Der Drachenlord – Ein Abenteuer mit Schwert und Magie: Band 1 - Rolf Michael - E-Book

Der Drachenlord – Ein Abenteuer mit Schwert und Magie: Band 1 E-Book

Rolf Michael

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Beschreibung

Wer ist das kleine Mädchen Shara? Sie hat geheimnisvolle Kräfte, die Gutes bewirken, aber ihre Herkunft bleibt rätselhaft. Sina, die Diebin, Ferrol, der Krieger und Churasis, der Zauberer, helfen dem Kind bei seiner Aufgabe: die Drachenburg Coriella zu erreichen. Auf der teils gefährlichen, teils witzigen Reise von der Stadt Salassar übers weite Meer bis in den Wunderwald begegnen die drei Freunde – zu denen außerdem das Pelzwesen Wulo gehört, das ebenfalls magische Kräfte besitzt – zahlreichen Geschöpfen, und zwar nicht nur Zwergen, Elfen oder Dryaden, sondern auch solchen, von denen sie nie zuvor gehört haben.
Die Götter selbst greifen ein, sowohl die der lichten Seite, die im Olympos wohnen, als auch die dunklen des Orthos, und nun sieht das Abenteuer so hoffnungslos aus wie ein Schneesturm im Frühling. Denn Götter verfolgen ihre eigenen Pläne und sie sind gnadenlos …
Und welche Rolle spielt Mha-Faiy, der Drachenlord, der über das edle Geschlecht der Drachen gebietet und der weder Mensch, noch Gott, noch Drache ist?
Sina, Ferrol, Shara, Churasis und Wulo benötigen nicht nur Witz, Charme, Verstand, Magie und Kampfkraft, um ans Ziel zu kommen und ihr eigenes Leben zu retten – und es geht um noch viel mehr: um Rettung oder Untergang der Welt!

Taucht ein in dieses wunderbare Lese-Abenteuer, das euch atemberaubende Spannung schenkt!

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Rolf Michael

 

 

Ein Abenteuer

mit Schwert und Magie

 

Band 1

 

Der Drachenlord

 

 

 

Fantasy-Saga

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © Steve Mayer nach Motiven, 2023

Karte der »Straße der Götter« © Dr. Helmut W. Pesch

Korrektorat: Antje Ippensen

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Alle Rechte vorbehalten

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Der Drachenlord 

Die Karte der Straße der Götter 

Prolog 

1 – Sina, die Katze 

2 – Ferrol von Khysal 

3 – Churasis 

4 – Die Götter 

5 – Die Khysalische See 

6 – Die Insel der drei Tempel 

7 – Marnuk 

8 – Die Steppe 

9 – Der Wunderwald 

10 – Die Drachenburg 

Epilog 

Eine kleine Auswahl der Romane von Rolf Michael, die bereits erhältlich sind oder sich in Vorbereitung befinden 

 

Das Buch

 

 

 

Wer ist das kleine Mädchen Shara? Sie hat geheimnisvolle Kräfte, die Gutes bewirken, aber ihre Herkunft bleibt rätselhaft. Sina, die Diebin, Ferrol, der Krieger und Churasis, der Zauberer, helfen dem Kind bei seiner Aufgabe: die Drachenburg Coriella zu erreichen. Auf der teils gefährlichen, teils witzigen Reise von der Stadt Salassar übers weite Meer bis in den Wunderwald begegnen die drei Freunde – zu denen außerdem das Pelzwesen Wulo gehört, das ebenfalls magische Kräfte besitzt – zahlreichen Geschöpfen, und zwar nicht nur Zwergen, Elfen oder Dryaden, sondern auch solchen, von denen sie nie zuvor gehört haben.

Die Götter selbst greifen ein, sowohl die der lichten Seite, die im Olympos wohnen, als auch die dunklen des Orthos, und nun sieht das Abenteuer so hoffnungslos aus wie ein Schneesturm im Frühling. Denn Götter verfolgen ihre eigenen Pläne und sie sind gnadenlos …

Und welche Rolle spielt Mha-Faiy, der Drachenlord, der über das edle Geschlecht der Drachen gebietet und der weder Mensch, noch Gott, noch Drache ist?

Sina, Ferrol, Shara, Churasis und Wulo benötigen nicht nur Witz, Charme, Verstand, Magie und Kampfkraft, um ans Ziel zu kommen und ihr eigenes Leben zu retten – und es geht um noch viel mehr: um Rettung oder Untergang der Welt!

 

Taucht ein in dieses wunderbare Lese-Abenteuer, das euch atemberaubende Spannung schenkt! 

 

 

***

Der Drachenlord

Die Karte der Straße der Götter

 

 

Dir aber, o Suchender der Wahrheit, sei verkündet, dass die Unendlichkeit des Kosmos eine unendliche Zahl von Welten beinhaltet, auf den Dhasor das Leben und Thuolla den Tod entstehen ließen. In der Sprache deines Volkes nennt man eine dieser Welten die ›Straße der Götter‹.

Denn wisse, dass im Anfang nur die Kräfte der Ordnung und des Chaos, die Mächte des Guten und des Bösen waren. Im ewigen Kampf standen sie, und wie eine Waage mit zwei gleichen Gewichten, so hielten sich die positiven und die negativen Kräfte auf gleicher Ebene. Wenn das Böse ausgetilgt ist, hört das Gute auf zu bestehen. Ist aber das Gute vernichtet, hat das Böse seine Existenzberechtigung verloren.

Wie die Weisen lehren, war am Anfang der Abgrund leer und nichts vorhanden. Doch dann entstanden Dhasor, der Weltenvater, und Thuolla, die Herrin der Tiefe. Sie wurden nicht geschaffen – sie waren. Und sie existieren nicht – sie sind. Niemand kennt ihre Gestalt, denn sie sind Geistwesen, die alles umschweben. Dhasor gibt das Leben, und Thuolla nimmt es. Der Weltenvater erschafft, und die Herrin der Tiefe zerstört.

Auch jene Welt, in der sich Dhasors Kinder tummeln sollten, erschuf Dhasor aus seinen Gedanken. Denn Leben und Tod gingen eine Verbindung ein – und aus ihr entstanden Alessandra, die Göttin der Liebe, und Mamertus, der Herr des Krieges. Von ihnen stammen die Götter ab, die in den Höhlen des Orthos und im Kristallpalast des Olympos wohnen. Denn das Göttergeschlecht wollte einst das großartigste Wesen schaffen und entzweite sich über die Gestaltung und die Gaben, die ihm gegeben werden sollten. Als die Götter gemeinsam Dhaytor, den Drachenvater, erschufen, brach der Streit aus, und seit diesem Tage herrscht Feindschaft unter den Göttern. Noch schwelt verhaltener Zorn, und das Ränkespiel in den Höhlen des Orthos wird auf der Höhe des Olympos nicht als bewusste Vorbereitung für den Krieg angesehen. Denn die Götter des Olympos werden von den Menschen geliebt und in den Tagen des Friedens angerufen.

Baran, der Gott der Weisheit, ist ihr Oberhaupt. Vitana, die Göttin des Lebens, gibt ihren Hauch nicht nur den Menschen und den anderen Völkern, sondern auch den Kindern Animas, der Göttin der Tiere, und den Geschöpfen von Fiona, die über das Pflanzenreich gebietet. Fruga ist die Göttin der Erde und ihrer Fruchtbarkeit, Watran wacht über Flüsse, Quellen und Seen. Wo Croesor, der Gott des Geldes und der guten Geschäfte, angerufen wird, da ist auch Matio, der listige Gott aller Diebe. Medon, der Gott der Heilkunst, gibt den Menschen Schutz gegen Krankheiten. Mädchen und Frauen beten zu Sabella, der Göttin der Schönheit.

Den zehn Göttern des Olympos stehen zehn Götter gegenüber, die in den Tiefen des Orthos hausen. Sie neigen sich vor Fulcor, dem Gott des Feuers. Sulphor, der Herr der Vulkane, bildet mit ihm gemeinsam eine zerstörerische Einheit. Zardoz, der Herr der Stürme, wühlt das Element von Oceana, der Göttin der Meere, auf. Cromos, der Gott der Stärke, wird von den Männern hoch verehrt, doch auch Wokat, der Gott der Niedertracht und des Verrats, hat viele geheime Diener. Assassina ist die grausame Göttin, zu der Attentäter und Mörder rufen. Wenn Vira, die Herrin der Krankheiten und des Verderbens, erscheint, folgt meist der Schatten ihrer Spur. Der Schatten – das ist der Tod, der keinen Namen hat in dieser Welt – jedenfalls keinen Namen, der ausgesprochen werden darf. Etwas abseits steht Stulta, die Göttin des Unverstandes und der Dummheit. Für die dunklen Pläne des Orthos ist sie der schwächste Punkt.

Niemand kann sagen, dass die Götter des Olympos nur gute und die Orthosgötter nur schlechte Eigenschaften haben. Fulcors Feuer erwärmt die Häuser der Menschen und bringt den Stahl in der Schmiedeesse zum Glühen. Die Winde des Zardoz treiben die Schiffe über Oceanas Element. Zu Cromos rufen auch die Arbeiter, bevor sie ihr kräftezehrendes Tagewerk beginnen. Dagegen können Animas Kreaturen bösartig werden. Wenn Fruga zornig ist, bebt die Erde, und Watran vermag Flüsse über die Ufer treten zu lassen und alles zu zerstören. Und mancher brave Kaufmann hat schon gezetert, wenn Mano, der Diebesgott, einem seiner Getreuen besonders gewogen war.

Doch gibt es noch drei Götter, die sich von Orthos und Olympos getrennt haben und auf einer Insel in der Mitte der Welt zu Hause sind.

Im Zentrum des Binnenmeeres, das in der Sprache der Menschen die Khysalische See heißt, hat man ihnen drei Tempel errichtet. Dort sprechen sie zu den Menschen in ihren rätselhaften Orakelweisheiten.

Solmani wird dort hoch verehrt. Er ist der Gott des Lichts und der Dunkelheit, Herr über Tag und Nacht und Gebieter über die Zeit. Maler, Bildhauer, Dichter und Musiker beten zu Zirkania, der Herrin aller Künste. Der dritte Tempel ist Lhamondo geweiht. Er ist der Gott der Speise und des Trankes, und kein Gastgeber wird versäumen, bei Beginn eines Gelages Lhamondo die Ehre zu geben. Solmani, Lhamondo und Zirkania kümmern sich wenig um die Streitigkeiten von Orthos und Olympos. Wird jedoch die Entscheidung einer hohen Götterversammlung notwendig, dann entscheidet meistens ihre Stimme.

Damit sei genug von den Göttern berichtet, die in innerem Zwist zueinander stehen, aber nach ihrem eigenen Willen in die Geschicke dieser Welt eingreifen. Sie lenken nicht nur die Schicksale von Staaten und Völkern, sondern stärken auch Menschen, denen sie besonders gewogen sind und die als ihre Diener durch die Straße der Götter ziehen.

Die Völker, die in der Straße der Götter leben, sehen ihre Welt als eine Scheibe an. Ein gigantischer Kontinentalblock, vollständig von Oceanas Wassern umgeben. Im Zentrum das gigantische Binnenmeer der Khysalischen See.

Fünf Himmelsrichtungen gibt es in der Straße der Götter, nach denen sich die Völker dieser Welt richten. Drei Herrscher des Menschengeschlechtes gebieten über ihr Geschick.

Grex, in dessen Gebirgen die Höhlen des Orthos verborgen sind, wird von Großkönig Wilard beherrscht. In Rhonacon, dessen Bergketten bis zu den Kristallhöhen des Olympos aufsteigen, gebietet Varus con Arysa, der Gottkaiser. Und zwischen der ewigen Feindschaft von Grex und Rhonacon liegt das Reich Khysal, in dem Großmogul Mainos mit viel Geschick und Diplomatie gebietet. Er weiß sehr genau, dass sein Reich im Kriegsfall zum Schlachtfeld wird und ist deshalb stets bestrebt, den Frieden zu vermitteln.

Nur etwas bereitet Großmogul Mainos Kummer. Der Kronprinz des Reiches, sein Sohn Ferrol, verschwand aus dem Palast, um sich als lustiger Abenteurer den Wind der Freiheit um die Nase wehen zu lassen. In Salassar, der Stadt am wystlichen Ufer der Khysalischen See, soll er sich derzeit aufhalten. Diese Stadt gehört zwar zu seinem Reich, doch versteht sich der Rat der Zehn und an ihrer Spitze Pholymates, der Oberherr von Salassar, mehr als eine selbständige Kaufmannsrepublik, die nur darauf wartet, vom Großmogul die offizielle Unabhängigkeit abzutrotzen. Die Diener des Mainos suchen Prinz Ferrol in den Gassen und auf den Basaren von Salassar, um ihn zurückzubringen, damit er zum Herrscher erzogen wird. Dem Vernehmen nach ist er mit Sina, der Katze, meistens zusammen. Sie ist die beste Diebin von Salassar. In ihrem Beisein wird oft Churasis, ein merkwürdiger Zauberer, gesehen, der zusammen mit Wulo, dem Schrat, eine Art Schicksalsgemeinschaft bildet. Von ihnen, o Suchender der Wahrheit, wirst du in allen Tavernen von Salassar Lieder vernehmen.

Doch nicht nur Menschen gibt es in der Straße der Götter. Hoch oben im Noord, zwischen der Khysalischen See und dem Eismeer, liegt der fast undurchdringliche Wunderwald. Hier leben alle Geschöpfe, von denen die Märchenerzähler der Basare flüstern und von denen Sänger berichten. Zentauren, Dryaden und Nymphen wohnen hier unter den raunenden Gereonbäumen. Doch mitten im Wunderwald liegt die Quelle des Seins. Das Wasser dieser Quelle hat große Heilkraft und verlängert einen bestimmten Teil der Lebensspanne.

Jenseits des Wunderwaldes, auf einem schroffen Felsen weithin sichtbar, liegt das größte Wunder in der Straße der Götter. Coriella, die Hochgetürmte, zeigt sich dort in aller Pracht. Hort und Heimstatt der Drachen, deren Schatten über die Lande schweben. Von alters her ist es bestimmt, dass die Drachen von zwei Herrschern regiert werden. Der Drachenvater fliegt meist über die Lande, um Weisheit und Erfahrung zu sammeln. Sein Rat soll Weisheit und die Liebe zum Frieden bringen. Als Dhaytor, der erste Drachenvater, starb, bestimmte er Thaluga, den kleinen Drachen mit dem großen Herzen sowie den Gefühlen und Weisheiten eines Kindes, zu seinem Nachfolger. Ständig ist Thaluga unterwegs, um den Frieden zwischen den Völkern und den Drachen zu bewahren.

Herr der Drachenburg ist jedoch Mha-faiy, der hohe Drachenlord. Ständig trägt er eine bizarr geformte, goldfarbene Rüstung, und niemand kennt sein wahres Aussehen. Er ist der Kriegsherr des Drachenvolkes, der es in Zeiten der Not beschirmt und bei Angriffen zur Verteidigung führt. Dann führt er auf Burai, seinem gewaltigen Kampfdrachen, die Armada der Herren der Lüfte an, und Kylonis, der Wetterstrahl, sein mächtiges Schwert, blitzt in der Sonne.

Folge mir nun mit deinen Gedanken hinüber in die Straße der Götter. Lass deine Phantasien schweifen über den grünen Teppich des Wunderwaldes, bis du auf dem Felsen die hochragende Drachenburg Coriella erschaust.

Denn hier, o Suchender der Wahrheit, beginnt in einer schicksalhaften Stunde unsere Geschichte …

 

 

Prolog

 

Nachtwolken zogen wie schwarze Rosse über Coriella. Der Schein des Mondes ließ die letzten Tropfen des vorangegangenen Regens wie runde, hell leuchtende Edelsteine erscheinen. Um die Zinnen und Türme des hochragenden Gemäuers wirkte das Licht wie ein silberweißer Schleier, den die Feen des Wunderwaldes gewoben hatten. Die mächtige Burg hoch oben im Noord jener Welt, die von den Menschen ›Straße der Götter‹ genannt wurde, glich einem funkelnden Juwel inmitten einer trostlosen Landschaft aus scharfgezacktem, hoch in den Himmel hineinragendem Felsgestein.

Feierliche Stille, die nicht einmal der Laut eines Nachtvogels zerriss, lag über der Burg, die das Geschlecht der Drachen beherbergte, wenn sie nach ihren langen Weltenflügen auf der Suche nach der Erkenntnis hier rasteten.

Eine Stille, die dennoch lebte. Denn in diese Stille erklang eine eigenartige, schwermütige Melodie, welche die ganze Burg erfüllte.

Leise und doch im Klang des vollen Akkordes wurde eine kräftige und doch tief in das Innere der Seele dringende Stimme mit einer Harfe begleitet.

Das Zentrum der Melodie war der oberste Söller von Coriella. Hier stand der Sänger. Das Mondlicht ließ seine Gestalt noch fantastischer erscheinen, als sie durch die seltsame Kleidung bereits wirkte.

Denn das Wesen, was dort auf dem Söller sein Lied durch die Nacht sang, hatte seinen ganzen Körper hinter einer bizarr geformten Rüstung verborgen. Das dunkle Gold des Metalls verfloss fast mit den Nachtschatten, und nur, wenn die Hände über die Saiten der Harfe strichen, war zu erkennen, dass es sich nicht um ein Standbild eines Gottes handelte.

Mha-faiy, der hohe Drachenlord und Herr von Coriella, sang eine Ballade zum Ruhme des Drachengeschlechts.

Seine Rüstung war wie der stilisierte Panzer eines Drachen geschmiedet worden. Angedeutete Schuppen ließen den Drachenlord wie die Mischung aus Tier und Gott erscheinen. Der Helm, dessen Visier stets geschlossen war und durch den nur das Augenpaar glitzerte, war ebenfalls mit zackigen, schuppenartigen Verzierungen geschmückt. Nur über der Brust war der Panzer einfacher geschmiedet.

Der mächtige, wallende Umhang über seinen Schultern bestand in seinem Inneren aus kostbarsten Pelzen, während er außen mit kleinen Metallplättchen belegt war, die ebenfalls Drachenschuppen symbolisierten.

Obwohl auch die Hände von der Panzerung geschützt waren, strichen sie doch mit unglaublicher Leichtigkeit über die Saiten der schön geschnitzten Harfe, der unzählige Edelsteine den Schimmer eines Regenbogens gaben.

Das Schwert, das neben Mha-faiy lehnte, war fast so groß wie er selbst. Der Griff war so gearbeitet, dass man es mit einer Hand führen oder mit beiden Händen schwingen konnte. Unterhalb des Griffes wies die Klinge zackige Verzierungen auf, die mit der Rüstung des Drachenlords eine fremdartige Einheit bildeten.

Kylonis, der Wetterstrahl, wurde dieses geheimnisvolle Schwert genannt. Nur der Drachenlord selbst war imstande, dieses gigantische Machtschwert im Kampfe zu schwingen.

Lange sang Mha-faiy das Hochlied der Drachen. Von Dhasor, dem Weltenvater und Thuolla, der Herrin der Tiefe, erklang sein Lied. Denn sie gaben nicht nur den Göttern auf der kristallenen Höhe des Olympos oder in den tiefen Höhlen des Orthos das Leben und ihre Bestimmung, sondern sie schufen auch jene Welt mit den fünf Richtungen des Himmels – die Straße der Götter.

Und sie schufen Dhaytor, den ersten Drachen …

Die Stimme des Sängers ließ bleiernen Schlaf über die Gemüter der Menschen fallen, und nur die Drachen, die jetzt auf Coriella anwesend waren, wiegten ihre Schädel und gaben sich ganz dem Zauber der Melodie hin. Erst als die Ballade trauriger wurde und vom Tode Dhaytors, des Drachenvaters, in den Höhlen des Orthos erzählte, begannen die Schädel der Drachen nach unten zu sinken. Das grünlich schillernde Sekret, das aus den lidlosen Augen der Drachen perlte, glich den Tränen eines Menschen. Und mit dem Gedanken an den mächtigen Ahnherrn ihres Geschlechts, der seine letzte Reise zur Toteninsel Saronai angetreten hatte, senkte sich der Schlaf über sie. Ihre Augen verdrehten sich nach innen, und ihr Bewusstsein erlosch.

Langsam verhallte nach Mha-faiys letzten Worten die Stimme seiner Harfe.

»Sie schlafen!«, sagte der Drachenlord mit leiser Stimme. »Ihr Bewusstsein ruht, bis Solmani, Herr über Licht und Dunkelheit, die Schatten der Nacht dem neuen Tage weichen lässt. Nur ich finde keinen Schlaf.

Sie wissen nichts von den Dingen, die mir offenbar sind.

Mögen sie ruhen. Denn mein Geist und meine Augen wachen über das Volk der Drachen, und ihre Heimstatt. Ich wache, so lange es mir noch vergönnt ist. Denn die Zeit naht heran, wo sich die ›Schicksalshafte‹ zeigen muss. Ich weiß es – und sie weiß es auch. Sie kennt den Tag und die Stunde, wann sie hier auf Coriella eintreffen muss, sehr genau.

Versäumt sie diese Zeit, dann wird die Prophezeiung erfüllt. Dann wird der Drachenlord dahingehen und niemals wieder entstehen. Und die Drachen werden dann führerlos sein. Besinnen werden sie sich auf ihre Kraft und ihre Stärke. Und auf den Zauber, den sie wirken können.

Gegen die Menschen werden sie ziehen und sie jagen, die Lande der Trolle und der Riesen verheeren, ihre Feuerstrahle in die Höhlen der Zwerge fauchen und gegen die Elfen zu Felde ziehen – wenn es ihnen die Macht des Drachenlords nicht mehr verwehren kann. Daher darf es nicht geschehen, dass die Schicksalshafte an dem Tage fernbleibt, an dem sich meine Gestalt wandelt …!«

»… seine Gestalt wandelt!«, flüsterte eine leise Stimme. Hinter einem Mauervorsprung verborgen, kauerte die zierliche Gestalt eines jungen Mädchens. Trotz der langen, in dunklem Blau gehaltenen Kleidung war ihr zierlicher Körperbau zu erkennen. Dunkles Haar floss wie ein nachtfarbener Wasserfall bis hinab auf ihre Schultern. Ihr Gesicht glich im Mondlicht den Zügen einer Statue, die von einem Künstler in weißem Marmor geschaffen ist. In ihren dunklen Augen spiegelten sich die Sterne wie Diamanten.

Desidera, eine der zahlreichen Dienerinnen auf Coriella, hatte dem Lied des Drachenlords gelauscht und war so fasziniert davon, dass sich kein Schlaf über ihre Augen legte.

»Seine Gestalt!«, sagte Desidera zu sich selbst. »Keiner der Menschen, die hier auf Coriella hausen, hat jemals sein Gesicht gesehen. Stets zeigt sich Mha-faiy im Schutz seiner Rüstung.

Wie man sich erzählt, vermögen nur die Drachen den Anblick ihres Herrschers zu ertragen. Nur Drachen dürfen das Gesicht sehen, wenn er das Helmgatter öffnet. Und nur Thaluga, der jetzt Drachenvater ist, vermag ihn längere Zeit zu betrachten. Auch die Drachen, sagt man, können den Anblick seines Gesichtes nur sehr kurze Zeit ertragen.

Noch niemals hat Mha-faiy es einem Menschen gestattet, von seinem eigentlichen Körper mehr als die Augen durch die Öffnungen im Helm zu sehen. Auch ich habe seine Augen gesehen.

Und diese Augen haben sich tief in meine Seele gebrannt. Sie lassen mich nicht mehr los. Immer, wenn ich daran denke, entbrennt das Verlangen erneut.

Ich will das Antlitz des Drachenlords erschauen …!«

 

 

1 – Sina, die Katze

 

Markttag in Salassar!

Die ganze Stadt war auf den Beinen. Überall geschäftiges Treiben auf allen Straßen und Plätzen der Stadt am Ufer der Khysalischen See, die zwar offiziell zum Reiche des Großmoguls Mainos gehörte, sich jedoch mehr als eine souveräne Kaufmannsrepublik verstand. Sie wurde regiert vom Rat der Zehn, einem Gremium der zehn erfolgreichsten Kaufleute der Stadt. Pholymates, der Reiche, war schon seit einigen Jahren der Oberherr von Salassar und damit das Oberhaupt des Rates.

An jedem dritten Tage war offizieller Markt in der Stadt. Sonst durfte nur auf den Basaren der Kaufleute gehandelt werden. Doch am Markttage konnte jeder verkaufen, was er für sich selbst als unnütz ansah und kaufen, was er für brauchbar hielt. In jeder Straße und der kleinsten Gasse waren Stände aufgebaut, wo schreiende Händler oder laut keifende Weiber ihre Waren feilboten. Unten am Hafen wurde hauptsächlich mit Fischen und Meeresfrüchten gehandelt, während in der Nähe der Stadtmauern auf der Gegenseite die Bauern Getreide, Obst und andere Feldfrüchte anboten. Dazwischen erstreckte sich die breite Palette eines Warenangebotes, das an Vielfalt der Kuriositäten in der ganzen Straße der Götter ohne Beispiel.

Hier gab es grundsätzlich alles zu kaufen, von den feinsten und teuersten Gewürzen über kostbare Stoffe bis zu reichverzierten Waffen. Aber auch Werkzeuge aller Art und Dinge des täglichen Bedarfs fanden sich an fast jedem Platz oder jeder Straße.

Dazwischen tummelte sich das Völkchen, das mit Wahrsagerei und kleinen Taschenspielereien sein Geld verdiente. Schlangenbeschwörer bliesen ihre klagende Melodie auf der Flöte, um die gefürchteten Giftschlangen zum Tanze zu wiegen. Feuerschlucker erregten die Menschen, und marktschreierisch wurde auf einen starken Mann hingewiesen, der es mit jedem aufnahm, der es wagte, ein Silberstück auf seinen eigenen Sieg zu setzen. Wer allerdings die massige Statur dieses Kämpfers betrachtete, überlegte es sich zweimal, eine solche Herausforderung anzunehmen.

Unterhalb der Zitadelle des Oberherrn, gleich hinter dem Viehmarkt, wurden die Sklaven feilgeboten.

Sklaverei war in Salassar etwas ganz Alltägliches. Und die Menschen, die hier verkauft wurden, hatten verschiedene Schicksale. Viele von ihnen wurden von ihren Gläubigern auf den Block gestellt, wenn sie ihre Schulden nicht bezahlen konnten. Vorher hatten sie an den Markttagen all ihren Besitz verkauft, um das schlimme Schicksal hinauszögern zu können und mit dem Verkaufserlös die hartherzigen Gläubiger zu beschwichtigen. Manchmal übernahm sie der Gläubiger auch anstelle der Restzahlung. Doch in diesem Augenblick gingen sie in seinen Besitz über, den er wieder veräußern konnte. Ein Familienvater, der sich selbst anbot, um das Geld für das Leben seiner Familie zu bekommen, musste damit rechnen, dass er kurzerhand als Ruderer auf eine Galeere weiterverkauft wurde. Doch das war eigentlich die Ausnahme.

Meistens war es den reichen Kaufleuten von Salassar recht, wenn diese Menschen ihren Beruf auch als Sklaven weiter ausübten und den Gewinn ihrer Arbeit an sie abtraten. Sie lebten weiter in ihren Häusern mit ihren Familien und bekamen so viel zugestanden, dass es für Essen und die Dinge des täglichen Bedarfs genügte. Alles andere musste an den ›Herrn‹ abgegeben werden. Auf diese Art hatte mancher Kaufmann eine ganze Anzahl gutgehender Handwerksbetriebe unter seiner Kontrolle, die nach außen hin von einem freien Mann geleitet wurden. Nur die Tätowierung des ›Herrenzeichens‹ auf dem Handrücken zeigte an, dass er unfrei war.

Nach fünf Jahren erlosch die Sklaverei in Salassar durch ein Gesetz, das noch aus den Jahren der Gründung stammte. Doch dann hatten sich die meisten Sklaven so daran gewöhnt, dass sie freiwillig im Dienste des jeweiligen Herren blieben. Denn während sie als freie Menschen sehen mussten, wie sie durchs Leben kamen, hatte der Herr eines Sklaven seine Fürsorgepflichten. Er musste ihn ernähren und kleiden. Bei den ärmsten Klassen von Salassar, vor allem bei Familien mit vielen Kindern, war es nicht immer sichergestellt, dass genug Brot im Haus war, und oft genug kam es vor, dass sie sich freiwillig in die Sklaverei bei einem vermögenden Kaufmann begaben. Sie gingen allerdings das Risiko ein, dass sie, nachdem sie die Tätowierung erhalten hatten, von ihrem Herrn einzeln verkauft wurden.

Nasello, der Tuchwirker, hatte ein solches Schicksal.

Obwohl er mit seiner Frau Tag und Nacht am Webstuhl saß und das Weberschiffchen fliegen ließ, gelang es ihm nicht, genug Brot und Kleidung für die Familie zu beschaffen. Obwohl die beiden ältesten seiner sechs Kinder mithalfen, wurden sie mit jedem Tag ärmer. Irgendwann fasste Nasello den Entschluss, sich und seine ganze Familie dem Juwelenhändler Bökhma zum Eigentum anzubieten. Lieber satt für einen reichen Mann in Unfreiheit arbeiten, dachte er, als in Freiheit zu hungern.

Bökhma, den man in Salassar den ›Gierigen‹ nannte, kontrollierte den ganzen Juwelenhandel bis hinunter nach Nurati im Sooyst und nach Marnuk am Noordufer der Khysalischen See. Nasello hoffte, dass Bökhma für einen fleißigen Tuchwirker Verwendung hätte.

Er bemerkte zu spät, dass er sich getäuscht hatte. Kaum hatten er, seine Frau und die Kinder die Sklaventätowierung auf der Hand, als sie von Bökhmas Dienern ergriffen wurden. Drei Tage waren sie in einem muffigen Kellerraum im Hause des Juwelenhändlers eingesperrt. Dann führte man sie gefesselt zu einem der Blöcke vor den Mauern der Zitadelle.

Nur Nasello und sein Weib Madina fanden auf dem Block Platz, Madina trug noch das Jüngste von zwei Jahren auf dem Arm.

Die anderen fünf Kinder waren vor dem Block an Eisenpfählen festgebunden, die man mit einigen kräftigen Hammerschlägen in den Boden getrieben hatte. Den Tuchwirker und sein Weib hatte man mit den Füßen an einen Eisenring gefesselt, der in den Block eingelassen war.

Nasello hatte seine Frau in den Arm genommen, als versuche er, sie festzuhalten. In den Augen der vor dem Block gefesselten Kinder glitzerte die Angst vor dem Kommenden. Immer wieder sahen sie zu Bökhma hinüber, der seine fette Gestalt mit einem kostbaren Purpurgewand bedeckte, das an allen möglichen Stellen mit Goldfäden verziert und mit edlen Steinen geschmückt war.

Bökhma hatte sich in einer Sänfte herantragen lassen, und die Träger kauerten etwas abseits, um auszuruhen. Die Anwesenheit des Herrn war bei einem Verkauf von Sklaven unumgänglich. Einer seiner Diener pries Nasello und seine Familie in marktschreierischem Ton an.

»… ein ehrlicher Tuchwirker, der zu arbeiten versteht!«, rief der dürre Mann in der kurzen, weißen Tunika, der mit weißen Handschuhen verdeckte, dass er selbst die Sklaventätowierung auf dem Handrücken trug. »Seine Kinder werden bald alle mitarbeiten können und seine älteste Tochter … nun, ich denke, wenn sie euer Eigentum ist, werdet ihr noch andere Verwendung für sie haben als den Webstuhl!«

»Der Mann soll seine Muskeln zeigen!«, befahl ein vierschrötiger Seemann, der sicher auch ein Schiff sein Eigen nannte. »Wenn er zum Rudern taugt, dann nennt den Preis.«

»Die älteste Tochter interessiert mich tatsächlich!«, näselte ein parfümierter Stutzer und schob sich nach vorne. Das Mädchen drehte sich unter der Hand, die sie prüfend wie eine Ware betastete. Sie wusste genau, was geschehen würde, wenn sie in die Hände dieses Mannes fiel. So wie er kleideten sich die Besitzer der Bordelle am Hafen.

»Wenn die Frau kochen kann, findet sie mein Interesse!« Eine dicke Matrone schob sich vor und ließ sich von Madina die schwieligen Hände vorzeigen. »Zu arbeiten versteht sie ja!«, knurrte die Kundin nach dieser Prüfung.

»Drei von den Kindern könnte ich gebrauchen!«, rief ein kräftig gebauter Mann mit hartem Gesicht und gnadenlosen Augen. »Sie haben gerade die Größe, um in den Stollen meines Bergwerkes die kleinen Loren zu ziehen!«

»Aber die schwere Arbeit!«, brach es aus Nasello hervor. »Sie werden sie nicht ertragen!«

»Nicht lange, das ist gewiss!«, sagte der Mann und strich prüfend über den Körper des etwa zehnjährigen Jungen, der diesem Griff verzweifelt auszuweichen versuchte.

»Sie werden schnell groß und nicht mehr in die Stollen passen!«, setzte Madina hinzu, als die Mutter das grässliche Schicksal ihrer Kinder voraussah.

»Das denke ich nicht!«, sagte der Bergwerksbesitzer. »Bei dieser Arbeit haben sie keine Zeit zu wachsen. Nach einem halben Jahr in den Stollen …!« Er sagte nichts mehr. Doch das war auch gar nicht nötig.

Mit einem Weinkrampf brach Madina zusammen. Nasello fing sie gerade noch auf. Das jüngste Kind begann zu wimmern. Es begriff noch nichts von der Tragödie, die sich für die Familie anbahnte.

»Die ganze Familie wird für drei Aurei zusammen verkauft!«, rief der Diener, nachdem er von Bökhma einige Anweisungen zugeflüstert bekam. »Nun, wie ist es. Bietet jemand die drei Goldstücke?«

Über die Menge, die den Verkaufsblock umlagerte, breitete sich Schweigen. Drei Goldstücke waren der Preis für drei vorzügliche Rennpferde. Und Pferde stellten in Salassar einen beträchtlich höheren Wert dar als eine einfache Handwerkerfamilie.

»Drei Aurei. Drei Goldstücke!«, rief Nasello verzweifelt. »In Dhasors Namen, ich flehe, dass uns jemand zusammen kauft. Wir werden arbeiten, und das Geld wird gut angelegt sein. Drei Aurei, die sich durch unsere Arbeitskraft schnell vervielfachen!«

»Ich zahle einen Aurus für das Mädchen!«, keckerte der Bordellbesitzer und trat vor. Wie besitzend legte er seine glatt manikürte Hand auf den Körper des Mädchens und spürte den Schauer, den seine Berührung auf der nackten Haut erzeugte.

»Da niemand für die ganze Familie bietet, werde ich mit meinem gnädigen Herrn, dem allgütigen Bökhma, die Preise für die einzelnen Sklaven festsetzen!«, rief der Diener laut.

Das Wehgeschrei des Tuchwirkers und seiner Frau hallte über den Platz, während die jüngeren Kinder zu weinen begannen. Sie erhoben die Hände und bettelten, dass jemand ein anderes Gebot machte, als sie sahen, wie der Besitzer des Bergwerkes eine Goldmünze aus seiner Geldkatze fischte. Für Kinder würde niemand höher bieten. Qualvoll verrannen die Minuten, während der Diener mit seinem Herrn in der Sänfte über die neuen Preise redete.

Doch in den Augen der Anwesenden war Gleichgültigkeit zu lesen. Das Schicksal von Sklaven ließ die Menschen kalt. Nur in den Mienen mancher Frauen aus den einfacheren Ständen war so etwas wie Mitleid zu erkennen.

Und dann sahen die Kinder des Tuchwirkers in zwei Augen, die strahlten wie zwei blaue Diamanten. Ein Blick, der tief in die Seele drang. Obwohl ihnen ein grässliches Schicksal bevorstand, wurden sie ruhig und gelassen.

Das Mädchen, dem diese Augen gehörten, war ungefähr fünf Jahre. Sie trug ein langes, einfach geschnittenes Gewand in dunklem Blau. Ihre bloßen Füße steckten in dünnen Riemensandalen. Über die Schulter trug sie eine schlichte Umhängetasche, wie sie die meisten Wanderer mit sich führten.

Niemand der Menschen auf dem Sklavenmarkt von Salassar hatte ihre Anwesenheit bemerkt, obwohl sie jedem hätte auffallen müssen. Denn ihr blasses Gesicht wurde von langem, goldgelbem Haar wie von einem Schleier umrahmt und glich mehr den Zügen einer Feengestalt aus dem Wunderwald als einem Menschenkind.

Die Kleine hatte sich mit einer gewissen Selbstverständlichkeit durch die Menge der großen Menschen hindurchgeschoben und stand nun unmittelbar vor den Kindern des Tuchwirkers.

»Habt keine Angst. Ich werde dafür sorgen, dass alles gut wird!«, schien ihr Blick auszudrücken. Sogar das Jüngste in den Armen der Mutter hatte aufgehört zu wimmern.

Langsam ging das Mädchen mit dem Goldhaar auf die Sänfte zu, aus der sich Bökhma der Gierige erstaunt hinauslehnte …

 

 

*

 

Vom Dach eines der umliegenden Häuser sah Sina, die man in Salassar ›die Katze‹ nannte, die Tragödie der Tuchwirkerfamilie mit an, und ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Obwohl ein solches Schicksal in Salassar nicht selten war, wurde das zwanzigjährige Mädchen mit der grazilen Gestalt und dem dunklen Haar immer wieder davon aufgewühlt.

Hier konnte man also für etwas glitzerndes Metall Menschen kaufen, die nicht besser und nicht schlechter waren als man selbst. Nur dass sie entweder bereits in armen Verhältnissen geboren waren oder im Leben Pech gehabt hatten. Der unglückliche Tuchwirker war sicher ein Musterbeispiel der Ehrlichkeit. Andere hätten versucht, mit ihrer Familie die Stadt zu verlassen oder auf andere Art zu Geld zu kommen. Er hätte mit seiner kräftigen Gestalt auch in einer der Diebesbanden von Salassar seinen Platz bekommen. Oder er hätte seine älteste Tochter das tun lassen können, was ihr nun bevorstand, und mit dem Geld den notwendigen Lebensunterhalt bestreiten. Auch aus der Entfernung erkannte Sina, dass die Tochter des Tuchwirkers mit ihren tiefschwarzen Haaren, dem blassen, eingefallenen Gesicht und den großen Augen eine Schönheit war, die unter Hingabe ihres Körpers ein ganzes Silberstück für den Liebesdienst nehmen konnte.

Doch Menschen wie Nasello und Madina waren für so etwas viel zu anständig. Sie würden weder ihre Tochter verkuppeln noch versuchen, ihren Mitmenschen etwas wegzunehmen.

Sina, die Katze, kannte Skrupel dieser Art nicht. Sie war die geschickteste und tollkühnste Diebin von Salassar, und die reichen Kaufleute fürchteten sie mehr als alle Dämonenwesen aus Thuollas finsterem Totenreich. Zumal sie wussten, dass Sina nicht aus reiner Habgier stahl, sondern dass ihre Diebeszüge aus Rache an der reichen und dekadenten Kaufmannsgilde geschahen.

Sina war in den Vierteln der einfachen Leute aufgewachsen. Nachdem ihre Schönheit voll erblüht war, war sie mit den anderen Mädchen von Salassar zum Tempel der Sabella gezogen. Hier im Heiligtum der Göttin der Schönheit wurde von den Priesterinnen in jedem Jahr das schönste Mädchen der ganzen Stadt gekürt.

In diesem Jahr wurde Sina mit dem Diadem der Schönheit geschmückt. Doch ihre Freude über die hohe Ehre währte nicht lange. Rohe Männerfäuste ergriffen sie, als sie den Tempel der Sabella verlassen wollte, und schleppten sie zum Palast des Oberherrn von Salassar.

Pholymates, der Oberherr, hatte eine besondere Schwäche für junge Mädchen. Sina wurde entkleidet und mit gespreizten Armen und Beinen auf ein Bettgestell aus purem Gold geschnallt. Was dann kam, zählte zu den bittersten Minuten ihres Lebens. Als Pholymates sie entehrte, wurde aus dem Mädchen eine Frau, die nur noch glühenden Hass gegen die reichen Kaufleute im Herzen trug. Ohne sich wehren zu können, musste sie alles über sich ergehen lassen, was ihr der Oberherr antat. Sein nach Wein stinkender Atem würgte Übelkeit in ihr empor, und sein fetter Körper widerte sie an.

Pholymates sah nicht den sprühenden Hass in ihren grünen Augen, als er von ihr abließ und befahl, sie aus dem Palast zu werfen. Seit diesem Tage wurde sie Sina, die Diebin, und obwohl der Tag der Schande schon einige Jahre zurücklag, brannte der Hass auf die Reichen, die sich mit ihrem Geld alles erlauben konnten, tief in ihrer Seele.

Auch hier war wieder ein Beispiel zu sehen, dass man mit Geld alles machen konnte. Sina bedauerte, heute Nacht nicht in das Haus eines reichen Händlers eingestiegen zu sein. Vielleicht wäre es ihr wenigstens gelungen, die Kinder vor dem grausamen Schicksal des Bergwerks zu bewahren oder dem Mädchen die Schande des Bordells zu ersparen. Doch in der letzten Nacht war sie mit Ferrol, ihrem Freund und Gefährten, durch die Kneipen von Salassar gezogen. Und so war Sinas Geldbeutel wieder einmal leer bis auf einige Kupferstücke. Und die Chance, in der Menge jemanden zu finden, der drei Goldstücke in einer Geldkatze am Gürtel trug, war mehr als gering.

Sina wollte sich abwenden, um nicht das Ende der Sklaventragödie mitzuerleben. In diesem Moment sah sie das kleine Mädchen mit dem hellen Haar, das sich aus der Menge löste und langsam auf die Sänfte des ›Gierigen‹ zuging …

 

 

*

 

Bökhma war verunsichert, als er das kleine Mädchen in aller Selbstverständlichkeit auf sich zukommen sah. Er hatte gerade seinem Diener die Preise zugeflüstert, die er hoffte, für die Sklaven beim Einzelverkauf zu erzielen.

Dann verstummte er mitten im Satz. Die blauen Augen des Mädchens kreuzten seinen Blick und bannten ihn fest. Er wurde gehalten wie ein Stück Eisen an einem Magnetstein.

»Wie hoch, gnädiger Herr, soll der Preis für die Frau sein?«, fragte der Diener. Doch Bökhma der Gierige antwortete nur mit einem unartikulierten Krächzen. Er war jetzt zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. Alles in seinem Inneren zwang ihn dazu, in die Augen des kleinen Mädchens zu starren.

»Eine Zauberin. Sie ist eine Zauberin!«, durchzuckte es den Juwelenhändler. Doch in seinem Inneren spürte er im gleichen Augenblick, dass dies nicht der Fall war. Denn er wurde nicht gezwungen, in die Augen des Mädchens zu starren. Er konnte nur seinen Blick nicht von ihr lösen.

»Welchen Preis, gnädiger Herr?«, fragte der Diener noch einmal. Bökhma winkte heftig mit der Hand. Der Diener wusste das Zeichen nur so zu deuten, dass er den Preis in diesem Falle selbst festzusetzen hatte.

»Mein Herr, der allgütige Juwelier Bökhma, dem Dhasor hundert Jahre gewähren möge, verfügt hiermit, dass die Sklaven aus der Familie des Tuchwirkers Nasello einzeln verkauft werden!«, rief der Diener mit lauter Stimme. »An Euch, hoher Herr der Bergwerke, die Kinder, an den Kapitän dort der Mann, der zum Rudern taugt, die Frau an jene würdige Matrone und diese gerade erblühte Schönheit von Salassar an diesen feinen Herrn in der prächtigen Gewandung. Die jüngsten Kinder … nun, denen sei Dhasor gnädig. Wenn sich niemand findet, der sie nimmt …!« Der Diener ließ die letzten Worte ungesagt. Jeder wusste, dass man die Kinder vor die Mauern der Stadt bringen und dort sich selbst überlassen würde. Die meisten von ihnen starben, und nur die Kräftigsten und Tüchtigsten überlebten, wenn sie von den Räuberbanden der umliegenden Sümpfe aufgenommen und aufgezogen wurden.

---ENDE DER LESEPROBE---