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Im Jahre 1618 brach eine Katastrophe über Deutschland und weite Teile Europas herein, deren Ausmaß und Folgen sich niemand zuvor hätte vorstellen können. Der später so genannte "Dreißigjährige Krieg" war ein militärischer Konfl ikt, der nach und nach große Gebiete des Heiligen Römischen Reiches verwüstete, ausländische Mächte auf den Plan rief, große Bevölkerungsverluste durch Hunger, Seuchen und Massaker mit sich brachte und letztlich ein entvölkertes, wirtschaftlich destabilisiertes und politisch relativ machtloses Reich" hinterließ. Dieser lange und folgenschwere Krieg wurde verschieden als Kampf um die Vorherrschaft n Deutschland bzw. in Europa, als religiöse oder auch als soziale Auseinandersetzung interpretiert. Es war aber wohl der Einfl uss aller dieser Faktoren, der zu dieser europäischen Katastrophe führte. So folgte auf die Verheißungen von Renaissance und Humanismus die Barbarei eines schrecklichen Krieges.
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Seitenzahl: 278
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Dr. phil. Helmut Neuhold, Jahrgang 1959, studierte an der Universität Wien Geschichte und Politikwissenschaft. Er verfasste verschiedene wissenschaftliche Arbeiten mit dem Schwerpunkt Militärgeschichte und biografische Arbeiten. Publikationen bei marixwissen: Die großen Eroberer.
Im Jahre 1618 brach eine Katastrophe über Deutschland und weite Teile Europas herein, deren Ausmaß und Folgen sich niemand zuvor hätte vorstellen können. Der später so genannte „Dreißigjährige Krieg“ war ein militärischer Konflikt, der nach und nach große Gebiete des Heiligen Römischen Reiches verwüstete, ausländische Mächte auf den Plan rief, große Bevölkerungsverluste durch Hunger, Seuchen und Massaker mit sich brachte und letztlich ein entvölkertes, wirtschaftlich destabilisiertes und politisch relativ machtloses „Reich“ hinterließ. Dieser lange und folgenschwere Krieg wurde verschieden als Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland bzw. in Europa, als religiöse oder auch als soziale Auseinandersetzung interpretiert. Es war aber wohl der Einfluss aller Faktoren, der zu dieser europäischen Katastrophe führte. So folgte auf die Verheißungen von Renaissance und Humanismus die Barbarei eines unerbitterlichen und in seinen Auswirkungen verheerenden Krieges.
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untersteht der GPL v2
ISBN: 978-3-8438-0253-6
www.marixverlag.de
Über den Autor
Zum Buch
Impressum
Einleitung
Das Präludium einer europäischen Tragödie
Der Aufstand des böhmischen Adels
Die Schlacht am Weißen Berg und die Folgen
Von Dänemarks Intervention bis zum Restitutionsedikt
»Der Löwe aus Mitternacht« und der Schwedische Krieg
Das Ende der Ära Wallenstein und Frankreichs Intervention
Die Schrecken eines nicht endenden Krieges
Der Westfälische Friede und ein verändertes Europa
Herausragende Heerführer des Dreißigjährigen Krieges
Tilly
König Gustav Adolf
Wallenstein
Pappenheim
Außer Konkurrenz: der »tolle Halberstädter«
Johan Banér – »der schwedische Löwe«
Lennart Torstensson
Turenne
Bernhard von Sachsen-Weimar
Die Erinnerung an einen heute unfassbaren Krieg
Zeittafel
Literatur
Kontakt zum Verlag
Die Schrecken eines endlosen Krieges
»Das ist der Tag des Verderbs und das unabwendbare Schicksal Magdeburgs! Troier waren wir, Ilion war und der Elbestadt strahlender Ruhm!« Diesen abgewandelten Vers des römischen Dichters Vergil zitierte der Prediger des Magdeburger Doms Reinhard Bake, als er sich dem kaiserlichen Feldherrn Tilly vor die Füße warf. Hinter ihm standen einige Tausend zutiefst verängstigte Bürger der ehemals blühenden Stadt Magdeburg. Sie hatten vorerst ihr Leben gerettet, indem sie sich in den gewaltigen gotischen Dom der Stadt flüchteten. Doch nun war das Tor aufgebrochen worden und der siegreiche Führer der Belagerungsarmee stand wie ein Engel der Apokalypse vor ihnen. Draußen war die Stadt nur noch ein rauchendes Trümmermeer, in dem mehr als 20.000 Leichen lagen. Die letzte Stunde der Geflüchteten schien gekommen. Doch der kaiserliche Feldherr, dessen Armee gerade das grauenvolle Massaker in einem an Schrecknissen nicht zu überbietenden Krieg begangen hatte, schenkte ihnen das Leben. Nach und nach wagten sich einige der Menschen aus dem Dom hinaus in das, was einmal ihre Stadt gewesen war. Magdeburg war eine einzige Ruine, erfüllt vom Gestank verbrannter Gebäude und Menschen. Es sollte zwei Jahrhunderte dauern, bis sich die Stadt von dieser Katastrophe erholte. Die Eroberung und Vernichtung der Stadt Magdeburg und ihrer Bevölkerung war einer der traurigen Höhepunkte eines Krieges, der ein Ausmaß angenommen hatte, das Europa bis dahin nicht kannte.
Im Jahr 1618 brach eine Tragödie über das Heilige Römische Reich Deutscher Nation und weite Teile Europas herein, deren Größenordnung und Folgen sich niemand zuvor hätte vorstellen können. Der später so genannte »Dreißigjährige Krieg« war ein militärischer Konflikt, der nach und nach große Gebiete des Heiligen Römischen Reiches verwüstete, ausländische Mächte auf den Plan rief, die politisch und militärisch intervenierten, große Bevölkerungsverluste durch Seuchen, Hunger, Massaker und Kriegshandlungen mit sich brachte und letztlich ein entvölkertes, wirtschaftlich destabilisiertes und politisch relativ machtloses Reich hinterließ.
Dieser lange und folgenschwere militärische Konflikt wurde verschiedentlich als Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland bzw. in Europa, als religiöse oder auch als soziale Auseinandersetzung interpretiert. Es war aber wohl der Einfluss all dieser Faktoren, der zu einer so lange andauernden europäischen Misere führte. Zumindest zu Beginn des Krieges dominierte jedoch der religiöse Aspekt. Ohne den Erfolg Martin Luthers und der im Zuge seiner Lehren einsetzenden Gegenreformation hätte es auch den Dreißigjährigen Krieg nicht in dieser Form gegeben. Vieles von dem, was in jener Auseinandersetzung passiert ist, resultiert allein aus dem unerbittlichen Hass, mit dem sich die Konfessionen begegneten. So folgte auf die Verheißungen von Renaissance und Humanismus die Barbarei eines bisher nicht gekannten totalen Krieges. Dieser Begriff scheint für die Dimension des Dreißigjährigen Krieges angemessen, auch wenn er im heutigen Sprachgebrauch in erster Linie für die beiden Weltkriege verwendet wird.
Einige der Akteure des Dreißigjährigen Krieges sind noch heute präsent. Die Erinnerung an Persönlichkeiten wie Wallenstein, Gustav Adolf oder Tilly gehörte bis vor kurzem noch zum allgemeinen Bildungsgut. Die Ursachen, der Verlauf und die Folgen dieses Krieges hingegen sind den Meisten weniger bekannt, wenn man von der Vorstellung blutiger Schlachten, plündernder Landsknechte und drangsalierter Bauern und Städter absieht. Die großen Persönlichkeiten waren es auch, die den Verlauf dieses Krieges weitgehend, teils als Treibende, teils als Getriebene, bestimmten, bis er in seiner Endphase allen entglitt und eine Eigendynamik entwickelte. Aus diesem Grund geht die vorliegende Arbeit neben der Ereignisgeschichte auch besonders auf herausragende Gestalten dieser Epoche, ihre Persönlichkeit, Motive und ihr Schicksal ein.
Bewusst wurde in der Gliederung der Darstellung auf die »klassische« Unterteilung dieses großen europäischen Konflikts, der auch »Teutscher Krieg« genannt wurde, in vier »Kriege« verzichtet. Der »Böhmisch-pfälzische Krieg« (1618 – 1623), der »Dänisch-niedersächsische Krieg« (1623 – 1629), der »Schwedische Krieg« (1630 – 1635) und der »Schwedisch-Französische Krieg« (1635 – 1648) bedingten einander und gingen ineinander über. Manche Autoren sprechen sogar von bis zu 13 Kriegen und 10 Friedensschlüssen, weshalb man zuweilen auch die Bezeichnung »Dreißigjähriger Krieg« in Frage stellte. Mit dem gleichen Argument könnte man auch den Zweiten Weltkrieg in verschiedene kriegerische Konflikte, wie z. B. den »Deutsch-Polnischen Krieg«, den »Deutsch-Französischen Krieg« bis hin zum »Deutsch-Sowjetischen Krieg« unterteilen. Der Dreißigjährige Krieg wurde jedoch bereits von Zeitgenossen als »Einheit« wahrgenommen, da er eine in sich geschlossene Abfolge von Kriegshandlungen darstellte, bei denen zwar neue Konfliktparteien hinzukamen, sich aber an der Grundsituation zweier verfeindeter Lager innerhalb des Heiligen Römischen Reiches nichts änderte. Das ist auch der Grund, weshalb der Westfälische Friede schließlich als Beendigung dieses drei Jahrzehnte währenden Ringens betrachtet wurde.
Als der Dreißigjährige Krieg zu Ende war, hatte sich zwar die konfessionelle Landkarte Mitteleuropas kaum verändert, die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse waren indessen einem radikalen Wandel unterzogen worden. Einige Nationen, darunter Frankreich und Schweden, hatten einen massiven Machtzuwachs erfahren, während anderen erst eine eigenständige Entwicklung ermöglicht wurde, so etwa der Schweiz und den Niederlanden. All dies ging zu Ungunsten der Deutschen, die neben massiven Bevölkerungsverlusten die nun festgeschriebene Einbuße der Zentralgewalt und einen wirtschaftlichen Niedergang hinnehmen mussten. Das Heilige Römische Reich als übergeordnete politische Einheit wurde zur Fassade und die Macht des Kaisers auf seine Erblande beschränkt. Ohne diese »Urkatastrophe« Deutschlands und Mitteleuropas wären die weiteren historischen Entwicklungen in großem Maße anders verlaufen.
Es wurde versucht, für die vorliegende Arbeit eine möglichst große Anzahl von Quellen heranzuziehen, wobei der Fokus besonders auf persönlichen Berichten, Briefen und Tagebuchaufzeichnungen von Zeitzeugen lag. Die eingefügten Zitate, Berichte, Gedichte und Liedtexte sollen das geschilderte Zeitbild und die beschriebenen Ereignisse dieses in seiner Art einmaligen Krieges dokumentieren und abrunden.
Wenn es um die Vorgeschichte des Dreißigjährigen Krieges geht, so wird zumeist auf den »Augsburger Religionsfrieden« von 1555 Bezug genommen. Er schien die Basis für eine friedliche Koexistenz für Protestanten und Katholiken im Heiligen Römischen Reich zu gewährleisten. Während in Frankreich Bürgerkriege zwischen den beiden verfeindeten Konfessionen das Land innerlich zerrissen, hatte es den Anschein, als herrsche im Reichsterritorium weitgehend religiöser Friede. Die Landesherren bestimmten in jenen Tagen die Konfession ihrer Untertanen (»cuius regio eius religio«!) und wer nicht gehorchen wollte, musste auswandern. Alles machte einen geregelten Eindruck, doch dieser Friede erwies sich als trügerisch.
Vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges bestand das Reich aus etwa 300 Fürstentümern, Grafschaften und Reichsstädten; hinzu kamen die Niederlande, die Schweizer Eidgenossenschaft und das Königreich Böhmen. Betrachtet man eine Karte von damals, so ist es nicht möglich, in dem wirren Fleckenteppich großer und kleiner Herrschaftsgebiete den tiefen Graben zu erkennen, der Katholiken und Protestanten voneinander trennte. Dennoch war er vorhanden und wurde im Laufe der langen Jahre relativen Friedens vor 1618 immer tiefer.
Ein venezianischer Reisender schätzte 1570, dass etwa 80 Prozent der Reichsbevölkerung protestantisch waren. (Milger 1998, S. 14) Trotz aller Bekämpfungsmaßnahmen und der aufkommenden Gegenreformation übte die Lehre Luthers auch in den Territorien der katholischen Landesherren eine große Anziehungskraft aus. Selbst in den Erblanden des erzkatholischen habsburgischen Kaiserhauses waren die Protestanten in vielen Gebieten in der Überzahl. Dadurch konnten sie in vielen Bereichen gewisse Freiheiten durchsetzen, die ihnen nach dem Verdikt des Augsburger Religionsfriedens gar nicht zugekommen wären. Die habsburgischen Herrscher des Heiligen Römischen Reiches begegneten der protestantischen Unterwanderung ihrer Territorien entweder mit einer gewissen Toleranz – wie etwa Kaiser Maximilian II. – oder aber mit brutalen gegenreformatorischen Durchsetzungsversuchen wie sie sich zeitweise in dem desorganisierten Herrschaftsgebaren von Rudolf II. zeigten.
Da sich die Reformation trotz allem gegen Ende des 16. Jahrhunderts weiter ausbreitete und der Katholizismus im Zuge der Gegenreformation gleichzeitig wieder erstarkte, schwand die Kompromissbereitschaft zunehmend. Eine neue Generation von katholischen und evangelischen Fürsten war bereit, mit Gewalt die eigene Position auf Kosten der Gegenseite zu verbessern und verloren gegangene Gebiete zurückzuerobern. Zudem trachteten auch die bisher völlig an den Rand gedrängten Calvinisten danach, ihre Konfession im Reichsrecht zu verankern. Hinzu kamen noch wirtschaftliche Krisen und dynastische Konflikte, die neben konfessionellen Gegensätzen für zusätzlichen Sprengstoff sorgten.
Die andere Hälfte der Familie Habsburg, die in Spanien regierte, duldete in ihrem Kernland keinerlei Ketzertum und ließ »Irrgläubige« den Feuertod sterben. Doch in den Nordprovinzen der Spanischen Niederlande – etwa dem heutigen Holland – konnten sie ihre religiösen Vorstellungen gegenüber den starken Ständen der calvinistischen Adeligen und wohlhabenden Bürger nicht durchsetzen. Infolge der spanischen Unterdrückungsversuche kam es zu einem Befreiungskampf der Niederländer, der letztlich 80 Jahre dauern und in seiner Spätphase in einer intensiven Wechselwirkung mit dem Dreißigjährigen Krieg stehen sollte.
Der den Großteil seiner Regierungszeit in Prag residierende Kaiser Rudolf II. agierte wie die Karikatur eines habsburgischen Herrschers. Von schrullig-abergläubischer Gesinnung, mangelte es ihm entschieden an Entschlossenheit und Tatkraft. Da er außer Stande war, sich gegen die Grillen seiner obskuren Ratgeber und die Machtansprüche seiner Kammerdiener zur Wehr zu setzen, fehlte es dem Reich unter seiner Regentschaft an einer klaren Linie. Anstatt sich um die Gefahren zu kümmern, die von Innen durch die Feindschaft der beiden Konfessionen und von Außen durch die Osmanen drohten, galt das einzige Interesse des Kaisers seinen depressiven Verstimmungen, der Astrologie und der Mystik. Solchermaßen mit seinem Innenleben und erdentrückten Dingen beschäftigt, gingen die heraufziehenden Konflikte in seinem Reich gänzlich an ihm vorbei. Das Ende der »Herrschaft« dieses seltsam melancholischen und weltfremden Kaisers war letztlich von Chaos und Gewalt bestimmt.
Frankreich hatte nach einer Phase innerer Wirren und Religionskriege unter Heinrich IV. eine gewisse Stabilität erlangt. Kardinal Richelieu, der den eher schwachen König Ludwig XIII. dominierte, sollte später massiv in den Dreißigjährigen Krieg eingreifen, um Frankreichs Position in Europa auf Kosten des Heiligen Römischen Reichs und Spaniens zu verbessern. Sein Nachfolger Kardinal Mazarin setzte diese Entwicklung fort und war am Ende der eigentliche Gewinner des schrecklichen Krieges. Dadurch wurde Frankreichs Hegemonie in Europa für längere Zeit erfolgreich festgeschrieben.
Der am 17. April 1573 geborene Herzog Maximilian I. von Bayern wurde zu einer der wichtigsten Figuren des Dreißigjährigen Krieges. Der Herzog, der 1598 an die Regierung Bayerns gelangte und diese Herrschaft mehr als 50 Jahre lang ausübte, war in vielerlei Hinsicht ein absoluter Fürst, der sein Land nach damals modernen Lehren umgestaltete. Aber er war auch ein katholischer Eiferer und ein unerbittlicher Gegner des Protestantismus. Von Jesuiten erzogen, wurde er ein führender Vertreter der Gegenreformation. Als Reaktion auf sein brutales Vorgehen gegen die protestantische Stadt Donauwörth im Jahr 1607 formierte sich die Protestantische Union als ein Bündnis protestantischer Fürsten, dem sich 1609 die Katholische Liga gegenüber stellte. Maximilian I. übernahm die Führung dieser Vereinigung katholischer Fürsten, zu der sich 1610 auch der spätere Kaiser Erzherzog Ferdinand gesellte. Damit waren die Fronten für künftige Konflikte klar gezogen und Maximilian scheute auch nicht davor zurück, Öl ins Feuer zu gießen. Er unterstützte seinen Freund und Studienkollegen Ferdinand bei dessen Wahl zum Kaiser und wurde sein wichtigster Bundesgenosse. Aus den engen Freuden wurden allerdings erbitterte Feinde, als Ferdinand II. sich einige Zeit später als absoluter Kaiser einsetzte und aus diesem Grund führte Maximilian I. einen heftigen Kampf gegen den überragenden kaiserlichen Feldherrn Wallenstein.
So war denn auch Ferdinand II. in hohem Grad verantwortlich für den Ausbruch und die Fortführung des Dreißigjährigen Krieges und ohne ihn hätte dieser Konflikt wohl niemals ein derartiges Ausmaß erreicht. Ferdinand war der zweite Sohn von Erzherzog Karl II. von Innerösterreich und Maria von Bayern. Er wurde am 9. September 1578 in Graz geboren und von frühester Kindheit an streng katholisch erzogen. Ab 1590 nahmen sich die Jesuiten der Universität Ingolstadt seiner an und er wurde einer ihrer eifrigsten Schüler. Ferdinand vertrat für den Rest seines Lebens deren Standpunkt und wurde in gewisser Weise ein »päpstlicher Krieger«. Niemand sollte später größeren Einfluss auf ihn haben als seine jesuitischen Beichtväter. Nach dem frühen Tod seines Vaters war der junge Ferdinand zunächst durch eine eingesetzte Vormundschaftsregierung gebunden und konnte erst nach seiner Erbhuldigung im Jahr 1596 eigenmächtig handeln. Er weigerte sich aber, bei seinem Huldigungseid die religiösen Zugeständnisse seiner Vorgänger an die Protestanten zu bestätigen. Gelenkt von seinen jesuitischen Ratgebern verkündete er, dass diese Zugeständnisse lediglich ein persönliches Entgegenkommen dargestellt hätten und mit dem Tod seines Vaters erloschen seien.
Nach einer Italienreise trat er schließlich den Kampf gegen die Protestanten an. Ferdinand, den seine Anhänger später einen »zweiten König David und Cattolichissimo« und seine Gegner einen »mordkatholischen Fürsten«(Kronen-Zeitung, Wien, 19. 12. 2010)nannten, zeigte nun, wozu er fähig war. Der Erzherzog hatte unter anderem auch deshalb leichtes Spiel, weil sich die Protestanten zu jener Zeit durch politische und religiöse Flügelkämpfe selbst in großem Maß schwächten. Vom Erzherzog ins Leben gerufene »Reformationskommissionen« setzten alle Nichtkatholiken unter Druck und ließen ihnen nur zwei Möglichkeiten: Bekehrung zum »rechten Glauben« oder Auswanderung, was zu einem ausgeprägtem Bevölkerungsschwund führen sollte. Schon bald waren die Steiermark, Kärnten und Krain wieder fest in katholischer Hand. Hier hatte Ferdinand gesiegt, während er im Kampf gegen die Türken keine sehr gute Figur machte, da er wie die meisten Habsburger über wenig militärisches Talent verfügte.
Gegenüber dem »Bruderzwist im Hause Habsburg« zwischen Kaiser Rudolf II. und dem ihm geistig unterlegenen Bruder Erzherzog Matthias nahm Ferdinand eine eher vermittelnde Rolle ein, wobei er allerdings die tolerante Haltung von Matthias gegenüber den Protestanten sehr missbilligte. Der Tod des Kaisers in Prag und die Kinderlosigkeit seines Nachfolgers Matthias werteten die Stellung Ferdinands als wahrscheinlichem Nachfolger erheblich auf. Er sicherte sich diesbezüglich durch einen Vertrag mit der spanischen Verwandtschaft ab, die gegen kleinere Gebietsabtretungen auf ihre potentiellen Erbansprüche verzichtete. Ferdinand konnte 1617 seine Wahl zum König von Böhmen überraschend leicht durchsetzen und ein Jahr später nach zähen Verhandlungen auch die ungarische Königswürde erlangen. Die Stände dürften ihn und seine Konfliktbereitschaft weit unterschätzt haben.
Ferdinand hatte bei seiner Designierung durch die böhmischen Stände zugesagt, sich an den Majestätsbrief zu halten. Einige Angehörige der Stände glaubten allen Ernstes, dass Ferdinand dieses Dokument respektieren würde. Die Urkunde war von Kaiser Rudolf II. am 9. Juli 1609 unterschrieben worden, als er sich in die Enge getrieben sah. Sie garantierte eine fast ständische Verfassung, das Recht der Stände auf die Königswahl und vor allem die Freiheit der Konfession. Auch Rudolfs Nachfolger Matthias hatte seinerzeit dem Majestätsbrief zugestimmt. Es ist zu vermuten, dass führende Vertreter der böhmischen Stände ohnehin damit rechneten, dass Ferdinand sich nicht an seine Verpflichtung halten würde und somit ein Grund gegeben war, ihn abzusetzen und durch einen gewählten tschechischen Adeligen zu ersetzen.
Ferdinand tat auch bald das, was man von ihm erwartet hatte, und die »Braunauer Händel« zeigten dem Beobachter sehr schnell, in welche Richtung die Entwicklung ging. Den Hintergrund dafür bildete der Beschluss, eine protestantische Kirche abzureißen, die angeblich auf einem Klostergrundstück errichtet worden war. In der im Nordosten Böhmens gelegenen Stadt verhärteten sich nun die Fronten und die Stände setzten so genannte »Defensoren« ein, die ihre Rechte vertreten sollten. Diese beriefen einen Landtag ein, der Beschwerde beim Kaiser einreichte. Die Antwort von Matthias war äußerst undiplomatisch. Der Abriss der Kirche verletze den Majestätsbrief nicht und außerdem seien weitere Sitzungen des Landtags verboten; bei Zuwiderhandlung drohe Strafe. Durch das Versammlungsverbot wurde der Majestätsbrief nun erst recht außer Kraft gesetzt. Der Landtag fand jetzt dennoch statt und die Erbitterung der Ständevertreter war groß. Man war der Auffassung, dass die Aufhebung des Majestätsbriefes vor allem durch die Statthalter der Habsburger in Böhmen betrieben wurde. Deshalb begaben sich viele der Ständevertreter am 23. Mai 1618 bewaffnet zur Prager Burg, um diese Beamten zur Rechenschaft zu ziehen. Sie hatten bereits eine Anklageschrift aufgesetzt und vorsorglich auch schon ein Urteil.
Der Fenstersturz von Rainer Maria Rilke
»Naht Verrat mit leisem Schritte, ungerächt, bei der Madonna, bleibt er nicht! Nach alter Sitte zu den Fenstern« schrie Colonna.
»Schont den Popel! Doch die andern, jeder eine feige Natter, aus den Fenstern lasst sie wandern! Mitleid? – Werft ihn mit, den Platter!«
Bange hangt am Fensterstocke Martinitz noch – Da Geröchel: Turn schwingt seine Degenglocke und zerschmettert ihm den Knöchel.
Um zum nächsten: »Sag, wie heißt er, Böhmens Herr? du sollst mirs deuten!« »Graf von Turn!« – »Der Bürgermeister lasse alle Glocken läuten!«
(Rainer Maria Rilke: Erste Gedichte. Leipzig 1913, S. 49 f)
Was Rainer Maria Rilke hier poetisch verewigt hat, entspringt nicht der Dichterphantasie, sondern basiert auf realen geschichtlichen Ereignissen. An dem Tag, der als »Der Prager Fenstersturz« in die Geschichtsbücher einging, waren in der Hofkanzlei zwei königliche Statthalter anwesend: der im Gedicht namentlich erwähnte Jaroslav Borsita Graf von Martinitz und Wilhelm Slavata. Diese schienen durch das Auftauchen der insgesamt 200 erbosten Ständevertreter ziemlich überrascht gewesen zu sein, da sie nicht den mindesten Versuch unternahmen, sich zu wehren. Die Eindringlinge veranstalteten eine improvisierte Gerichtsverhandlung, deren Ergebnis allerdings bereits fest stand. Danach wurden die beiden »Schuldigen« und ein anwesender Sekretär namens Philipp Fabrizius aus dem Fenster der Kanzlei geworfen.
Die erbosten Adeligen griffen hierbei zu einer in Böhmen beinahe traditionellen Form des Protestes. Der Prager Fenstersturz vom 23. Mai 1618 war nicht der erste seiner Art, aber der wohl folgenschwerste. Nach offizieller Zählung gab es drei Fensterstürze. Leitete der erste sehr blutige Prager Fenstersturz vom 30. Juli 1419 die Hussitenkriege ein, so war der zweite von 1618 zwar unblutig, führte aber zum schlimmsten kriegerischen Ereignis der europäischen Geschichte vor den beiden Weltkriegen. Der dritte Prager Fenstersturz vom 10. März 1948 schließlich bedeutete die endgültige Machtübernahme durch die Kommunisten in der Tschechoslowakei.
Die drei von den Ständevertretern aus dem Fenster geworfenen Männer fielen immerhin etwa 17 Meter tief, überlebten aber alle ohne ernsthafte Verletzungen. Später wurde behauptet, sie wären auf einen Misthaufen gefallen, ein Gerücht, das von heutigen Prager Fremdenführern eifrig immer aufs Neue in Umlauf gebracht wird. Doch die Drei hatten einfach großes Glück, da die abgeschrägte Wand den Fall bremste und sie dicke Kleidung trugen. Als die Ständevertreter sahen, dass ihre Opfer die Bestrafung überlebt hatten, zielten sie noch mit einigen Schüssen auf sie, die sie allerdings verfehlten. Die beiden schockierten Statthalter konnten entkommen und fanden Unterschlupf bei einer katholischen Adeligen. Der ebenfalls entkommene Sekretär Fabrizius machte sich gleich auf den Weg nach Wien, um dem Kaiser von dem Aufstand zu berichten.
Ferdinand sah nun den ersehnten Zeitpunkt gekommen, um gegen die rebellischen Stände und die protestantischen »Ketzer« vorzugehen. Er wollte den Krieg und er sollte ihn haben. Für die Finanzierung legte er Kaiser Matthias folgende Strategie vor: »Die eingezogenen Güter der Rebellen werden die Unkosten für den Krieg reichlich kompensieren, und der Schrecken der Hinrichtungen wird die Stände zum Gehorsam bringen.« (Zitiert nach Milger 1998, S. 41), Um die Kontroverse jedoch nicht noch weiter zu schüren, richtete Matthias einen versöhnlichen Brief an die Rebellen. Der für die Spanier tätige Graf Bucquoy am 1. Juni nach Wien geholt, um eine Stelle als kaiserlicher Feldmarschall anzutreten. Es wurden nun auch einige Regimenter aufgestellt und Kriegspläne besprochen. Auch wenn sich der Kaiser dagegen sträubte, schien der Konflikt nicht mehr aufzuhalten zu sein, da die Aufständischen nicht bereit waren, nachzugeben.
Nach dem Prager Fenstersturz wurde von den böhmischen Ständen eine Verwaltung ins Leben gerufen, die aus insgesamt 30 Direktoren aus ihren Reihen bestand. Ein kompletter Bruch mit dem Kaiser war zunächst nicht beabsichtigt. Doch schon bald gewannen jene Kräfte die Oberhand, die die vollständige Anerkennung der »Confessio Bohemica« und die Wiederherstellung der Ständefreiheiten forderten. Außerdem wurde letztlich auch noch die Wiedereinführung des alten böhmischen Wahlkönigtums verlangt. Die böhmischen Stände ersuchten die niederländischen Generalstaaten, den Herzog von Savoyen, die protestantische Union und den Kurfürsten der Pfalz um Unterstützung, die ihnen allerdings nicht in dem von ihnen erwünschten Ausmaß zuteilwurde, da vor allem die Niederländer mit dem Konflikt mit Spanien beschäftigt waren. Doch finanzierte schließlich der Herzog von Savoyen eine Söldnerarmee unter Peter Ernst II. von Mansfeld zur Unterstützung Böhmens.
Heinrich Matthias Graf Thurn war der Anführer der Aufständischen und spielte in dieser Funktion eine bedeutende Rolle. Der am 24. Februar 1567 geborene Thurn hatte protestantische Eltern, war jedoch nach dem Tod seines Vaters massiven katholischen Umerziehungsversuchen ausgesetzt gewesen. Doch der junge Adelige stand fest zu seinem protestantischen Glauben. Thurn hatte im Laufe seiner Karriere verschiedene Ämter inne. So war er beispielsweise Teil der kaiserlichen Gesandtschaft, die Istanbul besuchte. Er unternahm weite Reisen, die ihn unter anderem in den Orient führten, focht gegen die Türken in Ungarn und verließ die Armee als Oberst und Kriegsrat. Durch seine Vermählung mit Susanna Elisabeth, der Tochter des Freiherrn Otto von Teuffenbach, erwarb er ein großes Vermögen und wurde Mitglied der böhmischen Stände. Obwohl er niemals Tschechisch erlernte, fand er in Böhmen seine Heimat. Von Kaiser Rudolf II. zum Burggrafen von Karlstein erhoben und dann wegen seiner protestantischen Gesinnung von diesem Posten wieder abgesetzt, war er von großem Hass gegen die Habsburger erfüllt. Thurn hatte in der Steiermark auch die Brutalität der Gegenreformation im Stil Erzherzog Ferdinands erlebt. So kam es, dass er der Hauptverfasser der von den böhmischen Ständen aufgesetzten Apologie war, mit der Erstere ihr Verhalten zu rechtfertigen versuchten. Obgleich er militärisch unvermögend war, wurde er schließlich auch zum militärischen Führer des ständischen Heeres ernannt.
Im August 1618 fiel der kaiserliche Oberst Dampierre mit einer Söldnertruppe in Böhmen ein. Die Bauern und Bürger des aufständischen Landes bekamen als erste die Gräuel des beginnenden Krieges zu spüren. In Böhmen nahmen Raub, Mord und Brandschatzungen ihren Anfang und sollten Mitteleuropa für die nächsten 30 Jahre in Angst und Schrecken versetzen. Dampierres Kommando über die kaiserlichen Regimenter wurde bald vom niederländischen Grafen Bucquoy übernommen, der als erprobter Kriegsmann galt. Der neue Kommandeur stieß auch bis Caslau vor, das nur acht Meilen von Prag entfernt ist. Dort konnte er sich jedoch nicht lange halten, da die nachrückenden Kriegstruppen des kaiserlichen Regiments nur unzulänglich ausgebildet waren, ein Manko, das zugleich einen bitteren Vorgeschmack auf den weiteren Verlauf des langen schrecklichen Krieges darstellte. Bucquoy zog sich mit seinen Truppen nach Budweis zurück und der militärisch unfähige Thurn konnte seine Offensive nach Niederösterreich in die Wege leiten, wobei er vorerst die Stadt Zwettl verwüstete. Die Sache Ferdinands schien nun eher schlecht zu stehen und man erwartete einen Angriff auf Wien.
Immer häufiger tauchte in den Berichten vom Kriegsschauplatz das Wort »Plünderung« auf. So berichtete eine zeitgenössische Quelle:
»Im Februar 1619 hat das Kriegsvolk der Böhmen die kaiserlichen Heerestruppen in Budweis und Krumau belagert. Trotzdem haben sie sich herausgewagt und etliche Streifzüge in die Herrschaft Schwanberg getan, etliche Flecken und Dörfer geplündert, zum Teil gar abgebrannt. Bisweilen sind sie von den Böhmen ereilt und tapfer gezwackt worden.«
(»Theatrum Europaeum«, zitiert nach Milger 1998, S. 48)
Eine Anzahl bedeutender Ereignisse der Weltgeschichte wurde mit dem Erscheinen von Kometen in einen Deutungszusammenhang gebracht. So auch der Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges. Ein mitteldeutscher Chronist (Volkmar Happe) berichtete:
»Den 3. November 1618 ist ein schrecklicher Comet am Himmel erschienen, der etliche Monat und gar bis in das folgende Jahr gesehen war, denn darauf in aller Welt Krieg, Aufruhr, Blutvergießen, Pestilenz und theure Zeit und unaussprechlich Unglück erfolget. Kein schrecklichen Comet man spürt, der nicht groß Unglück mit sich führt. In diesem Jahre ist der Böhmische Krieg angegangen und stark continuiret worden.«
(Chronikon Tuhringiae. Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena)
Ferdinand gelang es nun mit spanischer Rückendeckung, den eher um Ausgleich bemühten Kardinal Klesl als Kanzler des schwachen Kaisers Matthias auszuschalten. Der Kardinal wurde von der Kriegspartei unter fadenscheinigen Anschuldigungen verhaftet und in der Folge nach Rom gebracht, wo er jahrelang als Gefangener festgesetzt wurde. Der Kaiser wurde durch diese Maßnahme vollkommen überrumpelt, was letztlich zu seiner Entmachtung beitrug. Er starb bereits am 20. März 1619 und machte damit endgültig dem erzkatholischen Ferdinand Platz, wodurch eine folgenschwere Wende eingeleitet wurde.
Matthias von Thurn eroberte mit seinen böhmischen Truppen am 26. Mai 1619 die Stadt Laa an der Thaya. Diese im nordöstlichen Niederösterreich gelegene Stadt war eine der ersten, die im Dreißigjährigen Krieg zu Schaden kam – unzählige weitere Städte im Heiligen Römischen Reich sollten folgen. Die böhmischen Truppen hielten Laa monatelang besetzt und trieben es wirtschaftlich in den Ruin. Das umfangreiche Stadtarchiv mit allen alten Urkunden und Protokollen ging verloren. Als die Böhmen schließlich abzogen, war die ehemals blühende Stadt schwer geschädigt und sollte nie mehr ihre alte Bedeutung erlangen. Wie für die meisten Städte im Reich blieb es nicht bei dieser Heimsuchung, denn 1645 kamen die Schweden in die Stadt. Als sie abzogen, waren die meisten Häuser verwahrlost und die Bevölkerungszahl stark zurückgegangen. Laa hat sich vom Dreißigjährigen Krieg letztlich nie wieder richtig erholt – ein Schicksal, dass die Stadt mit zahlreichen anderen Städte in Mitteleuropa teilte.
Der 5. Juni 1619 brachte die so genannte »Sturmpetition« der protestantischen Stände Niederösterreichs zu Ferdinand II. in die Wiener Hofburg. Die etwa 50 Adeligen kamen unter der Führung von Paul Jakob von Starhemberg, eines Angehörigen eines der bedeutendsten österreichischen Adelsgeschlechter, der zum Sprecher des protestantischen Adels bestimmt worden war, zu einer offiziellen Aussprache in den kaiserlichen Palast. Sie forderten religiöse Freiheit und Frieden mit Böhmen. Ein entsprechendes Schriftstück war bereits aufgesetzt und es wurde lange Zeit hitzig verhandelt. Die Situation war bedrohlich und Tätlichkeiten waren zum Greifen nahe. Später kam das Gerücht auf, dass Andreas von Thonradel, der Herr von Ebergassing, den geschockten Ferdinand beim Wams genommen habe, um ihn zur Unterschrift zu zwingen. Es ist nicht auszuschließen, dass sich Ferdinand dabei bereits als ein weiteres Opfer eines Fenstersturzes sah. Als die Spannung schier unerträglich schien, ritten plötzlich einige Kornette (Kompanien) des Regiments Dampierre unter der Führung von Gilbert de Saint Hilaire in die Hofburg ein. Die Adeligen glaubten daraufhin, die Reiter seien zu ihrer Verhaftung angerückt, mäßigten ihren Zorn und sahen von ihren Handgreiflichkeiten ab. Allein dem Eintreffen von Dampierres Regiment ist es zu verdanken, dass Ferdinand es wagte, die Forderungen der Protestanten abzulehnen, und so blieb die Sturmpetition am Ende ohne Wirkung. Es spricht für Ferdinands Bigotterie, dass er seine Errettung dem Gebet vor einem noch heute existierenden Kruzifix zuschrieb. Dieses Ereignis wurde später zu einem der »Wunder des Hauses Habsburg« stilisiert und in Gemälden und Druckwerken wirkmächtig in Szene gesetzt. Das Kürassierregiment von Dampierre erhielt für seine Dienste eine Auszeichnung und seinem Kommandanten wurde bis 1918 das Privileg zuteil, unangemeldet beim Kaiser vorzusprechen.
Thurn stand mit seinem ständischen Heer am 6. Juni 1619 vor den Toren von Wien. Hier blieb ihm jeder militärische Erfolg versagt, da er weder über ein passendes Belagerungsgerät, noch über die nötige Artillerie verfügte. Überhaupt erwies sich der politisch eloquente Graf nicht gerade als militärisches Genie und dies stellte er auch im weiteren Verlauf des Dreißigjährigen Krieges auf tragische Weise immer wieder unter Beweis. Bezeichnend ist hierbei, dass der böhmische Vorkämpfer Thurn sich niemals die Mühe machte, die böhmische Sprache zu erlernen.
Am 10. Juni 1619 kam es bei Záblat zwischen Bucquoy und dem Grafen von Mansfeld zur Schlacht. Letzterer galt später als der Prototyp eines Söldnerführers und Condottiere (italienische Bezeichnung für einen Söldnerführer und Kriegsunternehmer) des Dreißigjährigen Krieges. Seine militärischen Leistungen entsprachen aber trotz seines persönlichen Heldentums selten den in ihn gesetzten Erwartungen. Berüchtigt wurde er durch sein brutales Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung, flächendeckende Plünderungen und Brandschatzungen. Ein Kuriosum ist, dass er später als einer der unermüdlichsten Vorkämpfer des Protestantismus galt, obwohl er sehr wahrscheinlich. Zeit seines Lebens Katholik geblieben ist (Deschner 2008, Bd. 9, S. 334). Die böhmischen Stände hatten sich seiner Dienste versichert, weil gute Söldnerführer schwer zu bekommen waren und Mansfeld immerhin dem Herzog von Savoyen nicht ganz ohne Erfolg gedient hatte. Er konnte auch am 21. November 1618 das belagerte Pilsen unter seine Kontrolle bringen. Als sich jedoch die Kriegslage in Böhmen kritisch zu gestalten begann, trug Mansfeld dem Herzog von Savoyen erneut seine Dienste an – dieses Mal jedoch erfolglos. Schließlich blieb ihm nichts anderes übrig, als sich in Böhmen der Schlacht zu stellen.
Das gegnerische Aufeinandertreffen bei Záblat stellte die erste wirklich bedeutende Schlacht des Dreißigjährigen Krieges dar. Das Dorf Záblat befindet sich in der Nähe von Budweis und ist damit nicht allzu weit von der österreichischen Grenze entfernt. Mansfeld wollte nach Budweis marschieren und wurde von Bucquoy zur Schlacht genötigt. Obwohl der Kampf nicht lange andauerte, verlor Mansfeld etwa 1.500 Mann und seinen gesamten Tross. Die Truppen der böhmischen Stände waren in der Folge gezwungen, die Belagerung von Budweis abzubrechen und der Graf musste sich vorerst von seinem Schock erholen und blieb einige Zeit militärisch inaktiv. Als Reaktion auf die verlorene Schlacht soll er seine Dienste sogar dem Kaiser angetragen haben.
Die böhmischen Stände brachen nach der Niederlage von Záblat ihren ohnehin wenig aussichtsreichen Versuch einer Belagerung Wiens ab. Die Truppen waren schlecht ausgerüstet und verfügten nicht über fähige Befehlshaber. Dennoch waren die böhmischen Standesherren weiterhin siegesgewiss und setzten ihren Kurs konsequent fort. Am 19. August 1619 wurde Ferdinand II. als böhmischer König durch die Stände für abgesetzt erklärt. Am darauffolgenden Tag schlossen die Stände eine Angriffsallianz mit Gábor Bethlen, dem Fürsten Siebenbürgens. Dieser wurde am 25. August durch den Landtag von Neusohl (Banská Bystrica) zum König von Ungarn gewählt. Dieser umstrittenen Königswahl folgten jedoch einige weitere nach, denen noch eine weitaus größere Bedeutung zukam.
Man schrieb den 27. August 1619, als um die Mittagszeit in Prag das Donnern der Kanonen widerhallte. Die Stände hatten dem Land einen neuen König gegeben – es war Friedrich V. von der Pfalz. Bereits einen Tag später wählten in Frankfurt die Kurfürsten einen neuen Kaiser für das Heilige Römische Reich Deutscher Nation – Ferdinand II. Der neue böhmische König Friedrich V. traf erst am 31. Oktober 1619 mit großem Gefolge aus seiner pfälzischen Heimat in Prag ein. Seine offizielle Krönung zum König fand am 4. November im St. Veits-Dom statt. Die Kathedrale wurde nur wenige Wochen später von den Calvinisten aufs Schlimmste verwüstet, wobei eine große Anzahl bedeutender sakraler Kunstwerke vernichtet wurde. Der neue König hatte große Probleme mit der europäischen Anerkennung seiner Herrschaft, denn viele Fürsten nahmen eine abwartende Haltung ein oder gingen gar auf Distanz zu ihm.
Die Krönungszeremonie für Kaiser Ferdinand II. wurde knapp zwei Wochen nach der Wahl, am 9. September 1619, in hochherrschaftlicher Weise in Frankfurt vollzogen. In der Titulatur des deutschen Kaisers findet sich der Passus vom so genannten »immer Mehrer des Reiches«. Diese Apostrophierung ist aus dem lateinischensemper Augustusabgeleitet und basiert auf der fälschlichen Ableitung von Augustus von dem lateinischen Verbaugere, das »vermehren«, »vergrößern« bedeutet. Der »immer Mehrer« hatte entsprechend der lateinischen Etymologie die Pflicht, die Rechte des Reiches nach außen hin zu schützen, etwa, indem er Gebietsverluste verhinderte. Ferdinand II. und sein Sohn wurden dieser Pflicht in keiner Weise gerecht, denn wie kaum ein Herrscher vor ihnen trugen sie durch ihre Politik zur Verkleinerung und Entmachtung des Reiches bei.
Am 8. Oktober 1619 schlossen Kaiser Ferdinand II. und Herzog Maximilian I. den so genannten »Münchener Vertrag«, in dem Herzog Maximilian von Bayern versprach, den Kaiser gegen die rebellischen Böhmen und ihren neuen König zu unterstützen. Ferdinand II. sagte daraufhin im Geheimen die Übertragung der Kurwürde der Pfalz an Bayern zu. Unterstützung hatte der Kaiser auch dringend nötig, denn am 14. Oktober kam es zur Schlacht bei Preßburg. Gábor Bethlen konnte den kaiserlichen Truppen unter Rudolf von Tiefenbach eine schwere Niederlage bereiten und die Stadt einnehmen. Der Siebenbürge stellte jetzt auch eine durchaus ernst zu nehmende Bedrohung für die Kaiserstadt Wien dar.
Als Thurn mit seinem böhmischen Ständeheer erneut gegen Wien vorrückte, entfachten sich zwischen ihm und den Truppen von Karl von Bucquoy erbitterte Kämpfe, die vom 24. bis zum 26. Oktober andauerten und derer sich Karl von Bucquoys Truppen schließlich erwehren konnten. Thurn blieb jedoch trotz aller militärischen Misserfolge weiterhin hartnäckig. Immerhin konnte er auf ein Bündnis mit den protestantischen Ständen Niederösterreichs zählen. Am 26. November 1619 versuchte er erneut, die Stadt Wien zu belagern, hatte jedoch abermals keinen Erfolg. Die protestantischen Soldaten konnten bei ihren Kämpfen mit kaiserlichen und katholischen Truppen ihrerseits bisher nur wenige Triumphe verbuchen und mussten sich nun auf einen massiven Gegenschlag einstellen.