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Der Frieden des Wunderwaldes, dem Reich der Elfen und Fabelwesen, ist bedrohter denn je. Auch die Jagd nach der Kristallrose, dem heiligen Schatz des Wunderwaldes, und der Kampf zwischen Göttern und Menschen, Elfen, Riesen und Zwergen gehen weiter.
List und Tücke, Verrat und Niedertracht nehmen dabei Ausmaße an, dass keiner mehr dem anderen traut, auch wenn sich im Laufe der Zeit Allianzen gebildet haben, den heiligen Schatz zu schützen oder zu erbeuten …
Auf der Straße der Götter gelangen die Suchenden ins Schattenreich, wo niemand, der nicht dorthin gehört, ein gern gesehener Besucher ist. Die Mächte, die dort beheimatet sind, kennen keine Gnade mit den Eindringlingen.
Wie ergeht es Sina und ihren Freunden sowie dem kleinen Drachen Thaluga?
Gelingt es den Suchenden die Kristallrose zu erbeuten? Wenn ja, wer wird es sein? Wer geht als Sieger aus all den Kämpfen hervor? Eins ist gewiss: Nicht alle werden am Ende überleben …
Taucht ein in dieses wunderbare Lese-Abenteuer, das euch atemberaubende Spannung schenkt!
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Rolf Michael
Ein Abenteuer
mit Schwert und Magie
Band 3
Weg ins Schattenreich
Fantasy-Saga
Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv
Cover: © Steve Mayer nach Motiven, 2023
Karte der »Straße der Götter« © Dr. Helmut W. Pesch
Korrektorat: Christian Dörge
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten
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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Weg ins Schattenreich
Die Karte der Straße der Götter
1. Die Höhlen des Schattenreichs
2. Jäger und Gejagte
3. Gefangen in den Schreckenskammern
4. Das Purpurgemach
5. List ist ein scharfes Schwert …
6. Im Herzen des Orthos
7. Kampf um den Wunderwald
8. Die Wolken zerbersten …
9. Alles für die Katz …
Eine kleine Auswahl der Romane von Rolf Michael, die bereits erhältlich sind oder sich in Vorbereitung befinden
Der Frieden des Wunderwaldes, dem Reich der Elfen und Fabelwesen, ist bedrohter denn je. Auch die Jagd nach der Kristallrose, dem heiligen Schatz des Wunderwaldes, und der Kampf zwischen Göttern und Menschen, Elfen, Riesen und Zwergen gehen weiter.
List und Tücke, Verrat und Niedertracht nehmen dabei Ausmaße an, dass keiner mehr dem anderen traut, auch wenn sich im Laufe der Zeit Allianzen gebildet haben, den heiligen Schatz zu schützen oder zu erbeuten …
Auf der Straße der Götter gelangen die Suchenden ins Schattenreich, wo niemand, der nicht dorthin gehört, ein gern gesehener Besucher ist. Die Mächte, die dort beheimatet sind, kennen keine Gnade mit den Eindringlingen.
Wie ergeht es Sina und ihren Freunden sowie dem kleinen Drachen Thaluga?
Gelingt es den Suchenden die Kristallrose zu erbeuten? Wenn ja, wer wird es sein? Wer geht als Sieger aus all den Kämpfen hervor? Eins ist gewiss: Nicht alle werden am Ende überleben …
Taucht ein in dieses wunderbare Lese-Abenteuer, das euch atemberaubende Spannung schenkt!
***
»Da hinten – das muss einer der Eingänge sein!«, zischte Sina Wulo zu. Mit katzenhafter Bewegung nahm sie Deckung hinter einem mannshohen Basaltblock, auf dem grüngelber Schwefel abgelagert war. Vor ihnen gähnte ein schwarzer Felsspalt in der Form eines aufgerissenen Rachens. Undeutlich waren zwei graue Gestalten zu erkennen, die ihre Lanzen in ständiger Bereitschaft eines Angriffs hielten. Unmöglich, bis zum Eingang zu kommen und die beiden Wächter zu besiegen. Sie gaben sicher sofort Alarm.
»Und wie kommen wir jetzt hinein?«, fragte Sina den Schrat.
»Was fragst du mich?«, kam es mürrisch zurück. »Du bist doch die Diebin. Ich soll dir nur beistehen, wenn etwas Zauberei nötig ist!«
»Dann mach einen Zauber, durch den ich hineinkomme!«, drängte Sina. »Wenn die Wächter Verdacht schöpfen, dann ist es zu spät!«
»Und was schlägst du vor?« Die Stimme des Schrats klang weinerlich. »Das ist gar nicht so einfach mit der Magie. Mache ich wirklich von meinen Kräften Gebrauch, dann spüren die Götter des Orthos, dass etwas nicht stimmt und sind alarmiert. Ich muss also vorsichtig sein mit dem, was ich tue!«
»Verwandle mich in eine der Wächtergestalten!«, verlangte Sina. »Dann spaziere ich einfach an den Wächtern vorbei!«
»Natürlich! Ganz einfach!«, quäkte der Schrat leise. »Und damit hätten wir schon eine Zauberei, die so stark sein muss, dass man sie verspürt. Du bist von diesen unheimlichen Wesen innerlich wie äußerlich grundlegend verschieden. Eine Umwandlung deines Körpers, sei es auch nur für wenige Augenblicke, setzt Kraftströmungen frei, die von den Göttern wahrgenommen werden. Sei sicher, dass mindestens Assassina, die Göttin der Mörder und Attentäter, es verspürt, wenn dem Orthos Gefahr droht. Für diese Dinge hat sie, wie ihre Gläubigen und Jünger, ganz besondere Empfindungen. Und wenn Assassina Jagd auf uns macht, haben wir kaum eine Chance!«
»Und was sollen wir tun?« Sinas Stimme klang mutlos.
»Der Einfall mit der Verwandlung ist gar nicht schlecht!«, flüsterte Wulo zurück. »Wir müssen nur warten, bis sich eine Gelegenheit ergibt, dich in ein Wesen zu verwandeln, das dir und deinem Charakter entspricht …!«
»Ich bin eine Göttin wie jede andere und habe ein Recht darauf hinauszugehen!«, keifte eine Stimme vom Tor. »Mögen sich die anderen Götter hier in den dunklen und muffigen Gängen wohl fühlen. Ich will gelegentlich auch mal nach draußen und mich an Solmanis Sonnenscheibe erfreuen!«
»Aber Fulcors Befehl, hohe Stulta …!« Die Stimme des Wächters klang monoton wie die Geräusche eines klappernden Mühlrades.
»Auch Fulcor kann mich hier nicht einsperren!«, fiel ihm die Göttin des Unverstandes ins Wort. »Lasst mich sofort durch, oder ihr werdet feststellen, dass nicht nur die anderen Götter Macht der Zerstörung haben. Ich bin ja eigentlich lieb und nett zu jedermann. Aber ich will auch, dass man mich und meinen Willen achtet, wie es mir zukommt. Ich bin auch eine Göttin!«
»Wenn Ihr Euch nicht zu weit entfernen wollt und ganz in der Nähe bleibt, dass wir Euch beschützen können, hohe Stulta, dann werden wir Eurem Wunsch willfahren!«, klangen die Stimmen der Wächter im Chor.
»Ja, denkt ihr denn, ich will einen weiten Spaziergang machen?«, fuhr sie Stulta an. »Das geziemt sich nicht für meine Göttlichkeit. Ich will mich nur etwas hier draußen ergehen und lustwandeln!«
Die beiden Wächter präsentierten die Speere, und mit einer komisch wirkenden Grazie stolzierte die Göttin Stulta an ihnen vorbei. Sie war nicht besonders groß und hatte eine leicht mollig wirkende Figur. Ihr hochgeschlossenes Gewand schien aus allen Flicken der Stoffe zu bestehen, die jemals in dieser Welt gewebt wurden. Sie trug eine Art Haube, unter der grauschwarzes Haar strähnig hervorquoll. Ihr Gesicht strahlte eine eigenartige Güte und kindliche Neugier aus. Aber da war jener Zug von Einfalt und Unverstand, der Stulta immer zum Gespött der Orthos- Götter werden ließ. Dabei ließ sie sich mehr durch ihre Gefühle als durch ihren Verstand leiten und half den Menschen, wo sie ihnen nach dem Willen des Orthos eigentlich schaden sollte. Schon mehrfach hatte ihr Unverstand oder ihr Gerechtigkeitssinn die finsteren Pläne des Orthos zunichte gemacht. Aber Stulta war tatsächlich eine Göttin mit voller Stimme im Rat, und Fulcor wagte es nicht, sie einfach verschwinden zu lassen. Im Orthos und Olympos weiß man nur zu gut, dass die Götter gemeinsam herrschen sollen. Und deshalb musste man ständig einkalkulieren, dass Stulta mit ihrem Unverstand die Pläne des Orthos ebenso durchkreuzte wie Mano mit seinen Diebereien den Herren des Olympos manchmal mehr schadete als nutzte.
Mit betont gezierten Schritten ging Stulta auf das Lavafeld vor dem Eingang. Die Wächter hinter ihr waren Schattensklaven, die kein echtes Leben in sich hatten. Die Götter des Orthos formten sie aus zerstoßenem Basalt, der mit einer Mischung aus Schwefelharz getränkt und gefestigt wurde. Diese Masse presste man in eine Form, in der sie Konturen annahm und ließ sie dann drei Nächte unter dem Licht des bleichen Mondes trocknen und sich festigen. Dann erschien der Schatten, den jedermann im Orthos mied und der dennoch in seiner grauenhaften Majestät dazu gehörte. Der Schatten, der Tod auf dieser Welt, dessen Name auszusprechen verboten ist. Wer es wagt, den Namen des Schattens zu nennen, muss ihm folgen – denn in jeder Nennung seines Namens vernimmt der Schatten einen Ruf.
Der Schatten haucht den Sklaven, die bis dahin nur leblose Statuen aus gepresstem Basalt und Felsgestein sind, das Leben ein, das er Sterbenden genommen hat. Und so leben denn diese Wesen – doch sind sie danach nicht aus Stein. Ihre Substanz ist beweglich wie das Fleisch eines richtigen Menschen. Man könnte die Schattensklaven am besten als Wesen aus Sand bezeichnen. Verwundbar und zu töten sind sie wie Menschen – nur dass ein Schwert durch ihren Körper nicht leicht wie durch Haut und Fleisch fährt, sondern in der gepressten Sand-Substanz steckenbleiben kann.
Die Schattensklaven haben keine inneren Regungen und Gefühle und kennen nur ihre Befehle. Sie denken nicht und handeln nur in dem Rahmen, den man ihnen anweist. So wissen die Wächtersklaven, dass sie niemanden festhalten können, dessen Göttlichkeit sie verspüren.
»Da! Das ist die Gelegenheit!«, hörte Sina Wulo flüstern. »Ich habe jetzt eine Idee, wie wir unbemerkt in den Orthos kommen …!«
»Seid ihr verrückt? Was wollt ihr hier auf meinem Spielberg!«, hörte Wokat eine Stimme quietschen. Es dauerte eine Weile, bis er das seltsame Wesen im schützenden Unterholz ausfindig gemacht hatte. Gilgas Körpertarnung war perfekt, wo immer er sich befand.
Die Trolle hinter Wokat grollten und zückten ihre Waffen. Doch der Gott des Verrats gebot mit scharfer Stimme Schweigen.
Was immer das für ein seltsames Wesen war – man musste erst feststellen, ob es ihm nicht nützlich sein konnte, bevor er die Trolle darüber herfallen ließ. Die borstigen Gesellen hinter ihm erschnüffelten bereits, dass hier vor kurzem Zentauren und Schweinemenschen gewesen waren.
»Wer bist du, und wie hast du diesen Hügel genannt?«, fragte Wokat vorsichtig.
»Ich bin Gilga, genannt der Flitzer!«, rief das Raupenwesen laut. »Der schönste, beste und klügste aller Wabberflutscher!«
»Sonderbar! Von einem solchen Volk habe ich noch nie gehört!«, brummte Wokat. »Wo lebt denn dieses Volk?«
»Es steht vor dir!«, erklärte Gilga mit Würde. »Und wenn du ganz nett drum bittest, dann darfst du mit deinen Freunden auch hier auf meinem Spielberg mit mir rumtoben!«
»Wie die anderen Zentauren und Schweinemenschen, die schon vorher hier waren!«, machte Wokat einen Vorstoß.
»Die habe ich vertrieben!«, erklärte Gilga stolz. »Ich habe … ach, ihr hättet mal sehen sollen, wie die gelaufen sind!«
»Was haben sie dir denn getan?«, fragte Wokat scheinheilig.
»Weiß ich nicht mehr!«, erklärte Gilga kleinlaut. »Aber jedenfalls haben sie mich nicht liebgehabt und mir keine Küsschen gegeben. Sonst hätte ich sie vielleicht nicht nur auf meinen Spielberg gelassen, sondern ihnen auch geholfen!«
»Und wie ist es mit uns? Willst du uns helfen?«, fragte Wokat. Ein Verbündeter, der vorher Schweinemenschen und Zentauren in die Flucht geschlagen hatte, kam ihm jetzt gerade recht. Dazu kam, dass sich der Wabberflutscher offensichtlich im Wunderwald auskannte.
»Sicher helfe ich euch!«, nickte Gilga. »Wenn ihr mich alle liebhabt!«
»Und du bringst uns auf dem schnellsten Weg zur Quelle des Seins?«, fragte Wokat listig.
»Wenn ihr mir alle ein Küsschen gebt, dann mache ich das!« Gilga war erfreut.
»Nun gut!«, nickte Wokat. »Aber du musst uns auf dem schnellsten Weg zur Quelle führen. Kannst du das?«
»Ich habe schon viele Reisende durch den Wald geführt!«, beteuerte Gilga. »Ich kenne den Wald ganz genau …!«
Vom Wipfel eines hohen Baumes sah Ferrol, wie Wokat und die Trolle nacheinander das dreieckige Mäulchen des Wabberflutschers küssten. »Es klappt!«, rief er Sabor zu, als er wieder unten war. »Jetzt werden sie mit Gilga einen Spaziergang machen, der ihnen den ganzen Wald kreuz und quer zeigt. Nun müssen wir dafür sorgen, dass die Fallen klug aufgebaut werden. Es muss uns gelingen, die Trolle so lange wie möglich von der Quelle fernzuhalten. Erst wenn es Sina gelingt, die Kristallrose herzubringen, können wir kompromisslos gegen die Eindringlinge vorgehen …!«
»Ja, das ist aber ein niedliches Kätzchen!«, rief Stulta erfreut aus, als sich ein schlanker, geschmeidiger Katzenkörper mit glänzend schwarzem Fell durch die Steine schob. »Ja, komm doch her! Komm zur lieben Stulta!« Die Göttin der Einfalt ging in die Hocke und streckte vorsichtig die Hand nach der Katze aus.
»Komm! Komm! Miez – miez – miez!«, rief sie freundlich. Und die Katze kam. Sie war keineswegs ängstlich, sondern ließ sich sofort streicheln. Stulta war entzückt. So ein liebes Tierchen hatte sie sich schon lange gewünscht.
»Ja, wie heißt du denn?«, fragte Stulta und erwartete in ihrer Einfalt, dass die Katze ihr Antwort gab.
»Miau! Murr-purr! Miau!«, maunzte und schnurrte die Katze in höchsten Tönen.
»So ein liebes Kätzchen wie dich hätte ich gar zu gern!«, seufzte Stulta. »Aber du hast doch ganz sicher Angst, mit mir zu gehen, oder?« Stulta erhob sich und ging in Richtung Eingang. Sie jubelte vor Freude, als ihr die Katze mit Buckel und steil aufgestrecktem Schwanz folgte.
Noch mehr aber jubelte der Schrat, als er Sina in der Katzengestalt, die ihrem Wesen entsprach, den Weg in die Höhlen des Orthos finden sah. Für ihn war dieser Zauber keine besondere Anstrengung gewesen. Er musste nur noch die günstigste Gelegenheit abwarten, um Sina ihre Menschengestalt zurückzugeben.
Für einen Schrat gab es immer kleine Felsspalte und Risse im Gestein, durch die er in das Höhlensystem eindringen konnte.
Die Schattensklaven am Tor interessierten sich nicht für die schwarze Katze, die Stulta folgte. Und die Göttin des Unverstandes war ganz entzückt, dass ihr das Tier so brav nachschlich.
Stulta wurde wegen ihrer nicht gerade intelligenten Art von allen Orthosgöttern gemieden und spürte die Gefühlskalte, die man ihr von dort entgegenbrachte. Sie sehnte sich nach der Liebe und der Zuneigung eines lebendigen Wesens. Aber die blieb ihr verwehrt. Wo man ihr in der Straße der Götter Tempel errichtete, wurden sie kaum besucht. Die anderen Götter nahmen von ihr keine Notiz. Und die Schattensklaven, die alle Arbeiten im Orthos erledigten, hatten weder Verstand noch Gefühle. Nur einmal, als der kleine Drache Thaluga im Orthos gefangen war, glaubte Stulta, so etwas wie einen Freund gefunden zu haben.
Und nun kam da einfach ein Kätzchen, das der Göttin des Unverstandes offen seine Zuneigung zeigte. Stulta bückte sich und hob die Katze auf. Das Tier schmiegte sich vertrauensvoll an ihren Körper, schloss die Augen und begann laut und vernehmlich zu schnurren.
»Willst du bei mir bleiben?«, fragte Stulta. Das »Miau« als Antwort konnte man verschieden deuten – nicht jedoch die Art, wie sich die Katze ankuschelte.
Glücklich, nicht lange allein zu sein, trug Stulta Sina, die Katze, an den Schattensklaven vorbei.
»Ich werde dich Munzelchen nennen!«, erklärte sie. Und dann plapperte sie weiter närrisches Zeug, wie ein kleines Mädchen mit einer neuen Puppe redet. Die Katze hörte ihr zu, kuschelte sich an und gab gelegentlich in maunzenden Kommentaren ihre Meinung ab. Stulta schwebte in einem Meer von Glückseligkeit. Endlich hatte sie ein Lebewesen, das sie umschmeichelte. Ihre Kemenate in einem abliegenden Teil des Höhlensystems war zwar wie immer in einem etwas unordentlichen Zustand, doch nun warf Stulta Töpfe, Kannen und anderes Geschirr durcheinander, um geeignete Futternäpfe zu finden, während sie den Schattensklaven, die ihr zur persönlichen Bedienung angewiesen waren, den Auftrag gab, Katzenfutter zu beschaffen. Die schwarze Katze räkelte sich derweil auf Stultas eigenem weichem Lager und schien sehr zufrieden zu sein.
Endlich hatte Stulta zwei Teller gefunden, die ihr für ihren neuen Liebling geeignet erschienen. Sie wären der Tafel eines Kalifen von Khysal würdig gewesen. Das Futter hätte zur Not für alle Katzen einer beliebigen Straße in Salassar ausgereicht und wurde von der Katze mit einer unnachahmlichen Würde verzehrt. Und was die Schattensklaven als Katzenfutter ansahen, das hätte auch der Oberherr von Salassar nicht verschmäht. Obwohl Katze, dachte Sina menschlich – und war mit der Mahlzeit mehr als zufrieden.
»Du bist ja so vornehm wie eine richtige Prinzessin!«, freute sich Stulta, als sie sah, wie sich die Katze nach der Mahlzeit mit besonderer Grazie putzte. »Vielleicht bist du gar keine Katze, sondern eine verwunschene Prinzessin!«
Wulo, der Schrat, dem es gelungen war, durch eine Felsspalte in den Orthos einzudringen, und der problemlos die Kemenate Stultas gefunden hatte, schrie vor Freude fast auf.
Die Worte Stultas brachten ihn auf die Idee, wie und wann er Sina zurückverwandeln konnte.
Die Göttin der Dummheit würde es völlig akzeptieren, wenn sich die Katze in eine Prinzessin verwandelte. Jetzt musste nur noch der richtige Augenblick abgewartet werden. Und der kam viel schneller als erwartet.
»Eine Prinzessin wird immer durch einen Kuss von der Verwandlung erlöst!«, brabbelte Stulta und nahm die Katze auf den Arm. »Aber bei dir ist das ja nicht so, nicht wahr, mein liebes Munzelchen!« Damit küsste sie die Katze leicht auf die schwarze Nase.
Im gleichen Moment ließ Wulo die Zauberkraft fließen.
Übergangslos wurde das Kätzchen für Stulta zu schwer. Entsetzt breitete sie die Arme aus – doch was da zu Boden fiel, war ein junges Mädchen mit langen, schwarzen Haaren in schwarzer Lederkleidung.
Die Göttin der Dummheit starrte Sina entgeistert an. Sina reagierte prompt und fiel ihr um den Hals.
»Dank dir, wer immer du seist!«, rief sie und küsste die Göttin. »Vor undenklichen Zeiten verwandelte mich ein hässlicher Zauberer in eine Katze und …!«
»Dass ich dir doch gleich Eselsohren wachsen lasse, wenn du so schlecht von mir redest!«, pfiff Wulo wütend, aber so leise, dass er nicht gehört wurde.
»… nur deiner Klugheit ist es zu verdanken, dass ich jetzt erlöst bin!«, beendete Sina ihre Worte. »Denn bei dir, hohe Frau, vermischen sich Herzensgefühle mit einer Weisheit, die weder Sterbliche noch Götter begreifen!«
Es war Balsam für Stultas Seele, wenn jemand mit menschlicher Gestalt so zu ihr redete. Wulo sah aus seinem Versteck zu und machte sich bereit zum Handeln. Doch Sina taktierte klug und freundete sich mit Stulta an. Die Göttin akzeptierte vorbehaltlos die verwunschene Prinzessin und war gern bereit, ihr aus den Höhlen des Orthos herauszuhelfen. Außerdem wusste sie genau, wo sich die Kristallrose befand. Arglos beschrieb sie Sina den Weg dorthin und nannte ihr das Kennwort für die Schattensklaven.
»Merk dir die Worte gut!«, mahnte Stulta. »Denn sonst lassen dich die Schattensklaven nicht hinein. Nur einem der Götter gehorchen sie, ohne zu fragen. Auch den Göttern des Olympos!«, fügte sie hinzu.
Sina hätte vor Freude fast aufgeschrien. Das war mehr, als sie erwarten konnte.
»Diese Rose aus Glas ist von dem Zauberer aus unserem Reich gestohlen worden. Und nun liegt das ganze Königreich in tiefem Schlaf. Wenn ich die Rose zurückbringe, dann sind mein Vater, der König, und seine Untertanen erlöst von dem bösen Zauber!«, erzählte Sina. Denn Stulta wollte wissen, warum Sina unbedingt erst die Kristallrose finden und aus dem Orthos entführen wollte, bevor sie von diesem Ort des Schreckens floh. Stulta war arglos genug, jedes Wort zu glauben, das Sina mit fester Stimme und ohne zu erröten hervorbrachte.
»Der Weg ist aber sehr gefährlich!«, warnte sie Stulta noch einmal. »Wenn dich einer der anderen Götter oder Göttinnen in seine Gewalt bekommt, dann hat dein letztes Stündlein geschlagen, tapfere Prinzessin. Cromos, Fulcor oder Assassina können grausam sein!«
»Ich muss es wagen!«, gab Sina zurück. »Als Prinzessin muss ich mein Leben für meinen königlichen Vater und seine Untertanen aufs Spiel setzen. Wer weiß, wie lange sie schon im Schlummer liegen. Hätte der böse Zauberer mich nicht in eine Katze verwandelt, dann hätte ich meine Aufgabe sicher schon gelöst. Mich bindet der Schwur, den ich mir selbst gegeben habe!«
»Du bist eine mutige und tapfere Prinzessin!« Stultas Stimme klang bedrückt. »Aber viel lieber wäre es mir, wenn du wieder ein Kätzchen wärst. Ich habe mich so gefreut, dass ich endlich ein Lebewesen hier hatte, mit dem ich reden und das ich lieb haben konnte.«
»Das geht aber doch nicht …!«, wehrte Sina ab.
»Vielleicht doch. Wenn ich dich wieder küsse, verwandelt dich das sicher wieder in eine Katze zurück!«, hatte Stulta einen Einfall. Sina bedauerte die Göttin des Unverstandes aus tiefstem Herzen. Aber helfen konnte sie ihr nicht.
»Höre, Stulta!«, sagte Sina langsam. »Wenn ich meine Mission erfüllt habe, dann werde ich zu dir zurückkommen.«
Sina meinte ihre Worte ehrlich. Churasis und Wulo fanden bestimmt einen Weg, dass sie noch mal hierherkam, um die traurige Göttin zu trösten.
»Au ja!«, rief Stulta erfreut. »Aber am liebsten wäre es mir«, setzte sie hinzu, »wenn du als Kätzchen wiederkommen könntest!«
Wokat keuchte und schnaufte, als der Weg durch den Wald gar kein Ende nehmen wollte.