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This book answers all the important questions raised by modern motivational psychology: How can we achieve what we have planned? How does self-motivation work and how can it be learned? Seven pathways to the development of an intelligent way of dealing with the demands of everyday life are explained, and numerous hints are given on how to apply the newly acquired knowledge.
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Seitenzahl: 450
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Cover
Titelei
Vorwort
1 Einführung: Wie es zu diesem Buch kam
1.1 Ein Buch zum Lernen?
1.2 Die Grundlagen dieses Buches
1.3 Brauchen Praktiker eine wissenschaftliche Theorie?
1.4 Das Konzept der »Persönlichen Intelligenz«
1.5 Die Entwicklung des Selbst oder der Persönlichkeit
1.6 Die wissenschaftliche Grundlage dieses Konzeptes
1.7 Wie können wir erreichen, was wir uns vornehmen?
1.8 Braucht die Motivation das Gehirn?
2 Die Geheimnisse des Erfolges
2.1 Was ist Erfolg?
2.2 Definition von »Erfolg«: Selbst gesetzte Ziele erreichen
2.3 Gibt es ein allgemeingültiges Ziel?
2.4 Auf die innere Haltung kommt es an
2.5 Unterscheidung von zwei Grundhaltungen gegenüber dem Leben
2.6 Psychologische Grundlagen der Gestalterhaltung
2.7 Gestalter ihres Schicksals mit Handicap
2.8 Von »Gestaltern« und »Opfern«
2.8.1 Wie funktioniert die Opferhaltung?
2.8.2 Wie funktioniert die Gestalterhaltung?
2.9 Ein kurzer Abriss über die Gestaltergrundhaltung in der Geschichte
2.10 Die Risiken der Selbstkontrolle
2.11 Verhaltensweisen eines »Gestalters«
2.12 Die Innenseite eines »Gestalters«
2.13 Verhaltensweisen eines »Opfers« oder »Erdulders«
2.14 Die Innenseite eines »Opfers« oder »Erdulders«
2.15 Fremde Ziele für die eigenen halten
2.16 Auf die Mischung kommt es an
2.17 Das innere Gleichgewicht: Die PSI-Theorie
2.18 Die Verantwortung für den eigenen Erfolg übernehmen
2.19 Die Einzigartigkeit jedes Menschen und die Rolle der Authentizität
3 Der Weg zum Gestalten: Einstellungen ändern
3.1 Kann man Grundhaltungen ändern?
3.2 Was sind eigentlich »Einstellungen«?
3.3 Verantwortung für die eigenen Gefühle übernehmen
3.4 Positives Denken als Lebensprinzip?
3.5 Der Mensch als Gewohnheitstier
3.6 Kann man denn seine Einstellungen verändern?
3.6.1 Wir entscheiden, was unsere Einstellungen bestimmt
3.6.2 Eigene Gedanken beeinflussen unsere Einstellungen mehr als die Beeinflussungsversuche anderer
3.6.3 Das Selbstsystem als Grundlage der Gestalterhaltung
3.6.4 Neue Einstellungen müssen belohnt werden und Vorteile bringen
3.6.5 Furcht vor dem Scheitern kann bei Einstellungsänderungen helfen
3.6.6 Neue Einstellungen sollten öffentlich vertreten werden
3.7 Zusammenfassung: Unsere Einstellungen bestimmen unser Leben
4 »Motivation ist alles!« Wie kann man sich selbst motivieren?
4.1 Autonome oder fremdgesteuerte Mitarbeiter?
4.2 Wie entwickeln wir die Fähigkeit zur Selbstmotivierung?
4.3 Systemkonditionierung: Die wissenschaftlichen Grundlagen der Selbstmotivierung
4.4 Selbstmotivation in der Praxis
4.5 Persönliche Ziele als Motivatoren
4.6 Die Bedeutung von Bildern für die Selbstmotivation
4.7 Ziele zwischen Gefühl und Verstand
4.8 Wir brauchen »erlebte« Erfolgserlebnisse
4.9 Wir müssen auch Misserfolgserlebnisse ganzheitlich verarbeiten
4.10 Wir müssen lernen, uns Erfolgserlebnisse selbst zu geben
4.11 Wir müssen lernen, durchzuhalten
4.12 Wir brauchen Kraft und Energie
4.13 Wir brauchen Vorbilder
4.14 Wir brauchen eine Umgebung, die uns fördert
4.15 Wir brauchen einen persönlichen Entschluss
4.16 Entwicklung persönlicher Intelligenz: Sieben Methoden zur Selbstaktivierung
4.17 Wir brauchen ein Programm, das zu uns passt
5 Persönliche Entwicklung: Krisen überwinden
5.1 Merkmale von Menschen, die aus schwierigen Situationen etwas für ihre Entwicklung gewonnen haben
5.2 PSI-Theorie: Die Merkmale resilienter Persönlichkeiten
5.3 Kann man Resilienz lernen?
5.4 Zum Umgang mit Problemen und Schicksalsschlägen
6 Glück und Zufriedenheit und die Gestalterhaltung
6.1 Glücklich sein durch das Erreichen von materiellen Zielen?
6.2 Dürfen wir denn nach Glück streben? Von der Pflicht, glücklich zu sein
6.3 Gute wie schlechte Gefühle werden an den Nächsten weitergegeben
6.4 Glücksgefühle als Voraussetzung für Gesundheit
6.5 Egoismus und Egozentrik
6.6 Welche Rolle spielen Anlage und Umwelt für einen Gestalter?
7 Der Körper als Basis für eine optimale Grundhaltung
7.1 Streben nach Selbstbestimmung und körperliche Verfassung
7.2 Neurobiologische Zusammenhänge von Körper und Seele
7.3 Das Selbst und neuere Befunde zur Physiologie unseres Körpers
8 Welchen Grad an Freiheit haben wir?
8.1 Zusammenfassung der PSI-Theorie
8.2 Sind wir wirklich unseres Glückes Schmied?
8.3 Ausblick
Literatur
Stichwortverzeichnis
Anhang
Übung 1: Selbstwahrnehmung (reizabhängig)
Übung 2: Selbstwahrnehmung
Übung 3: Personwahrnehmung (spontan)
Übung 4: Personwahrnehmung (Pendeln)
Übung 5: Identifikation (mit der Wahrnehmung)
Übung 6: Problemwahrnehmung (Unstimmigkeiten/Fremdwahrnehmung)
Übung 7: Problemwahrnehmung (Unstimmigkeiten: Selbst)
Übung 8: Umkehrung (von innen nach außen)
Übung 9: Umkehrung
Übung 10: Beweglichkeit
Übung 11: Umgang mit Forderungen
Übung 12: Umgang mit eigenen Zielen
Übung 13: Stärkung der Selbstmotivierungskompetenz
Übung 14: Stärkung der Selbstberuhigungskompetenz
Die Autoren
Dr. Jens-Uwe Martens ist Inhaber und Leiter des Instituts für wissenschaftliche Lehrmethoden J.-U. Martens (IWL) in München. Er ist Buchautor, Coach und Seminarleiter.
Professor em. Dr. Julius Kuhl lehrte bis 2015 Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung an der Universität Osnabrück.
7., erweiterte und aktualisierte Auflage
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7. Auflage 2023
Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:ISBN 978-3-17-044073-9
E-Book-Formate:pdf: ISBN 978-3-17-044126-2epub: ISBN 978-3-17-044127-9
Der vorliegende Band enthält nicht nur viele neue Befunde aus der Motivationsforschung, die bereits in der dritten Auflage durch das Zitieren exemplarischer Originalarbeiten ergänzt wurden, sondern auch weitere Übungsbeispiele zur Entwicklung der eigenen Selbstmotivierung und einiger Kompetenzen, auf die diese zentrale Fähigkeit aufbaut. Die Übungen finden Sie im Anhang des Buches. Trotz dieser Beispiele ist unser Buch nach wie vor nicht als praktische Übungsanleitung gemeint: Die Kunst der Selbstmotivierung kann weder durch ein noch so intensives Studium einschlägiger Forschungsergebnisse, noch durch das Durcharbeiten einer Übungssammlung erlernt werden. Sie kann nur durch den aktiven und ganz persönlichen Umgang mit den hier vermittelten Einsichten individuell entstehen. Ähnlich wie man Malen, Musizieren oder »Die Kunst des Liebens« (Erich Fromm) nicht durch das Durcharbeiten einer Übungssammlung lernen kann, so ist es auch hier: Die Kunst der Selbstmotivierung erfordert ein Grundverständnis der wesentlichen Voraussetzungen für die Entwicklung dieser Kunst, wie es die psychologische Analyse der beteiligten Kompetenzen vermitteln kann; sie kann weiterhin durch Beispiele und Vorbilder gefördert werden, mit denen wir die wissenschaftlichen Erörterungen immer wieder veranschaulichen. Unser Ziel ist es nach wie vor nicht, die Spannung zwischen dem wissenschaftlich begleiteten Verstehen und dem durch viele Beispiele unterstützten Erleben der vielen Facetten der Selbstmotivierung aufzuheben oder zu nivellieren: Kunst entsteht wie jede Form von Kreativität aus der Spannung zwischen Verstehen und Erleben.
Wir laden auch mit dieser siebenten Auflage unsere Leser ein, sich auf diese Spannung zwischen Theorie und Praxis einzulassen und den unerfüllten (und wohl auch unerfüllbaren) Wunsch nach rascher »Integration« dieser beiden Spannungspole auszuhalten. Denn für die Kunst der Selbstmotivierung gilt das, was Erich Fromm seinen Lesern in seiner Kunst des Liebens deutlich machen wollte: »Wenn man auf rasche Erfolge aus ist, lernt man eine Kunst nie. Aber für den modernen Menschen ist es ebenso schwer, Geduld zu haben, wie Disziplin und Konzentration aufzubringen. Unser gesamtes Industriesystem ist genau dem Gegenteil förderlich: der Geschwindigkeit«.
Nach wie vor richtet sich das Buch an Menschen, die angesichts der vielen Anforderungen des beruflichen und privaten Lebens ihren Mann bzw. ihre Frau stehen müssen. Es geht um die Frage, was die Fortschritte der psychologischen Wissenschaft und die Erfahrungen der Beratungs- und Trainingspraxis an Erkenntnissen bereitstellen, die erfolgreiches Handeln in einer immer komplexer vernetzten Welt ermöglichen. Es geht um Persönlichkeitspsychologie. Dabei konzentrieren wir uns – anders als die meisten persönlichkeitspsychologischen Ansätze – nicht auf persönliche Meinungen, private Erlebnisse (die man mit Recht vor fremdem Zugriff schützt) oder unbewusste Absichten oder Konflikte (die man mit Recht nicht gern freilegen lässt). In der neuen Persönlichkeitspsychologie geht es nicht um Inhalte des Denkens, des Fühlens oder Wollens, sondern um persönliche Kompetenzen, die in keinem Schulfach und auch nicht in der Berufsausbildung unterrichtet werden, obwohl sie für den beruflichen Erfolg so wichtig sind, dass sie in den Unternehmen oft als Schlüsselqualifikationen bezeichnet werden.
Dieses Buch gibt keinen umfassenden Überblick über den Stand der Forschung, beschränkt sich auch nicht auf eine Auflistung von Übungen zur Selbstoptimierung. Im Fokus steht eine allgemeinverständliche Darstellung einiger Erkenntnisse der modernen Persönlichkeitspsychologie, die wir mit Beispielen aus der Schulungspraxis des Erstautors und aus unserem persönlichen Alltag veranschaulichen. Diese Erkenntnisse können nicht nur den beruflichen und privaten Erfolg von Menschen erklären, sondern ermöglichen auch Rückschlüsse auf erlernbare Fertigkeiten, die hier dargestellt werden. Da die Herausforderungen verschiedener Menschen sehr unterschiedlich sein können, begnügen wir uns dabei (i. U. zu vielen Leitfäden zur Lebensgestaltung) nicht mit Beispielen: Die Leser werden zusätzlich an eine allgemeine Theorie der Persönlichkeit herangeführt, die ihnen die Übertragung der Beispiele auf die Herausforderungen ihres Alltags ermöglicht: Die Theorie wird deshalb so dargestellt, dass sie das praktische Handeln des Einzelnen leiten kann: Nur wenn man den (theoretischen) Hintergrund der praktischen Lösungsvorschläge kennt, gelingt es, die eigenen oft ganz unvorhergesehenen, z. T. einzigartigen Probleme zu bewältigen.
Alle Beispiele und theoretischen Erkenntnisse werden immer wieder an einem zentralen psychologischen Merkmal veranschaulicht, in dem Menschen sich unterscheiden: Es geht um den Unterschied zwischen Menschen, die aus irgendwelchen (in diesem Buch zu analysierenden Gründen) das Handeln im Vordergrund sehen, und Menschen, die oft in einer schwierigen Situation von der eingetretenen Lage so fasziniert oder gar gelähmt sind, dass ihnen nicht einmal die Handlungsmöglichkeiten einfallen, über die sie verfügen (»handlungsorientierte Gestalter« gegenüber »lageorientierten Opfern« oder »Erduldern«). Nun muss man nicht gerade lageorientiert sein, um an sich kleine Anzeichen von Passivität und verpassten Gelegenheiten zur Gestaltung des eigenen Tuns erkennen zu können. Wer sich z. B. während oder nach der Lektüre dieses Buches fragt, warum er denn nun kaum konkrete praktische Empfehlungen für den eigenen Alltag gefunden hat, mag die zentrale Intention dieses Buches nicht angenommen haben: Wir beschränken uns auf relativ wenige konkrete Empfehlungen und Anweisungen, weil wir nicht die rezeptiv-passive Einstellung unterstützen möchten, sondern die aktiv-gestaltende: Wer beim Lesen zwischendurch immer mal wieder innehält, ein Notizheft nimmt und aufgrund unserer theoretischen oder exemplarischen Anregungen sich eigene Übungen ausdenkt (oder die angegebenen Übungen abwandelt), wer sich auf Grund einer plötzlichen Einsicht vornimmt, in bestimmten konkreten Praxissituationen anders zu reagieren, nimmt die eigentliche Intention dieses Buches auf: Statt vorgefertigte Rezepte einzusammeln (die selten wirklich gut in den eigenen Alltag hinein passen), lieber jedes kleine Aha-Erlebnis nutzen, um daraus eine eigene Übungsidee zu entwickeln.
Da die Menschen, für die dieses Buch geschrieben ist, erfolgreich sein wollen und daher trotz der Belastungen des Alltags ihr Handeln optimieren müssen, ist dieses Buch auf die positiven Seiten der Handlungsorientierten und auf ihre Gestaltungskraft zentriert und beachtet bei den Lageorientierten mehr die Beeinträchtigungen, die durch das passive Erdulden und die Selbstwahrnehmung als »Opfer der Umstände« entstehen können. Obwohl es an vielen Stellen auch um positive Seiten der »Opferhaltung« geht, ist klar, dass angesichts der handlungsorientierten Thematik dieses Buches die Vorteile der Gestalterhaltung im Vordergrund stehen. Vollständig ist die Analyse jedoch erst dann, wenn auch die leistungskritische Perspektive berücksichtigt wird. Leistung ist nicht in allen Kulturen der höchste Wert, und sie ist innerhalb der leistungsorientierten Gesellschaften nicht der einzige Wert. Persönliche Entwicklung hängt auch davon ab, dass Menschen ihre Leistungsorientierung zuweilen zurücknehmen und sich auf sich selbst und ihre »Lage« besinnen können. Sowohl in den Weltreligionen wie auch in der Philosophie ist diese Erkenntnis ausgearbeitet worden: Wenn Menschen plötzlich aufhören, ihren Zielen ausgeliefert zu sein, wenn sich der Wille zum Handeln beruhigt, dann entwickeln sie nicht selten die Fähigkeit, die Dinge in einem ausgewogeneren Verhältnis zu sehen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und eine Art innerer Weisheit zu entwickeln.
Wir haben in diesem Buch nicht den Anspruch, die hier das ganze Leben umspannende Ausgewogenheit der Lebensführung darzustellen. Unser Ziel ist bescheidener: Es geht darum, die Prozesse näher zu betrachten, die uns ermöglichen, Herausforderungen, Aufgaben und Probleme handlungsorientiert anzugehen und somit erfolgreich zu sein, statt auf Gestaltungsmöglichkeiten verzichten zu müssen, wenn man ganz einseitig auf eine lageorientierte Haltung festgelegt ist. Das kann gerade auch für Menschen wichtig werden, die an sich eine besinnliche, vielleicht sogar »lageorientierte« Grundeinstellung haben und diese Einstellung im Prinzip auch nicht aufgeben möchten, die aber dann, wenn sie unter Handlungszwänge geraten, zumindest vorübergehend auch handlungsorientierte Strategien auf der Klaviatur ihrer Alltagsbewältigung zur Auswahl haben möchten.
Unsere Einführung in die Funktionsgrundlagen der Handlungsorientierung kann auch für Menschen interessant sein, die sich für handlungsorientiert halten, aber in ihrem Alltag so manche Gestaltungsmöglichkeit verpassen, weil sie extravertierten Aktionismus oder einseitigen Optimismus mit Gestaltungskompetenz verwechseln. Auch wenn wir uns in diesem Buch auf den Ausschnitt des Alltags beschränken, in dem Menschen es für sinnvoll halten, die sich stellenden Probleme handlungsorientiert zu lösen, braucht dies die Neugier an den spannenden und erlernbaren Grundlagen der Handlungsorientierung nicht zu schmälern. Um diese Grundlagen geht es in diesem Buch.
Wir wünschen Ihnen, dass Sie sich aktiv mit diesem Buch auseinandersetzen und unsere Anregungen immer wieder in die Form übersetzen, die das Gemeinte für Ihre persönliche Lebensgestaltung interessant und praktikabel macht.
München und OsnabrückJens-Uwe Martens und Julius Kuhlim Herbst 2023www.Jens-Uwe-Martens.de
O lerne denken mit dem Herzen, und lerne fühlen mit dem Geist.
Theodor Fontane
Warum, liebe Leserin und lieber Leser, haben Sie dieses Buch zur Hand genommen? Wo stehen Sie in Ihrem Leben? Wollen Sie aus diesem Buch für sich selbst profitieren? Möchten Sie vielleicht sogar etwas in Ihrem Leben oder an Ihrem Verhalten verändern und damit »lernen«? Kann man überhaupt persönlich aus Büchern lernen?
Natürlich können wir Ihnen nicht versprechen, dass Ihr Leben durch dieses Buch glücklicher oder erfüllter wird. Änderungen an sich oder an Ihrem Leben können nur Sie selbst vornehmen, das kann Ihnen kein anderer abnehmen. Aber wenn Sie bereit sind, etwas in Ihrem Leben zu ändern, es noch interessanter, noch reicher zu machen, wenn Sie sich entschlossen haben, Ihr Leben noch konsequenter oder zielbewusster in die Hand zu nehmen, dann kann Ihnen dieses Buch bestimmt eine Hilfe sein. Was sind die Ursachen dafür, dass manche Menschen auch sehr komplexe Entscheidungen besser treffen und sie erfolgreicher umsetzen können als andere? Was kann ich tun, um meine persönlichen Ziele klarer zu formulieren und effektiver umzusetzen? Was kann ich tun, um mit den verschiedenen Stressquellen des beruflichen und privaten Alltags besser fertig zu werden? In diesem Buch finden Sie viele Anregungen, die Ihnen helfen sollen, solche Fragen zu beantworten.
Eine Besonderheit dieses Buches ist die Verbindung von Wissenschaft und Praxis. Es gibt viele praktische Ratgeber, die wenig oder gar nicht auf dem Stand der modernen psychologischen Forschung stehen. Es mangelt auch nicht an Büchern, die Fortschritte der experimentellen Psychologie oder der Biologie des Gehirns mehr oder weniger allgemeinverständlich darstellen. Die Verbindung zwischen diesen beiden Angeboten ist aber selten. Sie erfordert einen intensiven Dialog zwischen Wissenschaftlern und Praktikern. Dieses Buch beruht auf einem solchen Dialog.
Bevor wir das Ergebnis dieses Dialogs darstellen, möchten wir zur Einstimmung eine Geschichte erzählen, die einem der Autoren vor vielen Jahren passiert ist:
»Papa, da lernt man nichts«
Bei mir zu Hause brach das Computerzeitalter an. Ich habe vier Kinder, die damals zwischen 7 und 13 Jahre alt waren, und meine Frau und ich dachten, dass man dieses neue Instrument auch den Kindern nahebringen sollte. Damit sie lernen konnten, mit diesem Wunderding umzugehen, ging meine Frau mit meinen Kindern in eine Computerschule. Am Wochenende, nachdem der Kurs begonnen hatte, unterbrach mich mein jüngster Sohn bei der sonntäglichen Zeitungslektüre und sagte, er müsse unbedingt mit mir sprechen. So legte ich die Zeitung beiseite und wandte die volle Aufmerksamkeit meinem siebenjährigen Sohn zu: »Papa, Du weißt, alle meine Geschwister und sogar Mama gehen auf diese Computerschule, nur Du fehlst! Du musst unbedingt auch dorthin gehen. Ich habe schon mit meiner Lehrerin gesprochen, und sie hat gesagt, Du könntest auch noch kommen«, begann er mit seinem Anliegen.
»Weißt Du, es ist nicht so, dass ich mich nicht für das interessieren würde, was ihr da lernt, aber ich habe keine Zeit, um auch an dem Kurs teilzunehmen. Aber wir könnten es so machen: Du passt gut auf und erzählst mir immer am Wochenende, was Du gelernt hast«, und ich war überzeugt, er wäre mit dieser Antwort zufrieden. »Nein«, antwortete er voller Entrüstung, »das siehst Du völlig falsch, in dieser Computerschule lernt man nichts, das macht Spaß!«
Mein Sohn war gerade erst in die Schule gekommen, aber eines hatte er bereits erfahren: Lernen ist offensichtlich etwas Mühseliges. Wenn eine Tätigkeit Spaß macht, kann sie demnach nichts mit Lernen zu tun haben. Mein Sohn hat mir zwar am Ende des Kurses ein kleines Buch von einem Wal mit vielen Grafiken und einigem Text gezeigt, das er in dem Kurs gestaltet und produziert hat, aber »gelernt« hatte er nach seiner Überzeugung nichts.
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen, dass Sie aus diesem Buch nichts »lernen« (wenn man den Bedeutungsgehalt nimmt, den dieses Wort in der kleinen Anekdote hat), d. h., dass dieses Buch für Sie nicht belehrend wirkt, dass Sie aber am Ende dieser Lektüre, wenn schon nicht an einem Buch über einen Wal, so vielleicht doch an ein paar Ideen zu Ihrem Leben basteln.
Dieses Buch basiert auf vielen Jahrzehnten des Umgangs mit Menschen, auf der einen Seite (der Seite des Praktikers) mit dem primären Ziel, diesen Menschen bei ihrer Entwicklung zu helfen, auf der anderen Seite (der Seite des Wissenschaftlers) mit dem primären Ziel, die Zusammenhänge zu finden, mit denen man das Verhalten der Menschen erklären kann. Wir beide haben Tausende von Menschen beobachtet, wir haben uns in sie hineinversetzt, und wir haben versucht, sie in ihrer Weiterentwicklung zu verstehen und zu fördern. Wir haben diese Menschen in ihrem Alltag begleitet oder in wissenschaftlich kontrollierten Bedingungen beobachtet. Wir haben das dabei gewonnene Wissen in Seminaren und Trainingsprogrammen oder in persönlichen Beratungsgesprächen (Coaching) umgesetzt bzw. in Veröffentlichungen zur Diskussion gestellt. Wir konnten dabei erleben, dass unsere Erkenntnisse für viele Personen sehr hilfreich waren.
Wir möchten auf den folgenden Seiten versuchen, Ihnen unsere Erkenntnisse auf eine Weise nahe zu bringen, die es Ihnen möglich macht, daraus die Einsichten für sich zu gewinnen, die Ihnen Ihr Leben erleichtern und erfüllen – so wie sie unser Leben reicher und leichter gemacht haben. Aber gelten unsere Einsichten und Erkenntnisse auch für Sie?
Mag man sich noch so sehr zum Allgemeinen ausbilden, so bleibt man immer ein Individuum, dessen Natur, indem sie gewisse Eigenschaften besitzt, andere notwendig ausschließt.
Goethe im Briefwechsel mit Wilhelm v. Humboldt
Das Wichtigste, das wir in all den Jahren gelernt haben, ist so selbstverständlich, dass wir zögern, es niederzuschreiben, weil es fast schon banal klingt. Trotzdem wollen wir es hier noch einmal betonen, da viele Kollegen und die meisten »Laienpsychologen« es immer wieder vergessen: Alle Menschen sind verschieden, jeder für sich ist einzigartig, und daraus folgt, dass alle Erklärungsversuche, die auf den Erfahrungen mit anderen Menschen beruhen, zutreffen können, aber nicht zutreffen müssen. Es ist also Ihre Aufgabe, die wir Ihnen nicht abnehmen können, zu prüfen, welche von den hier dargestellten Einsichten für Sie relevant sind. Ihre Interpretation, die Art, wie Sie die hier dargestellten Erkenntnisse für sich aufnehmen, gehört zu der »Wahrheit«, die wir vermitteln wollen. Wir haben daher bewusst auch immer wieder unsere persönlichen Erlebnisse und andere Geschichten dargestellt, da konkrete Erlebnisse oft eher den persönlichen Aspekt einer Erkenntnis vermitteln können. Bedeutet das, dass es sich hier nur um die Beobachtungen und Erkenntnisse eines Einzelnen handelt und dass damit die Allgemeingültigkeit und damit die Wissenschaftlichkeit nicht gewährleistet sind?
Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie.
Kurt Lewin
Es geht in diesem Buch nicht um eine ausführliche Darstellung psychologischer Theorien oder Forschungsergebnisse, sondern um eine erfahrungsnahe Beschreibung von Alltagsbeobachtungen, die für die Gestaltung eines erfolgreichen Lebens nutzbar gemacht werden können. Theorie und Alltagserfahrung können sich ideal ergänzen. Die oben zitierte Einsicht des unter den Nazis nach Amerika emigrierten Motivationsforschers Kurt Lewin: »Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie«, gilt vor allem für die Psychologie und innerhalb dieser Wissenschaft für die Persönlichkeitstheorie, die diesem Buch zugrunde liegt. Dass die hier dargestellte Theorie sehr praktisch ist, zeigte sich an dem Feedback der Leser. Die ersten positiven Reaktionen kamen von Praktikern, von Trainern und Psychologen, die in der Erwachsenenbildung oder als Psychotherapeuten arbeiten. Auch wenn diese Theorie etwas komplexer ist als viele der heute populären Modelle, so kann sie den Menschen in ihrem beruflichen Handeln helfen, gerade dann, wenn unerwartete Situationen oder ganz neue Aufgaben auftauchen, für die es keine vorgefertigten Rezepte gibt. Das sind Situationen, in denen es darauf ankommt, selbst Lösungen zu entwickeln.
Zu dem Thema »Komplexität« der Theorie mag die folgende Geschichte die Position des Wissenschaftlers verdeutlichen:
»I don't believe in any theory that has more than three boxes«
»Ich glaube an keine Theorie, die mehr als drei Kästchen hat.« Das war die erste Reaktion eines weltbekannten amerikanischen Psychologen, als ich meine neue Theorie der Persönlichkeit einem Gremium von internationalen Top-Wissenschaftlern vorstellte, die über die Besetzung des Direktor-Postens eines Max-Planck-Instituts zu befinden hatten. Die meisten anwesenden Wissenschaftler nickten zustimmend und zeigten offen ihre Erheiterung über diese Feststellung.
Meine spontane Antwort war: »Was würden Sie sagen, wenn sich Ihr Fernsehtechniker mit derselben Begründung weigern würde, Ihren kaputten Fernseher zu reparieren?« Anschließend erläuterte ich, dass meine Theorie keineswegs so viele Kästchen hatte, wie das Schaltbild eines Fernsehers, mit dessen Komplexität sich durchaus Leute abgeben müssen, die keine wissenschaftliche Ausbildung haben, ja meist nicht einmal das Abitur.
Eine Persönlichkeitstheorie, die ganze vier psychische Systeme unterscheidet, war diesem Kollegen schon zu komplex, um die Persönlichkeit des Menschen darzustellen.
Wir sind auch vor dieser kleinen Begebenheit und danach immer wieder einer ähnlichen Einstellung begegnet: Psychologie soll einem möglichst breiten Publikum dargebracht werden und damit leicht konsumierbar sein. Wird man durch diese Forderung aber noch dem in sich komplexen Gegenstand gerecht, den man untersuchen und darstellen will? Andererseits gilt das dem britischen Philosophen Occam zugeschriebene Sparsamkeitsprinzip: »Die Dinge sollten nicht mehr als notwendig verkompliziert werden«. Heißt das nicht, dass auch Wissenschaftler der Einfachheit verpflichtet sind? Wie ist dieser Widerspruch zu lösen?
Eigentlich ist das gar nicht so schwierig. Die Lösung dieses Widerspruchs erfordert genau das, was Thema dieses Buches ist: Persönliche Intelligenz.
In der Erreichung der (seiner) Persönlichkeit liegt nichts Geringeres als die bestmögliche Entfaltung des Ganzen eines besonderen Einzelwesens.
C. G. Jung
Wir begegnen auf unserem Lebensweg immer wieder Aufgaben und Problemen, die nicht durch einfache logische Gedanken lösbar sind. Wir spüren dann, dass zur Lösung dieser Aufgaben unsere ganze Person gefordert ist. Wenn jemand sich einem Problem »als Person« stellt, dann bedeutet das, dass er die höchste Stufe seiner gesammelten Lebenserfahrung aktiviert. Wir werden wissenschaftliche Ergebnisse erläutern, die zeigen, dass diese Stufe weder durch logisch-analytische (»kognitive«) Intelligenz erreicht wird, wie sie durch die üblichen Intelligenztests gemessen wird, noch durch das, was neuerdings emotionale Intelligenz genannt wird. Auf der Stufe der persönlichen Intelligenz regiert nicht das Entweder-oder des analytischen Denkens und auch nicht irgendein noch so positiv und erfolgreich anmutender emotionaler Zustand, sondern das verbindende Sowohl-als-auch des ganzheitlichen, persönlich relevanten Erfahrungswissens.
Die zentrale These dieses Buches, in der es sich von Büchern mit ähnlicher Zielsetzung unterscheidet, lautet:
Eine erfolgreiche Gestaltung des beruflichen und privaten Lebens wird weder durch eine immer höher entwickelte logische Intelligenz noch durch erfolgsverheißende Bestandteile »emotionaler Intelligenz« wie Optimismus oder unerschütterliches Selbstbewusstsein ermöglicht, sondern durch einen differenzierten Umgang mit persönlichen Lebenserfahrungen, durch »persönliche Intelligenz«.
Das bedeutet, dass man nicht nur Pessimismus, sondern auch einseitigen Optimismus vermeidet. Stattdessen entwickelt man die »persönliche« Stärke, alle persönlich relevanten Lebenserfahrungen, positive und negative, zu beachten, um so zu immer umfassenderen persönlichen Einsichten zu kommen. Diese Lebenserfahrungen weisen meist durchaus eine positive Gesamtbilanz auf. Die wird aber nicht durch vorschnelles Beschönigen, durch einseitigen Optimismus oder durch künstliches Vereinfachen erreicht, sondern durch aktive und kreative Auseinandersetzung mit allen positiven und negativen Erfahrungen, seien sie zunächst auch noch so schwierig oder widersprüchlich.
Dieses Prinzip lässt sich auch auf die Wissenschaft anwenden. Kuhl meint dazu: »Vereinfachung ist ein erstrebenswertes Ziel, auch in meiner eigenen wissenschaftlichen Arbeit. Aber man darf nicht den Weg mit dem Ziel verwechseln. Der Weg kann recht schwierig sein, wenn man ein Ziel erreichen will, das einen klaren und möglichst einfachen Überblick über einen Gegenstandsbereich vermittelt. Der Weg in die Persönlichkeitstheorie, die ich in den letzten Jahren entwickelt habe, war alles andere als einfach. Aber das Resultat ist so einfach, dass es in diesem Buch in einigen wenigen Abschnitten dargestellt werden kann.«
Persönliche Intelligenz bedeutet, dass wir alle unsere Fähigkeiten und Gefühle in ausgewogener und in einer dem jeweiligen Kontext angemessenen Form einsetzen. Es gibt kein noch so positives Gefühl und kein noch so intelligentes psychisches System, das für jede Aufgabe und für jede Situation geeignet ist. Manchmal ist das Denken und Planen sinnvoll, um Schritt für Schritt möglichst sichere Lösungen zu suchen, manchmal eher die spontan improvisierende Intuition oder die viele Erfahrungen integrierende Selbstwahrnehmung. Oft ist positive Stimmung hilfreich, oft stört sie aber auch. Oft ist negative Stimmung nachteilig, oft braucht man sie aber auch.
Nicht die Talente, nicht das Geschick zu diesem oder jenem machen eigentlich den Mann der Tat; die Persönlichkeit ist's, von der alles abhängt.
Goethe, Wilhelm Meisters Wanderjahre
Es wird in diesem Buch viel von einem System die Rede sein, welches das ausgewogene Wechseln zu den jeweils sinnvollen Stimmungen und Intelligenzformen überwacht. Dieses System speichert alle persönlich relevanten Erfahrungen und ist immer aktiv, wenn wir »persönlich« werden, sei es im persönlichen Gespräch, sei es, wenn wir der Selbstwahrnehmung Raum geben und spüren, was ein Erlebnis uns persönlich bedeutet, sei es, dass wir irgendwo zur Lösung eines Problems unsere »persönliche« Erfahrung einbringen. Der Entwicklungszustand dieses Systems entspricht dem, was wir im Alltag die Persönlichkeit eines Menschen nennen. Dieses System – wir werden es das Selbst nennen – ist auch meistens involviert, wenn wir einen Menschen reif oder unreif nennen, erfahren oder unerfahren, flexibel oder unflexibel, entscheidungs- und urteilsstark oder unsicher. Es bedarf eigentlich keiner besonderen Erklärung, warum die optimale Entwicklung dieses Systems für ein erfülltes ebenso wie für ein erfolgreiches berufliches und privates Leben besonders wichtig ist.
Heute ist die Entwicklung einer starken Persönlichkeit wichtiger denn je: Noch nie mussten Menschen täglich so viele isolierte, mal erschreckende, mal widersprüchliche Informationen und Werte verarbeiten wie in der heutigen Mediengesellschaft. Noch nie ist berufliches Fachwissen so schnell veraltet wie heute. Kein Wunder, dass die Unternehmen – ganz besonders wenn es um Führungspositionen geht – immer mehr nach Schlüsselqualifikationen als nach Fachwissen fragen. Vor diesem Hintergrund ist es geradezu paradox, dass in unserer Gesellschaft die Voraussetzungen zur Entwicklung persönlicher Kompetenzen immer ungünstiger werden: Eltern haben – besonders als Doppelverdiener – immer weniger Zeit, sich auf einer persönlichen Ebene mit ihren Kindern zu beschäftigen. Selbst wenn die Zeit da wäre, fehlt oft die entspannte, ruhige Situation und Einstellung, die man braucht, um sich auf einen anderen Menschen wirklich einzulassen und alles zu unterstützen, was in einem Kind oder Heranwachsenden an persönlichen Talenten und Möglichkeiten angelegt ist. Die vielen Druckmomente, der Stress und die Zwänge, denen wir im Alltag ausgesetzt sind, erschweren das unvoreingenommene Wahrnehmen und warmherzige Akzeptieren der Selbstäußerungen eines Kindes.
Während noch vor einigen Jahrzehnten unsere damaligen Lehrer ihre Aufgabe nicht nur in der Wissensvermittlung sahen, sondern auch darin, aus uns selbständig urteilende, reife Menschen zu machen (das schloss der damalige Begriff der »Bildung« mit ein), müssen sich Lehrer unter den heutigen Bedingungen in dieser Rolle oft überfordert fühlen. Nimmt man die enorm gestiegene Bedeutung der Entwicklung persönlicher Kompetenzen und die enorm gesunkene Unterstützung gerade dieser Entwicklung zusammen, so lässt sich der Beweggrund zusammenfassen, der uns zu der Arbeit an diesem Buch veranlasst hat:
Noch nie war die Schere zwischen Fordern und Fördern von Persönlichkeit so weit geöffnet wie heute.
Wissen kommt heute aus dem Internet. Fast jeder auf der ganzen Welt hat heute in seinem Handy (Smartphone) oder Laptop fast alles Wissen der Welt buchstäblich »in der Hand«. Gelernt und gelehrt werden muss, wie man aus diesem Wissen in widersprüchlichen Situationen und unlösbar erscheinenden Konflikten vertretbare Handlungsalternativen entwickeln kann.
Persönlichkeit entwickeln bedeutet, Menschen zum ausgewogenen Urteilen anleiten, statt sie auf immer einfachere Verhaltensmuster – seien sie auch noch so positiv und unterhaltsam – zu reduzieren. »Wenn wir uns das Leben wirklich vereinfachen wollen, dann müssen wir uns zunächst seinen Schwierigkeiten und Komplexitäten stellen.«1
Life becomes simple when we accept its complexities.
Wenn wir uns den Lebenserfahrungen bzw. den wissenschaftlichen Beobachtungen, die wir meistern wollen, ohne voreiliges, künstliches Vereinfachen und Beschönigen stellen, dann haben wir die Chance, persönliche Gestaltungskräfte zu entwickeln, mit denen wir aus all den schwierigen und widersprüchlichen Erfahrungen schließlich doch einfache Lösungen entwickeln können. Dann sind wir nicht Opfer, sondern Gestalter unserer Lebensbedingungen. Wenn wir uns nicht darauf beschränken wollen, Erlittenes oder Erreichtes zu verwalten, wenn wir Erfolge nicht nur kurzfristig konstatieren, sondern nachhaltig gestalten wollen, mit anderen Worten, wenn wir das Leben als Ganzes in die Hand nehmen wollen, dann lohnt es sich, persönliche Intelligenz zu entwickeln. Was das heißt und wie das geht, ist Thema dieses Buches.
Wir unterscheiden hier zwei Grundhaltungen, mit denen man auf die vielen Schwierigkeiten und leidvollen Erfahrungen im Leben reagieren kann:
Wir nennen die Überzeugung, dass man Gestalter seines Lebens ist, die Gestaltergrundhaltung, und die gegenteilige Überzeugung, dass man Opfer der Umstände ist, die Opfer- oder Erduldergrundhaltung.
Menschen mit einer Gestaltergrundhaltung glauben nicht nur, etwas bewirken zu können, sondern sie verfügen auch über die dazu notwendigen persönlichen Kompetenzen. Menschen mit dieser inneren Haltung sind eher handlungsorientiert, d. h., sie besinnen sich in einer schwierigen Situation darauf, etwas zu tun, um ihre Lage zu verändern. Sie zögern nicht lange, sondern werden aktiv. Demgegenüber stehen die Menschen, die eher lageorientiert sind. Diesen Menschen fällt es schwer, an eine Handlung zu denken, wenn sie in Schwierigkeiten oder unter Stress geraten, sie konzentrieren sich dann zu sehr auf ihre derzeitige Lage und neigen zum Zaudern und Grübeln, sie akzeptieren auch vorschnell für sie negative Bedingungen. Sie reagieren oft passiv, sie finden sich mit dem ab, was ihnen begegnet. Wir nennen die zugrunde liegende Einstellung Opfer- oder Erduldergrundhaltung.
Handlungs- und lageorientierte Menschen haben unterschiedliche Überzeugungen: Handlungsorientierte glauben, dass es auch in vielen schwierigen Situationen Lösungswege gibt, während Lageorientierte optimistische Überzeugungen rasch verlieren, wenn etwas schief geht. Es liegt nahe zu meinen, dass solche Überzeugungen die Ursache für das aktive Problemlösen der handlungsorientierten Gestalter und die Passivität der lageorientierten Erdulder sind: Wer nicht an den Erfolg glaubt, gibt auf. Diese Erklärung ist auch in der Psychologie noch weit verbreitet. Die systematische Erforschung der beiden Grundtypen hat jedoch gezeigt, dass pessimistische bzw. optimistische Überzeugungen oft gar nicht die Ursache, sondern die Folge eines tiefer liegenden Mechanismus sind.
Bei handlungsorientierten Gestaltern funktionieren bestimmte Regulationsvorgänge anders als bei Lageorientierten, z. B. erholen sich Gestalter schneller von negativen Gefühlen. Die Forschung hat gezeigt, dass die rasche Wiederherstellung positiver Gefühle – z. B. wenn man durch einen Verlust oder einen Misserfolg entmutigt worden ist – dazu führt, dass man einen verbesserten Überblick über persönliche Erfahrungen und Lösungsmöglichkeiten gewinnt und entsprechend rasch wieder handeln kann (Koole & Jostmann, 2004). Lageorientierte sind nicht pessimistischer als Handlungsorientierte. Ihre Schwierigkeiten, nach einem Misserfolg wieder ins Handeln zurückzufinden, beruht auf ihrem besonderen Realismus. Das zeigte sich in einer Untersuchung, in der wohnungssuchenden Studierenden verschiedene Angebote vorgelegt wurden (Beckmann & Kuhl, 1984). Nach einer ersten Sichtung der Alternativen schätzten die Interessenten die Attraktivität aller Wohnungen ein. Später sollten sie noch einmal die Attraktivität aller Wohnungen einschätzen. Obwohl sie keine neuen Informationen zu den Wohnungsangeboten erhalten hatten, fanden Handlungsorientierte die Wohnung, die sie von Anfang an bevorzugt hatten, bei der zweiten Befragung noch attraktiver als beim ersten Mal, während Lageorientierte exakt dieselben Einschätzungen abgaben, also im Grunde objektiver waren (sie hatten ja nichts Neues über die Wohnungen erfahren). Handlungsorientierte hatten offensichtlich die Attraktivität der bevorzugten Wohnung zwischenzeitlich »heraufreguliert«. Das kann als Hinweis auf die höhere Selbstmotivierung der Handlungsorientierten aufgefasst werden: Je attraktiver ich eine bevorzugte Entscheidungs- oder Handlungsalternative sehe, desto mehr Motivation kann ich aufbringen, diese Alternative auch wirklich zu realisieren.
Die größere Objektivität der Lageorientierten kann sich nach einem Misserfolg sehr nachteilig auf die Leistungsfähigkeit auswirken. In einigen Experimenten zur »erlernten Hilflosigkeit« aus den 80er Jahren erhielten Versuchspersonen nach einer »Vorbehandlung« mit einer nicht lösbaren Aufgabe eine andersartige Aufgabe. Bei der neuen Aufgabe schnitten lageorientierte Personen schlechter ab als die Personen einer Kontrollgruppe, die vorher eine lösbare Aufgabe bearbeitet hatten. Der überraschende Befund dieser Experimente war nun, dass die lageorientierten Personen nicht weniger optimistisch an die neue Aufgabe herangingen als die handlungsorientierten (Kuhl, 1981). Weitere Untersuchungen zeigten: Pessimistische Überzeugungen sind meist die Folge (nicht die Ursache) des weniger effektiven Funktionierens psychischer Systeme. Das ist auch für die Praxis wichtig: Alle noch so gut gemeinten Empfehlungen vieler Ratgeberbücher, man möge positiv denken, helfen wenig, wenn man nicht die eigentlichen Ursachen ungünstiger Überzeugungen beseitigt, z. B. die geringe Fähigkeit, die für das Problemlösen und Handeln wichtigen Emotionen wiederherzustellen.
Abb. 1:Unterschied zwischen Gestalter und Opfer (Oberflächliche Betrachtung)
Es fällt nicht nur Laien, sondern auch Wissenschaftlern oft schwer einzusehen, dass Überzeugungen seltener die eigentliche Ursache der Erfolgs- und Misserfolgsbilanz eines Menschen sind, als man annehmen mag. Das liegt daran, dass dann, wenn im Alltag Leistungen nicht den Erwartungen entsprechen, die eigenen Überzeugungen dem Bewusstsein zugänglich sind. Die diesen Überzeugungen zugrundeliegenden Mechanismen können wir aber meist nicht bewusst erleben. Alltagsbeobachtungen unterliegen allerdings oft Täuschungen, die erst in kontrollierten Experimenten aufgedeckt werden. Die Wissenschaft untersucht die Erkenntnisse, die aus Alltagsbeobachtungen gewonnen werden, unter »kontrollierten Bedingungen«. In der psychologischen Forschung werden z. B. Experimente durchgeführt, aus deren Ergebnis auf die Funktionsweise der einzelnen Elemente der Psyche geschlossen werden kann. Ein Beispiel ist das hier beschriebene »Zielumsetzungsexperiment« aus dem Osnabrücker Forschungslabor, das recht verblüffende Ergebnisse zu Tage förderte.
Abb. 2:Unterschied zwischen Gestalter und Opfer (Betrachtung nach gründlicher Forschung)
Willensbahnende Gefühle: Das Zielumsetzungsexperiment
Wenn wir das in roten Buchstaben geschriebene Wort »Grün« sehen, so sind wir geneigt, es zu lesen und es fällt uns schwerer, die Farbe zu benennen, als wenn Wort und Farbe übereinstimmen. Zum Benennen der Farbe ist ein kleiner Willensakt notwendig, weil bei geschriebenen Wörtern eigentlich der Impuls stärker ist, das Wort zu lesen: Man möchte z. B. bei dem Wort ROT, das ist blauer Schrift geschrieben ist, »rot« sagen, auch wenn die Instruktion ist, immer nur die Farbe zu benennen. Wie bei großen Willensakten muss man sich überwinden, einem sich aufdrängenden Impuls nicht nachzugeben: Wörter zu lesen, ist durch das tägliche Lesen unzähliger Wörter, die uns entgegenkommen, völlig automatisiert, es ist ein unbewusst gesteuerter Impuls.
In dem Zielumsetzungsexperiment wird die »Willenskraft« dadurch auf die Probe gestellt, dass die Aufgabe nun gerade erfordert, dass man diesem Impuls (Wörter zu lesen) widersteht: Die Aufgabe besteht darin, die Farbe zu benennen, in der die Wörter geschrieben sind. Die Willensanstrengung zeigt sich in dem Experiment durch eine zeitliche Verzögerung: Die Reaktionszeiten sind bei Farbwörtern länger, die in der »falschen« Farbe geschrieben sind, als bei solchen, die in der »richtigen«, kongruenten Farbe geschrieben sind. Diesen Effekt der von dem amerikanischen Organisationspsychologen Stroop entwickelten Aufgabe haben wir in Osnabrück genutzt, um herauszufinden, unter welchen Bedingungen es Menschen leichter fällt, diese Aufgabe zu lösen.
In dem Osnabrücker Experiment mussten die Versuchspersonen die Farben der in »falscher« Farbe geschriebenen Wörter benennen. Wenn man den Versuchspersonen vor Einblenden eines inkongruenten Farbwortes (z. B. das Wort ROT in blauer Schrift) für einige hundert Millisekunden Begriffe zeigte, die positive Assoziationen wachrufen und somit für eine ganz kurze Zeitspanne, die meist nicht einmal reichte, dass das Wort bewusst wurde, positive Affekte auslösen sollten (z. B. »Glück« und »Erfolg«), dann zeigte sich etwas Verblüffendes: Die Reaktionszeiten waren plötzlich nicht mehr länger als bei den in »richtiger« Farbe geschriebenen Wörtern. Wenn man vorher negative oder neutrale Wörter zeigte (z. B. »Mörder« bzw. »Tisch«), dann gab es wieder die erwartete Verzögerung der Reaktionszeiten bei inkongruenten Farbwörtern (Kuhl & Kazén, 1999).
Der durch positive Wörter ausgelöste positive Affekt scheint demnach den Willen zu bahnen, weil ja das bewusst Gewollte (Farbe benennen) sich plötzlich rascher gegen die impulsive, aber falsche Reaktion (Wort lesen) durchsetzen kann. Wichtig ist aber, dass diese willensbahnende Wirkung positiver Wörter nur in einer Versuchsgruppe funktionierte, in der die Versuchspersonen dazu bewegt wurden, die schwierige Absicht immer wieder »auf den Schirm« zu bringen (d. h. ins Absichtsgedächtnis zu laden).
Was zeigt uns dieses Experiment? Das Ergebnis lässt sich mit wenigen Worten beschreiben: Positive Gefühle helfen uns, das, was wir uns vorgenommen haben, auch tatsächlich umzusetzen. Positive Affekte helfen, den Inhalt des Absichtsgedächtnisses mit den Systemen zu verknüpfen, die das Handeln steuern. Das setzt natürlich voraus, dass das Absichtsgedächtnis vorher »geladen« wurde, d. h., dass man wirklich einen entsprechenden Vorsatz gefasst hat. Wir sind hier offensichtlich einem Mechanismus auf der Spur, der allen Lebensweisheiten, die das »positive Denken« oder den Optimismus preisen, zu Grunde zu liegen scheint. Allerdings werden diese Lebensweisheiten durch das Zielumsetzungsexperiment auch korrigiert: Positive Gefühle mögen ausreichen, um uns zu spontan verfügbaren Verhaltensweisen zu veranlassen (wie das freundliche Mienenspiel in einer netten Unterhaltung), sie reichen aber nicht aus, um schwierige oder unangenehme Vorsätze auszuführen. Psychologisch ausgedrückt: Positive Gefühle können einfaches Verhalten aktivieren (▸ Abb. 3, vgl. den unteren Pfeil), sie reichen aber nicht aus, um die Energie zum Ausführen schwieriger Absichten bereitzustellen. Dazu muss man auch in der Lage sein, Frustrationen auszuhalten, den Schwierigkeiten ins Auge zu sehen, was die optimistische Stimmung des immer nur spontan Handelnden für eine Weile dämpfen kann (▸ Abb. 3, vgl. den unteren Pfeil).
Abb. 3:Willensbahnung
Das Absichtsgedächtnis ist sozusagen der Ort, an dem der bewusste Wille gespeichert ist: Wenn man sich etwas vorgenommen hat, was der spontanen Reaktion widerspricht, was also »Schwierigkeiten« macht, dann muss man zunächst einmal eine Absicht bilden und im Gedächtnis aufrechterhalten, damit sie trotz der auftretenden Schwierigkeiten nicht aus den Augen verloren wird (▸ Abb. 3, vgl. den unteren Pfeil): Wenn ich morgens auf dem Weg zum Büro einen Umweg machen muss, um ein Paket an der Post aufzugeben, dann »lade« ich mein Absichtsgedächtnis mit der Instruktion: »Heute an der Ampel links zur Post statt rechts zum Büro abbiegen«. Im Experiment müssen die Versuchsteilnehmer immer wieder die Absicht wachhalten: Farbe benennen statt Wort lesen.
Wie gelingt es dem System in dieser Situation, gerade das schwierige, aber beabsichtigte Verhalten zu aktivieren und den automatisierten Handlungsimpuls (d. h. das Wort zu lesen) zu unterbinden? Das Osnabrücker Experiment zeigt, dass positive Stimmungen offensichtlich helfen, das Absichtsgedächtnis mit dem Ausführungssystem zu verschalten: Wenn man eine schwierige Absicht umsetzen will, muss man sie also erst einmal im Absichtsgedächtnis aufrechterhalten und dann im richtigen Moment ein positives Gefühl erzeugen, damit die Absicht auch tatsächlich umgesetzt werden kann. Wir nennen diesen Effekt Willensbahnung. Dieser Effekt beruht nicht auf einer Überzeugung, sondern auf der Wirkung eines bestimmten Gefühls: Sobald ein positives Gefühl entsteht (das nicht einmal bewusst zu werden braucht), wird das Intentionsgedächtnis mit den verhaltenssteuernden Systemen verschaltet, unabhängig davon, was die Person gerade denkt oder welche Überzeugungen sie hat (vgl. oberer Pfeil in Abb. 3).
Wer immer wieder an sich erlebt, dass die Willensbahnung funktioniert, wenn er einen Vorsatz umsetzen will, hat natürlich die Chance, das zu bemerken. Dann entwickelt sich mit der Zeit die Überzeugung, Vorsätze gut umsetzen zu können. Wer diese Fähigkeit entwickeln will, sollte aber nicht zuerst an der Überzeugung arbeiten, sondern an der zu erlernenden Fähigkeit, im richtigen Moment positive Gefühle zu entwickeln. Sich einzureden, dass die Welt positiv zu sehen ist und man eigentlich seine Vorsätze genauso gut umsetzen kann wie andere, hilft wenig, wenn man die entsprechenden Fähigkeiten noch nicht entwickelt hat. Solange man die entsprechenden Fähigkeiten nicht hat, können oberflächliche Devisen, man solle »nur an sich glauben«, »sich nicht sorgen«, oder »positiv denken« sogar falsche Hoffnungen wecken und große Enttäuschungen auslösen: Wer Spanisch lernen will, übt Spanisch. Optimistische Überzeugungen einzuüben, hilft da wenig. Wir müssen lernen, dass Ähnliches auch auf die persönliche Intelligenz zutrifft: Nur wer lernt, im richtigen Moment positive Gefühle zu bahnen, kann seine Fähigkeit verbessern, schwierige Vorsätze umzusetzen. Voraussetzung dafür, dass positive Gefühle im richtigen Moment auch schwierige Vorsätze (d. h. den Willen) bahnen und nicht nur das Ausweichen auf leicht Umsetzbares stimulieren, ist es offensichtlich notwendig, dass man sich mit dem Schwierigen und Unangenehmen wirklich konfrontieren kann, dass man wirklich eine Absicht bildet. Funktioniert das, was das Laborexperiment zur Umsetzung schwieriger Vorsätze gezeigt hat, auch im Alltag?
Wie motiviert sich einer der Autoren?
Seit vielen Jahren gelingt es mir, dem erst genannten Autor, regelmäßig zu trainieren, um meine Kondition aufrecht zu erhalten, meine Gelenke und Muskeln nicht altersgemäß schwächer werden zu lassen (ich bin inzwischen 83 Jahre alt).
Wenn ich morgens im Bett liege und der Wecker klingelt, um mich aus dem Bett und zum Training zu treiben, dann entsteht natürlich auch in mir ein Konflikt: Es ist so schön warm im Bett und ich könnte doch das Training »einmal« ausfallen lassen, dann könnte ich mich noch einmal umdrehen und noch fast eine ganze Stunde schlafen.
Das Absichtsgedächtnis wurde schon lange, viele Jahre mehrfach geladen. Ich habe mich immer wieder mit den gesundheitlichen und persönlichen Vorteilen beschäftigt, die das Training mit sich bringt und habe auch persönlich entsprechende positive Erfahrungen gemacht, in mir aufgenommen und manchem Mitmenschen davon erzählt.
Trotzdem fehlt in dieser Situation im Bett der Handlungsimpuls. Der muss erst entstehen: Ich mache mir klar, dass ich nach einer weiteren Stunde Schlaf kaum wacher bin als jetzt. Ich reguliere also die positiven Gefühle, die mich an das Bett fesseln herunter. Gleichzeitig mache ich mir bewusst, dass ich mich nach dem Training noch einmal zum Ausruhen hinlegen werde und dann meist auch noch einmal kurz einschlafe. Nach diesem Kurzschlaf, das zeigt meine Erfahrung immer wieder, fühle ich mich wacher als jetzt im Bett nach sieben oder acht Stunden Schlaf. Ich antizipiere dieses schöne Gefühl der Wachheit und freue mich darauf. Außerdem mache ich mir bewusst, wie stolz ich doch sein kann, dass ich seit vielen Jahren regelmäßig mein Training durchhalte, was nur Wenigen gelingt. Diese positiven Gefühle bahnen meinen Willen und ich stehe auf, um zu trainieren. So gelingt es mir auch einen schwierigen Vorsatz umzusetzen, denn Training selbst ist mir unangenehm, die Übungen oft mit leichten Schmerzen verbunden. Und das, seit mehr als vierzig Jahren!
Der flücht'ge Vorsatz ist nicht einzuholen,Es gehe denn die rasche Tat gleich mit.
Shakespeare, Macbeth
Die Motivationspsychologin Gabriele Oettingen hat in einer Vielzahl von Untersuchungen gezeigt, dass positive Gefühle auch im Alltag das Umsetzen von Vorsätzen erleichtern, allerdings nur, wenn sie mit Maßnahmen zum »Laden des Intentionsgedächtnisses« gekoppelt werden (Oettingen et al., 2001). In ihren Untersuchungen gab es drei Gruppen, in denen es immer um die Umsetzung eines schwierigen Vorsatzes ging (z. B. ein schwieriges Gespräch mit dem Partner führen; eine Person, in die man sich verliebt hat, anzusprechen, auch wenn man Hemmungen hat; regelmäßig eine Arznei nehmen oder bestimmte Übungen machen etc.). Die eine Gruppe von Versuchsteilnehmern wurde trainiert, in positive Gefühle zu gehen, die mit der Erreichung des persönlichen Ziels verbunden seien. Diese Versuchspersonen sollten sich in der Fantasie ausmalen, wie schön es wäre, wenn das Ziel schon erreicht sei, und regelrecht in diesen positiven Fantasien »baden«.
Die zweite Gruppe wurde angeleitet, sich die zu überwindenden Schwierigkeiten auszumalen und darüber einen kurzen Aufsatz zu schreiben. Diese Instruktion ist eine Möglichkeit, das Intentionsgedächtnis einzuschalten. Es ist ja für die Umsetzung schwieriger Absichten gedacht und springt deshalb an, sobald einem die Schwierigkeit eines Vorhabens bewusst wird.2 In diesen beiden Gruppen waren die Ergebnisse eher enttäuschend: Weder die positive Selbstmotivierung durch Zielerreichungsfantasien noch die Aktivierung des Intentionsgedächtnisses durch Reflexion der zu überwindenden Schwierigkeiten scheint auszureichen, um die Umsetzung schwieriger oder unangenehmer Ziele zu optimieren.
Die höchste Umsetzungsrate ergab sich in der dritten Gruppe. Diese Gruppe war angeleitet worden, zwischen positiven Zielfantasien und der Reflexion über die zu überwindenden Schwierigkeiten zu pendeln. Das Pendeln zwischen dem Laden des Absichtsgedächtnisses (das u. a. durch das Denken an die Schwierigkeiten ausgelöst wird) und positiven Gefühlen ist notwendig, um Ziele erfolgreich umzusetzen (vorausgesetzt, es handelt sich um realistische Ziele: in Oettingens Experimenten war eine hinreichend hohe Beurteilung der subjektiven Erfolgschancen eine weitere Voraussetzung für die Zielumsetzung).
Die meisten in Osnabrück untersuchten Personen zeigen den Willensbahnungseffekt übrigens nicht, wenn man positive Wörter aus dem Beziehungsbereich zeigt (z. B. »Liebe«, »das Lächeln einer Freundin«). Das ist auch nicht verwunderlich, da es im zwischenmenschlichen Bereich gar nicht so wichtig ist wie im Leistungsbereich, das, was man sagt bzw. tut, bewusst zu planen: Die Verwendung des Absichtsgedächtnisses wirkt im Kontakt mit anderen Menschen sogar oft eher berechnend, unaufrichtig oder manipulativ (Kazén & Kuhl, 2005). Anders reagieren Personen, denen der Umgang mit anderen Menschen schwerfällt. Sie zeigen den Willensbahnungseffekt, der im Zielumsetzungsexperiment sonst nur in Leistungskontexten auftritt.
Bereits die in den vorigen Abschnitten dargestellten Erkenntnisse mögen bei manchen Lesern die Frage aufkommen lassen, wie die Forschungsergebnisse und unsere (lebens-) praktischen Überlegungen zu den Fortschritten der modernen Hirnforschung passen. Die Hirnforschung hat seit gut einem Jahrzehnt durch ihre neuen Methoden einen enormen Aufschwung erfahren, der dazu geführt hat, dass sie nicht nur in ihren wissenschaftlichen Nachbardisziplinen (wie der Motivationspsychologie), sondern auch in den Medien einen beträchtlichen Aufmerksamkeitszuwachs erhalten hat. Angesichts des rapiden Tempos dieser Entwicklung verwundert es nicht, dass es noch viele Missverständnisse im Dialog mit den Neurowissenschaften gibt. Neurowissenschaftlern wird vorgeworfen, sich in Fragen einzumischen, von denen sie nichts verstehen (z. B. mit der Behauptung, es gäbe keinen freien Willen) und Neurowissenschaftler erheben ihrerseits den Vorwurf, dass ihre Ergebnisse oft verfälscht oder zu unseriösen Spekulationen missbraucht werden (Geyer, 2004; Stern, 2005). Beide Positionen haben ihre Berechtigung, können aber auch die Verwirrung vergrößern, wenn sie blind verallgemeinert werden.
Da wir Fortschritte der Hirnforschung vor allem da nicht ignorieren wollen, wo sie wichtige Hinweise für die psychologische Theoriebildung liefern, ist es an dieser Stelle sinnvoll, einige Bemerkungen zum Dialog mit der Hirnforschung anzubieten. Für die meisten psychologischen Fragen, die uns im Alltag und Psychologen in ihrer wissenschaftlichen oder beruflichen Arbeit beschäftigen, ist es durchaus unerheblich, wo sich die seelischen Vorgänge im Gehirn abspielen. Dass es bei praktisch jedem geistigen Phänomen irgendwo im Gehirn nachweisbare Aktivitäten gibt, kann nur jemanden erstaunen, der in der veralteten Vorstellung lebt, das Gehirn sei nur für niedere Impulse zuständig wie Triebe, Temperament oder Affekte. Trotzdem scheint die Vergewisserung, dass ein geistiger Prozess mit einer Aktivität im Gehirn zusammenhängt, den (post-) modernen Menschen mit seiner Vorliebe für das Beweisbare und Beobachtbare und seinen Unsicherheiten im Bereich der geistigen Seite seiner Existenz zu faszinieren. Wenn wir in diesem Buch zuweilen auch auf Befunde aus der Hirnforschung verweisen, geht es uns nicht darum, solche Bedürftigkeiten zu bedienen. Befunde aus der Hirnforschung helfen meist auch nicht weiter, wenn es darum geht, ein psychologisches Phänomen so gut zu verstehen, dass es für die psychologische Theoriebildung oder die praktische Anwendung taugt. Unsere praktischen Ratschläge beruhen dort, wo sie bereits als wissenschaftlich abgesichert gelten können, auf Ergebnissen der experimentellen Psychologie. Gerade wenn es in die Details psychologisch relevanter Prozesse geht, sind neurobiologische Methoden meist zu schwerfällig (von ihren Kosten ganz zu schweigen), als dass sie uns die nötigen Informationen liefern könnten.
Trotz der genannten Einschränkungen kann es auch zur Beantwortung motivationspsychologischer Fragen an einzelnen Stellen hilfreich sein, den Dialog mit den Erkenntnissen der Hirnforschung aufzunehmen. Oft geht es dabei darum, auf gewisse Parallelen zwischen den diskutierten psychologischen Forschungsergebnissen und neurobiologischen Befunden hinzuweisen. Solche Hinweise können Lesern die Orientierung erleichtern (z. B. wenn sie anderswo mit Ergebnissen der Hirnforschung konfrontiert werden). Für die psychologische Forschung wäre es wenig förderlich (und auch viel zu teuer), ihre Befunde immer auch hirnbiologisch nachweisen zu wollen. Die psychologische Prozessanalyse ist ohnehin aus ähnlichen Gründen nicht neurobiologisch modellierbar, wie die Wettervorhersage nicht von Quantenphysikern gemacht wird (obwohl deren Teilchen sicher durchs Wetter bewegt werden oder umgekehrt). Trotzdem können Psychologie und Hirnforschung voneinander lernen: Die Hirnforschung bezieht die meisten der von ihr untersuchten Aufgaben aus der Psychologie und kann die psychologische Bedeutung nachweisbarer Hirnaktivitäten oft erst mit Hilfe der Psychologie interpretieren. Die Psychologie kann von der Neurobiologie besonders dort profitieren, wo verschiedene geistige Prozesse in nicht weit auseinanderliegenden Bereichen des Gehirns nachgewiesen werden (z. B. Selbstwahrnehmung und die Bewältigung negativer Emotionen). Solche Befunde können Hinweise darauf sein, dass die beteiligten Prozesse oft zusammenarbeiten (wissenschaftliche ausgedrückt: neuroanatomische Distanz zweier Vorgänge kann ein Hinweis auf ihre funktionelle Distanz sein). Für die Psychologie sind solche Hinweise normalerweise nicht mehr als Anregungen, die auf jeden Fall in psychologischen Experimenten überprüft werden müssen.
Abschließend können wir feststellen, dass die Schwierigkeiten im Dialog mit der Hirnforschung der Herausforderung nicht unähnlich sind, die wir in diesem Buch annehmen wollen. Der Dialog zwischen Praxis und Wissenschaft kann allzu leicht zu Missverständnissen führen (die nicht selten zur Abschottung beider Bereiche führt). Wissenschaftler bewegen sich normalerweise in dem, was der bekannte Wissenschaftsphilosoph Karl Popper den »Rechtfertigungszusammenhang« genannt hat: Ihre Aufgabe ist es, sich auf Schlussfolgerungen zu beschränken, die empirisch abgesichert sind. Praktiker können nicht immer warten, bis alle Handlungsmöglichkeiten wissenschaftlich überprüft sind (was ohnehin gar nicht möglich ist). Sie müssen oft das Ungeprüfte wagen. Sie bewegen sich viel stärker in dem, was Karl Popper den »Entdeckungszusammenhang« genannt hat. In den folgenden Kapiteln dieses Buches bewegen wir uns immer wieder in diesem Spannungsfeld: Der Wissenschaftler (genauso wie der faktenorientierte Laie) muss die Stellen auszuhalten lernen, an denen der Raum möglicher Maßnahmen und Interpretationen betreten wird, die noch nicht vollständig abgesichert sind, der Praktiker muss immer wieder die Geduld aufbringen, Ausflüge in die abstrakten Gefilde der Wissenschaft mitzumachen, auch wenn der praktische Nutzen nicht immer sofort erkennbar ist.
1Julius Kuhl: Motivation und Persönlichkeit: Interaktionen psychischer Systeme. Göttingen: Hogrefe, 2001.
2In dem Farbbenennungsexperiment war übrigens das Absichtsgedächtnis dadurch aktiviert worden, dass immer zwei Aufgaben pro Durchgang ausgeführt werden mussten: Die Überwachung der richtigen Reihenfolge mehrerer Handlungsschritte ist eine der Funktionen des Absichtsgedächtnisses: Wenn man zwei oder mehrere Schritte eines Handlungsplans ausführen will, muss man immer den jeweils nächsten schon im Absichtsgedächtnis »vorhalten«, damit der Handlungsfluss nicht ins Stocken kommt, wenn der aktuelle Schritt beendet ist.
Erfolg ist nicht der Schlüssel zum Glücklichsein.Glücklichsein ist der Schlüssel zum Erfolg.Wenn du das, was du tust, liebst, wirst du erfolgreich sein.
Albert Schweitzer (1875 – 1965)
Welche Ziele haben Sie?
Dieses Buch kann Ihnen helfen, dass Sie Ihre selbst gesetzten Ziele erreichen. Immer wieder werden wir darauf zu sprechen kommen, welche wichtige Bedeutung persönliche Ziele für Erfolg und ein erfülltes Leben haben. Nützlich sind aber nicht irgendwelche Ziele. Es ist entscheidend, dass Sie Ziele haben, die zu Ihnen und zu Ihrer Lebenssituation passen. Die Beschäftigung mit Ihren Zielen kann Ihnen helfen, dass sie sich Ihrer Ziele bewusstwerden und dass Sie sie kritisch unter die Lupe nehmen. Viele Menschen haben das Ziel »erfolgreich zu sein«, aber gerade die Frage, was sie darunter verstehen, wird sehr unterschiedlich beantwortet.
»Ich kann mir keinen Jet leisten«
Man erzählt sich, dass eines Tages ein Patient zu einem Psychotherapeuten in Wien kam und sein Anliegen sehr dringlich machte: »Herr Doktor, Sie wurden mir als jemand empfohlen, der fast jedem aus seinen seelischen Nöten helfen kann. Sie müssen mir unbedingt helfen.« »Ja, ich konnte schon vielen helfen. Worin liegt denn Ihr Problem?« »Ich bin ein erfolgreicher Unternehmer. Alle meine Freunde sind ebenfalls erfolgreiche Unternehmer. Wir haben alle unser eigenes Flugzeug.« »Ich freue mich für Sie, dass Sie sich ein eigenes Flugzeug leisten können. Aber was ist Ihr Problem?«
»Meine Freunde haben alle einen Jet, Sie wissen schon, ein Flugzeug mit Düsenantrieb und ich habe nur ein Motorflugzeug. Ich kann mir kein Düsenflugzeug leisten. Wie ich es auch anstelle. Schon mit meinem Motorflugzeug bin ich ein wenig über meine Grenzen gegangen. Ich kann mir keinen Jet kaufen, von den Unterhaltskosten ganz zu schweigen. Ich leide so sehr darunter, können Sie mir nicht irgendwie helfen?«
Es ist nicht überliefert, ob der Therapeut seinem Patienten helfen konnte. Aber sicher können viele von uns seine Probleme nur schwer nachvollziehen. Unsere Ziele sind sehr unterschiedlich, und das, was für den einen überhaupt kein Ziel darstellt, kann für den anderen ein so dringliches Ziel sein, dass es für ihn zu Seelenqualen führt, wenn er es nicht erreichen kann.
Wenn wir bisher von Erfolg gesprochen haben, so haben wir unausgesprochen immer den beruflichen Erfolg vor Augen gehabt. Es ist die Bedeutung von »Erfolg«, die die meisten Menschen vor Augen haben. Dieser Erfolg ist auch am ehesten messbar. Menschen vergleichen sich hinsichtlich des beruflichen Erfolges. A ist erfolgreicher und damit besser als B, wenn er mehr verdient, mehr verkauft, ein größeres Büro, ein teureres Auto, eine bessere Position, mehr Verantwortung, einen höheren Titel usw. besitzt. Unsere Erfahrungen hinsichtlich der Ursachen von Erfolg haben sich allerdings auch bei Menschen bestätigt, die andere Erfolgsmaßstäbe hatten.