jetzt auch eine eigene Show. Aber wenn der so weitermacht, wird es seine letzte sein. Hast du seine Pupillen gesehen? Groß wie Untertassen! Ich will gar nicht wissen, was der alles einwirft. Und dann der Alkohol. So jemand ist doch untragbar fürs Fernsehen und für unseren Berufsstand.«

»Hast du die Sendung gesehen?«

Aslan lachte. »Das tu ich mir nicht an. Ich habe den Verriss gelesen. Von der Kartoffelbreigeschichte hast du gehört, oder? Das ist ein Skandal!« Der Fernsehkoch hatte vor der Kamera Kartoffelbrei aus der Tüte angerührt. »Dafür gab es sicher einen Werbevertrag«, vermutete Bo. »Hat er selbst etwas dazugesagt?« »Dass er es verfeinert habe«, schimpfte Hans Aslan. »Mit Kräutern! Diese Dreistigkeit sollte bestraft werden!« Er schlug sich empört mit der flachen Hand vor den Kopf. »Die Kräuter stammen sicher aus dem Glas, Hans«, witzelte Bo. »Es waren getrocknete Gourmetkräuter, die er doch auch unter seinem Namen vertickt.«

»Ach, so ein Dreck.« Aslan schüttelte den Kopf. »Und damit verdient er einen Haufen Schotter.«

»Ach, echt?« Bo lachte. »Warum fragt mich niemand nach meinen Gewürzmischungen?«

»Weil du ein Rindvieh bist und der Urs ein Fuchs, ein ganz schlauer.« Aslans Stimme schwoll an wie das Crescendo in einer Oper kurz vor Pauken und Trompeten. »Seine Kräuter und Gewürze gibt es in jedem Supermarkt zu kaufen, eingetütet von Grün&Fix überleben die auch noch den dritten Weltkrieg!« Aslan schnappte nach Luft.

»Ach, Hans.« Bo schlug einen anderen, sanfteren Ton an. »Die Leute wollen doch verarscht werden.« Während Aslan auf ihn einredete, ließ er Maxie nicht aus den Augen. Sie inspizierte gerade die Kochplatte und hatte sicherlich jedes Wort mitanhören können. »Haben Sie die Sendung gesehen?«, fragte er sie unvermittelt.

Sie schaute überrascht auf. »Welche Sendung meinen Sie? Ich kenne nur die Hauptstadtköche.« Sie zwinkerte Bo zu. Das war natürlich gelogen. Sie sah nie fern. Wann bitteschön sollte sie das auch tun? Nachdem sie für die Sendung angefragt worden war, hatte sie sich erst einmal auf YouTube kundig gemacht.

»Gute Antwort«, lobte Bo.

»Gute Sendung«, lachte Aslan.

Darüber ließe sich streiten, dachte Maxie, wollte sich aber nicht schon jetzt bei ihren Kollegen unbeliebt machen, indem sie auf die rückläufigen Zuschauerzahlen verwies. Die Quote war in diesem Jahr erst in den Keller gerauscht, um sich dann auf einem mittleren Niveau einzupendeln. Die Konkurrenz schlief nicht. Wie am Fließband wurden neue Konzepte für Kochshows kreiert. Nur bei den Hauptstadtköchen hielt man an Altbewährtem fest. Und dann war Wolf Schumann plötzlich verschwunden. So tragisch das auch sein mochte, für die Sendung war das eine Chance: Mit Maxie wurden die Hauptstadtköche jünger und, was längst überfällig war, weiblicher. Noch war unklar, ob Maxie nur einmalig einspringen oder bis zur Rückkehr Schumanns auf diesem Platz kochen durfte, aber sie war fest entschlossen, sich hier unter den Altgedienten zu beweisen.

In diesem Moment jedoch spürte sie, dass sich ihre guten Vorsätze verflüchtigten wie heißes Wasser am Siedepunkt. Da stand sie nun, das neue Sternchen, fühlte sich deplatziert in ihrem Blockstreifenkleid und fuhr sich nervös durch die ungebändigten Locken.

»In der Sendung dürfen Sie sich aber nicht an den Haaren zausen«, belehrte sie Hans Aslan. »Erstens sieht es nicht gut aus und zweitens findet die Jury jedes Haar in der Suppe.«

»Vielleicht sollte ich ein Kopftuch tragen?«, fragte Maxie zurück. »Pass auf, Hans«, sagte Bo mit einem Grinsen, »sie hat auch Haare auf den Zähnen!«

»Was habe ich gehört?« Peter Lau besaß offenbar Ohren wie ein Luchs. »Kopftuch? Das ist mir viel zu politisch! Lassen Sie sich Ihre Haare glätten und hochstecken.« Er strich Maxie eine Strähne aus der Stirn. »Schwitzen Sie etwa?« Er schob wieder seine Brille ins Haar und musterte Maxie. »An ihrem Kleid kann das nicht liegen.«

Ja, sie schwitzte.

»Jetzt schon?«, fragte Hans Aslan amüsiert.

Alle außer Maxie schienen immun gegen die Hitze zu sein, nur auf ihrer Haut glühten die vielen Scheinwerfer wie kleine Sonnen. Es stimmte: Wie sollte das erst später in der Show werden? »Keine Panik«, beruhigte sie Peter Lau, »man akklimatisiert sich hier schnell. Wenn unser Topmodel erst einmal in der Maske war …«

Maxie verdrehte die Augen und folgte den beiden Platzhirschen hinter die Kulissen.

Auf dem langen, schmalen Flur kamen sie an einem Kleiderständer vorbei, den vorhin schon einmal eine junge Frau über die Gänge geschoben hatte. Maxie blieb stehen und musterte die frisch gestärkten Kochjacken ihrer Mitstreiter. Kleine rosa Papiermarken einer Reinigung zierten die Kragen unter der Schutzfolie. Maxie glättete mit dem Finger den Überzug. Die goldene Gravur auf den blütenweißen Jacken las sich wie ein Steckbrief: Bo Bendix, Kombüse, Hamburg, ein Stern, bester Koch 2013. Hans Aslan, Revolver, Berlin, 19 Punkte im Gault-Millau, zwei Sterne. Maxie stöhnte. Köche mussten heutzutage dekoriert sein wie Gardeoffiziere. Sie konnte dem nichts abgewinnen.

Der Moderator, der sich ihr als Tim vorstellte, saß bereits in der Maske.

»Wo ist sie?«, fragte Bo in die Runde.

»Eben war sie noch da«, antwortete Tim und erhob sich, beugte sich noch einmal etwas zum Spiegel vor, begutachtete sein Gesicht und fuhr sich durch sein schwarzglänzendes Haar.

»Muss die schon wieder pinkeln oder was Frauen eben so machen …« Aslan lachte.

»Online Schuhe bestellen«, schlug Tim vor.

»Dass es hier überhaupt Frauen gibt«, sagte Maxie, »bei den miesen Sprüchen.«

»Die Gender-Polizei!«, rief Tim und drehte sich an der Tür noch einmal zu Hans Aslan um. »Hans, die haben die hier eingeschleust …«

»Undercover«, witzelte Aslan.

Sie verstummten. In der Tür erschien eine schwarze Elfe in Turnschuhen und knallengen Röhrenjeans. Ein kantig geschnittener Kurzhaarbob unterstrich die herbe Note. Ihre Smokey Eyes sahen aus, als hätte sie den Lidstrich mit einem Kohlebrikett gezogen, die Farbe verwischt und über das Lid hinaus verteilt, die Augen leicht gerötet. Hatte sie geweint? Bo stellte die Frauen einander vor. »Kim, das ist unsere Neue. Schumann ist jetzt eine Frau.« Wieder ließ er länger als nötig seine Augen auf ihr ruhen. »Eine sehr hübsche Frau, wie ich finde …«

Kim räusperte sich. »Ja, klar. Danke, Bo!« Ihre Stimme klang nach torfrauchigem Whisky und einer Menge Zigaretten. Sie räusperte sich noch einmal. »Peter sagt, du transpirierst stark. So schlimm scheint es gar nicht zu sein. Etwas Puder und das hier …« Sie zog eine dünne Damenbinde aus der Schublade.

»Da hast du, glaube ich, etwas falsch verstanden«, wehrte Maxie ab.

Aber Kim hatte schon den Klebestreifen entfernt. »Umdrehen!«, sagte sie leise, aber bestimmt. Sie befestigte die Binde im oberen Innenstoff von Maxies Kleid. Maxie spürte die raue Oberfläche der Binde zwischen ihren Schulterblättern. »Die feinen Tröpfchen, die dir vom Nacken den Rücken hinunterlaufen«, Kim zog mit den Fingerspitzen den Weg des Tropfens auf Maxies Haut nach, »werden damit schon einmal gestoppt.«

Ein wohliges Kribbeln folgte Kims Bewegung. Maxie war die Berührung nicht unangenehm.

»Und der Stoff liegt hier«, sie fuhr den Rand des Rückenausschnitts entlang, »nicht ganz auf.«

Kim gefiel Maxie auf Anhieb, auch wenn sie den inneren Drang verspürte, sie mit Buttercremetorte und Mousse au Chocolat zu päppeln.

Bo wurde langsam ungeduldig. Vielleicht war ihm auch zu viel Östrogen im Raum. Er fühlte sich offenbar vernachlässigt. Bevor sich Kim um ihn kümmerte, warf sie noch einen Blick auf ihr Handy und steckte es dann in die Gesäßtasche. Sie griff nach ihren Utensilien. Da ihr schwarzes Shirt mit der Botschaft Relax! nur bis knapp unter den Bauchnabel reichte, zeigte sie für einen Moment ihre vorstehenden Beckenknochen. Ob Maxie in der Show eine zusätzliche Bulette für Kim zubereiten sollte?

Bo Bendix beschäftigte sich mit seinem Smartphone, während Kim Hand anlegte. Auf dem Stuhl neben Bo schloss Hans Aslan gerade die Augen. Maxie beobachtete ihn interessiert. Im Profil besaß er doch wirklich Ähnlichkeit mit Clemens Wilmenrod, dem Koch des deutschen Wirtschaftswunders. Maxie schmunzelte. Wie Wilmenrod war Aslan gut genährt, besaß volle, rosige Wangen, einen hohen Haaransatz, graue Strähnen im dunklen Haar und natürlich einen Schnauzbart. Aber im Gegensatz zu Wilmenrod, der von Haus aus Schauspieler war, konnte Aslan kochen, begnadet gut kochen! Sie rekapitulierte in Gedanken, was sie über ihn gelesen hatte. In Oberfranken geboren hatte er sich bereits als junger Mann dem Kochhandwerk verschrieben. Seine Wege führten über Lothringen ins Perigord und wieder zurück nach Deutschland. Sie hatte ihn genau studiert. Er galt als Koch der alten Schule, Repräsentant der Nouvelle Cuisine. Seine Kompositionen waren ein Augenschmaus und behielten trotz ihrer Raffinesse eine bodenständige Note.

Aslan vertiefte sich in die Papiere, die vor ihm lagen. Es waren handschriftliche Notizen mit einzelnen neongrün markierten Wörtern oder Sätzen. Ein Script für die Sendung? Rezepte? Kreative Kochideen? Aslan hatte noch nicht bemerkt, dass er beobachtet wurde. Gern hätte Maxie ihm das eine oder andere Geheimnis entlockt. Wie bereitete er seine Demi-Glace zu? Verwendete er Rotwein und wenn ja, welchen? Stimmte es, dass er seine legendären Soßen manchmal mehrere Tage köcheln ließ? Aslan hob den Kopf und kniff die Augen zusammen.

»Bitte, geradeaus schauen«, bat ihn Kims Kollegin. »Nicht bewegen.« Sie trug mehrere Schichten einer getönten Creme auf, die wie Spachtelmasse seine tiefen Augenringe und Falten verbarg. Man sah es Aslan an: der Mangel an Schlaf, kein Wochenende, kaum Bewegung. Aufwändige Menüs und anspruchsvolle Gäste. Jeder einzelne Teller arrangiert wie für ein Shooting. Perfektion auf Sterneniveau. Ein Knochenjob. Das hinterließ Spuren, bei Aslan hauptsächlich am Bauchumfang. Früher hatte Schumann auch so ausgesehen, überlegte Maxie, aber irgendwie hatte er es in den letzten Jahren geschafft, Gewicht zu verlieren. Ein Best Ager wie er in jedem Lifestyle-Magazin zu finden war: schlank, fit und gesund. Obwohl, korrigierte sich Maxie, so gesund schien er dann doch nicht zu sein, sonst säße sie heute nicht hier. Sie warf einen Blick auf Aslan. Sein Gesicht wirkte mittlerweile wie glattgebügelt. Er sah um Jahre jünger aus. Vielleicht war auch bei Schumann alles nur Fassade? Ob er ihr wohl noch die Ehre einer persönlichen Begegnung erweisen würde? Sie würde nicht nur Hans Aslan gern mit Fragen löchern …

Als könnte er Gedanken lesen, hob Aslan den Kopf und sah sie an. »Wo kochen Sie normalerweise?«, fragte er.

»In Rothard.« Maxie freute sich, dass sich zumindest einer der beiden Kochstars für sie interessierte.

»Rothard?«, wiederholte Aslan. »Nie gehört.«

Als Maxie anhob, ihm zu erklären, wo genau es zu finden war, vertiefte er sich wieder in seine Notizen. Hans Aslan und Small Talk harmonierten offenbar so gut miteinander wie Mettbrötchen und Dom Pérignon.

Bos Handy vibrierte. Er nahm das Gespräch an und verließ hastig den Raum. Jemand mahnte zur Eile. Maxie versuchte sich auf das, was sie in wenigen Minuten kochen würde, zu konzentrieren. Keine Improvisation, hatte man ihr gesagt. Aber wie lauteten die weiteren Absprachen noch gleich? Die Zuschauer saßen bereits auf ihren Plätzen. Der Countdown lief. Sie wusste es nicht mehr.

»Alles klar?« Die Klemmbrettfrau nickte Maxie zu und dirigierte sie an ihren Platz am Herd. Peter Lau zeigte ihr aufmunternd den Daumen nach oben. Es war eigentlich so einfach: Jeder von ihnen sollte ein Gericht seiner Wahl kochen. Eine Jury aus prominenten Gästen kostete die Speisen und vergab Punkte. Am Ende gab es einen Kochsieger. Das Publikum konnte vor der Sendung bereits einen Siegtipp abgeben. Aus der Reihe derjenigen, die richtig getippt hatten, wurde ein Gewinner gelost, der 1.000 Euro mit nach Hause nehmen durfte.

So einfach, dachte Maxie. Trotzdem erhöhte sich ihr Puls.

Der Begrüßungsapplaus brandete auf und Maxie fühlte sich wie eine langsam aufheizende Herdplatte. Sie spürte eine Schweißperle vom Nacken das Schulterblatt hinunterlaufen, die von der eingeklebten Binde gestoppt wurde. Am liebsten hätte sie sich kurz den Rücken gekratzt. Die Konzentration war dahin. Maxie atmete tief durch. Gab es eigentlich auch hinter ihr Kameras? Sie hatte Rothard nicht verlassen, um in den gleißenden Scheinwerfern unvorteilhaft zu schwitzen, oder, und das war vielleicht noch viel schlimmer, um die bereitgestellten Zutaten nach Rezept zu vermengen. Dazu wäre schließlich auch ein Kochautomat in der Lage. Aber wie viel Spielraum ließ man ihr, um Maxie Kaiser zu sein? Sie würde es wohl herausfinden müssen …

Tim plauderte. Das Publikum lachte. Dann setzte er eine ernste Miene auf. In Rudi-Cerne-Manier äußerte er sich zum Verschwinden Wolf Schumanns: »Wie Sie wissen, ist Wolf Schumann seit dem Wochenende verschwunden.« Betroffener Hundeblick. »Wir gehen momentan davon aus, dass er sich eine Auszeit genommen hat. Es ist kein Geheimnis, dass er schon einmal diesen Weg gewählt hat. Ich möchte mich hier aber nicht in Spekulationen verlieren. Wir alle hoffen, dass es ihm bald wieder besser geht. Bis dahin wünschen wir ihm, dass er die Hilfe bekommt, die er braucht, und dass gute Freunde ihm zur Seite stehen. Wenn du uns jetzt zusiehst, Wolf, wir grüßen dich!«

Tims Stimme wechselte von Moll zurück ins helle Dur. »Und nun begrüßen wir ein neues Gesicht unter uns, ein regionales Kochtalent, eine Entdeckung, möchte ich sagen.« Tim kam zu Maxie und legte den Arm um ihre nackten Schultern. Maxie wurde noch wärmer. »Das hübscheste Landei, das ich kenne und die Dritte im Bunde der Hauptstadtköche – die bezaubernde Maxie Kaiser!« Das Publikum lachte und applaudierte. Maxie stieß Tim den Ellenbogen in die Seite. Es folgte ein kurzer Einspieler über Maxie und ihren bisherigen Werdegang als Köchin.

»Maxie.« Tim stand jetzt direkt neben ihr. »Wusstest du, dass Wolf Schumann ein großer Fan von dir ist? Enttäusch ihn nicht, vielleicht sieht er zu. An die Töpfe, fertig, los!«

Ein Fan von mir? Hatte Tim sich das gerade ausgedacht? Jetzt fiel es ihr noch schwerer, sich auf den nächsten Handgriff zu konzentrieren. Nebenan bewaffnete sich Bo Bendix bereits mit einem Flambierbrenner.

»Wird’s heute heiß, Bo?«

Bo zielte mit dem Brenner auf Tim. »Bei mir wird’s immer heiß, Tim.« Er steckte sich den Brenner wie einen Colt in die Gesäßtasche. »Arschgesicht«, flüsterte Bo leise.

So läuft das also, dachte Maxie, der Ring ist eröffnet. Aslan war abgetaucht und kramte nach einer französischen Pfanne, die nicht an ihrem Platz war. »Warum müsst ihr jede Woche einmal komplett umräumen?«, schimpfte er. »Das macht ihr doch zu Hause auch nicht. Machst du das zu Hause, Tim?«

»Ich habe gar keine Küche.«

Das Publikum lachte schallend. »Tim ist eher von der Fast-Food-Fraktion«, frotzelte Bo.

»Können Sie sich vorstellen, warum ich mir das hier antue?«, legte Tim nach. Rhetorische Pause. Er hatte sein Publikum im Griff, das musste man ihm lassen. »Wenigstens einmal in der Woche komme ich so an ein warmes Essen! Also strengt euch an – ich habe Hunger!« Alle lachten.

»Wenn du etwas Gutes essen willst, bist du bei mir richtig, Tim. Komm her! Schau zu und lerne!« Aslan legte Geflügelkeulen in die heiße Pfanne. Das Fett knisterte und spritzte. »Die Perlhuhnkeulen habe ich bereits gestern mariniert. Und zwar in Öl und klein gehackten getrockneten Tomaten.« Er deutete auf die Zutaten, die in einer Reihe vor ihm aufgebaut waren. »Dazu frische Kräuter wie Rosmarin, Petersilie, Basilikum, etwas Salbei. Achten Sie bitte darauf, dass das Geflügel frisch ist und nicht lange lag. Im Revolver kann ich das Geflügel mit der Marinade vakuumieren. Sie können es zuhause in einem Gefrierbeutel im Kühlschrank lagern. Kühl und separat. Achten Sie auch hier unbedingt auf die Hygiene.« Er wendete die Keulen. »Ich würze sie noch mit Meersalz und Pfeffer.« Er griff zu den beiden Mühlen.

»Das ist ordentlich. Du machst das nach Gefühl, Hans?«

Hans Aslan grinste. »Ein bisschen Gefühl gehört schon dazu. Nur nicht zu zaghaft, sonst wird es am Ende fad. Nicht alle Würze bleibt ja an der Keule haften. Jetzt kommen die Keulen bei niedriger Temperatur in den Ofen und ich wende sie später noch einmal.«

Es war etwas Ruhe und Konzentration eingekehrt. Maxie spürte, wie ihr Alter Ego die Kontrolle übernahm. Das war ihre Bühne. Konzept hin oder her. Sie nutzte die Stille, die die anderen nicht füllten, und fragte ins Publikum: »Hat nicht jemand Lust, mir zu assistieren?« Sie strahlte, als hätte man einen zusätzlichen Scheinwerfer angeknipst. Tim, der Aslan gerade noch über die Schulter geschaut hatte, wie er die Perlhuhnkeulen in den Ofen schob, drehte irritiert den Kopf und suchte nach der Regie. Die Assistentin, die neben der Kamera stand, wedelte mit dem Klemmbrett. Schon verließ Maxie ihren Platz mit der Markierung am Boden. Der Mann mit der lila Brille gestikulierte wild. »Halten Sie sich bitte an die farbigen Kreuze auf dem Boden. Ihre Farbe ist Rot. Verlassen Sie diesen Bereich nicht.« Das war die Anweisung vor der Sendung. Jetzt galten die Regeln einer Livesendung, sagte sich Maxie. Spontaneität war doch ihre Paradedisziplin. Eine der Kameras blieb an Maxie dran. Ihre Holzpantinen klackten viel zu laut auf dem Boden.

Peter Lau formte tonlos das Wort »Schuhe!«, und deutete auf seine Füße. Aslan und Bendix hatte eine Art Schockstarre ergriffen. Tim fand als Erster die Sprache wieder: »Jetzt mal unter uns, Jungs, wer ist die Kleine?« Er wollte betont flapsig sein, aber niemand lachte. Tim sah sich noch einmal etwas ratlos um und folgte Maxie dann schnellen Schrittes. »Brauchen Sie Unterstützung, Frau Kaiser?«, beeilte sich Tim und versuchte, sie sanft zurück zur Kochbühne zu dirigieren. »Ich kann Ihnen doch assistieren, wenn Sie wollen.« Sie schüttelte ihn ab.

»Schafft sie es nicht allein?«, rief Aslan. Er begann ausschweifend über seine Säurereduktion zu dozieren, als handele es sich um einen Zaubertrick. »Leicht köcheln lassen. Dabei rühren. Ich gebe jetzt noch einen Spritzer Ahornsirup dazu. Es braucht ein ausgewogenes Verhältnis von Säure und Süße. Reduzierst du die Soße zu stark, kann sie bitter werden.«

Die Kamera fing kurz ein, wie die sämige Soße in Aslans Stielkasserolle Blasen schlug, schwenkte dann aber zurück zu Maxie. »Wer von Ihnen isst gern und kennt die Sendung?« Maxie sah lächelnd in die Menge. Alle Augen ruhten gespannt auf ihr. Peter Lau war tomatenrot angelaufen. Er platzte fast vor Wut. Worauf zum Henker wollte sie hinaus?

»Also ich kenne die Sendung und würde Ihnen sehr gerne assistieren!«, rief Bo von seinem Kochplatz aus.

»Vielleicht komme ich darauf zurück.« Maxie schenkte Bo ein Lächeln. »Aber ich bin sicher, dass sich im Publikum auch Freiwillige finden.«

Ein Herr hob nun zaghaft die Hand. Die Kamera zoomte heran. »Wenn das neben Ihnen Ihre Gattin ist, würde ich die Meldung an Ihrer Stelle lieber wieder zurückziehen. Ich garantiere für nichts.« Maxie erntete Applaus. »Kochen Sie gern?« Maxie blieb vor einem jungen Mann in Jeans und giftgrünem Poloshirt stehen.

»Ich kann nicht kochen, überhaupt nicht«, wehrte er ab.

»Was machen Sie dann in einer Kochsendung?«

Der Aufnahmeleiter hatte die Brille abgenommen und massierte mit zwei Fingern die Druckpunkte oberhalb der Nasenwurzel. Langsam bekam er sich wieder unter Kontrolle. Er sah auf. »Laufen lassen, einfach laufen lassen«, zischte er.

»Im Ernst.« Maxie ließ nicht locker. »Was machen Sie dann hier in einer Kochsendung?«

»Ich habe die Karten …«, er zögerte.

»Gestohlen? Gefunden? Gewonnen?«, fragte Maxie.

»Von meiner Mutter, die ist krank geworden.« Er lächelte entschuldigend.

Der Aufnahmeleiter kniff die Augen zusammen. Am liebsten hätte er den Stecker gezogen. »Fuck!«, flüsterte er, »fuck, fuck, fuck!«

»Gefällt Ihnen wenigstens die Sendung?«, bohrte Maxie weiter nach. Peter Lau hielt den Atem an. Der Studiogast nickte scheu.

Peter Lau stand kurz vor der Explosion. Wütend deutete er auf die verbliebenen Hauptstadtköche. Die Kamera schwenkte zurück. Aslan übernahm. »Tim!«, brüllte er. »Heißt du Maischberger oder was? Herrschaftszeiten noch einmal, jetzt wird nicht mehr geredet, kocht doch endlich!«

»Ich wäre dann auch mit meiner bescheidenen Vorspeise fast fertig, wenn das von Interesse ist.« Bo Bendix hielt einen Löffel in die Luft. »Nur noch ein bisschen Feuer unterm Hintern.« Er warf den Bunsenbrenner an. Maxie schenkte ihm ein Lächeln. Er wirkte wie ein Lehrer auf verlorenem Posten, der ein Experiment vorbereitet hat, für das sich außer ihm niemand begeistern kann.

»Zurück zum Herd!«, zischte Peter Lau und deutete auf die Kochinseln. Maxie drehte ihm den Rücken zu. »Gibt es schon etwas, was Ihnen hier besonders gut gefällt?« Sie ließ noch nicht locker.

»Dass ich riechen kann, was Sie kochen.«

Maxie schnupperte übertrieben in der Luft und drehte sich dann zu Bo um. »Apropos: Riecht es hier nicht etwas verkokelt?« Bo hielt seinen Löffel immer noch starr über der Flamme. Der Käse war zerlaufen und schwarz angekokelt. Ihm hatte es offenbar die Sprache verschlagen. Er warf den Käsehappen samt Löffel in den Müll und begann von vorne.

Tim deutete auf seine Armbanduhr: »Maxie? Die Zeit läuft. Ich meine ja nur, nicht dass am Ende der Pizzaservice bestellt werden muss.«

»Nur über meine Leiche!«, versuchte Aslan, die Aufmerksamkeit zurückzugewinnen.

»Bevor es hier Mord und Totschlag gibt, sollten wir mal in die Pötte kommen.« Maxie klatschte in die Hände. »Los geht’s!« Sie zog den wehrlosen Mann auf die Beine. »Wie heißt du?«

»Thomas.«

»Ich bin Maxie.« Sie reichte ihm fröhlich die Hand. »Wir beide sind bestimmt ein gutes Team, Tommi. Schließlich ist es für uns beide heute das erste Mal.« Sie nahm ihn an der Hand und führte ihn zur Kochbühne. Bo und Aslan blieb der Mund vor Schreck offenstehen. Bo schaltete endlich den Flambierbrenner aus. Die Kameras blieben an Maxie und ihrem neuen Freund dran.

»Sind wir nicht ein Augenschmaus?« Sie deutete auf Thomas und dann auf sich. »Ich gebe zu, Tommi, du bist mir sofort aufgefallen. Dein grünes Shirt passt einfach wunderbar zu meinem Streifenkleid. Es heißt doch, das Auge isst mit, oder, Herr Aslan?«

»Ihr könnt gern in Froschgrün kochen«, blaffte Aslan. »Schmecken muss es aber trotzdem!«

»Etwas Farbe schadet niemandem.«

Bo hatte seinen Brenner in die Schlaufe seiner Schürze gehängt und schob sich nun zwischen Maxie und Aslan. »Hätte ich gewusst, dass wir heute nicht kochen, sondern Fashion Week spielen, hätte ich mich auch in Schale geschmissen.«

»Danke für das Stichwort! Was ist das eigentlich für ein Muster auf deinem Halstuch, Bo?« Maxie entzwirbelte das Tuch an einer Ecke. »Totenköpfe?« Sie lachte. »Bo, tut mir leid, das ist wohl eher Kindergeburtstag.«

»Ist das hier heute versteckte Kamera, Tim?«, wandte sich Aslan an den Moderator, der immer noch hinter Maxie und ihrem Assistenten stand. »Also, wenn ihr bitte meine Weinreduktion einfangen würdet! Es fehlt nur noch meine Spezialmischung.« Er hielt ein Glasschälchen mit Gewürzen in die Höhe.

Tim erwachte aus seinem Dornröschenschlaf und machte da weiter, wo er vor zehn Minuten aufgehört hatte. »Was hast du da wieder Feines zusammengebraut, lieber Hans?« Er verließ den Platz neben Maxie und stellte sich zu Aslan.

»Kauf mein neues Kochbuch, da steht’s drin.« Aslan lachte.

»Na, ein paar Details kannst du uns ja vielleicht verraten.«

Bo Bendix verteilte mittlerweile unbemerkt seine heißen Löffel ans Publikum. Maxie walkte Hackfleisch. »Tommi, die Zwiebeln noch etwas feiner, bitte.« Ihr Assistent hatte sich tief über das Schneidbrett gebeugt. Konzentriert zerkleinerte er die Zwiebel. Er schniefte. Mit dem Handrücken wischte er sich die Augen. »Du musst die Zwiebel unter kaltes Wasser halten.«

»Und durch den Mund atmen«, ergänzte Bo Bendix, der sich nun wieder hinter Maxie geschlichen hatte und ihr über die Schulter sah. Sie konnte die Wärme seines Körpers spüren. Und da war noch ein Geruch, der sich gegen die Zwiebel- und Käseschwaden in der Luft behaupten konnte. Sie drehte den Kopf zur Seite. »Marzipan?«

»Bitte?«, Bo verstand nicht. »Es riecht hier nach ...«, sie überlegte, »nach Weihnachten.« Maxie schnupperte. Der Duft ging von Bo aus. »Ich bin es ja gewohnt, dass die Frauen auf mich fliegen«, sagte er und zwinkerte. »Aber das wird mir jetzt etwas unheimlich!« Er griff in seine Brusttasche und holte eine längliche Bohne hervor. »Ich habe vorhin Tonkabohne gerieben.«

»Ach, geben Sie es zu«, sagte Maxie und lachte. »Das ist Ihre Masche. Sie stecken sich so etwas in die Tasche, um die Frauen über den Geruchssinn zu beeindrucken. Ich liebe den Duft nach Marzipan und Bittermandel.«

»Wenn das so eine Wirkung hat, werde ich es jetzt zu meiner Masche machen.«

»Hey, ihr Turteltäubchen«, schaltete sich Tim ein. »Arbeitet ihr auch? Oder muss Tommi heute allein für das Essen sorgen?«

Wie auf Kommando gab Tommi ein ordentliches Schniefen von sich.

»Wir müssen uns eben erst einmal beschnuppern«, antwortete Bo. »Es ist noch etwas ungewohnt, dass Schumann jetzt so sexy aussieht!«

Maxie rückte ein Stück von Bo ab. Tonkabohne hin oder her, er war und blieb ein Frauenheld, von dem sie lieber die Finger lassen sollte. Sie hatte genug über ihn gehört und gelesen. Bo hingegen machte keine Anstalten, sich an seinen Platz zurückzuziehen. Neugierig nahm er ein kleines Weckgläschen, das Maxie sich schon bereitgestellt hatte. »Und ich dachte, der Trend mit den Gläsern ist durch.«

»Das sind Erbstücke meiner Tante Minna.«

»Und Ihre Minna benutzt sie wozu?«

»Als sie noch lebte, hat sie in diesen Gläsern Gurken eingekocht. Und in einem bewahrte sie ihr Gebiss auf.« Bendix beeilte sich, das Glas wieder an seinen Platz zu stellen.

»Es gibt Hack?« Aslan zog eine Augenbraue hoch.