Die Liebe des Ulanen - Karl May - E-Book

Die Liebe des Ulanen E-Book

Karl May

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Beschreibung

"Die Liebe des Ulanen. Original-Roman aus der Zeit des deutsch-französischen Krieges" ist der zweite der fünf von Karl May verfassten Kolportageromane. Er erschien vom September 1883 bis Oktober 1885 auf 1724 Seiten in der Zeitschrift "Deutscher Wanderer". Von den insgesamt 108 wöchentlichen Lieferungen fiel die Nummer 87 wegen der Erkrankung seiner Mutter aus.

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Inhaltsverzeichnis

1. Zwei Gegner.

2. Ein Veteran.

3. Ein Zauberer

4. Eine Kriegskasse

5. Die letzte Liebe Napoleons.

6. Die Tochter des Kabylen.

7. Verarmt.

8. Ein Kundschafter.

9. Zum Kriege drängend.

10. Ulane und Zouave.

Fußnoten

Karl May

Die Liebe des Ulanen

Original-Roman aus der Zeit des deutsch-französischen Krieges.

Die Liebe des Ulanen, ein packender Fortsetzungsroman über den deutsch-französischen Krieg 1870/71, erschien in 107 Lieferungen von September 1883 bis Oktober 1885 in der Zeitschrift »Deutscher Wanderer«. Der Jahrgang umfaßte insgesamt 108 Lieferungen; in der Nummer 87 gab es keinen May-Text. Die vorliegende Textfassung der Erstausgabe hat die Autorität relativ größter Manuskriptnähe.

1. Zwei Gegner.

Der Moseldampfer, welcher des Morgens halb sieben Uhr von Coblenz abfährt, um nach einem Uebernachten in Traben-Trarbach die Passagiere nach Trier zu bringen, hatte Zell verlassen, und arbeitete sich von Neuem auf den Wellen des herrlichen Stromes aufwärts.

Nebst anderen Passagieren, welche meist den zweiten Platz besetzten, war eine Gesellschaft junger Herren aufgestiegen, welche sich in jener selbstbewußten, nonchalanten Weise nach dem ersten Platz begaben, die den Angehörigen einer bevorzugten Lebensstellung eigen zu sein pflegt. Sie musterten die Mitfahrenden mit kalten, von oben herabfallenden Blicken und nahmen unter dem gegen die Sonnenstrahlen aufgespannten Schutzdache Platz, ohne sich darum zu bekümmern, ob sie Anderen die wohl berechtigte Aussicht auf die lachenden Ufer raubten, oder sonst in einer Weise lästig wurden. Ihr in französischer Sprache geführtes Gespräch war so lärmend, so rücksichtslos laut, daß sich Aller Blicke verweisend auf sie richteten, doch nahmen sie nicht die geringste Rücksicht davon. Bei Leuten, welche der gewöhnlichen Volksklasse angehören, hätte man dieses Verhalten ungezogen genannt, hier jedoch schwieg man, indem man es vorzog, die Rücksichtslosigkeit nur im Stillen zu kritisiren.

Einer von ihnen, welcher ein riesiges Monocle in das Auge gepreßt hatte, deutete mit seinem Stöckchen auf das Ufer und sagte so laut, daß es Jedermann hören konnte:

»Lieber Graf, ist es nicht eine Schande, daß ein so schöner Fluß und ein so reizendes Land unserem Frankreich noch immer vorenthalten wird? Wann endlich werden wir einmal marschiren, um uns die linke Seite des Rheines, welche uns gehört, zu holen. Ich hasse die Deutschen!«

»Und bereisest doch ihre Länder, bester Oberst!« meinte spöttisch Derjenige, an welchen die Worte gerichtet gewesen waren.

»Pah!« antwortete der Oberst. »Man weiß ja, weshalb man sie bereist. Muß man nicht einen Gegenstand, den man erlangen will, vorher prüfen und kennen lernen?«

Er sprach das in einem Tone, als ob man hinter seinen Worten irgend ein wichtiges Geheimniß zu suchen habe. Er war ein wirklich schöner Mann, und da er bei seiner Jugend bereits den Rang eines Obersten bekleidete, so war anzunehmen, daß er von außergewöhnlicher Geburt sei und einflußreiche Connexionen besitze.

»Donnerwetter, still!« sagte sein Nachbar halblaut. »Du geräthst sonst in Gefahr, von diesen guten Teutonen für einen geheimen Emissär gehalten zu werden!«

»Mögen sie es thun! Diese Herren Spießbürger sind sehr ungefährlich. Ein Kampf mit ihren tapferen Heerschaaren müßte ein wahres Vergnügen sein. Ich bin überzeugt, daß wir im Falle eines Krieges mit ihnen einen sehr unterhaltenden Spaziergang nach Berlin machen würden.«

»Darüber giebt es gar keinen Zweifel, nämlich, was den Spaziergang betrifft; ob er aber wirklich viel Unterhaltung bringen würde, das ist sehr fraglich. Diese Deutschen sind ein höchst langweiliges Volk, roh, grob, zugehackt. Blicke Dich um! Findest Du unter den Passagierinnen ein einziges Gesicht, welches der Mühe werth wäre, geküßt zu werden? Ich werde einmal nach der Kajüte gehen, um zu sehen, ob es dort vielleicht etwas Besseres giebt.«

Er erhob sich und stieg die enge Treppe hinab, welche nach dem angegebenen Orte führte. Wer die beiden Damen sah, welche da unten auf der schwellenden Plüschottomane saßen, der mußte sich sagen, daß der Graf hier finden werde, was er suchte.

Es war eine Blondine und eine Brünette. Die Erstere war von mittlerer Größe und sehr feinen, doch jugendlich vollen Formen. Unter langen, weichen Wimpern glänzte das milde Licht zweier himmelblauer Augen, durch welche man tief auf den Grund einer sanften, hingebenden Seele blicken zu können schien. Dieses Mädchen war zwar keine imposante, hinreißende Schönheit, aber in ihrer Anmuth und Lieblichkeit mußte sie selbst in einem auserwählten Damenkreise als hervorragend bezeichnet werden.

Ganz anders die Brünette. Von hoher, junonisch voller Gestalt, schien sie nur zum Gebieten bestimmt zu sein. Ihre Züge glichen denjenigen, welche der Maler jenen persischen Schönheiten zu geben pflegt, welche geschaffen sind, die Sterne eines ganzen Harems zu verdunkeln. Der herrlich modellirte Kopf trug eine Fülle kastanienbrauner Haare, welche die Zofe jedenfalls nur schwer überwältigen konnte. Auf der alabasterweißen Stirn thronte ein Adel, welcher dem Gesichte den Charakter der Unnahbarkeit verlieh. Die großen, unter herrlich geschwungenen Brauen blitzenden, und von vollen, seidenen Wimpern beschatteten Augen, besaßen jene mandelähnliche Form, welche nur der Orient zu geben vermag; doch war diese Form nicht in jener determinirten Weise ausgeprägt, welche man an den unvermischt gebliebenen Kindern Israels bemerkt. Das kleine, nur leicht und außerordentlich graziös gebogene Näschen war zwar sehr fein geschnitten, zeigte aber doch zwei rosig angehauchte Flügel, welche sich ganz energisch aufzublähen vermochten. Der kleine Mund war geradezu wunderbar gezeichnet zu nennen. Ganz wie zum glühenden, überwältigenden Kusse gemacht, zeigten die granatnen Lippen doch nicht jene auffallende Fülle, welche nur das Vorrecht besonders sinnlicher Naturen zu sein scheint. Und wenn sich diese Lippen zu einem Lächeln öffneten, so erschienen zwei Reihen perlenkleiner Zähnchen, an denen sicher selbst der erfahrenste Dentist kein Fehlerchen hätte entdecken können. Dieser Mund stand eigentlich im Widerspruch mit sich selbst, doch gerade dieser Contrast war es, der ihn bezaubernd machte. Um die eigenartig graziöse Schwingung der Lippen lagerte sich Trotz und Sanftmuth, Stolz und Milde, Selbstbewußtsein und Hingebung, Kühnheit und weibliches Zagen, und es mußte der Zukunft überlassen bleiben, welche von diesen Eigenschaften die Oberhand erlangen, und dem Gesichte dann sein vollendetes Gepräge ertheilen würde.

Die Gestalt dieser Dame war voll, aber nicht unschön, üppig, obgleich ein pedantischer Kritikus vielleicht gesagt hätte, daß der Busen, welcher seine sommerlich leichte Hülle zu zersprengen drohte, die Blicke der Männer ein ganz klein Wenig zu sehr auf sich zu ziehen vermöge. Das feingewebte, eng anschließende Reisekleid war nicht vermögend, die herrlichen Formen eines sinnberückenden Körperbaues ganz zu verbergen. Das kleine, aber kräftig gebaute Händchen schien nur bestimmt zu sein, mit Inbrunst an das Herz gedrückt zu werden, und unter dem leise emporgerafften Saume des Kleides blickte ein Füßchen hervor, welches den Neid von tausend Damen zu erwecken vermochte.

Diese beiden Mädchen waren in ein sehr erregtes Gespräch vertieft. Sie führten dasselbe, obgleich sie sich ganz allein befanden, doch mit unterdrückter Stimme. Es war daraus zu errathen, daß sie sich vielleicht sehr wichtige und doch sehr jungfräuliche Geheimnisse mitzutheilen hatten.

»Aber, liebe Marion,« sagte die Blonde, »davon habe ich bisher ja gar nichts gewußt! Ich denke, wir haben niemals ein Geheimniß gehabt, und nun erfahre ich zu meinem Erstaunen, daß Du gerade das Allerwichtigste, was es für ein Mädchen giebt, mir so lange Zeit und so hartnäckig verschwiegen hast!«

Die Brauen der Brünetten zogen sich leicht zusammen, und sie antwortete:

»Ich habe mich keiner Verschwiegenheit gegen Dich schuldig gemacht, meine gute Nanon. Ich habe dieses Geheimniß ja erst aus dem letzten Briefe erfahren, welchen Papa mir schrieb. Hier, hast Du ihn!«

Ihre Stimme klang kräftig, voll und rein wie Glockenton. Man hörte es ihr an, daß sie vom gebieterischesten Befehle an bis herab zum süßesten Liebesgeflüster aller Modulationen fähig sei. Es war das eine Stimme von seltener Resonanz und dabei doch so biegsam und weich; sie besaß die Kraft des Herrschens und die Innigkeit des Einschmeichelns; sie klang so sonor und doch so warm; ihr Ton schien nicht zwischen den Ligamenten des Kehlkopfes, sondern in der Tiefe der Brust gebildet zu werden, oder aus der untersten Kammer des Herzens, dem heiligsten Innern der Seele, zu kommen. Wer die Stimme hörte, wurde gebannt und ergriffen wie Einer, der im Dunkel eines hohen Domes kniet und plötzlich aus der Höhe des Orgelchores den wunderbaren, zauberischen Klang der Voxhumana erzittern hört.

Marion griff in ein zierliches Saffiantäschchen, welches an ihrem Gürtel hing und dessen massiv goldener Bügel mit echten Ceylonperlen besetzt war, und zog einen Brief hervor, welchen sie der Freundin reichte. Diese öffnete ihn, um ihn zu lesen. Während sie dies that, nahmen ihre lieblichen Züge den Ausdruck des höchsten Erstaunens an, und als sie das Blatt wieder zusammengefaltet hatte und es zurückgab, sagte sie unter einem bedenklichen Schütteln des feinen Köpfchens:

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