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Die Geburt und der Bericht von Leiden und Tod des Jesus von Nazareth sind hier ausgekoppelt aus dem Brief-Roman "Das wahre Satyricon" separat zu lesen. Obwohl die kanonischen und einige apokryphe Evangelien die Substanz bilden, an denen nichts verändert wurde, ist der Hintergrund der Geburt und vor allem die Leidensgeschichte unter Berücksichtigung von Fakten und Tatsachen dargestellt, die sich im Werk des Flavius Josephus finden, der in seinem Buch "Antiquates Judaicae" (Jüdische Altertümer) die Zeit und die politischen Hintergründe der Tage, in denen Jesus lebte, sehr ausführlich beschrieben hat. Hier finden sich viele Details, die dem Leser der Evangelien und auch dem historisch interessierten Laien völlig fremd sind. Mit diesen historischen Hintergründen aber beginnen historische Figuren wie Pilatus, Kaiphas, Barabbas und Herodes Antipas genau so zu leben wie sie auf Jesus, die Gemeinschaft der Apostel und die Frauen der Gemeinschaft ein neues Licht werfen. Auch die aus den Evangelien bekannten Worte Jesu werden hier teilweise anders interpretiert und ergeben einen anderen Sinn. Allerdings wird die "Botschaft der Evangelien" nie in Zweifel gezogen. Das Gleiche gilt für die Geschichte der "Mensch-Werdung" in Bethlehem. Die Evangelien geben Raum für jede Menge Spekulationen und Deutungen Ereignissen und Dialogen. Es hat sich vielleicht im Stall von Bethlehem wie auch im Tempel von Jerusalem, vor dem Richterstuhl des Pontius Pilatus oder auf der Höhe des Golgothafelsens alles so abgespielt, wie es hier geschrieben steht – aber es hätte genau so gewesen sein können. Rolf W. Michael ist seit seiner Kindheit "Historiker aus Leidenschaft" und seine historischen Texte sind immer bis in die kleinsten Details so recherchiert, dass sie nicht nur eine spannende und dramatische Handlung gewährleisten, sondern auch, dass hier versucht wird, die Vergangenheit lebendig werden zu lassen. Und hier ist es der Tag, den wir am 24.
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Seitenzahl: 572
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Impressum
Die Krippe und das Kreuz
©2014 Die Rechte liegen bei Rolf W. Michael
&
Verlag:
Mondschein Corona – Verlag
Finisia Moschiano und Michael Kruschina GbR
Teckstrasse. 26
73207 Plochingen
Lektorat:
Astrid Pfister
Covergestaltung:
Finisia Moschiano/Kunstfabrik-2013
Die Vorrede: Von Bethlehem nach Golgotha
Am Anfang war die Bitte vom Herausgeber des Online-Magazins „Zauberspiegel“, für ihn doch mal eine Weihnachtsgeschichte zu schreiben, die dann am 24. Dezember 2007 veröffentlicht werden sollte.
Das war für mich die Möglichkeit, einmal die Ereignisse um die Geburt von Jesus Christus aus dem Blickwinkel des Historikers zu betrachten – ohne jedoch an den bekannten Textstellen der Evangelien des Matthäus und des Lukas direkte Veränderungen vorzunehmen.
Die Herbergssuche, der Stall von Bethlehem samt Stern, die Hirten aus dem Feld samt Engel und schlussendlich die „Heiligen drei Könige“, die Matthäus erwähnt – alle diese und lieb gewordenen Attribute der Weihnachtskrippe unter unserem Tannenbaum mussten natürlich dabei sein. Allerdings wurde auch das apokryphe „Evangelium nach Jakobus“ mit berücksichtigt.
Aber irgendwie passte es dann alles mit Dingen zusammen, die zwar nirgendwo aufgeschrieben sind, jedoch genau so hätten passieren können.
Wer kommt schon auf den Einfall, dass es das „jüdische Gesetz“ war, das den Herbergsleuten verbot, eine schwangere Frau unmittelbar vor der Geburt in ihr Haus einzulassen. Aber das war vermutlich der wahre Grund für den „bösen Herbergswirt“.
Natürlich habe ich nicht nur beim Schreiben die das Alten Testaments neben mir auf dem Tisch liegen gehabt – speziell geöffnet mit dem Buch „Deuteronomium“, in der sich eine Zusammenfassung des jüdischen Gesetzes befindet, sondern auch das vollständige Buch „Jüdische Altertümer“ des Flavius Josephus.
Nach der Zerstörung Jerusalems und des Tempels war Flavius Josephus nach Rom gekommen und hatte dort unter den Kaisern Vespasian und Titus Gelegenheit, die Geschichte seines Volkes zu schreiben – und später auch ein Buch über den jüdischen Krieg, den er teilweise selbst mitgemacht hatte. Als Gefangener hatte Josephus dem Vespasian prophezeit, dass er einst Kaiser werden würde. Und nachdem dies schneller geschah, als es vermutlich selbst Josephus angenommen hatte, war er ein besonderer Freund der flavischen Kaiserfamilie.
Die „Jüdischen Altertümer“ sind die Geschichte des jüdischen Volkes vom Anbeginn der Zeit bis zum Aufstand des Simon ben Giora und des Johannes von Giscala, der in der Zerstörung Jerusalems und des Tempels endete.
Für meine Arbeit – und das gilt für beide Geschichten in diesem Buch - ist dieses Buch des Flavius Josephus eine absolute Fundgrube von Details über die Zeiten in Judäa, in denen Jesus gelebt hat.
Ob die Erwähnungen von Johannes des Täufers oder Jesus von Nazareth im Text des Flaxius Josephus von ihm selbst stammen oder ob fromme Mönche beim Abschreiben seines Textes hier einige Hundert Jahre später etwas hinzu gesetzt haben, um einen schlüssigen Beweis für die historische Existenz beider Personen zu bringen, darüber streiten sich immer noch wirkliche Fachgelehrte.
Aber der Namen der Hohepriester entspricht dem des Jahres, in dem wir allgemein die Geburt Christi annehmen können – rund sieben Jahre vor dem Jahr „Null“. Denn da war Herodes schon vier Jahre tot. All das wissen wir natürlich aus dem Buch des Flavius Josephus – das jener brave Mönch, der das Geburtsjahr Christi ausrechnen wollte, sicher nicht kannte. Denn sonst wäre ihm schon damals aufgefallen, das seine Rechnung falsch war.
Auch über den Aufstand der Juden, den Quinctilius Varus niederschlagen ließ, finden wir konkrete Angaben bei Josephus, die in der Geschichte genau so einen historischen Kern haben wie die Predigten des Judas von Gamala mit der Aufforderung, die „Volkszählung“ des Augustus mit „bürgerlichem Ungehorsam“ völlig durcheinanderzubringen.
Natürlich ist einiges in der Schilderung der Ereignisse in Bethlehem mit dichterischer Freiheit zu sehen – aber von den historischen Hintergründen her gesehen, hätte es so passieren können. Dass auch Brücken zum Roman „Ben-Hur“ gezogen werden konnten, bot sich förmlich an. Auch hier sind es ja die „Heiligen drei Könige“, die am Beginn die Hauptfiguren sind. Bliebe noch die Frage, warum ausgerechnet Armin der Cherusker zum Geburtshelfer des Kindes in der Grotte wird.
Irgendwann war die Idee genau so da wie die des Römers Marcus Petronius, der sich als Erzengel Gabriel ausgibt, um ein hübsches Mädchen zu verführen. Bei dem Cherusker, der als Germane vermutlich das lange Haar des freien Mannes trug, bot sich dann mit seinem Blondhaar die Rolle des Verkündigungsengels bei den Hirten förmlich an.
Im Fall Armins wissen wir nicht, woher sein römischer Name stammt. Es gibt Theorien, dass er ihn bei einem Feldzug in Armenien bekommen habe. Und wenn er in Armenien war, dann kann das bedeuten, das er während seiner Zeit bei der römischen Legion im Osten gedient hat und es gar nicht so abwegig ist, dass er in dieser Zeit auch in Jerusalem und Judäa war.
Nachdem meine Novelle „Bethlehem“, die Weihnachten 2007 im Zauberspiegel veröffentlicht wurde, bei der Leserschaft großes Interesse gefunden hat bat mich der Herausgeber des „Zauberspiegel“, doch auch die Ereignisse der Passion Christi einmal so zu schildern, wie sie sich historisch gesehen tatsächlich hätten abspielen können.
Wie schon gesagt habe ich in „Bethlehem“ versucht, das traditionell bekannte Geschehen der kanonischen Evangelien unter Einbezug von apokryphen Bibeltexten mit einer etwas anderen Interpretation zu verbinden und dabei historische Forschung mit einzubeziehen. Die Schriften des Flavius Josephus boten sich als Grundlage geradezu an.
Und die Bücher des Flavius Josephus wurden dann neben den vier kanonischen Evangelien auch ein sehr großer Teil des historischen Hintergrundes für das Projekt „Passion“. Denn in diesem Werk des gelehrten Juden finden sich Taten und Ereignisse der Jahre, in denen Pilatus und Kaiphas eine große Rolle spielen, und die in den Evangelien nicht einmal angedeutet werden.
Die Handlung der Passion beginnt am Palmsonntag und endet mit Auferstehung und Himmelfahrt. Doch die „Passion“ unterscheidet sich etwas von der Novelle „Bethlehem“. Denn die Fakten des Textes, besser gesagt, die ganze Ausarbeitung gehören eigentlich zu einem größeren, bisher unvollendeten Konzept. Und in dieses „Konzept“ ist in der vorliegenden Fassung auch „Bethlehem“ jetzt mit eingearbeitet.
Eigentlich sollte die „Passion“ gleichzeitig eine Leseprobe für eine Reihe von historischen Romanen sein, die jedoch von allen Verlagen abgelehnt wurde. Zwölf geplante Bände von vierhundert bis fünfhundert Seiten und dazu die Zeit der ersten Cäsaren, aus der es schon jede Menge andere Bücher gibt – da müsste ich schon die Verkaufszahlen eines Ken Follett haben, um den Mitarbeiter eines Verlages auch nur das Konzept prüfen zu lassen.
Seit weit über 30 Jahren trage ich mich mit dem Gedanken, eine Romanbiografie über Gajus Petronius Arbiter Elegantiarum zu schreiben. Dieses auf zwölf Bände angedachte Werk enthält im dritten Band „Via Dolorosa“ die Geschichte von Jesus Christus mit der Kreuzigung und der Auferstehung. Denn Petronius zieht im Auftrag des Pilatus als heimlicher Spion im Gefolge von Jesus mit, er erlebt den Einzug in Jerusalem, die Gefangennahme und den Prozess. Er steht unter dem Kreuz und wird auch Zeuge der „Auferstehung“.
Von Gajus Petronius wissen die meisten Leute nur, dass er zu den Vertrauten Kaiser Neros gehörte und dass ihm Tacitus in seinen „Annalen“ ein ganzes Kapitel widmet. Außerdem ist die historische Figur Petronius in einer kurzen Randbemerkung aus einem Werk von Plinius d. Ä. nachgewiesen.
Hendryk Siencewicz hat Petronius in seinem weltbekannten Roman „Quo Vadis“ als eine der Hauptfiguren recht gut charakterisiert. Durch diesen Roman und die Verfilmung mit Peter Ustinov als Nero und Leo Genn als Petronius ist er allgemein bekannt geworden.
Die historische Figur, die uns Tacitus schildert, ist jedoch weit zwiespältiger als die Romanfigur aus „Quo Vadis“.
Einerseits wird Petronius als Lebemann an Kaiser Neros Hof geschildert, der bei keinem der berüchtigten Feste fehlt und von seinem Umfeld als „Arbiter elegantiarum“, d. h. als Schiedsrichter in Sachen des guten Geschmacks, bezeichnet wurde, andererseits soll er aber als Prokonsul in Bithynien (heute ein Teil der Türkei) tatkräftige und gute Arbeit geleistet haben.
Dem Gajus Petronius wird mit dem, „Satyricon“ ein „Sittenroman“ seiner Zeit in mehreren Bänden zugeschrieben. Es sind jedoch nur zwei längere Teile (das bekannte „Gastmahl des Trimalchio“ und „Der Dichter Eumolpos“) und einige Fragmente erhalten geblieben sind.
Die Wissenschaft ist sich darüber einig, dass Petronius mit dem „Satyricon“ seiner Zeit einen Spiegel vorgehalten hat und der „Trimalchio“ eine Satire auf Kaiser Nero selbst sein soll.
Nachdem ich den Text von Tacitus in mehreren deutschen Übersetzungen gelesen habe, wurde mir klar, dass Petronius nicht der verweichlichte Lebemann sein konnte, den er an Neros Hof darstellte. Und auch die Darstellung seines Todes überzeugt mich nicht.
Ich vermute, dass er, als er sich zum Sterben in ein Nebenzimmer hatte, tragen lassen, von treuen Sklaven verbunden und fortgeschafft wurde.
Zeugen für seinen „Tod“ waren ja genug vorhanden, weil er sich bei einem Gastmahl die Pulsadern öffnen ließ, seine Sklaven ihn aber dann zum Sterben in ein anderes Zimmer trugen. Verbrannt wurde dann der in Leinenbinden eingewickelter Körper – und eine Leiche ließ sich zu jener Zeit einfach beschaffen. Nach einigen Wochen war ein entstellender Bart gewachsen und irgendwo in der Provinz eine neue Identität angenommen worden.
Auf ähnliche Art mag auch Nero seinen Selbstmord vorgetäuscht haben. Er war ja schließlich Schauspieler und hatte genügend Theaterrequisiten, in dem sich sicher auch ein Dolch mit einfahrbarer Klinge befand. Das Blut aus einer aufgestochenen Schweineblase gehörte ebenfalls zu den festen Requisiten des Theaters. Alle bekannten Schilderungen von Neros Tod lassen hier Zweifel zu, dass auch dieser Tod nicht nur vorgetäuscht war.
Ausgangspunkt der Romane ist der greise Petronius, der in verschiedenen Briefen an den jugendlichen Sueton, an Plinius, Kaiser Nerva, Tacitus, Trajan etc. in Form eines Briefes Episoden aus seinem abenteuerlichen Leben erzählt.
Nach seinem „Selbstmord“ hat Petronius unter verschiedenen Pseudonymen weitergelebt und die Erstürmung Jerusalems, den Untergang von Pompeji und die Einweihung des Colosseums erlebte.
Während der Schreckensherrschaft Kaiser Domitians zog er sich auf den Jupitertempel auf dem Mons Casinus (Monte Cassino) zurück, wo er das Amt des Priesters übernahm und viel Zeit zum Nachdenken und Schreiben hatte.
Die bisher ungeschriebenen Romane (vom ersten Band existieren nur rund zweihundert Seiten) behandeln jeweils eine Episode seines abenteuerlichen Lebens mit teilweise bekannten, historischen Hintergründen, die jedoch größtenteils völlig neu gedeutet werden.
Die Bände des Gesamtkonzepts
„Das wahre Satyricon“ sind:
Band 1 Der Einsame von Capri
Die Geschichte der Geburt und Kindheit. Kaiser Tiberius und Sturz des Sejanus
Band 2 Die Wälder des Nordens
Flucht nach Germanien mit dem Sohn des Arminius, als Thumelicus die Königskrone der Germanen fordert, wird er getötet und Petronius geht zurück nach Rom.
Band 3 Via Dolorosa
Als Spion des Pilatus im Gefolge von Jesus, Passion und Auferstehung.
Band 4 Gott des Wahnsinns
Kaiser Caligula, die Bildsäulen des Kaisers in Jerusalem
Band 5 Der Kelch des Lebens
Studien des Petronius in Griechenland, Ephesus und Alexandria, Treffen mit Paulus und die Geschichte vom „Gral“ des Josef von Arimatäa.
Band 6 Die Hure von Rom
Kaiserin Messalina – auch Petronius ist einer ihrer Liebhaber und entkommt der Rache des Claudius, weil er bei Messalina das kaiserliche Siegel entwendet hat und sich so das Prokonsulat von Bithynien selbst erteilt.
Band 7 Im Namen Roms
Petronius als Prokonsul in Bithynien, Aufstand der Silberschmiede von Ephesus durch die Predigten des Paulus.
Band 8 Tochter der Isis
Im geheimen Auftrag des Kaisers Claudius sabotiert Petronius einen Aufstand in Ägypten, den eine Isis-Priesterin anzettelt, die angeblich ein illegitimer Abkomme des Cäsarions und damit von Cäsar und Cleopatra ist. Da sich Petronius unsterblich in dieser Frau verliebt hat dieser Romane einen sehr tragischen Schluss – natürlich mit Schlange.
Band 9 Liebling der Musen
Die ersten Regierungsjahre Kaiser Neros, seine heimlichen Gänge in die Bordelle und erste Versuche als Sänger und Wagenlenker.
Band 10 Tanz der Feuerteufel - Brand Roms und Christenverfolgung
Band 11 Was für ein Künstler geht in mir zugrunde.
Verschwörung des Piso, Selbstmord des Petronius und die letzten Tage Kaiser Neros.
Band 12 ... und kein Stein wir auf dem anderen bleiben ...
Erinnerungen an das „Dreikaiserjahr“, die Erstürmung Jerusalems und die letzten Tage von Pompeji. Die Einweihung des Colosseum und heimliche Ermordung des Kaisers Titus durch seinen Bruder Domitian. Weil Petronius nicht nur als Einziger diesen Mord gesehen hat, sondern auch weiß, dass Domitian in Wahrheit nicht der Sohn Vespasians ist, sondern von seiner Frau untergeschoben wurde, die es mit einem Sklaven getrieben hat, flieht er und nimmt eine neue Identität auf dem Monte Cassino an.
***
Das ist also in groben Zügen das Konzept für das angedachte Gesamtwerk. Ganz klar, dass ein Buchverlag da zurückschreckt. Und deshalb habe ich bis auf wenige Kapitel am Anfang des ersten Bandes aufgehört zu schreiben. Ob ich an den „Petronius“ noch mal dran gehe, weiß ich nicht. Das Konzept ist einfach zu umfangreich. Und es ist die Frage, ob dieser Lesestoff und die Ausführung als „Briefroman“ überhaupt beim heutigen Leser Interesse findet.
Doch dieser Weg von Bethlehem nach Golgotha bietet sich an, wenigstens diese beiden Episoden so zu bringen, dass sie der Leser vom Umfang wie von Inhalt her genießen kann wie einen „großen historischen Roman“.
Da ich in Jerusalem und auch in Bethlehem gewesen bin, stimmen auch die angegebenen Entfernungen. Ein Lageplan der Stadt vor der Zerstörung durch Titus lag beim Schreiben neben mir. So weit es möglich ist, habe ich die Örtlichkeit und die historischen Hintergründe authentisch wieder gegeben.
Die Fakten von „Bethlehem“ finden sich auch in der „Passion“ wieder. Beispielsweise hört Gajus Petronius im Band 2 „Die Wälder des Nordens“ von seinem Onkel Marcus Petronius, das er, schlau und gerissen wie er war, damals in Nazareth einen „Engel“ gespielt hat. In Germanien hat Marcus die Varus-Schlacht überlebt, später an der Seite Armins gegen die Römer gekämpft und ist jetzt ein Fürst der Cherusker.
Für Gajus Petronius ist jedoch klar, das Jesus von Nazareth deshalb gewissermaßen zur Familie der Petronier gehört und sein Vetter ist. Doch davon sagt er Jesus nichts, obwohl er eine recht lange Zeit mit ihm wandert.
Im „Zauberspiegel“ brachte ich vom dritten Band „Via Dolorosa“ nur die Ereignisse vom Palmsonntag bis zum Ostersonntag bzw. bis zur „Himmelfahrt“. Die Ereignisse vor dem Palmsonntag sind hier zum besseren Verständnis der Story schnell erzählt. Für das, was sich nach dem Einzug in Jerusalem abspielt, sind sie nicht von tragender Bedeutung.
Petronius ist innerhalb der Handlung ungefähr 16 Jahre, was seinerzeit in Rom als „erwachsen“ galt. Nach seiner Rückkehr aus Germanien wird er auf Capri von Kaiser Tiberius in die Legion übernommen und als Tribun nach Judäa geschickt. Hier soll er den Präfekt Pontius Pilatus überwachen, weil es über ihn schon Beschwerden durch den Hohepriester gegeben hat.
Als Petronius eintrifft, findet er Pilatus als Gast bei Herodes während dessen Geburtstagsfeier. Es ist jene Feier, bei der Johannes der Täufer enthauptet wird. Es kommt das Gespräch auf die vielen Wanderprediger und Petronius soll sich im Auftrag des Pilatus unter das Volk mischen und ihm Bericht erstatte. Da er einigermaßen Aramäisch spricht und sich gut verstellen kann, ist Petronius der geeignete „Geheimagent“.
Petronius hört einige Wanderprediger, ist aber nur von Jesus und seiner Lehre fasziniert und folgt ihm. Von Pilatus mit reichlichen Geldmitteln ausgestattet kann er die Gemeinschaft von Jesus, den Aposteln und den ihnen folgenden Frauen etwas finanzieren. Er gibt an, dass er zwar aus Rom komme, habe eine jüdische Mutter habe – was ihn nach jüdischem Recht automatisch zum Juden macht – und ihn die Apostel somit im Gefolge Jesu akzeptieren müssen.
Petronius erlebt einen Teil der Wunder, hört die Predigten und hat viele vertraute Gespräche mit Jesus, in der dessen Lehre als eine Mischung zwischen Judentum untere Beachtung der Lehre der Essener, griechischer Stoiker und Neuplatonismus, der Lehre Zarathustras und auch Buddhismus enthalten sind. Denn Jesus war zwischen seiner Kindheit und vor seiner Zeit bei den Essenern als Zimmermann auf Schiffen, hat die bekannte Welt bereist und viele Gespräche geführt.
Die Handlung setzt am „Palmsonntag“ bei einer Besprechung zwischen Pilatus, Herodes Antipas und dem Hohepriester Kaiphas ein, die den letzten Bericht der Petronius von der Auferweckung des Lazarus hören und wissen, dass die politische Lage während des Passahfestes in Jerusalem brisant wird.
Denn Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem und es besteht die Gefahr, dass er sich öffentlich zum König der Juden erklärt. Und dann wird der Aufstand der Zeloten losbrechen und die Straßen von Jerusalem mit Blut besudelt werden ...
Aber das könnt ihr ja dann im Anschluss an dieses Vorwort alles lesen. Und wer wissen will, wie die „Story“ ausgeht – der kann ja mal die Bibel zur Hand nehmen und die Evangelien aufschlagen ...
Bethlehem
Vor der Mauer Jerusalems an einem Nachmittag des Jahres 3.753 nach der Erschaffung der Welt. Nach allgemeingültiger Zeitrechnung das Jahr 746 nach der Gründung Roms.
Die drei vornehm gekleideten Männer im fortgeschrittenen Alter sahen von hohen Rücken ihrer Kamele kaum herunter auf den Mann, der seinen Esel gerade durch das goldene Tor neben dem Tempel aus der Stadt heraus zog. Die Frau, die auf den Tragsattel des Esels kauerte und sich anklammerte, schien bei jedem Schritt des Tieres auf dem steinigen, unebenen Boden Schmerz zu verspüren. Und schon war das Paar in der schmucklosen Kleidung einfacher Leute vorbei und zogen den steilen Weg hinab ins Kidrontal.
Sonderbar, dass ein Mann und eine Frau aus der Unterschicht gerade jetzt der Heiligen Stadt den Rücken zukehrte, wo bei der Frau ganz offensichtlich die Wehen eingesetzt hatten. Sie gehörte unter ein Dach und auf eine Lagerstatt, um ihr Kind zu gebären und nicht auf den Rücken eines Esels und die Landstraße.
Doch weder Khas-par, der oberste Priester von Tempel des Schöpfergottes Ptha im ägyptischen Memphis noch Melk-hior, der in der Phönizierstadt Tyros dem Tempel des Baal-Merkhard vorstand und auch nicht Belsazar, der oberste Priester und Sterndeuter vom hohen Zikkurat des Marduk in Babylon, machten sich jetzt über den Fremden mit der Frau auf dem Esel Gedanken.
Mochte dieser Mann aus dem Volk mit seiner schwangeren Frau hinziehen, wohin ihn der eine Gott führte. Dieser eine Gott der Juden. Denn es ist ein einziger, unbekannter Gott, den alle der Weisen der bekannten Welt hinter den in ihren Ländern verehrten Göttern erkannt hatten.
Isis, Osiris oder Horus in Ägypten, Melkart, Tanith oder Eschmun in den Tempel Phöniziens und Marduk, Ishtar oder Ahriman auf den Türmen am Euphrat - das alles waren nur Geschöpfe und Untergottheiten oder Engel eines einzigen Gottes, der über das Universum herrschte. Ein Universum, das über den Erdrand hinaus ging und erst dort endete, wo die Sterne kein Licht mehr hatten.
„He, Junge. Wenn du dir fünf Dinar verdienen willst, dann führe und zum Tempel", rief Khas-par, der das vorderste Kamel ritt, einem etwas zehnjährigen Knaben zu. Der nahm seinen Weidenkorb mit verschiedenem Gemüse von der Schulter und sah zu dem Mann im Dunkelblauen, mit Goldstickereien und Edelsteinen reich verziertem Gewand hinauf.
„Fünf Dinare, hoher Herr? Fünf ganze römische Dinare?" Der Junge blickte ungläubig zu der hochgewachsenen Erscheinung auf dem Kamel empor. Der Mann trug zweifellos ägyptische Kleidung aus feinsten Stoffen. In den feinen Stickereien erkannte der Junge magische Symbole, die in den Augen Adonais, des Herrn, ein Gräuel waren.
Diese Männer waren sicher Magier oder Zauberer aus fremden Ländern. Mochte Abaddon, den der Herr Adonai einst in den Schwefelpfuhl der Hölle verbannt hatte, wissen, was diese seltsamen Fremden hier in Jerusalem wollten.
Zumal zu einem Zeitpunkt, wo das Auftauchen eines sehr hellen Sterns am Nachthimmel nicht nur die Priesterschaft, sondern auch das Volk von Jerusalem verunsichert hatte. Und da die Fremden allem Anschein nach Kundige über die Art und den Lauf der Gestirne sein mochten, war es auch für einen zehnjährigen Knaben einleuchtend, dass sie nur das Erscheinen dieses Sterns nach Jerusalem geführt haben mochte.
Magie, Sternenkunde und Zauberei waren nach dem Gesetz nur denen vom auserwählten Volk verboten, da sie nach den Schriften des Moses in den Augen des Herrn ein Gräuel waren. Doch das galt nur für die "Auserwählten" und nicht für Menschen, die Abraham, Isaak und Jakob nicht zu ihren Vorfahren rechneten.
Und somit galt es gewiss nicht für diese drei Männer auf den Kamelen. Die Tage König Davids oder gar der Makkabäer, in denen man magische Zeichen auch auf den Gewändern fremder Besucher im Inneren der Heiligen Stadt nicht geduldet hätte, waren lange Vergangenheit.
Zumal diese Fremden sehr reich sein mussten. Immerhin hatten sie ihm, Ruben bar Simeon, dem Sohn eines Dieners im Hause des Fürsten von Hur, mit diesen fünf Dinaren ein kleines Vermögen versprochen.
„Wir geben dir auch zehn Dinare, wenn wir zufrieden sind." Ruben sah das gütige Lächeln auf dem Gesicht des Mannes dessen Kamel. Ein echtes Hedschin, bereits den Wert eines mittleren Hauses ausmachte. Und die Männer hinter ihm, die kaum weniger edle Kamele ritten, glichen ebenfalls mehr Königen als gewöhnlichen Sterblichen.
Es waren also drei Könige nach Jerusalem gekommen, die den Tempel des Allerhöchsten besuchen wollten.
Allerdings war Ruben mit seinen zehn Jahren noch nicht so welterfahren, dass er erkennen konnte, aus welchen Weltgegenden diese drei königlichen Gestalten kamen. Ihre Kleidung war ihm vollkommen fremd und in ihr holperiges Aramäisch mischten sich immer wieder Laute, die ihrer jeweiligen Heimatsprache gehören musste.
Auch die Kleidung der Männer, die in einer kleinen Karawane aus Kamelen und Maultieren hinter den der Fremden zogen, schien verschiedenen Kulturkreisen anzugehören, die Ruben nicht kannte. Die meisten von ihnen waren Männer in einfachen Gewändern, die noch vom Sand der Wüste gezeichnet waren. Sie führten die Esel und Kamele und stellten eine Dienerschaft dar, wie sie auch Rubens Herr, der Fürst von Hur, auf seinen Reisen nicht zahlreicher aufbringen konnte.
Mehr als zwanzig Krieger, die offensichtlich eine Leibgarde darstellen, ritten auf Pferden und trugen Rüstungen und Helme. Ihre Fäusten umklammerten Speere und an ihrer linken Seite klirrten Schwerter. Die Männer auf den Kamelen waren entweder so reich oder so bedeutend, dass sie zum Schutz vor Räubern, die überall in den Felsen auf vorbei ziehende Beute lauerten, von einer Leibgarde begleitet werden mussten.
Vielleicht waren die drei Fremden auf den Kamelen tatsächlich Könige aus fremden Ländern. Und sie kamen, um Adonai, dem Herrn, im Vorhof der Heiden des Tempels zu huldigen und Opfergaben zu bringen. Da Ruben aber keine Opfertiere in der Karawane erkannte, ging er davon aus, dass sie diese Tiere bei den Händlern im Vorhof des Tempels kaufen würden. Denn nur blutige Schlachtopfer wurden dem Herrn zur Ehre vollständig verbrannt und an manchen Tagen war die Luft in Jerusalem durch die Wolke, die den üblen Geruch der verbrennenden Tierkörper mit sich trug, einfach unerträglich.
Nun, Ruben war sicher, dass die gewieften Händler im Vorhof des Tempels den drei Königen schon aufgrund ihres Äußeren die richtigen Preise für die Opfertiere machen würde. Wem der Reichtum anzusehen war, der konnte sich glücklich schätzen, trotz Handelns nur den dreifachen Betrag für ein Schaf zu bezahlen.
„Für zehn Dinare werde ich euch selbst bis Bethlehem führen!", antwortete Ruben auf die Frage nach dem Weg zum Tempel.
„Bethlehem? Khas-par schüttelte verwundert den Kopf. "Was hat Jerusalem mit einem Ort mit so seltsamen Namen zu schaffen?
„Bethlehem Efrata - das ist die Stadt von König David", erklärte Ruben. "Und in den alten Schriften der Propheten heißt es, dass in dieser Stadt Beth Lechem auch der Messias geboren wird.“
"Bethlehem ... Efra... wie war dieser Name?" Melk-hior ließ sein Kamel zwei Schritte vorangehen, um besser hören zu können.
"Bethlehem Efrata - und das liegt hier nur drei oder vier Wegstunden von Jerusalem entfernt." zeigte sich Ruben wissen. "In Galiläa nördlich von Nazareth liegt auf dem Gebiet des Stammes Zebulon noch ein Ort namens Bethlehem. Durch den Zusatz Efrata weiß jeder Jude, das damit die Stadt Davids gemeint ist. Eben die Stadt, in der nach der Schrift einmal der Messias geboren wird."
„Der ... der Messias?" Der Ägypter lenkte sein Kamel ganz dicht an Ruben heran und beugte sich zu dem Jungen herab. Auch Melk-hior und Belsazar trieben nun ihre Tiere heran, dass sich Ruben vollständig von ihnen eingekreist sah.
Furcht keimte in dem Jungen auf. Was hatten die Männer mit ihm jetzt vor. Was hatte er gesagt, dass es bei so weisen Männern diese Art von Interesse erregte.
Gewiss, es waren nicht die ersten Fremden, denen Ruben die Sehenswürdigkeiten der Stadt zeigte und der Ithamar ben Hur, der als Gebieter seines Vaters auch sein Herr war, hatte nichts dagegen, solange ihm der Junge die Hälfte dessen abgab, was er für eine besondere Arbeit bekommen hatte. Das war nur gerecht, denn immerhin konnte Ruben in dieser Zeit ja keine andere Arbeit für seinen Herrn verrichten.
Ruben war gewöhnt, dass sich Fremde während der Besichtigung vielleicht für Geschichten von König David oder dem weisen König Salomon und seine Lieber zur legendären Königin von Saba interessierten - aber nicht für den Messias, der einmal kommen sollte, um das auserwählte Volk zu erlösen. Dieses Wort war ihm eben auch nur so herausgerutscht. Was interessierte es diese Heiden, dass sein Volk seit alten Tagen auf einen Erlöser wartete, der ihm die Freiheit wieder gab.
Zumal es in diesen Tagen, in denen der Idumäer Herodes im Auftrag und mit Duldung des Augustus als König von Judäa regierte, gefährlich war, über die Freiheit des jüdischen Volkes zu reden.
Obwohl Herodes die Stadt durch verschiedene neue Bauwerke verschönert und sogar den bei der Eroberung Jerusalems durch Pompejus teilweise zerstörten Tempel größer und schöner wieder aufbauen ließ, hatte ihm das Volk nie vergeben, dass er kein Sohn Israels war, sondern Idumäer - also ein Araber. Er gehörte also einem Volk an, das die Stämme Israels, wie in den alten Schriften zu lesen war, in blutigen Schlachten bekämpft hatte.
Zwar war Herodes nach der Rabbinerlehre auch ein Sohn Abrahams, aber aus dem Geschlecht von Abrahams ältestem Sohn Ismael. Diesen, seinen nach idumäischer Vorstellung Erstgeborenen, hatte Abraham mit seiner Mutter Haggar verstoßen, als Sarah, Abrahams angetrautes Weib, das Kind Isaak gebar. Denn Haggar war eine ägyptische Sklavin Sarahs gewesen. Und somit war das Kind Ismael nach den damals vorherrschenden Gesetzen ein Bastard.
Von Isaak stammte Jakob und aus diesem gingen die zwölf Stämme Israel hervor. Ismael aber, den Abraham mit seiner Mutter in die Wüste vertrieb, wurde nach der Überlieferung der Stammvater aller Araber. Und so blieb Herodes, trotz allem, was er für Jerusalem und das Volk der Juden getan hatte, eben immer ein Abkömmling ihrer ehemaligen Feinde.
Ein Fremder! Ein Araber!
Es leuchtete selbst einem Jungen wie Ruben bar Simeon ein, dass ein solcher König hellhörig wurde, wenn von der Erwartung eines Erlösers geflüstert wurde. Von einem neu geborenen König, der einmal sein Volk befreien sollte. Und es war klar, dass Herodes selbst seine guten Beziehungen zu Cäsar Octavianus Augustus in Rom spielen lassen würde, um zu verhindern, dass ein solcher Messias jemals hervor treten und nach der Macht greifen konnte.
„Hab keine Furcht, Junge!“ Die Stimme des Ägypters klang beruhigend. Zwar bemühte er sich, das überall gebräuchliche Aramäisch zu reden, doch Ruben erkannte auch einen griechischen Akzent darin. Also formte er seine Antworten in griechischer Sprache, die als die Sprache der Gelehrten fast überall gesprochen wurde und das er als Diener in einem weltoffenen Handelshaus recht gut beherrschte.
Ithamar ben Hur, dem Ruben und seine Familie dienten, war Kaufmann und dazu ein Sadduzäer. Also gehörte er zu den vornehmen Juden, die nicht nur mit Rom und dem Rest der Welt Handel trieben, sondern sich auch, im Gegensatz zu den Pharisäern, mit den anderen Völkern arrangierten. Von daher achtete Ithamar ben Hur darauf, dass auch die Dienenden seines Hauses sich in der allgemein geläufigen griechischen Sprache auszudrücken verstanden.
„Ein Sohn Israels fürchtet nur Gott und sonst nichts auf der Welt", gab Ruben zurück, obwohl ihm gar nicht so zumute war. Doch er entspannte sich, als die Männer auf den Kamelen in lautes Lachen ausbrachen. Zumal sie ihn, wo er jetzt die griechische Sprache benutzte, gut verstanden.
„Nun, jetzt erkläre uns einmal, wer oder was der Messias ist", wollte der Babylonier wissen, nachdem das Lachen verebbt war.
„So genau weiß ich das auch nicht", bekannte Ruben. "Der Rabbi erzählt, dass der Messias, wenn er einst kommt, der Erlöser des Hauses Israel und der Erlöser der Welt ist. Er wird ein König sein - wie König David - aber größer - viel größer. Und die alten Schriften sagen, dass man dem Messias den Sohn des Allerhöchsten nennen wird ...“
„Den Sohn Gottes!", stieß Belsazar hervor, der vor der Ankunft in Jerusalem das kostbare Gewand eines der Hochpriester des Marduk von Babylon angelegt hatte. "Das ist es ... der Erlöser der Welt - das ist der Sohn Gottes. Die alten Schriften unseres Volkes besagen es ... der Sohn von ... Ahura-Mazda!" Der Babylonier brach ab - der Begriff Мessias schien für viele seiner inneren Erkenntnisse das einigende Band zu sein, das alles, an das er bisher geglaubt hatte, in einem neuen Licht erscheinen ließ.
„Ein König der Juden - oder der König der ganzen Menschheit", rief Melk-hior in der Kleidung der reichen Phönizierstadt Karthago.
„Wenn du uns in dieses Bethlehem bringst, Junge, und dort an den Ort, wo der Messias geboren wird, werden wir dir zehn ... nein zwanzig ... nein fünfzig Dinare geben - wenn es wirklich der Messias ist", rief der Ägypter. "Denn jetzt ist die Zeit, dass er herniederkommen muss.“
„Aber Herr!", stieß Ruben ungläubig hervor. "Woher wollt ihr wissen ...?“
„Siehst du diesen hellen Stern dort oben, Junge?" Der ausgestreckte Arm des Ägypters wies hinauf in den Himmel. Es dauerte eine Weile, bis Ruben das Licht ausmachte, das selbst das helle Blau des Tages durchschien. "Jeder von uns Dreien, die in ihren Heimatländern den Lauf der Gestirne beobachten und aufzeichnenden, hat diesen Stern in der Heimat gesehen. Und wir sind ihm gefolgt. In der Wüste von Moab haben wir drei Sternenwanderer uns getroffen. Zufall oder die Fügung des einen Gottes ...“
„Des einen Gottes?", unterbrach ihn Ruben. "Nur die Juden, also mein Volk, glaubt an einen einzigen Gott. Alle anderen Völker haben ein ganzes Götter-Pantheon. Die Erkenntnis, dass es nur einen Gott gibt, hatten unser Urväter Abraham, Isaak und Jakob. Und Moses, der unser Volk aus der Gewalt der Ägypter geführt hat, hat diesem Gott ins Angesicht gesehen und seinen Willen verkündet.“
„Der eine Gott und nur dein eigenes, kleines Volk haben ihn erkannt?" Belsazzar lachte. "Den Weisen der Welt ist längst die Erkenntnis gekommen, dass es nur einen Gott gibt. Doch woher sollst du das auch wissen, kleiner Narr."
"Еinst regierte in Ägypten ein Pharao, den man den vierten Amenophis nannte." sprach Khas-par und strich sich den Bart "Vielleicht hast du dann gehört, dass man den Pharao als Herrn des Landes und Gott zugleich verehrt wird. Bei diesem weisen Herrscher keimte die Erkenntnis zuerst, dass alle Götter ein Nichts sind und dass alles nur von einem einzigen Gott erschaffen werden konnte. Und auch nur von diesem einen Gott beherrscht wird.“
„Unmöglich ... unsere Schriften sagen ...", flüsterte Ruben.
„Als das Symbol für diesen einen Gott sah der Pharao die Sonne an, für die er den Namen Aton fand. Und sich selbst nannte er deshalb Eschn-Aton - was bedeutet 'der Aton dient'. Solange dieser Pharao regierte, gab es nur einen Gott in Ägypten. Erst als Eschn-Aton gestorben war, wurden die Priester des Amun-Re und der anderen Götter übermächtig und die alten Kulte wurden durch den neuen Pharao Tut-Ankh-Amun wieder eingeführt. Aber die Lehre von dem einen Gott wurde unter einem geheimen Kreis weiser Männer gehütet und bis auf den heutigen Tag weitergegeben.“
„Aber unser Gesetzgeber Moses ...!", brachte der Junge hervor. Sein ganzes religiöses Weltbild schien mit den Worten des Ägypters ins Wanken zu kommen.
„Von diesem Moses wissen wir, dass er als Sohn des Pharaos Sethos aufwuchs. Ob er tatsächlich sein Sohn oder ein Findelkind war, das Prinzessin Baket-Amon aufgenommen hatte, wissen wir nicht. Dieser Moses, der damals noch unter dem Namen Thut-Moses bekannt war, hatte als königlicher Prinz die größten Gelehrten als Erzieher. Und unter ihnen waren auch Eingeweihte des Aton-Kults, die Thut-Moses in ihren Kreis aufnahmen.
Ich habe zufällig in dem Schriften, die den Brand der großen Bibliothek von Alexandria überstanden haben, einen Papyrus gefunden, auf dem geschrieben steht, dass nach dem Tod des Sethos Ramses als der zweite seines Namens Pharao wurde und alle seine Brüder, die ihm vielleicht bei seiner Herrschaft gefährlich werden konnten, töten lassen wollte. Deshalb floh Thut-Moses ins Nil-Delta und verbündete sich mit Sklaven, deren Väter Generationen vorher aus einem Land namens Kanaan eingewandert worden waren. Mit diesen ist er aus Ägypten entflohen und sicher irgendwo in der Wüste verschollen.“
„Unsere Schriften sagen, dass der Pharao mit seiner gesamten Streitmacht ihnen auf Streitwagen nachjagte und sie am Ufer des Roten Meeres stellte ...!" Ruben brachte es fast trotzig hervor.
„Ich habe davon gelesen!", schmunzelte der Ägypter. "Еin schöner, spannender Roman. Im letzten Moment kann Moses durch die Allmacht seines Gottes das Meer teilen und das Volk zieht hindurch. Als die Streitwagen der Ägypter hinterher fahren, flutet das Meer zurück und die gesamte Heeresmacht des Pharaos wird ertränkt."
"Ja, so steht es in unseren heiligen Schriften ..." Rubens Stimme wurde unsicher und brach ab, als er Khas-pars Lächeln sah.
"Was für ein Ammenmärchen", hörte der Junge dann die Stimme des Fremden vom Kamel herab. "Niemand in Ägypten, am allerwenigsten Pharao Ramses, hatte damals Zeit, sich um das Verschwinden von einigen Hundert Sklaven Gedanken zu machen. Der Krieg mit den Hethitern, der dann in der Schlacht von Kadesch entschieden wurde, war viel wichtiger. Und obwohl wir Ägypter natürlich hauptsächlich unsere Ruhmestaten niederschreiben - der Tod der gesamten Heeresmacht im Roten Meer wäre ganz sicher irgendwo niedergeschrieben worden. Doch so sehr ich alle Schriften unseres Volkes studiert habe, nie habe ich einen Hinweis darüber gefunden, dass die Streitwagen des Ramses, die nachweislich die Schlacht von Kadesch entschieden haben, im Roten Meer ertränkt worden sind.
„Behaltet weitere Erklärungen der alten Schriften erst einmal für euch, werter Khas-par. Es gibt sicher zu einer anderen Zeit Gelegenheit, diesen Jungen zu belehren. Vorerst einmal soll er und zum Tempel führen." unterbrach ihn Belsazar, der Babylonier.
„Die Priester dort verfügen sicher über mehr Wissen als dieser Knabe. Und wenn wir dort keine Antwort finden, werter Khas-par, dann mag er uns in diesen Ort mit dem unaussprechlichen Namen führen." setzte Melk-hior von Tyros hinzu.
***
„Hab Mut, Maria. Da hinten siehst du bereits die Dächer von Bethlehem." brummte der hochgewachsene Mann mit dem einfach geschnittenen braunen Leinengewand, dem langen, sich bis auf die Schultern herab kräuselndem braunen Haar und dem kräftigen Vollbart. "Im Haus meines Vaters, in dem jetzt mein jüngerer Bruder der Hausherr ist, werden wir sicher unterkommen und du kannst deine Stunde erwarten!", setzte er hinzu.
Mit der Rechten stützte er sich auf einen mannshohen Krummstab, der in geübten Händen auch als gefährliche Waffe dienen kann. Mit der Linken zog er an einem Hanfseil den Esel hinter sich her. Auf dem Sattel des Tieres hockte eine Frau in einem Kleid aus weißem Leinen. Ihre schmerzverzerrten Züge wurden durch einen Schleier aus himmelblauem Byssus verdeckt.
Kein Zweifel, diese Frau stand kurz vor der Niederkunft.
Yosep bar Jakob wurde in seinem Heimatort Nazareth in der griechischen Form seines Namens Josef gerufen, weil der Name Yosep dort so allgemein war wie Judas oder Simon und selbst der Hinweis auf einen Vater namens Jakob zu Verwechslungen führen konnte. Und deshalb war es nicht verwunderlich, dass Josefs Frau Mariamne ihren Namen ebenfalls in die griechische Form Maria wechselte.
Josef war in Bethlehem geboren worden und hatte von seinem Vater das Handwerk des Zimmermanns erlernt. Da der kleine Ort jedoch nur einen Zimmermann ernährte und der Vater auch so genug Mühe hatte, die vielköpfige Familie durchzubringen, war Josef trotz seiner Erstgeburt und dem Anspruch auf das Erbe der Werkstatt in die Welt hinaus gegangen.
Im Hafen von Joppe trat Josef auf einem phönizischen Segler die Stelle eines Schiffszimmermanns an. Und fast zwanzig Jahre war Josef zur See gefahren. Auf phönizischen und griechischen Handelsschiffen oder auf römischen Galeeren hatte der fast die gesamte bekannte Welt gesehen. Selbst in Rom war Josef gewesen und hatte dort während eines Wagenrennens im Cirkus selbst den Cäsar Augustus sehen können.
Obwohl Josef stets dem Glauben seiner Väter treu blieb hatte, hatte der langjährige Kontakt mit anderen Völkern und Kulturen die Starrheit und Engstirnigkeit seiner Glaubensgenossen von ihm genommen.
Seinem durch alle die Dinge, die er gesehen oder erlebt hatte, erweitertem Geist wollte es nicht logisch erscheinen, dass Gott, der Allmächtige, der Schöpfer und Herr eines Universums, das sich bis zum Ende des Sternenscheins und noch weiter erstreckte, lediglich ein einziges kleines Volk zu seinem Dienst auserwählt hatte. Ein Volk, das nicht nur über die Jahrhunderte hinweg sündig war, sondern dass auch immer wieder von Fremden unterjocht wurde.
Warum sollte Adonai, der Herr, ausgerechnet dieses Volk auserwählt haben, währen er den Rest der Welt in aller Pracht und Herrlichkeit in die Tiefen des Abgrundes verdammte. Hinab in die Schwefelklüfte der Hölle, wo Luzifer, der gefallene und von Gott in die Tiefen geschmetterte Engel. Luzifer, der dort in unheiliger Majestät thront und mit Abbadon und Satanas über die unreinen Geister und das Heer der Verdammten gebietet.
Nach der Lehre der Rabbiner und der Überlieferung der Schrift konnte niemand nach seinem Tod in die Seligkeit des Herrn eingehen, der nicht dem auserwählten Volk Israels angehörte.
Der Rest der Welt, alle Völker und Stämme, hatten selbst dann, wenn auch sie den Gott Israels als ihren einzigen Gott anerkennen würden, niemals die Möglichkeit, die Herrlichkeit des Himmelreiches zu erschauen.
Und dies war es, was in Josefs Denken über die Lehren und schriftlichen Überlieferungen seines Volkes Zweifel senkte.
War konnten alle die Menschen rund um den Erdkreis dafür, dass sie nie etwas von Jahwe gehört hatten, sondern den Jupiter des Kapitols, den olympischen Zeus, den Amun-Re Ägyptens oder den Baal Melkart von Karthago anbeteten.
Denn auch wenn diese Völker durch den Kontakt mit den Juden von Jahwe gehört hatten und an ihn glauben wollten - sie gehörten nicht dem Volk an, dass der Schrift nach das Auserwählte war. Also war es ihnen nach der Lehre der Rabbiner verwehrt, nach ihrem Tode in die Seligkeit des Herrn einzuziehen.
Und was war mit den Barbaren des Nordens? Mit den Galliern, die an Götter wie Belenus und Teutates glaubten. Oder jenes Volk in den Nebeln des Nordens, die an einen grauen Wanderer namens Wuothin und an Thuonar, den Gott des Donners und des Blitzes glaubten?
War dieser Gott, an Josef bar Jakob glaubte, so grausam, dass er alle Völker und Menschen verdammte, die nicht dem Volk angehörten, das einst am Berg Horeb die Gesetze empfangen hatte oder niemals die Möglichkeit hatten, von diesem Gott zu hören? Sagten nicht die Psalmen und die Propheten, dass Gott nicht nur ein gnadenloser Richter, sondern auch das Erbarmen und die Gnade war?
Da Josef auf seinen Reisen fließend griechisch und auch ein wenig Latein hatte sprechen lernen, konnte er auf der Agora von Athen mit Philosophen reden. Als Antwort auf diese Frage führten ihn die weisen Männer von der Stoa des Attalos auf den Areopag vor einen Altar, der einem unbekannten Gott geweiht war.
Ein unbekannter Gott? Ohne jedes weitere Wort aus den Philosophien des Plato dämmerte Josef eine neue Erkenntnis. Gedanken wurden wach, die sich zwar mit den klaren Gedanken eines aufgeklärten Menschen, nicht jedoch mit der Engstirnigkeit seiner eigenen, am Buchstaben klebenden Rabbiner-Lehre vereinbaren ließ.
Der Altar des unbekannten Gottes stand nicht in einem Tempel, sondern in einem Hain unter Pinien. Gelegentlich kamen Menschen, die ihre Hand auf diesen Altar legten. Verwundert nahm Josef zur Kenntnis, dass kein Blut eines Opfertieres fließen musste und niemand da war, der Bezahlung fr die Anbetung dieses Gottes forderte. Die Menschen sahen einfach hinauf in den Himmel und ihre Lippen sprachen Gebete, die an keinen Josef bekannten Ritus gebunden waren. Es waren Worte, wie sie ein Kind zu seinem Vater spricht.
Worte und Gebete zum Vater aller Menschen. Zu dem, der alles geschaffen hat und alles erhält. Von dem der Mensch ausgesandt wird und zu dem er einst zurück gehen wird.
Gott - der Vater allen Lebens.
Und die Worte des Philosophen, der ihn zu diesem Altar des unbekannten Gottes führte, bewahrte Josef stets in seinem Herzen.
Denn diese Worte waren wie ein Gebet ...
Unser Vater, der du dort bist in den Himmeln ... Heilig ist dein unbekannter Name ... Dein Wille geschehe überall wie das Gebot eines Königs ... überall in den Himmeln und auf unserer Erde. Gib uns jeden Tag das Brot, das Wasser und alle Dinge, deren wir zum Leben bedürfen. Und verzeih uns, wenn wir dich durch Gedanken, Worte oder Werke beleidigt haben. Amen - ja, so sei es ...
Aber zu welchem unbekannten Gott stiegen diese Gebete empor? Und in Josefs Innerem keimten Gedanken, die in seinem eigenen Land seine Lippen nicht formen durften. Denn sie galten als Lästerung des Allerhöchsten. Schon Gedanken dieser Art galten als Blasphemie. Wagte es jemand, sie auszusprechen, dann hob das Volk Steine auf, um das grausame Gesetz zu vollziehen, das angeblich der Herr durch Moses gegeben hatte.
Nach jüdischer Vorstellung waren Josefs Gedanken an die Philosophie von Gott als Vater aller Menschen reine Gotteslästerung. Und doch - diese Gedanken waren die einzige Lösung, den großen Plan der Vollendung, den Gott bereits bei seiner Schöpfung hatte, zu erahnen. Dass alle Menschen Brüder waren. Und - dass sie sich wie Brüder lieben sollten.
Dieser unbekannte Gott auf dem Areopag von Athen, ein einziger Gott für alle Völker und Rassen, konnte das nicht der gleiche Gott sein, der sich seinem auserwählten Volk im brennenden Dornbusch vom Sinai offenbart hatte?
Mussten die Völker dieser Welt vielleicht auf den gesegneten Tag warten, am dem der ganzen Menschheit ein neuer Moses geboren wurde, der diesen unbekannten Gott aller Welt nahe brachte?
Und wenn dieser Gott nun mit Adonai, dem Herrn mit dem Namen 'Ich bin, der ich bin', identisch war. Mit jener gnadenlosen und eifersüchtigen Gottheit, die jeden Frevel der Väter gegen sich und seinen Namen nach den Worten der Schrift an den Söhnen bis in die dritte Generation rächte. Und der nur einen Tempel hatte. Den Tempel von Jerusalem, den Herodes neu errichten ließ.
Wenn einst dieser neue Moses kam, war er dann nicht nur der erwartete Lehrer aller Völker, sondern auch der Messias der Juden? Für Josefs klar denkenden Verstand war es logisch, dass nur der Messias, der nach den heiligen Schriften aus dem Judenvolk hervor ging, einstmals der ganzen Welt lehren würde, dass der Herr, der Gott, ein Einziger war?
Josef verbarg diese Gedanken tief in seinem Inneren. Nach jüdischem Gesetz war es im verboten, so etwas auch nur zu denken. Nicht einmal mit Maria, seinem angetrauten Weib, hatte er bisher darüber gesprochen.
Als Josef die Vierzig überschritten hatte, geriet die Galeere, auf der er als Schiffszimmermann fuhr, vor Kreta in einen Sturm, der fast das Ende für Schiff und Besatzung bedeutet hätte. Um sein Leben zitternd schwor Josef dem Gott, der über die Elemente gebietet, künftig an Land ein gottgefälliges Leben im Land seiner Väter zu führen, wenn er dem nassen Tod noch einmal entkam.
Schwer havariert erreichte die Galeere den Hafen von Tyros, wo Josef endgültig Abschied von der See nahm. Die Jahre hatten ihm einiges Geld gebracht und mit einem Esel, der das notwendige Werkzeug trug, und einigen verborgenen Beuteln, in denen römische Dinare und griechische Drachmen klimperten, machte sich Josef auf den Weg nach Süden.
Eigentlich war sein Ziel die Heimatstadt Bethlehem. Doch irgendwie gefiel es ihm in der Landschaft und bei den Leuten in Galiläa. Als ihm zu Ohren kam, dass in Nazareth der Zimmermann gestorben war und niemand aus seiner Verwandtschaft die Werkstatt übernehmen wollte, wusste Josef bar Jakob, wo er den Rest seiner Tage verbringen wollte.
Dass er damit die richtige Entscheidung getroffen hatte, wurde ihm klar, als er zum nächsten Passahfest mit einigen Leuten aus Nazareth nach Jerusalem pilgerte und dabei auch Bethlehem besuchte.
Es war kein freudiges Wiedersehen mit Brüdern, Schwestern und sonstigen Verwandten. Die Eltern waren bereits gestorben und für seine Brüder galt Josef, von dem man seit seiner Wanderung in die Fremde nichts mehr gehört hatte, seit Langem als tot.
Niemand in Bethlehem war sonderlich froh, den verlorenen Sohn nach Jahren wieder zu sehen. Die finsteren Mienen der Brüder wurden erst freundlicher, als Josef erklärte, trotz seinem Recht der Erstgeburt keinen Anspruch auf das Erbe der Väter zu stellen. Er hatte sich mit seinen Händen genug erarbeitet, um in Nazareth eine gesicherte Existenz zu haben.
Doch nun war Josef durch die Umstände gezwungen, Jerusalem hinter sich zu lassen und nach Bethlehem zu ziehen. Heute musste er um die Hilfe seiner Verwandten bitten. Eine Hilfe, die sie ihm leicht gewähren konnten. Und außerdem hatte Josef Geld genug, um notfalls bezahlen zu können.
Eigentlich hatte Josef geplant, mit seiner Frau bis nach der Entbindung in Jerusalem zu bleiben. Dies hätte auch, falls das Kind ein Junge wurde, die Darstellung und Beschneidung im Tempel acht Tage nach der Geburt von Josefs Erstgeborenen vereinfacht.
Doch in Jerusalem hatte man ihm und Maria jede Unterkunft versagt. Weder das Angebot von Geld noch gute Worte hatten sie Eigentümer der Herbergen dazu gebracht, ihnen auch nur den kleinsten Raum zu überlassen.
Denn die Herberge, die Josef mit Maria ein Unterkommen gewährt hätte, wäre sofort alle darin weilenden Gäste los geworden. Jedenfalls die Gäste, die zum auserwählten Volk gehörten und damit zur strengen Beachtung des Gesetzes verpflichtet waren.
Denn es war klar erkennbar, dass die Frau schwanger und kurz vor der Niederkunft stand. Nach dem Gesetz des Moses aber war eine Frau in diesem Zustand unrein. Und das Haus, das sie betrat und alles, was sie berührte, wurde ebenfalls unrein.
Ein Wirt einer Herberge, der ihnen Obdach gewährte, musste damit rechnen, dass alle gesetzestreuen Juden, die bei ihm gegen entsprechende Bezahlung Unterkunft genommen, in diesem Fall sofort sein Haus verließen. Sie mussten es tun, um nicht ebenfalls unrein zu werden.
Diese 'Reinheit vor dem Gesetz' war gerade heute von besonderer Bedeutung. Denn es der Vorabend des Sabbats. Also ließ man den Mann und seine Frau draußen vor der Tür.
Erbarmen, Menschlichkeit und Mitgefühl sah das starre Gesetz, das Moses dem Volk einst gegeben hatte, nicht vor. Seit Generationen wurde es gehalten und nicht in Zweifel gezogen.
Wollte Josef das Kind, dass Maria unter dem Herzen trug, nicht unter freiem Himmel zur Welt kommen lassen, musste er nach Bethlehem und notfalls sein Recht als Erstgeborener am Haus seiner Väter durchsetzen. Dann konnte er den Bruder, der jetzt darin wohnte, zwingen, ihm Obdach zu gewähren.
Josef hörte Marias unterdrücktes Stöhnen und hielt den Esel einen kurzen Augenblick an. Er ging zu seiner Frau, schob den blauen Schleier etwas zur Seite und sah in ihr schmales, schmerzverzerrtes, von nussbraunem Haar umwalltes schmales Gesicht, aus dem ihn zwei braune Augen hilfeflehend anblickten. Josef streichelte Marias Wangen und küsste sie auf den Mund.
„Durchhalten, meine Liebe!", flüsterte er. "Bald haben wir es geschafft. Dann wirst du ein weiches Bett haben, indem dein Kind ... unser Kind ... zur Welt kommen kann.“
„Ein Kind ... ein Kind Gottes ... der Sohn Gottes ...!", gab Maria leise zurück.
Josef biss sich in die Lippen. Da war es wieder. Nicht ihr Kind - nicht sein Sohn - sondern der Sohn Gottes werde es sein, der geboren wurde. Das waren Marias Worte. Allerdings hatte sie diese nicht einmal ihren Eltern Joakim und Anna geoffenbart, sondern nur Josef, ihrem Ehemann. Wäre es in die Öffentlichkeit gedrungen, hätte man Maria schon wegen Gotteslästerung gesteinigt.
Das Kind, das sie unter dem Herzen trug, sollt der Sohn Gottes sein. So habe es ihr ein Engel des Herrn verkündet. Das hatte sie Josef wissen lassen.
Immer wieder, wenn Josef zu verdrängen versuchte, dass das ungeborene Leben in Marias Leib nicht von ihm gezeugt sein konnte und er zwar nicht der Erzeuger, aber ganz gewiss die Pflichten eines Vaters übernahm, erklärte Maria, dass sie dieses Kind mit dem Willen und dem ewigen Ratschluss der Allerhöchsten zur Welt bringen würde.
Ein Sohn Gottes - d e r Sohn Gottes - würde es sein. Und es war die Pflicht des Zimmermanns aus Nazareth, der Nährvater dieses Kindes zu sein, das nach Marias Worten der Geist Gottes in ihr hatte entstehen lassen.
Für den Zimmermann von Nazareth war ein Schock, als ihm seine Verlobte Maria offenbart hatte, dass sie ein Kind erwartete.
Ein Kind, an dem Josef keinen Anteil hatte ...
***
Maria sah den Zweifel in den Augen ihres nach dem Gesetz angetrauten Mannes. Aber sie wagte in diesem Augenblick nicht, etwas zu sagen oder zu erklären. Vielleicht wollte Josef ihr ja glauben. Aber konnte der klar denkende Geist eines einfachen Handwerkers das Geheimnis, das Maria in ihrem Inneren trug, überhaupt fassen? Was ihm Maria von der Erscheinung eines Engels erzählt hatte, war viel zu fantastisch, als dass es vom einfachen, aber logisch denkenden Verstand Josefs geglaubt werden konnte.
Obwohl die Schriften immer wieder besagen, dass Gott seine Engel als Boten zu den Sterblichen schickt, war es für einen Menschen mit normalem Begriffsvermögen einfach undenkbar, dass ein solcher Engel ausgerechnet bei der Tochter von Anna und Joakim in Nazareth erschienen war. Und noch unbegreiflicher war es, dass dieser Engel ausgerechnet Maria, die bereits mit dem Zimmermann verlobt war, verkündete, dass sie ausersehen sei, dem Sohn Gottes das Leben zu schenken.
Was hatte sie, Maria, ein einfaches Mädchen vom Land, trotz aller Frömmigkeit und Gottesfürchtigkeit an sich, dass ihr dieses hohe Amt von Gott selbst bestimmt war. Was brachte Gott dazu, ausgerechnet die Kinder armer Leute aus dem unbedeutenden Dorf Nazareth auszuwählen, die Mutter seines Sohnes zu werden.
Und dass es ein Engel gewesen war, der ihr damals erschien, daran zweifelte Maria keinen Moment ...
***
Nazareth - neun Monate früher ...
Eine der Ziegen, die ihre Eltern besaßen, war aus dem Stall entwischt und in den Hügeln, die Nazareth umgaben, verschwunden. Und jetzt war Maria alleine unterwegs, um diese Ziege zu suchen.
Laut den Namen des Tieres rufend, entfernte sich Maria immer weiter vom Dorf. Nach wenigen Stadien kam sie zu einem kleinen See, an dem die Straße nach Magdala vorbei führte. Maria war durstig und hier gab es die Möglichkeit, sich zu erfrischen. Zumal auch anzunehmen war, dass sich die Ziege in der Nähe des Wassers aufhielt. Denn hier gab es im Gegensatz zu der wüstenartigen Umgebung von Nazareth genügend Gras und Schilf zu fressen.
Maria nahm die Kürbisschale, die an dem ihr Gewand um die Hüften raffenden Gürtel hing. Entschlossen schob sie das mannshohe Schilf um Ufer beiseite und ging vorwärts, bis das Wasser des Sees zu ihren Füßen plätscherte und die Riemen ihrer Sandalen nass wurden. Maria beugte sich hinab, schöpfte Wasser und trank in durstigen Zügen.
Das Pferd, das ungefähr zwei Steinwürfe entfernt im Schilf stand und nach hartem Ritt ausruhte, hatte Maria nicht bemerkt. Und auch nicht die Gestalt, die plötzlich hinter ihr auftauchte ...
***
Marcus Petronius hatte seinen Ritt von Cäsarea in Richtung Kapharnaum hier unterbrochen, weil das Pferd dringend eine Rast brauchte. Auch wenn der schriftliche Auftrag des Cäsar Augustus, der ihm vom Hafenkommandanten übergeben worden war, große Eile verlangte - wenn Petronius den Gaul zuschanden ritt, war niemandem gedient. Hier in dieser von allen Göttern verlassenen Gegend ein Pferd zu finden war unmöglich. Hier gab es nur Esel oder notfalls Kamele. Und die nächste römische Garnison, wo Pferde zu finden waren, lag einige Tagesreisen zu Fuß entfernt. Also war es notwendig, das Pferd zu schonen und ihm die notwendigen Ruhepausen zu geben.
Nach dem, was Petronius über den Inhalt der Nachricht in Erfahrung gebracht hatte, war es auch nicht unbedingt erforderlich, dass der römische Prokurator von Galiläa den Befehl des Augustus sofort erhielt. Die Ausführung dieses Befehls lag ohnehin eigentlich in den Händen des Herodes, den der Cäsar ja als König von Roms Gnaden über Judäa, Samaria und Galiläa regieren ließ. Nach offizieller Politik sollten ihm die Römer nur etwas mit ihrer ausgeklügelten Verwaltung helfen. Und seine Aktionen notfalls militärisch unterstützen.
Marcus Petronius hatte schon gehört, dass Publius Sulpicius Quirinius, der in Syrien Prokurator war und seinen Amtssitz in Damaskus hatte, von Sidon aus bereits per Boten informiert worden war. Vielleicht war der Prokurator von Kapharnaum schon über die neue Steuerschätzung informiert, die Augustus in diesem Teil des Imperiums angeordnet hatte.
In Rom hatten die Logothegen des Augustus festgestellt, dass die Steuereinnahmen aus Judäa nicht der Höhe entsprachen, die man in Rom errechnet hatte. Eigentlich sprach man hier nicht von Steuern, weil ja nur Herodes als König Steuern einziehen konnte. Judäa, Samaria und Galiläa waren keine römischen Provinzen im eigentlichen Sinn, die dem Senat oder dem Kaiser selbst unterstand.
Dennoch ging der Löwenanteil des Geldes, das Herodes aus dem Volk heraus holte, an den Adler von Rom - und im Volk machte man nicht viel Unterschied von der Zahlung einer Vergütung für die Einhaltung des römischen Friedens und Steuern, die Rom sonst aus seinen Provinzen presste. Für das Volk von Judäa war Herodes ein aufgezwungener Fremdherrscher und die Römer die eigentliche Besatzungsmacht.
Dies hatten die Juden besonders gezeigt, als sich vor einigen Jahren das Volk gegen Herodes und seinen römischen Вerater Sabines erhoben hatte. Der Aufstand brach beim Fest Pentekoste in Jerusalem aus. Die in der Stadt stationierte und von Sabines befehligte römische Legion geriet trotz ihrer Kampfkraft in größte Gefahr, weil auch sehr viel Volk aus Galiläa und Idumäa zur Feier des Festes in Jerusalem weilten. In rasender Eile dehnte sich der Aufstand auf ganz Judäa aus und es fanden sich viele Anführer der Freiheitskämpfer, die früher im Land gefürchtete Räuber waren.
Von Sabinus gerufen rückte Publius Quinctilius Varus, der seinerzeit Prokurator von Syrien war, mit zwei Legionen, vier Alen Reiterei und allen Hilfstruppen der verbündeten Könige und Tetrarchen in Judäa ein. Als die Legionen des Varus nach Damaskus zurückzogen, waren die Aufstände niedergeschlagen und um die Mauern von Jerusalem starben fünftausend Juden als abschreckendes Beispiel am Kreuz. Drei Tage gellten ihre Schmerzens- und Todesschreie in die Stadt. Und das Volk betete, das der Messias endlich kommen möge, um sie von dem drückenden Joch der römischen Herrschaft zu befreien.
Im Sprachgebrauch der römischen Verwaltung wurde Judäa selbstverständlich auch als Provinz geführt. Und weil diese Provinz wie auch das wilde Germanien als besonders unsicher und gefährdet galt, unterstand ihre Verwaltung nicht dem Senat von Rom, sondern dem Kaiser selbst. Das bedeutete, dass Augustus selbstverständlich auch alle Einnahmen aus diesen unsicheren Provinzen in die eigene Tasche stecken konnte.
Wer wollte es dem Cäsar verdenken, wenn er da ein besonderes Augenmerk darauf verwandte, dass in diesen Provinzen die Steuern nicht nur regelmäßig, sondern auch in voller Höhe entrichtet wurden. Zumal die Niederschlagung des jüdischen Aufstandes immense Kosten verursacht hatte.
Der letzte Census in dieser Gegend von Palästina lag schon einige Zeit zurück. Es war dringend notwendig, dass jeder der Bewohner nach Stand und Einkommen neu registriert und nach seiner Steuerfähigkeit geschätzt wurde. Und mit der Ausfertigung eines solchen Befehls, ausgestellt und gesiegelt von Augustus selbst, war Marcus Petronius unterwegs, als er am Ufer des Sees ein Mädchen erblickte, dass in ihrer Erscheinung eine Mischung zwischen Diana, der jungfräulichen Göttin der Jagd und Venus, die aus dem Schaum des Meeres geborene Göttin der Schönheit war.
Sie war höchstens vierzehn und Petronius sah, wie sie sich, nachdem sie einige Schlucke aus der Kürbisschale getrunken hatte, nach allen Seiten umsah und dann mit zwei, drei kurzen Bewegungen ihr einfach geschnittenes Gewand abstreifte. Der Römer verstand nur zu gut. Ein kühles Bad in der Hitze des Tages war nicht zu verachten.
Obwohl Petronius eben mit Wasser gemischten Wein getrunken hatte, wurde sein Gaumen trocken, als er die grazile Gestalt des Mädchens nackt wie am Tage ihrer Geburt ins Wasser des Sees gleiten sah. Er wäre kein Mann gewesen, wenn das keine Gefühle in ihm hochgekocht wären.
Keine Frage, dieses Mädchen musste er haben.
Doch Marcus Petronius schien es wie eine Entweihung der personifizierten göttlichen Schönheit, sich hier sein männliches Begehren mit Gewalt zu nehmen. Zumal man eine Vergewaltigung in der römischen Legion außer in Kriegszeiten hart und unnachsichtig bestrafte, wenn sie bewiesen wurde.
Zwar war Marcus Petronius als römischer Patrizier im Rang eines Kriegstribunen und damit vor einer Bestrafung durch Auspeitschung sicher. Doch die Sache konnte seine unehrenhafte Entlassung aus der Legion zur Folge haben. Und damit brachte er nicht nur Schande über die in Rom wohl angesehene Familie der Petronier, sondern ihm war dann auch die weitere Ämterlaufbahn verwehrt, die ihm in Rom aufgrund seiner Herkunft als Patrizier aus einer der ersten Familien offen stand.
Marcus Petronius musste es geschickt anfangen und das Mädchen mit List überreden, ihm freiwillig zu geben, was er wollte. Dabei kam dem Römer zugute, dass er sich mit den Mythen und Legenden des Judenvolkes etwas beschäftigt hatte. Und natürlich auch, dass er Aramäisch, die allgemeine Umgangssprache bei den Juden, ganz leidlich redete.
Geschickt achtete Marcus Petronius drauf, dass er die Sonne im Rücken hatte. Rasch war der störende Brustpanzer abgeschnallt und raschelte mit dem Waffengurt neben dem Helm ins Gras. Nun trug Petronius nur seine blendend weiße Tunika und den weißen Mantel, der ihn bei seinem Ritt als Boten des Kaisers auswies.
Maria erschrak, als sie ans Ufer kam und die von den blendenden Strahlen der Sonne umflossene helle Gestalt in der weißen Kleidung sah. Mit den Händen versuchte sie, ihre Blöße zu bedecken.
„Gegrüßet seist du, über die Gott volle Gnade sendet." hörte das Mädchen eine melodische Stimme. "Du bist vom Herrn auserwählt unter allen Frauen.“
„Wer bist du?" Mehr brachte Maria nicht hervor.
„Fürchte dich nicht. Ich bin Gabriel, ein Engel Gottes und sein Bote!" Gut, dass Petronius so oft den Erzählungen der Rabbiner gelauscht hatte und die ihrerseits froh waren, dass sich endlich mal ein Römer für ihren Glauben interessierte. Auf diese Art konnte man bei der Besatzungsmacht vielleicht etwas Verständnis für die Bräuche des jüdischen Volkes bekommen. Auf diese Weise hatte er von dem Engelfürsten Gabriel gehört, den der Judengott als seinen persönlichen Boten aussandte.
Deshalb hatte sich Marcus Petronius als der Engel Gabriel vorgestellt. Und das dumme, unwissende Gänschen vor ihm fiel auf diese plumpe Täuschung rein.
„Und was ist es, dass der Herr seiner Magd sagen lässt?" Marias Stimme war jetzt nicht mehr ängstlich. Ohne weitere Fragen zu stellen, akzeptierte sie einfach, dass Gott seinen Boten zu ihr geschickt hatte. Von Besuchen eines Engels als Bote des Herrn wurde in den heiligen Schriften oft berichtet. Warum sollte das nicht auch heute geschehen.
„Du wirst empfangen und ein Kind gebären", sagte die Stimme des Еngels. "Und er wird der Sohn des Allerhöchsten genannt werden. Dein Kind - wird der Sohn Gottes - der Messias! Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben und er wird herrschen über das Haus Jakob. Und seines Reiches wird kein Ende sein!"
Marcus Petronius wunderte sich über sich selbst, wie glatt ihm diese Worte in der ihm eigentlich fremden Sprache über die Lippen gingen. In der Miene des Mädchens war nicht zu erkennen, dass sie auch nur ein einziges seiner Worten anzweifelt.
Für Maria war es ein Engel, der vor ihr stand. Und so lange Leben in ihr war, niemals würde sie daran zweifeln, dann an diesem Tag am See der Bote des allmächtigen Gottes zu ihr gesprochen hatte. Und dass er danach nach dem Willen Adonais an ihr getan hatte, was getan werden musste.
Denn ein Engel, das wusste Maria, war ein Teil des Geistes Gottes. Und Gott sprach nicht nur durch die Engel - er handelte auch durch sie.
„Aber wie soll das geschehen?", fragte Maria nach einer Weile." Мan hat mir gesagt, dass ein Mann und eine Frau alleine zusammen sein müssen, wenn sie sich von Gott ein Kind wünschen. Ich bin zwar seit drei Tagen mit dem Zimmermann in Nazareth verlobt, aber nach dem Brauch unseres Volkes werden wir vor der Hochzeit nicht alleine sein.“
„Glaube nur, dass das, was jetzt geschieht, von Gott dem Allmächtigen kommt." Marcus Petronius ließ seine Stimme zu einem Flüstern herab sinken, während seine Hände um die Hüften des Mädchens glitten. Dieses unwissende Ding hatte keine, aber auch nicht die leiseste Ahnung, was zu tun war, damit einem Kind das Leben gegeben wurde. Und das kam ihm nur allzu gelegen. Das dumme Gänschen würde auch später überall beschwören, dass es ein Engel war, der im Auftrage Gottes die Zierde der Jungfräulichkeit von ihr genommen hatte. Ihn, einen römischen Kriegstribunen, würde niemand verdächtigen oder gar beschuldigen.
Ohne Gegenwehr ließ sich der Körper des nackten Mädchens ins Schilf legen. Auf ihrer Haut funkelten die Wassertropfen im Licht der Sonne wie Diamanten.
„Der Geist Gottes wird jetzt über dich kommen und die Kraft des Allerhöchsten wird dich überschatten", hörte Maria die Stimme des Engels in ihrem Ohr. "Deshalb wird das Heilige, was aus dir geboren wird, der Sohn Gottes sein.“
Und als Marcus Petronius in sie eindrang, verlor Maria das Bewusstsein ...
***