Die Kuenringer - Helmut Moldaschl - E-Book

Die Kuenringer E-Book

Helmut Moldaschl

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Beschreibung

Eine historische Beschreibung der Entwicklung des Ministerialengeschlechtes der Kuenringer vor dem Auftreten der Habsburger in Niederösterreich von 1050 bis heute.

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„Das Dorf stand ganz in Unflat und Wüste, alles zum Grausen und für Menschen unbegreiflich. In den Häusern wie auf den Gassen lagen nichts als abscheuliche Lumpen, zerschlagener Hausrat, Köpfe, Füße, und Gedärme von verzehrten Pferden, Menschen Unrat und mehrere Toten-Körper. In den Häusern waren nur Stuben, Kammer und Kuchl bewahret, das übrige davon hatte kein Dach, keinen Mantel, keine Mittelwand, keine Balken, und meistens standen diese nur auf vier Säulen. Die Zäune, Planken, und schönste Obstbäume in den Gärten waren alle verbrennet. Auch aller Hausrat von Bänken, Kästen, Bettstätten, Geschirren, und die Baufahrnisse von Wägen, Pflügen, und was immer von Holz war ging in den Flammen auf. Selbst in beiden Kirchen war ein Gräuel zu sehen.“

Maurus Friesenegger *1590 Sohn eines Bäckers. Dießen am Ammersee

Tagebuch aus dem 30jährigen Krieg, Seite 44

Der Autor dankt allen Freuden für Hinweise und fachliche Hilfe.

Das Liber Fundatorum Zwetlensis Monasterii Bärenhaut

Der namengebende Einband der Bärenhaut

Der Name Bärenhaut meint nicht, dass der Einband des Buches aus der Haut eines Bären bestünde. Es ist die Haut eines männlichen Schweines, eines Zuchtebers. Eines Saubären. So findet sich auch in den Klosterinventaren von 1786 unter der Rubrik im äußeren Archiv expressis verbis die Eintragung:

Liber fundationis monasterii. Manuscript. In Schweinehaut gebunden

Bemerkenswert ist ein Passus in der Klosterbeschreibung des Freiherrn Maximilian von Hackelberg-Landau aus dem Jahr 1725, der anscheinend die Urkunde König Konrads III von 1139, also das Gründungsjahr des Klosters meint:

… Wie auch die sogenante Berenhaut, so die Fundation dießes Closters enthaltet, und ist in die sechsthalbhundert Jahr alt, und weillen es auf grosses Paramen geschriben, so hat die alte alberne Welt disen Briff auf ein Berenhaut geschrieben zu sein beurtheilt.

(Archiv Hs. 3/32, Bl. 4v)

Dieses Buch wird uns nun durch die Geschichte der Kuenringer begleiten.

Inhalt

Vom böhmisch-mährischen Urgebirg‘ aus

Der Einstieg

Einige Kuenringische Sagen

3.1 Die Burgruine Aggstein

3.2 Die Hunde von Kuenring

3.3 Schreckenwalds Rosengärtlein auf Aggstein

3.4 Die Lorelei der Wachau

3.5 Hadmars Gefangennahme

Die Herkunft der Kuenringer. Grundlagen

Waren die Kuenringer wirklich Raubritter?

Přemysl Otakar II (Ottokar II) 1233 – 1278

Die Schlacht bei Dürnkrut und Jedenspeigen 12. August 1278

Die Rolle der Kuenringer und der Habsburger 1156 / 1218

Die Besiedlung des Ostlandes

9.1 Der Krieg Karls des Großen gegen die Awaren (791 – 796)

9.2 Die Landwerdung der Babenbergermark (750/80)

9.3 Die Schlacht bei Pressburg (907)

9.3.1 Die Ausgangslage

9.3.2 Der Ablauf der Schlacht

9.3.3 Die Folgen

9.3.4 Anmerkungen

Die Streifzüge der Ungarn (899 – 955)

10.1 Otto I (912 – 973)

10.2 Die Schlacht auf dem Lechfeld (955)

10.3 Otto der Große und Liudolf 23. 11. 912 – 07. 05. 973

10.4 Der Liudolfinische Aufstand (953)

10.5 Berengar von Ivrea (900 - 966)

10.6 Liudolfs Ende (957)

10.7 Ungarnzeitliche Nachweise der Lechfeldschlacht, 1.12.2013

10.8 Legenden, Rezeption und Diskussion

10.9 Heinrich der Zänker (991)

10.10 Das Einsetzen der Taidinge (985/991)

10.11 Herzog Heinrich II Jasomirgott

10.12 Friedrich I Barbarossa (1122 – 1190)

Die Babenberger

11.1 Das Ende der Auseinandersetzung mit Böhmen (1041)

11.2 Einfall Konrads in der Mark Österreich (1053)

11.3 Das Bamberger Dienstmannenrecht (1061/62)

11.4 Burgen- und Städtebau (2. Hälfte 12. Jh.)

11.5 Das erste Auftreten der Kuenringer in der Mark Babenberg (1056)

11.6 Die Entwicklung der Kuenringer als Ministerialen

11.7 Erstes Auftreten der Kuenringer Sippe (ca. 1140)

Zisterziensergründung und Ministerialität am Beispiel Zwettls

Die Schlacht bei Mailberg 1082

13.1 Altmann von Passau

13.2 Verschiedene Darstellungen der Schlacht

13.3 Der Ablauf der Schlacht

13.4 Das Ergebnis der Schlacht

13.5 Regino von Prüm (840-915)

13.6 Der Kampf von Mailberg 1082, laut Vita Altmanni

13.7 Die Folgen der Schlacht

13.8 Der Nordwald (9. bis 10. Jh.)

13.9 Die Ministerialen (ab 11. Jh.)

13.10 Ministerialen und die Herren von Grie und Ranna

13.11 Die Herren von Grie

13.12 Die Herren von Ranna

Ostarrichi – Ein Name für das Land im Osten (10. Jh.)

Leopold III und die Kuenringer

Die Gründung von Zwettl (1137)

Die Zwettler Gründungsurkunde (1139)

Rechts- und Dienstqualität im Mittelalter

Eufemia von Kuenring (Pottendorf) (1215 – 1285)

Der Niedergang der Babenberger 1246

Die Geschichte des letzten Kuenringers

Die frühen Kuenringer (11. Jh.) – Namens-, Familien- und Bedeutungsforschung

Die Kuenringer – Gründer des Landes Österreich

Die Entwicklung der Kuenringer

24.1 Azzo – Der Ahnherr der Kuenringer

24.2 Der Ursprung des Namens

Kuenring

24.3 Zwischenzeit

24.4 Albero III von Kuenring

24.5 Hadmar II von Kuenring

24.6 Richard Löwenherz

24.7 Elisabeth von Sunnberg

24.8 Albero IV von Kuenring

Hadmar III und Heinrich I (III) von Kuenring

25.1 Hadmar III und Heinrich I (III) – Die Hunde von Kuenring

25.2 Die Söhne Heinrichs I des Hundes von Kuenring

Die lange Endzeit der Kuenringer

26.1 Linie Kuenring-Dürnstein 1250 – 1348

26.2 Wie die Steiermark zu Österreich kam

26.3 Leutold I von Kuenring-Dürnstein

26.4 Albero VI von Kuenring-Dürnstein

26.5 Linie Kuenring-Weitra-Seefeld

26.6 Die Töchter Heinrichs II (IV) von Kuenring-Weitra

26.7 Albero VII von Kuenring-Weitra-Seefeld

26.8 Johann II von Kuenring-Seefeld

26.9 Nizzo II von Kuenring-Seefeld

26.10 Achaz I von Kuenring-Seefeld

26.11 Achaz II (?), Johann III und Albero VIII von Kuenring-Seefeld

26.12 Georg I von Kuenring-Seefeld

26.13 Balthasar I von Kuenring-Seefeld

26.14 Johann IV von Kuenring-Seefeld

26.15 Wilhelm, Marquard, Christof, Balthasar II und Florian von Kuenring-Seefeld

26.16 Marquard von Kuenring-Seefeld

26.17 Albero IX von Kuenring-Seefeld

26.18 Johann VI Ladislaus, der Letzte der Kuenringer

Könnten Kuenringe Nachkommen König Ottokars II sein?

Das Wappen der Kuenringer

Die Geschichte des Zisterzienserordens

Rudolf I von Habsburg 1218 - 1291

Das Nachleben der Kuenringer

31.1 Hans Lasla und das Aussterben der Kuenringer

31.2 Nachlebenforschung

31.3 Darstellung der Abstammung der Kuenringer

Wichtiges zusammengefasst

Sekundärliteratur

Abbildungen

Abbildung 1: Kühnring in Niederösterreich

Abbildung 2: Hadmar I mit Gertrud

Abbildung 3: Familie Moldaschl Waldviertel ab 1590

Abbildung 4: Die Burgruine Aggstein heute -

Abbildung 5: Die Burgruine Aggstein, 1910/15

Abbildung 6: Der Raubrittersaal"

Abbildung 7: Hadmars Überfahrt

Abbildung 8: Über die Untaten Heinrichs I

Abbildung 9: Schreckenwalds Rosengärtlein

Abbildung 10: Zwettler Stiftungsgebiet

Abbildung 11: Mauerrest der Kuenringer Burg (Kühnring

)

Abbildung 12: Kreuzfahrerstaaten

Abbildung 13: Einflussbereich Ottokars II zwischen 1253 und 1271

Abbildung 14: Europa im Jahr 1701

Abbildung 15: Europa im 6. Jahrhundert

Abbildung 16: Frankenreich zwischen 768 und 814

Abbildung 17: Die größte Ausdehnung Bayerns 952 – 976

Abbildung 18: Die ungarischen Streifzüge

Abbildung 19: Sarkophag Konrads in der Saliergruft des Wormser Doms

Abbildung 20: Das Heilige Römische Reich

Abbildung 21: Castello del Baradello

Abbildung 22: Heinrich II. Jasomirgott Denkmal am Rathausplatz in Wien

Abbildung 23: Die Krypta der Schottenkirche in Wien

.

Abbildung 24: Gertrud von Supplinburg

Abbildung 25: Römische Stadtmauer, Haus Maria am Gestade Nr. 5 Mitte 12. Jh

.

Abbildung 26: Das Wappen des Zisterzienserordens

Abbildung 27: Die Prümer Teilung 855

Abbildung 28: Geomorphologische Zonen

Abbildung 29: Das

Privilegium Minus

Abbildung 30: Kirche des ehemaligen Klosters Ebrach

Abbildung 31: Georgenberger Handfeste

Abbildung 32: Schlossruine Pottendorf

Abbildung 33: Wappen der österreichischen Babenberger

Abbildung 34: Schlacht an der Leitha 1246

Abbildung 35: Burg Hartenstein, Niederösterreich

Abbildung 36: Die frühen Kuenringer

Abbildung 37: Zwettler Stammbaum der frühen Kuenringer

Abbildung 38: Azzo. Anshalm

,

Abbildung 39: Portrait-Medaillon Hadmar

Abbildung 40: Stammtafel der Könige von England

Abbildung 41: König Richard Löwenherz küsst die Füße Heinrichs VI

Abbildung 42: Niederösterreich um 2000

Abbildung 43: Kuenringer und Liechtensteiner

Abbildung 44: Die Wappen der Kuenringer

Abbildung 45: Zwettl Kreuzgang

Abbildung 46: Stammbaum Familie Moldaschl um 1652

1 Vom böhmisch-mährischen Urgebirg‘ aus ..

.. erstreckt sich eine aus Gneis und Granit bestehende Hochfläche aus dem Tertiär. Kein Bergland, eher eine hoch liegende Tafellandschaft, die sich von Südwesten nach Nordosten senkt. Ihre alten Hügelketten bilden einen schwingenden Übergang zu den deutlich jüngeren Alpen. Viertel ober dem Manhartsberg heißt im Volksmund das Waldviertel. Geographisch und siedlungsgeschichtlich als Einheit liegt dieses Döllersheimer Ländchen auf einer Höhe von 550 Metern. Zahlreiche meist namenlose Bäche und Gräben zerfurchen das Gelände, das im Süden durch das vielfach gewundene tief eingeschnittene Tal des Großen Kamp abgeschlossen wird. Sein Lauf wird durch Lagerungen aus Urgestein bestimmt. Nach starken Regengüssen und zur Zeit der Schneeschmelze schwillt der Fluss zu einem gefährlich reissenden Gewässer an. Hinter dem Döllersheimer Ländchen knickt er vor dem Manhartsberg aus östlicher Richtung kommend scharf nach Süden ab und strebt dann mit stärkerem Gefälle der Donau zu.

Die scharfen und ozeanisch-feuchten Winde, die ausgedehnten Waldungen, die trotz umfangreicher Rodungen noch immer den dritten Teil des Bodens bedecken und die Höhenlage bedingen das raue Klima dort. Sie sind auch die Ursache für eine reiche Taubildung, die selbst vor dem Sommer nicht Halt macht. Schnee pflegt an vierzig Tagen im Jahr zu fallen und sich dann wochenlang zu halten. Die jährliche Regenmenge beträgt mehr als einen halben Meter, die großen Niederschlagsmengen treten zwischen April und September auf. So entstand die landläufige Redensart, im Waldviertel sei es drei Viertel des Jahres Winter und ein Vierteljahr lang kalt. Der neuerdings vermeintliche Klimawandel hat daran nichts geändert.

Nördlich der Donau erstreckte sich vormals – auf Böhmen zu – ein schier unermessliches Waldgebiet. Hier hausten Jäger und Fischer, flüchtigen Fußes dem Urwild folgend und an günstigen Fangplätzen ihre Netze stellend. Ein Urwaldgebiet - geheimnisvoll und drohend, von wenigen Straßenzügen durchzogen, nicht wirklich undurchdringlich und doch in Umfang und Stärke der urgeschichtlichen Besiedlung des Döllersheimer Ländchens unbekannt.

In diesem Gebiet hat sich von etwa 1050 bis 1600 hinweg eine große Familie entwickelt, und sie hat aus dieser Zeit eineinhalb Dutzend Burgen, etliche Siedlungen und Städte hinterlassen, von denen die meisten wieder verschwunden sind und die restlichen zunächst nur in fragwürdigen Zusammenhang gebracht werden konnten. Zunächst gab es kaum Licht in dieser düsteren unübersichtlichen Gegend, die man nicht kannte und aus welchen Gründen auch immer nicht wirklich brauchte.

Es waren die Kuenringer, die in dieser hoch- und spätmittelalterlichen Gesellschaft mit ihren Motiven, Regeln, Möglichkeiten und Abgrenzungen den noch jungen Habsburgern als Ministerialen dienstlich waren. Mit ihnen werden wir uns beschäftigen und mit den wenigen Informationen, die sie uns hinterlassen haben, ebenso mit vielen Fragen. Eine der wichtigsten, wie die ursprünglich unfreien, mit den Babenbergern in die östlichsten Ausläufer des Römischen Reichs eingewanderten Kuenringer in einem halben Jahrtausend zu einem der bedeutendsten Ministerialengeschlechter der Mark und des Herzogtums unter der Enns werden und mit den Adeligen nachziehen konnten. Was waren ihre bedeutenden und entscheidenden Taten und Werke, wie war ihr Verhältnis zu Standesgenossen, zu Markgrafen und Herzogen, zu Königen, zum Papst und zu den Adeligen in den Regionen, die sie gemeinsam bewohnten. Wie konnten sie ihren Zugang und wie ihr Verhältnis zu wichtigen Personen pflegen, Distanzen überwinden und nutzen, wie konnten sie ein Stift gründen, das Zisterzienserstift Zwettl und damit ihr kirchliches und intellektuelles Auftreten konsolidieren, und welchen Stand hatten die Vertreter dieser Familie in dieser scheinbar unstrukturierten Gesellschaft. Wie konnten sie so rasch auf die Bühne der Geschichte treten, und was konnte dazu führen, dass sie dann noch rascher von ihr verschwanden, wer war daran beteiligt. Wie waren die Zusammenhänge ihrer Aktionen mit jenen der Habsburger verknüpft, deren Dienstboten sie über längere Zeit hindurch nach ihrem Erscheinen in der Gesellschaft waren.

Beide Gruppen waren einander an verschiedenen Orten des heutigen Niederösterreich begegnet. Wir werden die Spuren der Familien durch mehr als fünfhundert Jahre des Hoch- und Spätmittelalters verfolgen. Unser Bemühen wird anspruchsvoll sein, und wir werden erkennen, weshalb Historiker bei der Beschreibung und erst recht bei der Erforschung der erratischen Zusammenhänge niemals völlig sicher sein können. Im Gegensatz zu vielen anderen Wissenschaften kann man in der Geschichtswissenschaft keine kausal stringenten Schlussfolgerungen ableiten oder gar fordern dürfen. Allzu oft ist man auf unsichere Quellen angewiesen oder was noch trügerischer ist, auf Quellen mit politischen Aufträgen, und daher wird man aus scheinbaren Zusammenhängen der Gegenwart keinesfalls auf solche der Zukunft schließen dürfen.

Erfahrung und Augenmaß werden daher stets entscheidend sein, denn es werden einem nicht selten abenteuerlich anmutende Schlussfolgerungen begegnen. Viele Behauptungen ebenso vieler Fachleute der Geschichtswissenschaft werden miteinander verwoben sein, und sie werden stets persönliche Erfahrungen, Erkenntnisse und Einsichten mit sich tragen. Und je weiter man in der Geschichte zurückgeht, umso unverlässlicher werden manche Schlussfolgerungen sein.

Quasi im Rösselsprung wird uns das Quellenstudium über lange zeitliche und topographische Strecken durch die vorhandene Literatur führen, überaus lückenhaft und kaum auf sicheren Pfaden, und argumentative Fallen werden gestellt, gelegentlich auch sonderbare Schlussfolgerungen aufgezwungen, und so wird um das Ende des 13. Jahrhunderts die Rolle der Habsburger immer stärker in den Vordergrund treten und gegen das Ende des 16. Jahrhunderts die Rolle ihrer Konkurrenten, der Kuenringer in den Hintergrund.

Dabei wird das Verschwinden dieses im Werdenden Land Österreich bedeutsam gewordenen Geschlechts mit einfachen nahezu trivialen Ursachen begründbar zu sein scheinen. Hier und dort mag der Leser auch glauben, eine einfache Erklärung entdeckt zu haben, diese wird ihn dann in seiner Meinung bestärken oder er wird nach einigen Forschungen Fehler darin entdecken und unsicher werden in seinen Schlussfolgerungen. Bleiben Sie also auf unserer Spur.

2021 Der Autor mit seinem Freund Zuma Nesta Rock „Alexander“

Mit Erfahrung und kreativen Ansätzen lassen sich komplexe Zusammenhänge interpretieren, auch die zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen herrschen. Damals und heute. Mit dem Mut zu unpopulären Interpretationen von Zusammenhängen wird die Geschichte dynamisch, konsequent und verständlicher, unterstützt durch moderne Datenverarbeitung und Forensik und damit scheinbar zwingend.

Durch akribische Analyse gelingt es verschiedene Zusammenhänge der handelnden Gruppen zu durchdringen. Im wesentlichen sind es jene der Bamberger, der Kuenringer und letztlich der Habsburger, und damit kommen wichtige Motive an die Oberfläche des ganzen historischen Geschehens. Politische Absichten und ihre Wirkungen, scheinbar belanglose Elemente werden zu beklemmenden Fakten für die nächsten Jahrhunderte.

2 Der Einstieg

https://www.deutsche-biographie.de/downloadPDF?url=sfz46756.pdf

https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Schloss_Seefeld?uselang=de#/map/0/12/48.6495/16.1671Deutsche Biographie – Onlinefassung NDB-Artikel ‚Kuenring - Österreichisches Ministerialengeschlecht‘

Im Jahr 1132 wird erstmals der Name Kuenringer genannt 1. Er leitet sich nach dem Ort Kühnring ab. Kühnring befindet sich in der Nähe von Eggenburg im niederösterreichischen Waldviertel. Der Name sollte sich in den folgenden Generationen als alleiniger Familienname eines Adelshauses durchsetzen. Gegen viele andere Namen, die seine Verwandten zunächst geführt hatten.

Abbildung 1: Kühnring in Niederösterreich

Die Kuenringer bestanden bis ins späte 16. Jahrhundert, genau genommen bis 1594, und sie beherrschten den Ort immerhin bis in das 13./14. Jahrhundert. Die Burg wurde dann 1461 von Johann von Götzesdorf gesprengt, worüber allerdings nur wenige gesicherte Angaben vorliegen. Heute bezeugen immerhin vier gewaltige Mauerblöcke ihre Existenz. Auf dem Areal des Gründungsortes befinden sich jetzt nur noch der Friedhof, die Kirche und der Karner. Laut Adressbuch von Österreich werden sich im Jahr 1938 in der durchaus überschaubaren Ortsgemeinde Kühnring ein Bäcker, zwei Gastwirte, ein Gemischtwarenhändler, eine Milchgenossenschaft, ein Müller, ein Schmied, eine Schneiderin, zwei Schuster, ein Tischler, ein Viktualienhändler und einige Landwirte befinden.

Die Kuenringer waren zur Zeit Hadmars I Ministerialen (Dienstleute) der Babenberger, mit Herrschafts-schwerpunkten im Waldviertel und in der Wachau zwischen Aggstein und Dürnstein. Enge Beziehungen bestanden zum Kloster Göttweig. Dieser Hadmar gehörte zum engeren Umfeld des Markgrafen Leopold III (1095 - 1136) und so trat er als Zeuge landesfürstlicher Schenkungen auf. Erstmals genannt wurde er 1125.

Er war mit Gertrud verheiratet und er hatte nach der bildlichen Darstellung des Zwettler Stifterbuches – das ist das Liber fundatorum, die sogenannte Bärenhaut – mit ihr gemeinsam das Zisterzienserkloster Zwettl gegründet. Die Zisterzienser waren der damals modernste Reform-Orden. Mit dieser Gründung folgte er dem landesfürstlichen Vorbild. – Markgraf Leopold III hatte nämlich 1133 die Zisterze Heiligenkreuz gegründet.

Nach der Zwettler Tradition bezogen zwölf Mönche aus Heiligenkreuz unter ihrem Abt Hermann im Advent 1137 ein Notquartier im Ober(n)hof und feierten hier am 31. Dezember die offizielle Gründung.2

Abbildung 2: Hadmar I mit Gertrud

Kurz darauf hatte Hadmar gemeinsam mit dem Abt das Gründungsgut umritten und die einzelnen Güter dem Kloster überwiesen, das wie das Gut selbst den Namen Zwettl (Zwetl) erhielt, was auf Slawisch Lichtung bedeutet.

Hadmar hatte den Baubeginn vermutlich gar nicht erlebt, er war im Mai 1138 gestorben und soll seiner jungen Stiftung für ihre Sicherheiten die enorme Summe von 300 Pfund vermacht haben. So scheiterte die geplante fromme Gründung seines Onkels Anselm von Hezmannswiesen-Brunn auf dessen Gut in Krumau Vollstreckung am Kamp durch die an Landesfürsten, der testamentarischen die als Obereigentümer das durch seine Erzvorkommen reiche Gut gar nicht hergeben wollten.

Hadmar hatte zur Gründung der neuen Zisterze sicherlich die Zustimmung des Markgrafen Leopold I besessen und auch die dafür nötige Zustimmung des Generalkapitels von Citeaux. Vermutlich über den Bruder des Markgrafen Otto, der damals Abt der Zisterze Morimond gewesen war. Volle Rechtssicherheit hatte die Stiftung allerdings erst mit der Bestätigung durch König Konrad III im Oktober 1139 erlangt. Nur wenig später, am 27. Februar 1140, hatte auch Papst Innozenz II die Stiftung bestätigt und sie unter seinen Schutz genommen. Als Hadmar starb war der Erfolg seiner Gründung noch unsicher gewesen, deswegen hatte er sich in Göttweig begraben lassen. Die Burg Kühnring war an seinen Verwandten Albero III gefallen, der sich wie Hadmar auch nach ihr benannt hatte und der den Namen an seine Nachkommen weitergegeben hatte. Kühnring wurde zur Stammburg, Kuenring zum alleinigen Namen einer Adelsfamilie, deren Tradition erst Ende des 16. Jahrhunderts mit dem Tod des Johann VI. Ladislaus enden sollte.

https://www.gedaechtnisdeslandes.at/personen/action/show/controller/Person/person/kuenring-2.html

Hadmar († 27.05.1138) war ein Urenkel des sagenhaften Kuenringer-Ahnherrn Azzo und ein Sohn Nizzos. Er war ein Mitglied der vierten Kuenringer Generation. Sein Vetter Albero war der Stammvater aller weiteren Kuenringer. Nach einer im 13. Jh. erstmals aufgezeichneten Zwettler Haustradition war ihr Ahnherr Azzo aus Trier auf Veranlassung des Erzbischofs Poppo von Trier, des Sohnes von Markgraf Leopold I zur Befreiung Österreichs von böhmischen Invasoren in die Babenberger Mark gesandt worden.

Diese bestand aus einer Vielzahl unbedeutender Dörfer und sollte das Areal für die Entwicklung einer außergewöhnlichen Reihe von Ministerialen werden. Im Gegensatz zu Besitzungen, die später durch habsburgische Softies gelenkt würden, wurde sie kurze Zeit danach durch eine schier explosive Struktur von Machern beherrscht. Doch auch diese wurde alsbald mit derselben Brutalität und Einfallslosigkeit beiseitegeschafft, wie das später über einige Jahrhunderte hindurch eine sogenannte ‚moderne Gesellschaft‘ rücksichtslos und weiträumig praktiziert hatte.

Ein ehemals kuenringisches Gebiet hatte mein Vater kurz nach Ende des zweiten Weltkriegs, zwei Jahre nach Kapitulation der Deutschen Armee in Stalingrad, zu Fuß durchquert, eine geschlachtete Sau auf einem alten Leiterwagen, in der Hitze und Trockenheit, von Horn achtzig Kilometer auf verrotteten Straßen, vorbei an Mold, Kühnring und Reinprechtspölla nach Wien, nicht wissend, wo sich seine Ehefrau mit dem gemeinsamen Kleinkind befand. Jeder kämpfte damals um sein Überleben, und ähnlich musste es 900 Jahre vorher gewesen sein.

1618 hatte der Dreissigjährige Krieg begonnen. Heute kann jedermann in unseren Geschichtsbüchern lesen, was das für unsere Vorfahren bedeutet haben mag. Wo die große Familie Moldaschl in der Zeit zwischen 1600 und 1700 im Waldviertel gelebt hatte zeigt das nachfolgende Bild. Trotz der Bemühungen, die Informationen der einzelnen Urkunden zu entziffern und daraus vollständige Schlüsse zu ziehen, hat sich bis heute nur ein geringer Teil verwandtschaftlicher Beziehungen in der Umgebung von Litschau, der heute nördlichsten Stadt Österreichs eröffnet. Tatsächlich spielt es auch kaum eine Rolle, welches Schicksal irgendwelche Menschen in diesem schrecklichen Durcheinander erlitten haben mussten. Man mag sich an der Schrift des Maurus Friesenegger3 ein Bild über die Facetten seines Lebens während des 30jährigen Krieges machen, die er in seinem Tagebuch festgehalten hat. Im Kloster Andechs hatte der Pater Willibald Mathäser die Eintragungen Frieseneggers erfasst und uns damit einen Eindruck aus einer völlig anderen Welt hinterlassen. Schreckliche Mühen und Plagen müssen über die zahllosen unbekannten Menschen hinweggegangen sein. Die wenigen schmalen Dokumente hinterlassen einen bedrückenden Eindruck, und schon deswegen war es uns ein Bedürfnis, den verwandtschaftlichen Zusammenhängen beginnend mit Andreas Moldaschl (geboren ca. 1590) so dicht wie möglich nachzugehen.

Dass Andreas‘ Geburtsdatum und das Sterbejahr 1594 des letzten Kuenringers Johann Ladislaus VI von Kuenring-Seefeld (‚Hans Lasla‘, wie er von den Zeitgenossen später genannt wurde, *~1560 bis †9.12.1594) zeitlich so eng verflochten sein würden, war zu Anfang unserer Forschungen nicht zu erwarten.

Abbildung 3: Familie Moldaschl Waldviertel ab 1590

„Das Jahr 1637 fangte sich ebenfalls noch gut an, und es begab sich nichts Merkwürdiges bis am 15. Februar, als uns der Todesfall des wahrhaft gottseligsten Kaisers Ferdinand II verkündet, und der Prälat zum 3tägigen Leichenbegängnis nachher München beruffen wurde, wo uns indessen im Kloster, und in allen Pfarrkirchen ein Gottesdienst anbefohlen ward. Da im nächstvergangen Jahr wegen äußerster Not, und Abgang der Lebens-Mittel die Fasten hindurch in Fleisch-Speisen dispensiert worden, so wurde heuer

Siehe u. a. Paulus fil Andrea Moldaschl (oberer Bildrand)

Litschau Tauf-, Trau- und Sterbebuch 1651 - 1703 04-Trauung_0007, Zeile 2

Philippus Moldaschl

Beim Betrachten solcher Schriften sei nicht zu vergessen, dass die meisten Herzöge, Fürsten, Könige und Kaiser nur selten und dann kaum des Lesens und Schreibens mächtig waren. Umso weniger Recht hatten also die zahllosen Bauern und Kleinhäusler, die zwar den Adeligen im Alltag halfen der Nachwelt schriftlich erhalten zu bleiben, selbst in Schriftform irgendwo auffindbar zu bleiben.

Nicht viel besser sollte es über lange Zeit hinweg dem großen Geschlecht der Kuenringer ergehen. Wir werden in diesem Buch erfahren, weshalb das so war. Tatsächlich wiesen die Anfänge des letzten Babenbergerherzogs Friedrich II 4 Familie nicht nach Niederösterreich, sondern in die Zentren des späteren Reiches – nach Schwaben und insbesondere zu bairischen Adelsfamilien, die in der Babenbergischen Mark Macht und Einfluss besaßen. Beispielsweise die Grafen von Plain, Poigen und Formbach.

Neben der Bestiftung und Förderung, die das Kloster Zwettl besonders Hadmar II, dem Sohn Alberos III (1115 – 1182) verdankte - dieser war am 21.12.1217 auf dem Kreuzzug von Damiette gestorben5 – ist der Name der Familie verbunden mit der Rodung und Kolonisierung weiter Teile Niederösterreichs zwischen Donau und Thaya, besonders im Waldviertel, aber auch im südlicheren Weinviertel, was sich in der Errichtung zahlreicher Burgen und Städte, sowie in der Ausgestaltung der pfarrlichen Organisation manifestiert. So hat Hadmar II beispielsweise 1201-08 unter Verlegung einer Altsiedlung Stadt und Burg Weitra gegründet, nach welcher sich ab Mitte des 13. Jh. im böhmisch-österreichischen Grenzgebiet eine Linie der Familie nennt.

Etwa zur selben Zeit erfolgt die planmäßige Anlage von Stadt und Burg Zistersdorf im Weinviertel, ebenfalls in Nachfolge einer ursprünglich slawischen Vorgängersiedlung, 1160 hat Albero dort die Pfarre bestiftet.

Vermutlich hat Hadmar auch die Burg Dürnstein in der Wachau erbauen lassen. Ehemals war sie die Haupt- und Stammburg der Linie Kuenring-Dürnstein. Sie erlischt 1355 mit dem Tod Leutolds III, und sie wird 1192/93 durch die Gefangenschaft des englischen Königs Richard I Löwenherz Berühmtheit erlangen. Ein Klarissinnenkloster – gestiftet 1289 von Leutold I, aufgehoben 1573, sowie ein Kanonikerstift unterhalb der Burg, gestiftet von Elsbeth, 1410 reguliert, 1788 aufgehoben – dies alles wird später den Glanz des Familiensitzes mehren.

Die Kolonisationstätigkeit dürfte von landesfürstlichen oder gräflichen Burgen ausgegangen sein, ihren Ausgang auch von Besitzungen genommen haben, und sie wurde vielfach durch die Wiederbesiedlung ehemals slawischer Orte erleichtert. Wichtige Stützpunkte in der Wachau – beispielsweise Aggstein und Spitz – waren bairische Lehenschaften.

Ihre umfangreiche Herrschaft über Land und Leute sowie die enge Anlehnung an die Babenberger im 12. Jh. und nicht zuletzt günstige Heiratsverbindungen mit zahlreichen begüterten Landherrenfamilien erlaubten den Kuenringern gegenüber den Landesfürsten schon seit dem 2. Viertel des 13. Jh. eine recht eigenständige Politik, was ihnen in Zeiten der Schwäche oder gar des Fehlens landesfürstlicher Herrschaft große politische Macht verlieh.

1 Im Ort befand sich die Stammburg der Kuenringer, die in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts vermutlich von Hadmar I errichtet wurde.

https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Schloss_Seefeld?uselang=de#/map/0/12/48.6495/16.1671 von Kuenring

2 Gründungsfeier von Zwettl 31.12.1137

3 Maurus Friesenegger: Tagebuch aus dem 30-jährigen Krieg. Edition monacensia 2007

4 Der letzte Babenbergerherzog Friedrich II war ein jüngerer Sohn Leopolds VI und der Byzantinerin Theodora.

5https://www.gedaechtnisdeslandes.at/personen/action/show/controller/Person/person/kuenring.htmlHadmar II

3 Einige Kuenringische Sagen

In der schlichten Darstellung für das breite Volk treten die Kuenringer in Sagengeschichten auf, und in diesen fehlt es nicht an Strenge, Grausamkeit, Folter und Tötung. So geht ihnen ein besonderer Rumor voraus.

3.1 Die Burgruine Aggstein

Insbesondere zählt die Burg Aggstein zu den sogenannten Sagenhaften Orten Europas und damit hat sie in der Welt der Sagen als berüchtigtes Raubritternest ihren unverrückbaren kuenringischen Platz. Gleich zwei Raubritter mit ihrer Familie trieben dort angeblich ihr Unwesen. Nämlich die Hunde von Kuenring (um 1230; wir werden ihnen begegnen), aber auch den "Schreckenwald" (um 1463)6. Philibert Hueber, Stiftarchivar in Melk, verrückt 1722 den Schreckwald (Jörg Scheck vom Wald) aus dem 15. Jahrhundert ins 13. Jahrhundert, erhält uns aber phantastische Einzelheiten mit lustvollem Schrecken. Ignaz F. Keiblinger 7 (*1797; † 1869), ebenfalls Stiftarchivar von Melk, verknüpft 1827 Sagen miteinander, macht einen Schreckwald zum "Burgvogt" des Raubritters Hadmar und lässt beide in der Zeit nach 1246 ("Österreichisches Interregnum") ihr Unwesen treiben. Schon damit hatte Aggstein für viele Jahre eine hinreichend schreckliche Position an der Donau.

Abbildung 4: Die Burgruine Aggstein heute - Aufgenommen von einem Standort in Willendorf.

Die Länge der Anlage ist gut erkennbar. Sie ist Teil der Gemeinde Aggsbach und befindet sich auf der Seite von Aggsbach-Dorf, das durch die Donau von Aggsbach-Markt abgegrenzt wird. Die Burg erhebt sich auf einer ca. 150 Meter langen Felszunge über dem Fluss. Sie stößt von einem mächtigen Waldkamm nach Westen vor und fällt nach drei Seiten steil ab. Die gesamte Burganlage hat eine Länge von mehr als 100 Metern und besteht aus den Resten der Vor-, Mittel- und Hauptburg, an welche später eine Unterburg und ein Zwinger angebaut wurden.

Erhalten sind im wesentlichen die Anlage, wie sie um 1429 erbaut wurde, sowie die Erweiterungsbauten aus dem 17.

Abbildung 5: Die Burgruine Aggstein, 1910/15 Bild von Hubert Landa (1870–1938),

Die heute Jahrhundert erhaltenen Teile der mittelalterlichen Burganlage stammen aus dem 15. Jahrhundert. Ein Vorläufer dieser Burganlage wurde nach 1110 erbaut. Als Erbauer gilt der Hochfreie Manegold (III) von Aggsbach-Werde. Seit ca. 1181 dürfte Aggstein den Hochfreien von Aggsbach-Gansbach gehört haben, die als Verwandte der Kuenringer gelten. Später gehörte Aggstein zusammen mit der Herrschaft Wolfstein (heute Teil der Gemeinde Schönbühel-Aggsbach) bis 1355 als Lehen des Herzogtums Bayern tatsächlich den Kuenringern. Im Zusammenhang mit ihrer Fehde gegen Herzog Friedrich (II) von Österreich ("Friedrich der Streitbare") im Jahr 1231 wurde Aggstein zerstört und dürfte für lange Zeit nicht wieder Nach dem Aussterben der Dürnsteiner Linie der Kuenringer kam die Herrschaft Wolfstein mit Aggstein, wieder als Lehen des Herzogtums Bayern, durch die Erbtochter Anna von Kuenring an Heidenreich von Maissau. Um 1429/1430 gelangte die Herrschaft Wolfstein mit der Burg Aggstein durch den Sturz des letzten Maissauers in den Besitz des Herzogtums Österreich. Ab 12. Juni 1429 wurde Aggstein (zu dieser Zeit das Öde Haus) unter Herzog Albrecht (V) von Österreich (König Albrecht II) durch seinen Kammerherrn Jörg Scheck vom Wald verwaltet. Er oder ein gleichnamiger Nachfolger verlor 1463 dieses Lehen, als Erzherzog Albrecht (VI) von Österreich (Albrecht der Freigiebige) Aggstein seinem Kanzler Jörg von Stain verlieh und jener die während dieser Zeit offensichtlich wieder aufgebaute Burg eroberte. Nach dem Tod von Albrecht VI verlor auch Jörg von Stain wieder Aggstein, das nun Ulrich von Grafenegg im Auftrag von Kaiser Friedrich III eroberte. Seit 1478 wurde Aggstein meistens von Pflegern verwaltet.

1529 wurde die Burg letztmalig im Zusammenhang mit der ersten Türkenbelagerung der Stadt Wien (1529) zerstört. Damals befand sich Aggstein im Pfandbesitz von Freiherr Wilhelm von Rogendorf. Danach war Aggstein an Andreas Wolf von Polheim verpfändet, dessen Witwe Anna die Burg restaurieren ließ, ehe sie diese 1606 an ihren Cousin Otto Max von Abensberg-Traun verkaufte oder vererbte. 1685 verkauften seine Nachfahren die Ruine an die Grafen von Starhemberg. 1683 war dann die Zweite Türkenbelagerung Wiens. 1819 wurde die Burg Eigentum der Grafen von Beroldingen.

Abbildung 6: Der Raubrittersaal" auf Burg Aggstein

Heute gehört sie der Familie der früheren Grafen Seilern zu Aspang-Schönbühel. Die Ruine ist ein 3.2 beliebtes Die Ausflugsziel, Hunde von durch Kuenring ihre Mittelaltermärkte und weitere Veranstaltungen mit Mittelalter-Flair bekannt.

Abbildung 7: Hadmars Überfahrt

Im Mittelpunkt mancher Kuenringersagen des Landes Niederösterreich stehen die Hunde von Kuenring, wie die Brüder Hadmar von Dürnstein und Heinrich von Weitra genannt werden. Als Raubritter machen sie von den Burgen Aggstein und Weitra aus ihre Umgebung unsicher. Hadmar kapert angeblich fahrende Handelsschiffe, welche in Richtung Wien unterwegs sind, indem er bei Aggstein eine eiserne Kette über die Donau spannen lässt.

Der Landesfürst des Herzogtums Österreich will Hadmars Treiben ein Ende bereiten, doch seine Versuche Aggstein zu erobern, scheitern. Ein Kaufmann aus Wien hat Hadmar mit Wissen des Herzogs von Österreich eine Falle gestellt, die zur Gefangennahme Hadmars führt, worauf die nun mehr herrenlose Burg Aggstein eingenommen werden kann. Der Herzog schenkt Hadmar Leben und Freiheit, verpflichtet ihn allerdings, alles geraubte Gut zurückzugeben und sämtliche Schäden gutzumachen.

Hadmar wird nach seiner Gefangennahme nach Wien geschafft. Historistisch- phantasievolle Darstellung aus dem Jahr 1880

Tatsächlich ist Hadmar gebrochen und nur wenige Jahre später stirbt er in einem kleinen Dorf bei Passau auf einer Pilgerreise. Die Sage existiert in mehreren Versionen, welche sich in Kleinigkeiten unterscheiden. Die Ausführung der Falle, die Hadmar gestellt wird, übernimmt stets ein Kaufmann, doch in manchen Versionen hat nicht dieser die Idee der Gefangennahme, sondern ein Hofnarr. Der Herzog von Österreich war meistens Friedrich der Streitbare, oft aber auch ein namenloser Herzog von Österreich: wohl Herzog Leopold (VI) der Glorreiche, den Hadmar mehrmals auf Reisen begleitete.

Hadmar (III) von Kuenring († um 1231) und sein Bruder Heinrich (III) von Kuenring sind jedenfalls historisch bezeugt. Sie waren Söhne des Adeligen Hadmar (II) von Kuenring aus dessen Ehe mit Euphemia von Mistelbach. Aus der Familie ihrer Mutter dürften die Brüder den Beinamen Hund geerbt haben. Nach der neueren Forschung wurden die beiden Kuenringer zu Unrecht als Raubritter diffamiert. Offenbar handelt es sich dabei um unrichtige historische Überlieferungen oder gar landesfürstliche Propaganda. Wir werden die Tatsachen später noch ausführlich darstellen.

Tatsächlich waren die Kuenringer mehrmals in Aufstände gegen die Landesfürsten des Herzogtums Österreich verstrickt; hinzukam, dass Burg Aggstein Teil eines bairischen Lehens war und damit eine Bedrohung für die Landesherrschaft des Herzogtums Österreich darstellte. In einigen Versionen der historischen Darstellungen oder Sagen war der Landesfürst des Herzogtums Österreich Friedrich II der Streitbare.

Zu Beginn seiner Herrschaft gab es tatsächlich einen Aufstand der Adeligen im Herzogtum Österreich, den die Brüder Hadmar und Heinrich von Kuenring anführten. Nach dessen Niederschlagung dürfte es allerdings zu einer Aussöhnung gekommen sein. Die Darstellung in der Sage, dass Hadmar Schiffe gekapert hätte, könnte dem Umstand entstammen, dass sich bei der Burg Aggstein eine Mautstelle befand.

Abbildung 8: Über die Untaten Heinrichs I

Kommentarband des Liber Fundatorum S. 37 /67 (33ra - vb)

Moralisierende Erzählung über die „Untaten“ Heinrichs I, besonders aber Hadmars III von Kuenring und ihrer Gefolgsleute; Störung der Donauschifffahrt im Raum Krems-Dürnstein-Aggstein durch Hadmar III; ausführliche Schilderung der durch eine Kriegslist geglückten Gefangennahme des Kuenringers und über das Vorgehen Herzog Friedrichs II, gegen die Kuenringer Sitze Aggstein sowie Dürnstein. Freilassung Hadmars III, nach Erfüllung der vom Herzog diktierten Bestimmungen.

Tod des Kuenringers auf dem Weg nach Passau, wo er die Aufhebung der über ihn verhängten Exkommunikation erlangen wollte. Mehrjährige (!) Verweigerung des Begräbnisses durch die Zwettler Mönche unter Hinweis auf den Spruch des Bischofs sowie auf die von den Kuenringern entfremdeten und an ihre Anhänger vergebenen Klostergüter. Beisetzung Hadmars III im Zwettler Kapitel, danach aber keine Durch-führung der versprochenen Güterrück-erstattung; kurzer rechtlicher Exkurs. Einleitung zu folgender Urkunde (FRA II/3, 125-128). Inc.: Scripturi denique de nostris funda-toribus ad eandem lamentabilem materiam inviti tamen redimus

3.3 Schreckenwalds Rosengärtlein auf Aggstein

Eine markante Felsformation bei der Ruine Aggstein wird gerne heute noch für das legendenumwobene Rosengärtlein gehalten, was seit dem 17. Jahrhundert in mehreren Versionen überliefert ist. Gemeinsam sind Sagen vom Aggsteiner Rosengarten, nach denen die Burg in den Besitz des Schreckwald oder Schreckenwald kommt, der meistens ein böser Ritter, in manchen Versionen sogar ein Räuber ist., die als Balkon von seiner Burg Aggstein ragt.

Abbildung 9: Schreckenwalds Rosengärtlein

Wie die Hunde von Kuenring nützt auch er Aggstein als Ausgangspunkt für kriminelle Unternehmungen, wobei er, wie die Hunde, zunächst faktisch unbesiegbar zu sein schien. Gefangene lässt er gewöhnlich auf einer Steinplatte aussetzen. Dort bleibt ihnen nur die Wahl zu verhungern oder in den Tod zu springen. Schreckenwald nennt diese Steinplatte sein Rosengärtlein. Einige Versionen dieser Sage vergleichen die Gefangenen zynisch mit Rosen. Einem der Gefangenen gelingt es allerdings zu entkommen, was den Untergang von Schreckwald zur Folge hat.

Schreckwald wird in einigen Sagen mit dem historisch belegten Adeligen Jörg Scheck von Wald identifiziert, der im 15. Jahrhundert tatsächlich Aggstein als landesfürstliches Lehen besaß. Die heute noch erhaltenen Teile der Burgruine, die aus dieser Zeit stammen, gehen auf Bauarbeiten zurück, die er durchführen ließ. In einigen Versionen ist Schreckwald allerdings nur ein Räuber, dessen Hintergrund nicht näher beschrieben ist. In einer Version wird ihm das Handwerk gelegt, aber seine Nachkommen sind nicht besser als er und müssen schließlich ebenfalls ausgeschaltet werden. Je nach Version wird dem Sadismus des Schreckwald mehr oder weniger Raum eingeräumt. Auch die Rettung des einen Gefangenen, der überlebt, variiert in Details, wobei neben einem geglückten Sprung in die Freiheit auch übernatürliche Elemente wie Glocken eine Rolle spielen, die den Unhold letztendlich in den Wahnsinn treiben.

Die Bezeichnung Rosengarten findet sich interessanterweise als Bezeichnung für wilde oder triste Gegenden. So nennt man Grab- oder Totenkultstätten nicht selten Rosengärten. Immerhin könnte die Bezeichnung Aggsteiner Rosengarten gruselig auf einen hoffnungslosen Ort verweisen – etwa auf ein Felsengefängnis oder einen Kerker.

Das trifft auf die Burg Aggstein zu, denn ein ausgesetzt schmaler Felsvorsprung – mittlerweile durch Futtermauern abgestützt – zählt heute zu einem der schönsten Ausblickspunkte auf das Donautal, und immer noch wird er als das legendenumwobene Rosengärtlein vorgestellt.

3.4 Die Lorelei der Wachau

Weniger bekannt ist eine Wachauer Sage, in der eine niederösterreichische Lorelei auf dem Felsen, wo später die Burg erbaut wurde, ihr Unwesen treibt. In der Version von Hans Plöckinger aus dem Jahr 1926 trägt diese Loreley Züge des Donauweibchens.

3.5 Hadmars Gefangennahme

http://www.sagen.at/texte/sagen/oesterreich/niederoesterreich/wachau/hademarsgefangennahme.html

Als Herzog Friedrich der Streitbare, erst neunzehn Jahre alt, die Regierung antrat, erhoben sich, des Fürsten Jugend nutzend, die Adelsgeschlechter unter Führung der Kuenringischen Brüder Heinrich III von Weitra und Hadmar IV von Aggstein und Dürnstein, gesonnen die landesherrliche Gewalt abzuschütteln und sich zugleich auf Kosten der verhassten Städter, nicht minder der Kirchen und Klöster, zu bereichern.

Offenbar waren beide gar schlimme Räuber und Mordbrenner, jedenfalls in der Sage, und sie nannten sich – auch in der Sage – "Die Hunde", angeblich anzeigend, dass sie gar wacker um sich zu beißen verstünden. Es haben insbesondere die Bürger von Krems und Stein sattsam empfunden, wie weh der wütenden Hunde Bisse getan, indem die mörderischen Brüder beide Städte unversehens überfallen, geplündert und in Brand gesteckt haben. So geschehen im Jahre des Herrn 1231.

Was davon aber ist wahr und was ist falsch oder nicht unbedingt völlig wahr.

Während Heinrich mehr im Waldland oder Waldviertel wütete, unterband Hadmar den Donauhandel vollständig. Er sperrte bei Aggstein die Donau mit einer Kette, zwang jedes talfahrende Schiff anzuhalten, befreite, zum Schaden auch noch den Hohn gesellend, die Pfeffersäcke, wie er die Kaufleute nannte, von ihrem Mammon und aller sündhaften Eitelkeit in Kleidung und Geschmeide, und er ließ, wenn es sich zu lohnen schien, diesen und jenen Gefangenen so lange im Verliese schmachten, bis der arg Gequälte reiches Lösegeld zusicherte.

Doch geht der Krug so lange zum Brunnen, bis er bricht. Die geistlichen Fürsten taten sich gegen ihn zusammen, Bischof Gebhard von Passau bannte den Kirchenschänder aus aller Christengemeinschaft und der Herzog, des verruchten Treibens müde, beschloss der Kuenringer Burgen zu brechen und die Raubgesellen mit der Weide bekannt zu machen ..., eine Standeserhöhung in frischer Luft ohne Boden unter den Füßen.

Es war aber allweg bekannt, es seien insbesondere den in die Wolken gebauten Raubnester Dürnstein und noch mehr Aggstein nicht zu nehmen, in solange Hadmar seinen Leuten gebiete und den Angriff abwehre. Andererseits aber den Fuchs zu fangen, schien bei seiner übergroßen Schlauheit eher unmöglich.

Da meinte, um seine Ansicht befragt, des Herzogs lustiger Rat:

"Hoher Herr! Mit Speck fängt man Mäuse. Mit Fleisch Füchse. Mit schimmerndem Glanz Hadmar den Räuber. Haben nicht, wie Herbort von Fritzlar berichtet, die Griechen die Feste Troja erobert, da sie ein hölzern Pferd aufstellten, gefüllt mit tapferen Männern? Und hat nicht der Held Frutte, eine Kaufmannschaft vortäuschend und im Schiffe gewappnete Recken bergend dem König Hettel die schöne Hilde abgewonnen? Also lasst uns auch die Räuber täuschen ... ich wette, der Fuchs geht in die Falle!"

Des lustigen Rates verständiger Hinweis auf die Lehren vergangener Zeiten ward für gut befunden und in Regensburg – weit entfernt von Aggstein, auf dass die Räuber von dem gegen sie geplanten Vorhaben ja keine Ahnung haben konnten – ein Schiff gerüstet und beladen mit den kostbarsten Waren in Ballen und Truhen. Im Schiffe aber lauerten verwegene Gesellen, ob des versprochenen hohen Lohnes zum kühnen Handstreiche willig.

Ruhig schwomm das Schiff den Strom hinab. Mochte wohl manch ein Bäuerlein, welches am Gestade sein Feld bestellte, dem Fahrzeuge einen Segenswünsch nachgesendet haben oder ein herzlich Bedauern, da des Aggsteiners ruchlose Übeltaten weitum bekannt und gefürchtet waren.

Als Aggstein in Sicht kam, ertönte vom Blashause mächtig ein Hörn, dem Schiffsherrn ein gebieterisches Zeichen, dass er unverzüglich landen solle, und schon war Hadmar mit seiner Rotte zur Stelle, betrat das Schiff und ließ ans Gestade schleppen. Plötzlich aber brachen des Herzogs Reisige aus ihrem Verstecke, hieben die Strolche nieder, schlugen den Raubgrafen nach kurzer Gegenwehr in Fesseln und schwammen zusammen mit der kostbaren Beute lustig die Wachau hinab gegen Wien. Des Herrn und Führers beraubt, mußte sich die Feste bald ergeben, ward geschleift, Hadmar selbst, von des Herzogs Ungnade und des Bischofs Bann schwer getroffen, starb bald darauf in einem armen Dörflein an der oberen Donau, fern der Heimat.

Quelle: Wachau Sagen. Erzählt und allen Freunden der goldenen Wachau gewidmet von Josef Wichner, Krems an der Donau, o.J. (ca 1916)

6 Eigentlich Georg Scheck vom Wald, auch Georg Scheck von Wald, Jörg Scheck von Wald oder Jörg Scheck vom Wald der Ältere († um 1450); er war ein Gefolgsmann der Könige Albrecht II und Friedrich III sowie von Erzherzog Albrecht VI. Ein sagenumwobener Raubritter, der auf Burg Aggstein sein Unwesen getrieben haben soll.

7https://de.wikipedia.org/wiki/Ignaz_Franz_Keiblinger

4 Die Herkunft der Kuenringer. Grundlagen

Die Sagen der Kuenringer geben uns einen ernsten Eindruck von jener Finsternis, die am Anfang des zweiten Jahrtausends im europäischen Kontinent geherrscht haben muss.8 Wir werden nun langsam beginnen, Dichtung und Wahrheit voneinander zu trennen. Das genus mixtum (die mittlere Stilebene) zwischen urkundlichen und erzählenden Geschichtsquellen, dem zahlreiche Güterverzeichnisse, Traditions- und Stiftungsbücher zuzuordnen sind, wird in der Forschung immer stärker beachtet. Ein spätes, aber eindrucksvolles Beispiel dieser Quellengattung ist der im Verlauf des ersten Viertels des 14. Jahrhunderts entstandene Liber Fundatorum des niederösterreichischen Klosters Zwettl, die sogenannte Bärenhaut.

Das vorliegende Kapitel nun enthält Informationen, die für Forscher der Genealogie der Kuenringer von Belang sein werden, denn es dringt bedeutend tiefer in die Ahnenforschung ein, als es Sagen und Märchen imstande wären. Man stützt sich deshalb bei der Erforschung der Sachlage auf die Primärliteratur, weniger auf die sogenannte Narrative Forschung. Diese Empfehlung sei auch der Beschäftigung mit der Literatur moderner Zeit empfohlen.

Die Handschrift begann ursprünglich mit einer lateinischen VersChronik über die Stifter Zwettls, die Kuenringer. Diese Chronik dürfte in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstanden sein 1) 2)

Der Text des Stifter-Buches ist nahezu identisch mit einer älteren Überlieferung in einer anderen Zwettler Handschrift und wurde ziemlich sicher mit dieser kollationiert 3). An die VersChronik schließt sich eine stark erweiterte Prosaparaphrase, die nach dem Vorspruch für die "simpliciores" gedacht war, welche mit den leoninischen Hexametern Schwierigkeiten hätten. Die Prosaerzählung geht nahtlos über in den durch Bild und Text kommentierten und teilweise mit deutschen Übersetzungen versehenen ersten Hauptteil der Urkundensammlung 4).

1

) Alphans Lhotsky, Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Österreichs. MIÖG Erg.-Bd. 19 (1963) 243; Jörg Kastner, Historiae fundationum monasteriorum. Münchener Beiträge zur Mediävistik u. Renaissance-Forschung 18 (1974) 7;

2) Hans Patze, Adel und Stifterchronik. Blätter für deutsche Landesgeschichte 100 (1964) 8 ff., Schluß a. a. 0. 101 (1965) 67 ff.; für frühmittelalterliche Parallelen Herwig Wolfram, Die Notitia Arnonis und ähnliche Formen der Rechtssicherung im nach-agilolfingischen Bayern.

3) Vorträge u. Forschungen 23 (1977) 115ff.; vgl. Peter Johanek, Zur rechtlichen Funktion von Traditionsnotiz, Traditionsbuch und früher Siegelurkunde, a.a.O. 131 ff.

2) Codex Zwetlensis Archiv 2/1; die Edition durch Johannes Frast (Fontes rerum Austriacarum II 3, 1851) unter dem Titel "Das Stiftungen-Buch des Cistercienser-Klosters Zwettl" ist, entsprechend ihrem Alter, nur noch beschränkt brauchbar. Eine Faksimile-Ausgabe der Handschrift, die Joachim Rössl betreuen wird, ist demnächst zu erwarten. Sie wird von einem von Joachim Rössl und Karl Brunner herausgegebenen Kommentarband begleitet sein. Die beiden Herausgeber bereiten zugleich eine Neuedition vor. Das Incipit fol. 6r, der ursprüngliche Beginn der Handschrift, lautet: "Incipit prologus in liber fundatorum et benefactorum Zwetlensis monasterii"; dem entspricht auch die Überschrift zur deutschen Übersetzung, die nach der Fertigstellung der Handschrift entstand. Darum muss die Handschrift wohl "Liber fundatorum" genannt werden, also Stifter-Buch, was auch die Absichten Abt Ebros besser wiedergibt als der von Frast gewählte Titel. Literatur bei Lhotsky (wie Anm. 1) 244; Gottfried Edmund Frieß, Die Herren von Kuenring (1874) passim; grundlegend Michael Tangl, Studien über das Stiftungsbuch des Klosters Zwettl. Archiv für Österreichische Geschichte 76 (1890) 261 ff.; Patze (wie Anm. 1) 72 ff.; Kastner (wie Anm. 1) 143 ff.; Joachim Rössl, Handschriftenbeschreibung im Katalog der Ausstellung 1000 Jahre Babenberger in Österreich (1976) n.347, 293 f; Hans Patze, Klostergründung und Klosterchronik. Blätter für deutsche Landesgeschichte 113 (1977) 117 f.

Die Herkunft der Kuenringer, Grundlagen. Karl Brunner, S. 292

Den beiden chronikalischen Texten wurde gegen Ende des Herstellungsprozesses der Handschrift, welcher sich über eine ganze Generation hinzog, oder kurz danach, eine deutsche Version vorangestellt, die dem lateinischen Prosastück nahesteht. Die Nachrichten über die Herkunft der Kuenringer werden in den beiden jüngeren Versionen (B, C) kommentierend ergänzt, wobei die Autoren ihr Wissen teils aus den Quellen des Stiftungsbuches selbst, teils aus der Annalistik bezogen. Als zeitlichen Anhaltspunkt für den Beginn der Kuenringer-Geschichte geben alle Versionen die Regentschaft Heinrichs IV an, der als "malus" bzw. "übel" dargestellt wird, was die beiden jüngeren Überlieferungen (Bund C) mit der angeblichen Gefangennahme eines Papstes Paschal begründen. Die deutsche Fassung (C) stellt dem bösen Heinrich IV den "heiligen" Kaiser Heinrich III gegenüber. In Österreich herrschte nach dieser Geschichte damals Leopold; präzise nennt die Prosafassung (B) die "marchia orientalis, que nunc Austria dicitur" 6); der Übersetzer (C) erklärt, dass man das Land damals nicht Herzogtum, sondern Markgrafschaft nannte "als man ez list". Das blühende Land wurde aber von Nachbarvölkern mit Krieg überzogen: Die älteste Überlieferung (A') nennt Slawen und Awaren, der Text des Stiftungsbuches (A) verbesserte "Awarorum" zu "Bawarorum"; das Wort steht ganz auf Rasur 7); die Prosafassung erweiterte die Liste der Feinde auf Ungarn, Slawen, Böhmen und Bayern, der Übersetzer hatte die überflüssig gewordene Bezeichnung "Slawen" weggelassen. Die beiden jüngeren Fassungen (B, C) konkretisierten diese Merkmale am Beispiel der Schlacht von Mailberg (1082) 8).

3) Fol. 6r, Frast 23, künftig "A"; vgl. Cod. Zwetl. 8, künftig "A"; darüber Joachim Rössl, Katalog der Zwettler Bibliothekshandschriften bis zum ersten Viertel des 13. Jahrhunderts (in Vorbereitung). Bis dahin: Stephan Rössler, Verzeichnis der Handschriften der Bibliothek des Stiftes Zwettl. Xenia Bernardina II 1 (1891) 302 f. Die ersten zwölf Verse von Cod. 8, die im Stifter-Buch nicht übernommen wurden, bei Johann Frast, Urkunden und geschichtliche Notizen, die sich in den Handschriften des Stiftes Zwettl finden. Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen 2 (1849) 365 f., zuletzt Kastner (wie Anm. 1) 144 Anm. 674. Varianten zwischen A und A' bei Tangl (wie Anm. 2) 304 f. Der vorausgehende Prolog ist mit Ausnahme der Passage (nach: "conati sunt") " ... scribere et depingere genealogyam fundatorum Zwetlensis monasterii ... ", die für das Stifter-Buch ergänzt wurde, aus dem ältesten Zwettler Urbar, Hs. Archiv 4 (alt: 1) fol. 1r, dort mit 1280 datiert, Text bei Tangl (wie Anm. 2) 276 f. 4) Fol. 7r, Frast 27 ff., künftig "B"; vgl. bes. Patze, Adel (wie Anm.

1) 72 f., Tangl (wie Anm. 2) 307 ff.

•) Fol. 1r, Frast 1 ff. ("C") in sehr ungenauer Wiedergabe der Zeichen; zum Text künftig Oskar Pausch im Kommentarband (wie Anm. 2). 6) Die urkundlichen Bezeichnungen der Babenbergermark bei Max Weltin, Die "tres comitatus" Ottos von Freising und die Grafschaften der Mark Österreich. MIÖG 84 (1976) 38 ff.

7) Die Lesung von Cod. Zwetl. 8 (A') fol. fr Z. 25 lautet: "fera gens Auarorum". In der Zusammenstellung mit der "indiga gens Sclavorum" erinnert der Vers an die Bezeichnungen des Landes als "terra Avarorum", "in Sclavinia" usw. in den Urkunden der Karolingerzeit (z. B. D. LD. 2 von 830, D. LD. 25 von 835); dazu demnächst Karl Brunner über die Winden-Orte und die fränkische Besiedlung Niederösterreichs.

Die Herkunft der Kuenringer, Grundlagen. Karl Brunner, S. 293

Leopold wendet sich an seinen Bruder Poppo, den Erzbischof von Trier um Hilfe. In der Gestalt dieses Leopold sind wohl die ersten drei österreichischen Markgrafen dieses Namens verschmolzen, denn Poppo von Trier (1016-47) war ein Sohn Leopolds I, Leopold II hatte die Niederlage von Mailberg (1082) zu erdulden und Leopold III ist der Klostergründer, als den die Prosaversion (B) "ihren" Leopold vorstellt 9). Markgraf Ernst (1055-75), der Vater Leopolds II, unter dem der "Stammvater" der Kuenringer tatsächlich erstmals faßbar wird 10), wird nicht genannt. Aber es ist kaum verwunderlich, wenn rückschauend der Name Leopold zum Babenbergernamen schlechthin wurde.

Poppo von Trier sendet Azzo in die Mark, einen bekannten Kriegsmann, der (nach A) nicht nur fromm, sondern auch reich und Poppos "cognatus" ist, "von sipp ir beider vreunt", übersetzt C. Dass Azzo in Trier geboren wurde, vernachlässigen die beiden jüngeren Versionen, die Azzos Nobilität stärker betonen, während man aus dem "milicie deditus vir" von A die Zugehörigkeit zur Ministerialität herauslesen könnte.

In die Erzählung wird dann als retardierendes Element eine Traumgeschichte eingefügt. Die darauffolgende Schilderung der Kämpfe, die Azzo für den Markgrafen siegreich besteht, dient vor allem der Legitimierung der Hofämter, welche die Kuenringer seit dem 13. Jahrhundert beanspruchten.

Unsere Heimat (1979). Der Name der Awaren könnte dem Autor des 13. Jahrhunderts direkt in karolingischen Quellen begegnet sein (Cod. Zwetl. 299, fol. 244v: Einhart, Gesta Karoli Magni) oder von Otto von Freising stammen, der in der Chronik VI 10, ed. Adolf Hofmeister, MGH SS rer. Germ. (1912) 271, Reginos Ansicht (ad a. 889), die Ungarn seien direkte Nachfolger der Awaren, übernahm. Vgl. auch die Glosse des 13. Jahrhunderts zuChron. V 4, a.a.O. 233, die Hunnen, Awaren und Ungarn gleichsetzt. Zur Überlieferung der Chronik Ottos in Zwettl vgl. Joachim Rössl, Zwettler Fragmente der Chronik Ottos von Freising. Codices Manuscripti 1 (1975) 33 ff. Anlaß, an Spannungen mit Bayern zu denken, gab es um 1230, also in der Zeit, in der A' entstanden sein soll, genug, vgl. zuletzt Karl Lechner, Die Babenberger. Veröffentlichungen des Inst. f. österr. Geschichtsforschung 23 (21976) 276; Handbuch der bayerischen Geschichte 2, herausg. v. Max Spindler (1966) 38 ff.; Karl Brunner, Zum Prozess gegen Herzog Friedrich II. von 1236. MIÖG 78 (1970) 270.

8) Zu den Quellen zuletzt Leopold Auer, Die Schlacht bei Mailberg (Militär-historische Schriftenreihe 31, 1976) 2f.; vgl. immer noch Gerold Meyer von Knonau, Jahrbücher des deutschen Reichs unter Heinrich IV. und Heinrich V. 3 (1900) 465

Anm. 42. Der Cod. Zwetl. 255 (Lhotsky, wie Anm. 1, 186) enthält zum Jahre 1082 den Satz "Bawarii et Boemii cum Lupoldo marchione dimicaverunt et vicerunt Moureberge" (ed. Wilhelm Wattenbach, MGH SS 9, 1851, 608).

9) Vgl. den jüngsten Stammbaum bei Lechner (wie Anm. 7) und, von Heide Dienst, im Babenberger-Katalog

(wie Anm. 2) 24 f. mit der wichtigsten Literatur.

1o) D. H. IV. 3 (1056).

Die Herkunft der Kuenringer, Grundlagen. Karl Brunner, S. 294

Die älteste Fassung (A) sieht Azzo als Bannerträger während der Schlacht und stellt das Schenkenamt als Belohnung für den Sieg dar. Die Prosaparaphrase (B) läßt den Kuenringer "more marchalci" die Schlachtreihen ordnen, übernimmt das Belohnungsmotiv für das Amt des "pincerna Austriae" und stellt dann fest, dass seither für lange Zeit viele aus der Nachkommenschaft Azzos Marschälle und Schenken Österreichs gewesen seien.

Die deutsche Übersetzung (C) betont ebenfalls, dass Azzo handelte "sam ein marschalh tut" 11). Als weitere Belohnung wählt für ihn der Landesfürst eine sehr edle Gattin aus, die in einem Zusatz zur deutschen Übersetzung "Treut", also Gertrud, genannt wird. Allerdings trugen diesen Namen angeblich alle Frauen von Kuenringern der ersten drei Generationen, soweit von solchen berichtet wird, mit Ausnahme von Elisabeth, der Gattin Alberos III. 12). Diese "Truta" gebar Azzo drei Söhnel 3): Anselm "von Brunn" oder Hezmannswiesen († 1137); Nizo 14), den Vater Hadmars I, des Gründers von Zwettl, und Albero, "de cuius stirpe derivata est Chunringariorum origo" (B) 15). Dass der Geschlechtsname erst in der nächsten Generation, etwa 1130 16), auftritt, fiel auch dem Redaktor des Stifter-Buches auf. Daher fügte er nach den ersten, wichtigsten Urkunden eine Erzählung ein, die die Herkunft des Namens erklären will 17). Danach hätten sich die Nachkommen Azzos in der Nähe von Eggenburg (NÖ.) versammelt, um darüber nachzudenken, wie sie zu einem Namen kämen und zugleich einen geeigneten Ort für eine Burg zu suchen.

11) Alfred Wretschko, Das österreichische Marschallamt im Mittelalter (1897) bes. 47.

12 ) Der Verdacht, es handle sich um den Kosenamen "trûta", liegt nahe. Zur Genealogie, Frieß (wie Anm. 2) verbessernd, vor allem Karl Lechner, Geschichte der Besiedlung und der ursprünglichen Grundbesitzverteilung des Waldviertels. Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich 19 (1924), Tafel nach S. 209. Vgl. auch Heide Dienst, Babenberger-Studien (Wiener Dissertationen aus dem Gebiet der Geschichte 7, 1966) und Anna M. Drabek, Die Waisen. MIÖG 74 (1966) 292 ff.

13) Es muß zwischen Azzo und diesen "Söhnen" eine Generation eingeschoben werden; so schon Karl Lechner, Die Gründung des Klosters Maria-Zell im Wiener Wald und die Besitzgeschichte seiner Stifterfamilie. Ausgewählte Schriften, herausg. v. Kurt Vancsa (1947) 78, was auch die Berücksichtigung anderer Gruppen in der Verwandtschaft erleichtert. Zu Anselm: Frieß (wie Anm. 2) 9 ff. Nennungen: Urkundenbuch zur Geschichte der Babenberger in Österreich (BUB) 1, herausg. v. Heinrich Fichtenau u. Erich Zöllner (1950) 42 (Handlung 1124/5); IV/1 bearb. v. H. Fichtenau u. Heide Dienst (1968) 622 (1120-1136); Codex Tradition um ecclesiae collegiatae Claustroneoburgensis herausg. v. Maximilian Fischer, Fontes rerum Austriacarum II 4 (1851) 149 (1114);

233 (1122); 220 (c. 1130); 33 (c.1120); Die Traditionsbücher des Benediktinerstiftes Göttweig herausg. v. Adalbert Fuchs, FRA II 69 (1931) 119

(1108-1114); 56 (1099-1102); 85 (v. 1114); 87 (1096-1108); 328 (1131-1136); 53 (1100-1114); vgl. n. 55 mit Zeugennamen aus dem Umkreis, der uns noch zu beschäftigen hat.

14) Frieß (wie Anm. 2) 12 ff.; Tr. Göttweig 55; zur gleichen Zeit ein Nizo "von Gars".

15) Frieß (wie Anm. 2) 14 ff. Frast (wie Anm. 2) 30.

17) Frast (wie Anm. 2) 51 f.

Die Herkunft der Kuenringer, Grundlagen. Karl Brunner, S. 295

Einer von ihnen habe schließlich ausgerufen: "Hie habent die chunen ditzes landes an einem ring, do van schol daz hous heizzen Chuenring."

Der Verfasser der deutschen Fassung übernahm die Geschichte in sein Werk, allerdings hat wenig später eine andere Hand eine Ergänzung eingebaut, die Frast in Klammer mitedierte: in dieser wird von einer Kirche in Hezmannswiesen zu Ehren der Apostel Philipp und Jakob berichtet, die noch Azzo gestiftet habe 18). Das ist der Ursprung der Identifikation von Hezmannswiesen, das in der schon erwähnten Urkunde Heinrichs IV genannt wird, mit der namengebenden Burg Kühnring, die seither von der Literatur ohne Kritik übernommen wurde

19) Frieß spricht der Geschichte selbst jeden Anspruch auf Glaubwürdigkeit ab, verwendet jedoch die Daten des Einschubs, die Nennung Anselms nach Hezmannswiesen und die erste Nennung Radmars nach Kühnring, um "kühn", wie er selbst schreibt, auf einen Umbau eines dort schon bestehenden Gebäudes zu schließen

20) Einer solchen etwas eklektizistischen Quellenkritik steht der Name der Burg entgegen. Allerdings überrascht, dass das, was im Stifter-Buch nach der Art eines Handgemals 21) vorgestellt wird, zum Zeitpunkt seiner Abfassung längst nicht mehr im Besitz der Kuenringer ist: mit der Tochter Heinrichs "des Hundes", Eufemia, ging der Besitz von Kühnring an die Pottendorfer über 22). Das spricht nicht dafür, dass er für die Familie von irgendeiner über das Materielle hinausgehenden Bedeutung war. Die bisher einzig vernünftige philologische Deutung 23) nimmt einen -ing-Namen zu "Cuniheri" an. Ist sie zu halten - und nichts spricht dagegen -, wird man die Frage nach dem Namengeber stellen müssen, erklärt man sich mit der Geschichte des Stifter-Buches nicht zufrieden. Dabei erlebt man allerdings eine nicht geringe Überraschung: Nicht nur, dass der Name Cuniheri der Umgebung der Kuenringer völlig fremd ist, er kommt im 10. und 11. Jahrhundert im gesamten bayerischen Raum überhaupt nicht vor. Trotz aller Schwächen eines "argumentum e silentio" ist ein solcher Befund als eindeutig anzusehen. Es wäre verlockend, den so aufgegriffenen Faden weiterzuspinnen, zumal die Ortsnamenkarte eine Kette von weiteren Orten mit formal echten -ing-Namen ausweist, die in Nord-Süd-Richtung der Manhartsberg-Linie folgt und trotz teilweise sehr später Überlieferung zusammen mit Kühnring als sehr alt angesehen werden muss.

18) Frast 13.

19) D. H. IV. 3; Frieß 6, zuletzt Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich 3 herausg. v. Heinrich Weigl (1970) H 300. 20 ) Frieß 17.

21) Zum Begriff zuletzt Wilhelm Störmer, Früher Adel. Monographien zur Geschichte des Mittelalters 6 (2 Bde. 1973) 98 ff.

22) Besitzgeschichte bei Kar! Lechner, Ein Ineditum Heinrichs IV. aus dem Jahre 1056. MIÖG Erg.-Bd. 11 (1929) 150 ff.

23) Zu anderen Versuchen Lechner (wie Anm. 12) 97 ff. und Otto H. Stowasser, Das Tal Wachau und seine Herren von Kuenring. Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 7 (1927) 13 ff.

Die Herkunft der Kuenringer, Grundlagen. Karl Brunner, S. 296

Der Name hätte mit den Kuenringern kaum mehr zu tun, weil man annehmen müßte, dass er älter wäre als der Stand des Geschlechts im Waldviertel. Die Identität Kühnrings mit Hezmannswiesen wäre somit unplausibel und Lechners Frage, auf welchem Wege die Urkunde Heinrichs IV eigentlich in die Hände Job Hartmanns von Enenkel gelangt ist, der noch das Original besessen hatte, müsste unabhängig von der Besitzgeschichte der Burg gestellt werden 25). So kann man annehmen, dass eine eine Überlegung zum Nachtrag zur deutschen Übersetzung der Kuenringergeschichte ohne Kenntnis des Dokuments nur auf Grund der Nennungen Anselms nach Hezmannswiesen, die man aus dem Zwettler Urkundenmaterial kannte, erfolgt sein könnte. Ein solches Bündel von Fragen kann also nur im gesamten Zusammenhang gelöst werden.

Auch die anderen Passagen, die der Redaktor (Person die einen Text redigiert) des Stifter-Buches und nach ihm der deutsche Übersetzer dem älteren Text anfügten, sind im großen und ganzen Früchte ihrer Gelehrsamkeit. Sie können ein Licht auf Arbeitsweise und Quellen der Bearbeiter werfen 26), sind aber für die Geschichte der Kuenringer nicht von Bedeutung.

Der in der ältesten Version erhaltene Kern der Erzählung hat allerdings bei den Historikern wenig Vertrauen gefunden. Tangl wollte die Geschichte von der rheinischen Herkunft immerhin überprüft wissen 27), doch später wurde die "Sage" nicht mehr ernst genommen

28). Die Diskussion über die Herkunft der Kuenringer wurde ganz unabhängig davon geführt, und sie spitzte sich auf die Frage zu, ob sie hochfreier Herkunft waren oder nicht 29). In dem Fragenkreis der ständischen Entwicklung des Hochmittelalters bedarf trotz des lebhaften Interesses, dessen er sich in den letzten Jahren erfreute 30), noch mangels weiterer Klärung.

24) Karl Brunner: „Meines Wissens nur in: Die Traditionen des Hochstifts Freising, 1 und 2 herausg. v. Theodor Bitterauf, Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte 4 und 5 (1905, 1909) Nr. 9 (757) und 972 (887/95), außerdem im Salzburger Verbrüderungsbuch mehrmals. Verbindungen zu Freising von diesem Raum aus bestanden im 9. Jahrhundert, vgl. Tr. Freising 1037 (902/3). Atlas von Niederösterreich herausg. v. Erik Amberger (1951-58) Karte 46 von Fritz Eheim. Die weiteren Orte sind (in Klammer die erste Überlieferung nach dem Ortsnamenbuch): Pleißing (1320), Rafing (1171), Maigen (1242), Gumping (1306).“

25) Als Alternative zu Kühnring wurden zeitweise Orte namens Etzmannsdorf in dieser Gegend angeboten, doch gehen beide nach Ausweis des Ortsnamenbuches (wie Anm. 19) 2 (1965) 165 ff. auf den Personennamen Ortwin zurück. Lechner

22). Zu klären wäre auch, wo Bernhard Linck, der Barockhistoriograph Zwettls, die Urkunde gesehen hatte.

26) Zu den Quellen des Stifter-Buches künftig Joachim Rössl.

27) Tangl (wie Anm. 2) 306, bes. Anm. 1.

28) Vgl. Lhotsky (wie Anm. 1) 245 und Lechner, Rabenherger (wie Anm. 7) 91.

29) Lechner, Babenberger (wie Anm. 7) 333 Anm. 29. Michael Mitterauer, Formen adeliger Herrschaftsbildung im hochmittelalterlichen Österreich. MIÖG 8O (1972) 286.

30) Vgl. z. B. die Kontroverse Othmar Hageneders, Landesbildung, Herrschaftsstruktur und Ländertypen.

Zu einer neuen Studie über die mittelalterlichen Grundlagen der Ständebildung in Österreich. Unsere

Heimat 45 (1974) 153 mit Michael

Mitterauer, Zweierlei Wissenschaft? Unsere Heimat 46 (1975) 20.

Die Herkunft der Kuenringer, Grundlagen Karl Brunner, S. 297

Um für die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts, in der so vieles auf diesem Gebiet in Bewegung war 31), für den Einzelfall verläßliche Aussagen treffen zu können, müßte man recht genaue Daten besitzen. Im Fall der Kuenringer stehen sie jedoch nicht zur Verfügung; Besitzverhältnisse, von denen man zwar vermuten kann, dass sie noch im 11. und 12. Jahrhundert zustande gekommen sein dürften, für die wir aber erst im 13. und 14. Jahrhundert deutbare Belege haben, sind nur mit äußerster Vorsicht heranzuziehen 32). Die einzige konkrete Aussage, die wir besitzen, ist die Bezeichnung Azzos als "serviens marchionis Ernusdi" im Zusammenhang mit einer Schenkung von drei Königshufen zu Hezmannswiesen im Jahre 1056 33). Bosls Forschungen haben gezeigt, dass dadurch nur etwas über die Funktion Azzos zu diesem Zeitpunkt ausgesagt wird 34). Berücksichtigt muß außerdem werden, dass Agnes, die Mutter Heinrichs IV, welche im Diplom als erste Intervenientin auftritt, gemeinsam mit ihrem Sohn das bayerische Herzogtum innehatte. War schon vorher eine Verbindung zwischen Reichs-, Herzogs- und anderem Dienst möglich gewesen, so war um diese Zeit die "Rechtslage" völlig unproblematisch. Neben Markgraf Ernst tritt als Petent zugunsten Azzos noch Wilhelm IV, Graf von Weimar und Markgraf von Meißen auf. Obwohl dessen Anwesenheit durch die Verwandtschaft mit dem Babenberger hinreichend erklärt werde, könnte, hat sie im Verein mit einem kleinen Eintrag zum gemalten Kuenringer-Stammbaum im Stifter-Buch 35) zu Rückschlüssen über die Herkunft der Kuenringer Anlass gegeben, die heute noch als herrschende Lehre gelten. Eines der Wappen, welches die Kuenringer auch sonst führten-(fünf Balken in Schwarz und Gold 36) -, ist überschrieben mit "von Sahsen". Mit der Herkunft der Kuenringer hat die Überschrift aber nachweislich nichts zu tun. Schon innere Kriterien der Handschrift sprechen dagegen: Auf dem gleichen Blatt wird in den oberen, großen Medaillons in Bild und Wort 37) auf die Kuenringer-Geschichte Bezug genommen.

Grundlegend immer noch Kal Bosl, Die Reichsministerialität der Salier und Staufer. Schriften d. MGH 10 (2 Bde. 1950/1); als Zusammenfassung recht brauchbar Heinz Dopsch, Probleme ständischer Wandlung beim Adel Österreichs, der Steiermark und Salzburgs. Herrschaft und Stand herausg. v. Josef Fleckenstein (1977) 207 ff. 31) Vgl. etwa die Ergebnisse in Investiturstreit und Reichsverfassung. Vorträge und Forschungen 17 herausg. v. Josef Fleckenstein (1973). 32) Etwa für die Besitzungen in der Wachau, Stowasser (wie Anm. 23). 33) D. H. IV. 3. 34) Bosl, Reichsministerialität (wie Anm. 30), vgl. dazu auch ders., Die Reichsministerialität als Träger staufiseher Staatspolitik in Ostfranken und auf dem bayerischen Nordgau. Jahresbericht des historischen Vereins für Mittelfranken (1940/41). 35) Abbildung im Babenberger-Katalog (wie Anm. 2) Nr. 348. 36) Stowasser, Wachau (wie Anm. 23) 15; Karl Lechner, Besiedlungs- und Herrschaftsgeschichte des Waldviertels. Waldviertel 7 (1937) 49. 37) Heraldisch rechts Azzo mit drei Knappen, links Poppo von Trier und Markgraf Leopold; der Erzbischof weist mit den Worten auf Azzo: "Ich enphfilich dier Atzen den lieben Oheim mein. Der schol dier enphfolhen sein." Vgl. Stifter-Buch C (Frast 5):

"Vnd im liez enpholhen sein."

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