Die Krankheiten der Herrscher - Helmut Neuhold - E-Book

Die Krankheiten der Herrscher E-Book

Helmut Neuhold

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Beschreibung

Wäre die Weltgeschichte anders verlaufen, wenn Machthaber nicht an bestimmten Erkrankungen gelitten hätten oder ihnen die Erben quasi krankheitsbedingt weggestorben oder regierungsunfähig gewesen wären? Dass Geschichte auch von einzelnen Menschen gemacht wurde und wird, ist eine Binsenweisheit. Vielfach unbekannt ist aber, dass Entscheidungen, Fehlentscheidungen oder auch unterlassene Entscheidungen solcher Menschen mit den Erkrankungen zu tun haben konnten, unter denen sie litten. Dieses Buch stellt bekannte und weniger bekannte Herrscher und Führungspersonen als Patienten vor und geht dabei immer wieder der Frage nach, ob und inwieweit deren Krankheiten Einfluss auf den Gang der Geschichte genommen haben bzw. nehmen konnten.

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Inhalt

Statt eines Vorworts

Hämorrhoiden und Waterloo sowie ein blutender Kronprinz und der Sieg des Kommunismus

Ein spanischer Kretin und gekrönte „Idioten“

Die Habsburger, der Ahnenschwund und der dynastische Verfall

Geisteskranke sitzen in „Irrenhausschlössern“

Die „heilige Krankheit“ Epilepsie

Körperlich beeinträchtigte Herrscher

Die Pocken dezimieren die Fürstenhäuser

Die Gicht – eine Krankheit macht Geschichte

Die aussätzigen Herrscher

Gottes Strafe für die Sünder – die Syphilis

Das unerwartete Sterben großer Hoffnungsträger

Feldherren scheitern an Seuchen

Die zitternde Hand des Führers – kranke Diktatoren

Alkoholismus, Senilität und Alzheimer in der Politik

Fazit

Quellen und Literatur

Internetquellen

Register

Dr. Helmut Neuhold

 

Krankheiten

DER HERRSCHER

 

WieHämorrhoiden & Co.

die Weltgeschichte

beeinflussten

 

 

 

 

Die Grafiken im Buchkern stammen von Shutterstock (siehe unter Umschlagfotos) bzw. von Lisa Hahsler.

 

 

© Verlagshaus der Ärzte GmbH

Nibelungengasse 13

1010 Wien

Österreich

www.aerzteverlagshaus.at

1. Auflage 2022

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere das der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwendung, vorbehalten.

ISBN 978-3-99052-272-1

Umschlag: Grafikbüro Lisa Hahsler, 2232 Deutsch-Wagram

Umschlagfotos: Shutterstock (Sahs und Gearstd)

Grafik: Grafikbüro Lisa Hahsler, 2232 Deutsch-Wagram

Projektbetreuung: Hagen Schaub

 

Statt eines Vorworts

Hämorrhoiden und Waterloo sowie ein blutender Kronprinz und der Sieg des Kommunismus

 

„Solange das Blut fließt, lebt der Mensch.“

Bruno Ziegler (1879–1941)

deutscher Bildhauer

 

Verlor Napoleon Bonaparte (1769–1821) seine wichtigste Schlacht, die auch das endgültige Ende seiner machtpolitischen Ambitionen bedeutete, weil er an Hämorrhoiden litt? Die Geschichte könnte einer fetten Schlagzeile in einem einschlägigen Boulevardblatt entnommen sein: Der sicherlich militärstrategisch geschickteste Kopf seiner Zeit wäre quasi an seinem Hämorrhoidenleiden gescheitert und hätte aufgrund der damit verbundenen Schmerzen und Unpässlichkeiten Entscheidungen getroffen, die seinen Truppen auf dem Schlachtfeld von Waterloo im heutigen Belgien quasi die ultimative Niederlage beschert hätten. Eine Geschichte, die man immer wieder lesen kann. Aber stimmt sie überhaupt?

Dass Napoleon an Hämorrhoiden gelitten hat, dürfte der Fall gewesen sein. Und wenn diese jahrelang unbehandelt bleiben, können sie sich auch zu einem ernsten Gesundheitsproblem auswachsen und starke Schmerzen verursachen. Dies wird bei Napoleon tatsächlich der Fall gewesen sein.

Wobei der Gesundheitszustand des Korsen auch aus anderen Gründen nicht mehr der beste war (siehe Seite 66) und er wohl auch deswegen die ihm Jahre zuvor noch eigene Vitalität und Reaktionsschnelligkeit auf dem Schlachtfeld erheblich eingebüßt hatte. Als seine Truppen zwei Tage vor Waterloo die Preußen bei Ligny schlugen, unterließ er es daher auch, die Besiegten weiter verfolgen zu lassen, was es diesen ermöglichte, sich neu zu sammeln. Während sich Napoleon unter anderem seinen körperlichen Leiden „widmete“.

Als sich Franzosen und Briten kurz darauf bei Waterloo gegenüberstanden, litt Napoleon unter derart großen Schmerzen am Analbereich, dass er sich gegen 10.00 Uhr am Vormittag nochmals kurz ins Bett legen musste, statt den Angriffsbefehl zu erteilen. Das Gemetzel von Waterloo begann somit erst gegen 11.30 Uhr, wobei der Kaiser das Geschehen auch nicht wie sonst vom Pferd aus verfolgte, weil er aufgrund seiner Schmerzen nicht im Sattel sitzen konnte. Ob ihm so ein gewisser „Überblick“ gefehlt hatte? Und hatte man dem Kaiser vielleicht sogar auch Drogen gegen die Schmerzen verabreicht, die seine Entschlusskraft beeinträchtigten?

Dass die Zeit an diesem Tag eine entscheidende Rolle spielen würde, wurde erst später klar, denn durch den mit Verzögerung erteilten Angriffsbefehl gelang es letztendlich den heranziehenden preußischen Truppen, noch entscheidend in das Kampfgeschehen einzugreifen und die stark in Bedrängnis stehenden Briten zu unterstützen. Dies sollte dann auch die Entscheidung herbeiführen und die französische Armee wurde fast vollständig aufgerieben. Inklusive der alten Garde, die sich noch bis zuletzt um ihren Kaiser versammelt hatte, um den völlig sinnlosen „Heldentod“ zu sterben.

Damit waren Napoleons Ambitionen, noch einmal grundlegend in die Geschichte Europas einzugreifen, endgültig begraben, der Kaiser wurde schließlich von den Siegermächten auf die weit entfernt im Atlantik liegende Insel St. Helena verbannt, wo er sechs Jahre später verstarb.

Hatten ihn seine Hämorrhoiden aber wirklich den Sieg über die gegen ihn verbündete Koalition gekostet? Möglicherweise hätte ein gesundheitlich fitter Napoleon bei Waterloo mit den Briten kurzen Prozess gemacht, vielleicht hätte er zuvor auch schon die preußischen Truppen aufgerieben. Allerdings hatte niemand in Europa ein wirkliches Interesse daran, den Korsen nochmals gefestigt auf dem französischen Thron sitzen zu sehen, und so hätte sich Napoleon über kurz oder lang mit weiteren Armeen konfrontiert gesehen, die gegen ihn zu Felde gezogen wären. Hätte er sie alle immer wieder schlagen und sich noch einige Jahre als Kaiser der Franzosen halten können? Und was hätte das in Europa geändert? Hätte es das reaktionäre Metternich’sche System dann nicht gegeben?

Szenenwechsel. Der im Jahr 1904 in Sankt Petersburg geborene Alexei Nikolajewitsch Romanow war ein hübscher Junge mit einem freundlichen Charakter. Er schien die große Hoffnung einer Dynastie zu sein, die zunehmend in Bedrängnis geraten war. Und er schien auch einige der an ihn gestellten Erwartungen zu rechtfertigen. Wenn er nur nicht ständig geblutet hätte. Der liebevoll „Aljoscha“ genannte Zarewitsch war als Bluter das Opfer einer gefürchteten Erbkrankheit, die schon anderen blaublütigen Dynastien zugesetzt hatte.

Vererbt bekam er die sogenannte Hämophilie B von seiner Mutter, nachweisbar ist sie aber auch schon für seine Urgroßmutter Victoria von Großbritannien und Irland. Bei diesem zum Teil auch sehr schmerzhaften Leiden, das neben äußeren auch innere Blutungen verursacht, handelt es sich um eine klassische Erbkrankheit, bei der die Blutgerinnung gestört ist. Das aus Wunden austretende Blut gerinnt dann gar nicht oder nur sehr schlecht, wobei Blutungen auch ohne sichtbare Verletzungen entstehen können.

In einer Zeit, als die Medizin nicht in der Lage war, diese oft spontan auftretenden inneren und äußeren Blutungen der Kranken unter Kontrolle zu bringen bzw. zu stoppen, wurde kaum ein von dieser Krankheit Betroffener wirklich alt. Die Meisten starben bereits in der Kindheit. Ständig musste alles vermieden werden, was zu Verletzungen und Blutungen führen konnte.

Wie so oft in der Geschichte, griffen auch Alexeis Eltern schließlich aus Verzweiflung zum letzten noch denkbaren Mittel, nachdem bei einer erneuten heftigen Blutung des Zarewitschs die Schulmedizin völlig versagt hatte: Ein Wunderheiler musste her. Das Schicksal wollte es, dass sich einer geradezu anbot. Sein Name war Rasputin und er war ein ziemlich ungepflegt wirkender Wanderprediger aus der Provinz, dem aber der Ruf vorauseilte, ein großartiger Geistheiler zu sein.

Der 1869 geborene Rasputin kam, trat ans Bett des Zarensohns – und die akut vorliegende lebensgefährliche Blutung versiegte. Die Zarin betrachtete den ungepflegten Mönch, dem zudem ein liederlicher Lebenswandel nachgesagt wurde, fortan als Heiligen und erbat zu allen möglichen Themen seinen Rat. Rasputin ging seither am Zarenhof ein und aus und sein Einfluss auf die kaiserliche Familie übertraf bald alle Erwartungen.

Das „gemeine“ Volk, dem man die Bluterkrankheit von Alexei vorenthalten hatte, wunderte sich über den Einfluss einer Person wie Rasputin auf die Herrscherfamilie. Zar Nikolaus II. und seine Gemahlin Alexandra Fjodorowna, vormals Prinzessin Alix von Hessen-Darmstadt, hatten sich durch eine Reihe ungeschickter politischer Entscheidungen schon zuvor nicht allzu großer Beliebtheit erfreut, aber der seltsame Wandermönch brachte noch weitere Gesellschaftsschichten gegen die Romanows auf. Und im Hintergrund lauerten schon die Revolutionäre. Als Russland im Ersten Weltkrieg mehrere schwere militärische Niederlagen erlitt und der Zar wenig Führungsqualitäten zeigte, fiel zunächst der verhasste Rasputin im Jahr 1916 einem Mordanschlag zum Opfer. Die Zarenfamilie sollte ihren seltsamen Hausfreund nicht allzu lange überleben und wurde im Juli 1918 schließlich ebenfalls Opfer der entmenschlichten Bolschewiken, die ihren Hass auf den russischen Adel in einer brutalen Exekution zelebrierten. Der 13-jährige Zarewitsch wurde dabei von mehreren Kugeln getroffen und war immer noch am Leben, selbst Bajonettstiche schienen ihm kaum etwas anhaben zu können. Schlussendlich gelang es dem Exekutionskommando aber doch, ihn zu töten. Ein Wunder war sein langer Todeskampf freilich nicht, denn der bluterkranke „Aljoscha“ trug ein Hemd, in das zahlreiche Edelsteine eingenäht waren, die ihn zunächst vor tödlichen Verletzungen geschützt hatten.

Es gilt unter Historikern als nicht eben seriös, die Frage nach dem „Was wäre wenn?“ zu stellen. Aber diese Frage wird in diesem Buch immer wieder gestellt werden – sie drängt sich geradezu auf. Was wäre mit der Zarenfamilie und letztlich Russland passiert, wenn der Zarewitsch nicht an Hämophilie gelitten und Rasputin niemals am Hof der Romanows erschienen wäre? Hätte es dann die bürgerliche und die bolschewistische Revolution überhaupt gegeben? War Alexeis Krankheit also (mit)schuld am Untergang der Zarendynastie und dem Beginn der nicht weniger brutalen kommunistischen Herrschaft?

Und welche Rolle spielten Erkrankungen bedeutender Persönlichkeiten überhaupt? Konnten sie den Gang der Weltgeschichte beeinflussen?

Herrscher und gekrönte Häupter waren und sind Menschen aus Fleisch und Blut. Krankheiten aller Art blieben ihnen deshalb nicht erspart, manche Erbkrankheiten und Degenerationen wurden sogar speziell durch gezielte Heiraten in kleinen dynastischen Zirkeln herbeigeführt. Die Heirat von Cousin und Cousine war lange Zeit bei vielen Familien des Hochadels ja fast die Regel.

Neben den Erbkrankheiten setzten auch Seuchen unterschiedlichster Art den großen Dynastien zu. Auch wenn nur vergleichsweise wenige Angehörige des regierenden Hochadels an der Pest starben, so hielten doch Seuchen wie die Pocken und die Syphilis auch in den vornehmsten Schlössern blutige Ernte.

König Balduin IV. von Jerusalem (1161–1185) zeigte schon in seiner Kindheit Symp­tome von Lepra und die Krankheit zerstörte seinen Körper relativ schnell. Der begabte Herrscher, der als Kranker sogar noch Armeen zum Sieg über seine arabischen Gegner führen konnte, musste sein entstelltes Gesicht mit einer Maske bedenken, da er dessen Anblick seiner Umwelt nicht zumuten konnte. Er verbreitete heftigen Gestank und verfaulte buchstäblich bei lebendigem Leib. Sein Königreich sollte ihn nur kurz überleben. Was wäre aus dem Königreich der Kreuzritter geworden, wenn Balduin IV. von der Lepra verschont geblieben wäre und seinen Gegner Saladin niedergeworfen hätte?

Viele Angehörige von Dynastien wie etwa die Hohenzollern litten unter der Gicht. Das machte sie permanent leidend, psychisch labil und oft ziemlich bewegungsunfähig. Hatte diese Krankheit nicht auch enorme Auswirkungen auf die Geschichte?

Heiraten unter Verwandten, wie sie besonders die Habsburger praktizierten, hatten massiven Einfluss auf den Fortbestand ihrer Dynastie. Besonders die spanische Linie endete im völligen Kretinismus. Der geistig und körperlich völlig degenerierte Karl II. (1661–1700) war dabei das vielleicht erschütterndste Opfer und symbolisierte quasi den Untergang der spanischen Habsburger.

Manche Herrscher wurden wahnsinnig oder waren es bereits, als sie den Thron „bestiegen“. Man denke nur an Nero (37–68), Iwan den Schrecklichen (1530–1584), Ludwig II. von Bayern (1845–1886) und seinen Bruder Otto (1848–1916) bis hin zu Josef Stalin (1878–1953) oder die schwer geisteskranken Kims in Nordkorea.

Ein weiterer sehr geschichtsmächtiger Krankheitsfaktor ist die Syphilis. Die Liste jener Herrscher- und Führerpersönlichkeiten, welche an dieser Krankheit litten und starben, ist sehr lang. Kaiser Maximilian I. (1459–1519), Papst Alexander VI. (1431–1503), Heinrich VIII. von England (1491–1547), Albrecht von Wallenstein (1583–1634), Katharina die Große (1729–1796), Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (1795–1861) und Wladimir Iljitsch Lenin (1870–1924) waren nur einige von ihnen.

So manch großer Plan eines genialen Feldherrn scheiterte an der Ausführung, weil Feinde am Schlachtfeld erschienen, denen man mit militärischen Waffen nicht beikommen konnte. Bakterien, Viren und Pilze machten nur allzu oft die größten Strategien zunichte. Alexander der Große (356–323 v. Chr.) bereitete gerade die Eroberung des westlichen Mittelmeers und der aufstrebenden Stadt Rom vor, ehe ihn wahrscheinlich die Malaria ins Jenseits beförderte. Seuchen wie die Pest, die Pocken und die Cholera ließen große Kriegszüge jämmerlich scheitern. Bis weit hinein ins 19. Jahrhundert starben bei fast jedem Feldzug viel mehr Soldaten an Seuchen und Krankheiten aller Art als durch Feindeinwirkung. Die Verluste, welche die US-Army noch im Ersten Weltkrieg durch die Spanische Grippe erlitt, betrugen ein Vielfaches der Toten an der Front.

Der Bogen spannt sich weiter zu tropischen Krankheiten, die ganze Kolonien der Eroberer ausrotteten und zum „Grab des weißen Mannes wurden“ und bis hin zu Gemeinschaften und Staaten, denen wiederholte Seuchenzüge oder die Malaria den Lebensnerv raubten. Heute ist gerade eine Pandemie dabei, unseren Planeten völlig umzugestalten und die Gefahr einer weltweiten Dystopie scheint mehr als greifbar.

Nicht nur Corona ist eine politische Krankheit, Krankheiten waren ab einer gewissen Dimension immer politisch und wurden manchmal extrem geschichtsmächtig, besonders wenn sie einen der „Großen“ oder ganze Völker betrafen.

In diesem Buch soll anhand einer Vielzahl von Beispielen aufgezeigt werden, welche Auswirkungen das Phänomen Krankheit auf den Fortgang der Geschichte hatte – oder auch nicht.

Ein spanischer Kretin und gekrönte „Idioten“

 

„Auch der Dummkopf auf dem Thron ist ein König.“

Jiddisches Sprichwort

 

„El Hechizado“ („der Verhexte“) lebte nur knapp 39 Jahre, aber für sein Land und die Zukunft Europas wäre es vermutlich besser gewesen, wenn er noch viel früher gestorben wäre. Karl II.(1661–1700) war der Letzte in der Linie der spanischen Habsburger und das vielleicht schlimmste Opfer der über viele Jahrzehnte betriebenen Eheschließungen nahester Verwandter.

Wer die zeitgenössischen Gemälde betrachtet, die diesen spanischen König darstellen, den schlagen der darin erkennbare Schwachsinn und Kretinismus dieses jungen Mannes in ihren Bann.

Karls Vater Philipp IV. (1605–1665) hatte eine teilweise sehr unglückliche Politik betrieben und sein Land von einem Krieg in den anderen geführt. Die Wirtschaft litt schweren Schaden und es kam mehrmals zu Staatsbankrotten. Dazu kamen schwere innere Unruhen und Aufstände. Die Regierungszeit Philipps IV. stand ganz im Zeichen des Machtniedergangs der spanischen Linie des Hauses Habsburg und des Abstiegs Spaniens zu einer zweitrangigen Macht. Philipps große Hoffnung war sein Sohn und Thronfolger Baltasar Carlos. Doch dieser starb in jungen Jahren, kurz vor seiner geplanten Hochzeit mit der Tochter von Kaiser Ferdinand III. Es kam schließlich dazu, dass Philipp IV., der inzwischen verwitwet war, selbst die Braut seines Sohnes ehelichte. Er war 42 und Maria Anna von Österreich erst 13 Jahre alt. Somit wurde die alte habsburgische Inzucht fortgesetzt, da die Tochter des Kaisers eine enge Verwandte des Königs war. Philipp IV. hatte eine Anzahl gesunder Kinder, die er mit seinen Mätressen gezeugt hatte, aber mit Maria Anna hatte er weitere, erbberechtigte Kinder, die aber zumeist gleich bei der Geburt oder wenig später verstarben. Letztlich blieben nur eine Tochter, die später wiederum den Kaiser heiratete, und sein Sohn Karl übrig.

Der nunmehrige Kronprinz erblickte am 6. November 1661 das Licht der Welt. Er war ein schwächliches und kränkelndes Kind, das von Anfang an eindeutige Degenerationserscheinungen zeigte. Hier manifestierten sich eindeutig die Folgen des über Generationen geübten Inzests. Statt 32 Vorfahren über vier Generationen hatte Karl nur 10 aufzuweisen. Immerhin sieben seiner Urgroßeltern stammten von Johanna der Wahnsinnigen ab. Karl war von Anfang an eine Art Sinnbild der spanischen Dekadenz des 17. Jahrhunderts. Man erkannte rasch, dass er weder geistig noch körperlich zum Herrscher taugen würde. Ziemlich früh wurde darüber spekuliert, dass er wohl nie Kinder haben würde und seine Mutter herrschte wie eine Glucke über ihn. Es gab sogar das Gerücht, dass der erbkranke Karl II. in Wirklichkeit ein Mädchen sei, welches man zur Rettung der Dynastie als Jungen ausgab.

Der Kronprinz wies typische habsburgische Merkmale wie längliche Schädelform und einen Vorbiss auf, aber bei ihm war das nur Teil einer gewissen Hässlichkeit. Er erschien vielen fast wie eine Karikatur. Im von Aberglauben und Inquisition gezeichneten Spanien glaubten viele, er wäre verhext worden. Die damalige Medizin konnte ihm in keiner Weise helfen und so gingen auch Exorzisten ans Werk, um dem Kind die „Verhexung“ auszutreiben. Dabei hatte der Prinz auch noch einen angeborenen Herzfehler und musste ständig geschont werden. Mangels geistiger Begabung lernte er spät Schreiben und Lesen und erhielt keine höhere Bildung. Deshalb konnte er später auch nicht wirklich die Regierung führen. Sein ganzes Leben blieb ihm das infantile Verhalten eines unreifen Kindes und seine Geistesschwäche wurde nur zu oft manifest. Seine liebste Beschäftigung war das Zählen von Gegenständen.

Dennoch richteten sich nicht wenige am Hof gerne auf einen schwachen und manipulierbaren König ein. Das sollte dann auch dazu führen, dass Karl die ganze Zeit unter dem Einfluss verschiedener Gruppen und Einzelpersonen stand und sich für vieles instrumentalisieren ließ. Er war einfach zu beeinflussen, was schon seine Mutter und deren Beichtvater ausnutzten. Später waren es der Erste Minister und sein Halbbruder Juan José, ein Bastardsohn seines Vaters, die großen Einfluss auf ihn ausübten.

Philipp IV., der genau über den Zustand seines Sohnes Bescheid wusste, verfügte dennoch in seinem Testament, dass dieser mit 14 für volljährig erklärt werden und danach die Herrschaft antreten sollte. Karls Mutter tat alles, um das zu verhindern und konnte ihrem Sohn die Abmachung einreden, dass er sich erst mit 16 für großjährig erklären ließ. Dies war dann im Jahre 1675 der Fall, wobei nun auch Juan José zurückkehrte, der zuvor verbannt worden war. Karls Halbbruder gelang es rasch, die Witwe des Königs zu entmachten und die Regierung quasi zu übernehmen. Er hatte im Namen seines Bruders die Herrschaft über Spanien inne und versuchte Karl auch zu verheiraten. Dies geschah schließlich in Form einer politisch wertvollen Ehe mit Prinzessin Marie Louise von Orléans (1662–1689).

Der völlig von seiner Mutter abhängige König hatte seiner französischen Braut anlässlich der Hochzeit auch etwas ganz Spezielles zu bieten. Autodafés waren damals so alltäglich in Spanien wie bis in unsere Zeit der Stierkampf. Bei diesen Festen der Inquisition wurden verurteilte Ketzer vor einer großen Anzahl von Zusehern vorgeführt, erniedrigt und schließlich bestraft. Besonders spektakulär waren natürlich die Ketzerverbrennungen. Karl II. hatte dafür eine besondere Vorliebe und wollte diese mit seiner neuen Gemahlin teilen. Am 30. Juni 1680 wurden vor dem königlichen Paar, dem Hofstaat und tausenden Zusehern 22 Personen verbrannt und 60 andere körperlich schwer gezüchtigt. Im selben Jahr sollen bei einem anderen Autodafé weitere 118 Menschen verbrannt worden sein. Viel verkohltes Fleisch zur höheren Ehre Gottes.

Juan José starb nach nur vier Jahren an der Macht im Jahr 1679 und nun trat wieder Karls Mutter als eigentliche Herrscherin in Erscheinung. Sie tat alles, um das junge Paar von allen Regierungsgeschäften auszuschließen. Marie Louise war sehr extravagant, agierte ungeschickt im höfischen Leben und gewann kaum Freunde. Politik schien sie kaum interessiert zu haben, womit sie bei diesem Thema sehr gut zu ihrem Gatten passte. Doch der behinderte König mochte seine Frau und es schien auch so, als würde sie durch ihr Temperament positiven Einfluss auf ihn ausüben. Inwieweit es zu einem gemeinsamen Sexualleben kam, ist bis heute spekulativ, zumal Karl meistens wie ein Zehnjähriger auftrat und auch seine körperlichen Fähigkeiten umstritten waren. Jedenfalls hatte das Paar keine Kinder und zu allem Unglück erkrankte die Königin im Jahre 1689 und verstarb kurz darauf.

Karls zweite Gemahlin, Maria Anna von Pfalz-Zweibrücken, gewann rasch großen Einfluss auf den infantilen Gemahl, was natürlich zu heftigen Machtkämpfen mit Karls Mutter führte. Unterdessen wurde immer klarer, dass der König wohl kaum einen Nachkommen produzieren würde, und der ganze europäische Adel beschäftigte sich daher mit dessen Zeugungsfähigkeit. Die zweite Gattin wurde sogar extra aus dem bekannt „gebärfreudigen“ Geschlecht der Wittelsbacher ausgewählt, da zumindest seine Mutter die Hoffnung auf Nachwuchs noch nicht aufgegeben hatte. Da Maria Annas Schwester mit Kaiser Leopold I. verheiratet war, waren Karl II. und er auch noch verschwägert.

Maria Anna war im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin eine sehr politische Person und konnte sich bald eine gewisse Machtposition am Hof aufbauen, natürlich im ständigen Streit mit ihrer Schwiegermutter. Letztere starb 1696, was der jungen Königin nun freie Hand zu geben schien. Doch bei großen Teilen des spanischen Adels kam die Deutsche nicht gut an, außerdem ging es mit der ohnehin immer labilen Gesundheit von Karl II. nun stetig bergab. Er erlitt immer häufiger Bewusstseinsstörungen und Ohnmachtsanfälle. Das blieb natürlich auch den anderen europäischen Mächten nicht verborgen und einige Regenten brachten sich langsam in Stellung, um bei der bevorstehenden Aufteilung Spaniens und seiner vielen Besitzungen in Europa und Übersee rechtzeitig zuschlagen zu können.

Die Situation mutet einem heutigen Betrachter ziemlich wirr an. Natürlich bekam Karl von den ganzen Vorgängen nicht besonders viel mit, man drängte ihn zu Unterschriften unter Testamente und Abmachungen, die sehr widersprüchlich waren. Wilhelm III. von Oranien konnte schließlich einen Kompromiss durchsetzen, nach dem Kurprinz Josef Ferdinand aus dem Hause Wittelsbach die Krone Spaniens erhalten sollte. Der war eigentlich ein Großneffe von Karl II., denn seine Großmutter war die Schwester des kranken Königs. Österreich und Frankreich sollten unterschiedliche Territorien des spanischen Reiches für ihre Ansprüche erhalten. Dieser Plan hätte den schrecklichen Spanischen Erbfolgekrieg wohl verhindert, doch der junge Wittelsbacher starb bereits 1699.

Sofort versuchten wieder die Königin, viele Würdenträger bei Hof und auch die Botschafter der Großmächte den armen und schon dem Tode nahen Karl zu beeinflussen und unter Druck zu setzen. Dabei dürfte es zu regelrechten Exzessen gekommen sein, denen der Sterbende völlig hilflos gegenüberstand. Die Parteigänger der Franzosen konnten sich schließlich durchsetzen. Sie nötigten Karl zum Unterschreiben eines Testaments, in dem die Ansprüche der Bourbonen bestätigt wurden. Der fast schon tote unglückliche König hatte kurz vor seinem Tod noch einen letzten und ungewöhnlich lichten Moment, als er meinte: „Gott allein gibt die Königreiche … ich bin ein Nichts.“

Das Testament, das von Österreich und seinen Verbündeten nie anerkannt wurde, besagte, dass der Enkel Ludwigs XIV., Prinz Philipp von Anjou, die Krone Spaniens und deren Besitzungen erben würde. Das tragische Leben Karls endete am 1. November 1700 und bald darauf brach einer der größten Kriege in der europäischen Geschichte aus. Man kann nun spekulieren, wie die weitere Geschichte Europas und großer Teile der Welt wohl ausgesehen hätte, wenn Karl II. ein einigermaßen gesunder und intelligenter sowie zeugungsfähiger Herrscher geworden wäre – oder der junge Wittelsbacher-Prinz nicht 1699 gestorben wäre.

Nicht wenige der als geisteskrank einzustufenden Regenten entpuppten sich trotz ihrer intellektuellen Defizite als besonders grausam und sexsüchtig, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen.

China hat unter allen Nationen dieser Welt die wohl längste bekannte Geschichte. Es wurde von einer Vielzahl von Herrschern geführt. Manche verfügten über großes Geschick und waren sehr erfolgreich, während andere weniger fähig waren. Aber es gab auch ein paar ganz besonders einfältige darunter, die aus heutiger Sicht an geistigen Behinderungen gelitten haben dürften. Der bekannteste Fall eines solchen völlig aus der Art geschlagenen Herrschers war Kaiser Huan (regierte 146–168 n. Chr.), der für seinen Harem mit 5.000 Frauen bekannt war. Die Ruinen seines Mausoleums wurden erst kürzlich entdeckt. Huan hieß eigentlich Liu Zhi und kam schon als Jugendlicher auf den Thron. Seine Machtübernahme war besonders blutig, weil er gleich einmal seine Mitregenten und allerlei bei ihm unbeliebte Leute umbringen ließ. Danach erkor er eine Gruppe von Palasteunuchen zum Rückgrat seiner Regierung. Diese etablierten ein ziemlich unangenehmes Regime, das die meisten Adeligen vom kaiserlichen Hof vertrieb.

Der geistig eingeschränkte Kaiser beschäftigte sich hauptsächlich mit seinem Harem und galt als extrem sexsüchtig. Das Regieren überließ er weitgehend den Eunuchen, die in erster Linie damit beschäftigt waren, sich selbst zu bereichern. Durch Misswirtschaft kam es immer wieder zu Hungersnöten und Aufständen. Der Kaiser entpuppte sich dabei als völlig überfordert und griff dann auf jene Methode zurück, die er schon einmal erfolgreich praktiziert hatte: Er ließ immer wieder eine größere Anzahl seiner Hofbeamten abschlachten. Wenn jemand irgendwann sein Missfallen erregt hatte, vergaß er das nie und gab nach Lust und Laune den Befehl zur Ermordung des Betreffenden. Er zeigte sich auch ehemaligen Freunden gegenüber wenig loyal und ließ beispielsweise im Jahr 159 einen seiner höchsten Würdenträger gemeinsam mit einem wesentlichen Teil von dessen Familie umbringen.

Die Probleme des Landes verschärften sich indessen immer weiter, während Huan wüste Orgien in seinem Harem feierte. Man wurde der vielen Aufstände kaum Herr und der Kaiser ließ seine Armee brutal gegen alle Rebellen vorgehen. Die Menschen wussten inzwischen, wie viel Geld Huan in seinen Harem investierte, während viele kleine Bauern verhungerten. „Ich habe gehört, dass es im kaiserlichen Harem fünf- oder sechstausend auserwählte Konkubinen gibt, dazu noch eine Schar von Diener und Begleitern. Unschuldige Menschen werden mit der Besteuerung erschöpft, die nötig ist, um diese nutzlosen Frauen zu unterstützen. Die einfachen Leute im ganzen Reich sind in verzweifelter Armut“, konstatierte Xun Shuang als Person aus dem unmittelbaren Umfeld des Kaisers. Während man nun erwartete, dass der Kaiser den Mann für diese Äußerung umbringen lassen würde, wurde er erstaunlicherweise zum Beamten bestellt.

Liu Zhi war indessen kein sehr langes Leben beschieden und er starb mit 36 Jahren, als sich bereits noch viel größere Aufstände abzeichneten.

Mit diesen hatten sich dann sein Nachfolger Ling (156–189) auseinanderzusetzen, der in vielerlei Hinsicht genauso unfähig und geistig beeinträchtigt war wie sein Vorgänger. Das Reich zerfiel zusehends, die Statthalter der Provinzen und einige Militärs übernahmen die Macht. Ein Chronist des 11. Jahrhunderts schrieb: „Die ruinöse Unordnung, die die Kaiser Huan und Ling geerbt hatten, wurde durch ihre eigene dumme Tyrannei noch verschlimmert.“ Die Han-Dynastie kollabierte im Jahre 220 völlig und das Reich wurde in drei Staaten aufgespalten, die ständig Krieg miteinander führten.

Wäre die Geschichte Chinas anders verlaufen, wenn die letzten Regenten der Han-Dynastie über deutlich größere intellektuelle Fähigkeiten verfügt hätten?

Szenenwechsel ins frühmittelalterliche Rom. Selbst für den ohnehin geringen Bildungsstandard der Päpste des 10. Jahrhunderts war Papst Johannes XII. (937–964) eine Katastrophe. Octavian, der Sohn des Grafen von Spoleto, wurde bereits im zarten Alter von 18 Jahren zum Haupt der Christenheit gewählt, da der römische Adel einfach eine Marionette suchte, die leicht zu lenken war und die Position der mächtigen Familien in der Stadt nicht gefährden konnte. Johannes dürfte nach heutiger Einschätzung sicherlich geistig behindert gewesen sein, er galt als ziemlich ungebildet und sprach kein Latein. Natürlich hatte er auch von Religion nicht viel mehr Ahnung als so mancher Ungebildete. Dummerweise „erbte“ er zudem die inneritalienischen Konflikte seiner Vorgänger, denen er aufgrund seiner geringen geistigen Begabung ziemlich hilflos gegenüberstand – soweit sie ihn überhaupt interessierten. Bedrängt vom mächtigen Markgrafen Berengar II. von Ivrea sandte er schließlich einen Hilferuf an das ostfränkische – also deutsche – Reich.

Der deutsche König Otto I. unterstützte den jungen Burschen auf dem Papstthron gerne, da er ihm ebenfalls für seine Zwecke nützlich erschien. Immerhin durfte ihn Johannes XII. im Februar 962 in Rom zum Kaiser krönen. Ansonsten erging sich der zweifelsohne geisteskranke und brutale junge Papst in Sauforgien und sexuellen Exzessen im Lateran, während ihn sein Amt kaum interessierte. Er soll auch immer wieder Frauen jeden Standes vergewaltigt haben. Nach der Kaiserkrönung besiegte Otto I. den von Johannes gefürchteten Bergengar in einem Feldzug und nahm ihn gefangen.

Dummerweise kam der junge Papst dann aber auf die Idee, seinen kaiserlichen Gönner zu hintergehen und mit dessen Feind Adalbert, dem Sohn von Berengar, zu paktieren. Otto I. reagierte rasch, fegte den vergnügungssüchtigen wie kranken Papst aus seinem Amt und ließ ihn unter anderem der Simonie (klerikale Korruption), der Huldigung des Teufels, des Mordes, Meineids und Inzests anklagen. Johannes floh aber rechtzeitig und entkam damit einer sicheren Verurteilung. Mit Leo VIII. wurde ein neuer Papst berufen.

Der gestürzte Papst und seine Verbündeten organisierten unterdessen einen Gegenangriff, inszenierten einen Aufstand in Rom und konnten Leo rasch wieder absetzen, während sich der Kaiser auf einem Kriegszug gegen Adalbert befand. Leos Unterstützer waren nun der gnadenlosen Rache des neuen alten Papstes ausgeliefert. Einem Kardinal wurde die Hand abgehackt, einem anderen Nase, Zunge und Finger abgeschnitten, während ein Bischof ausgepeitscht wurde. Johannes XII. konnte sein sittenloses Leben wieder aufnehmen.

Da der nunmehrige Kaiser Otto I. die „Schande der Christenheit“ wieder abzusetzen beabsichtigte, löste sich das Problem von selbst. Johannes verstarb völlig unerwartet im Bett einer verheirateten Frau, nach offizieller Darstellung durch einen Schlaganfall. Viele sahen darin ein göttliches Eingreifen. Nach einer anderen, allerdings später in Umlauf gesetzten Version verstarb Johannes an den Misshandlungen des Gatten jener Frau, mit der er im Bett gewesen war.

Wechseln wir nach Russland. In dessen Herrschaftsgeschichte waren der Mord am eigenen Bruder und die Tötung des eigenen Sohnes Dinge, die wiederholt passierten. Es ist allgemein bekannt, dass etwa Zar Peter der Große am Tod seines Sohnes maßgeblich beteiligt war. Das 17. Jahrhundert war in der russischen Geschichte ein besonders brutales und chaotisches. Als Zar Fjodor III. (1661–1682), der von Kindheit an schwer krank war, mit nur 21 Jahren starb, fiel die Thronfolge auf seinen jüngeren Bruder Iwan V.(1666–1696). Dieser galt als geistig minderbemittelt und hatte zudem auch massive gesundheitliche Probleme. Deshalb beschloss die Versammlung der Bojaren, dass auch sein zehnjähriger Halbbruder Mitregent werden sollte. Er hieß Peter und war gesund und geistig rege. Das führte aber zu massiven Streitigkeiten zwischen den beiden Müttern und Exfrauen des verstorbenen Zars Alexei I. Die besondere Garde der Zaren, die Strelitzen, ergriffen Partei für Iwan V. In den folgenden blutigen und brutalen Auseinandersetzungen richtete diese Eliteeinheit besonders grausame Blutbäder an. Dabei hatte vor allem Iwans Schwester Sofia großen Einfluss auf die blutgierigen Söldner und gab im Mai 1682 den Befehl zu einem Massaker am Moskauer Roten Platz, bei dem ca. 70 Verwandte Peters getötet wurden.

Die grausamen Auseinandersetzungen wurden schließlich durch einen Kompromiss beendet, durch den Iwan erster und Peter zweiter Zar wurden. Alle wussten allerdings, dass Iwan V. wegen seiner geistigen und körperlichen Behinderungen kaum wirklich die Macht ausüben konnte. Seine listenreiche und konsequente Schwester Sofia wurde daher die tatsächliche Regentin und hatte zudem aufgrund der Minderjährigkeit der beiden Zaren für einige Jahre das Sagen.

Es ist bis heute nicht geklärt, an welcher Erkrankung Iwan litt, einige Experten mutmaßten, dass es sich um das Down-Syndrom handelte, andere gaben eine nicht nähere definierte Erkrankung in seiner frühen Kindheit an. Aber generell litten die meisten seiner nächsten Angehörigen ebenfalls an geistigen und körperlichen Defekten. Als er drei Jahre alt war, starb seine Mutter an den Folgen einer weiteren Geburt. Auch Iwans Bruder Fjodor war mehrfach behindert, unter anderem durch körperliche Deformationen und Lähmungen. Als ihr Vater mit 46 Jahren an einem Herzinfarkt starb, trat vorerst Fjodor die Nachfolge an, starb aber wie erwähnt schon mit 21 Jahren.