Die Liebe des Ulanen. Lieferung 4 - Karl May - E-Book

Die Liebe des Ulanen. Lieferung 4 E-Book

Karl May

0,0

Beschreibung

Die sogenannten "Münchmeyer"-Romane, fünf Fortsetzungsromane, die der Schriftsteller Karl May zwischen 1882 und 1888 für den Dresdner Verlag H. G. Münchmeyer verfasste, gelten allgemein als Tiefpunkt von Mays Schaffen. Dennoch handelt es sich um hochinteressante Zeitdokumente. - "Die Liebe des Ulanen. Ein Original-Roman aus der Zeit des deutsch-französischen Krieges" wurde zwischen September 1883 bis Oktober 1885 in 107 Lieferungen und 1.724 Seiten in der Zeitschrift "Deutscher Wanderer" veröffentlicht. Bei der vorliegenden Bearbeitung handelt es sich um eine freie Nacherzählung. Sie überträgt den Text in aktuelles Deutsch und moderne Rechtschreibung, behält aber den ursprünglichen Aufbau in wöchentlichen Lieferungen und, wo immer möglich, die von May gewählte inhaltliche Struktur bei. - Der Original-Text ist nachzulesen auf den Webseiten der Karl-May-Gesellschaft oder beim Projekt Gutenberg.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 77

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Die Liebe des Ulanen. Lieferung 4

Impressum

Die Liebe des Ulanen. Lieferung 4

Der Direktor erbleichte, versuchte zunächst aber dennoch, weiter zu leugnen.

»Aber Sie irren sich, Herr Capitaine! Es muss sich wirklich um ein großes, bedauernswertes Missverständnis handeln!«

»Machen Sie sich nicht lächerlich! Ich stand hinter der Parkbank, auf der Sie Ihr schamloses Spiel trieben, und habe Ihre ganze Unterhaltung mitangehört. Übrigens sehen Sie jetzt, welche Möglichkeiten mir zu Gebote stehen, wenn es gilt, mir über Dinge Klarheit zu verschaffen. Glauben Sie wirklich, ich wüsste von Ihrer Neigung zu meiner Schwiegertochter erst seit heute?«

Der Direktor sank auf den Stuhl zurück und schloss die Augen. Er war vor Schreck wie betäubt.

»Noch heute früh«, fuhr der Alte fort, »hörte ich Ihre Unterredung mit der Baronin in deren Boudoir mit an, in der sie Sie für den Abend in den Park bestellte. Ebenso verstand ich jedes Wort, das Sie über mich sagten. Was glauben Sie: werde ich Ihnen dafür nun Belohnung oder Strafe aussetzen?«

»Gnädiger Herr«, rief der Mann entsetzt, »ich habe Ihnen treu gedient; ich bin es gewesen, der Ihr Eisenwerk zu dem gemacht hat, was es ist!« Der Direktor kannte den Alten genau und wusste, dass von dieser Seite mit keiner Nachsicht und mit keinerlei Skrupeln zu rechnen war. Nackte Angst schlich sich in seinen Ton.

»Treu gedient?«, spottete der Capitaine. »Ja, wenn das nur so wäre! Ich sage Ihnen offen, dass mich Ihr Poussieren mit meiner Schwiegertochter dann nicht im entferntesten tangiert hätte. Dieses Weib ist völlig wert- und treulos, eine Kokotte sondergleichen, die Sie sich, falls Sie das noch nicht wussten, mit einer ordentlichen Anzahl von Nebenbuhlern teilen. Ich hätte sie Ihnen mit Vergnügen überlassen. Aber hier kommt der zweite, der eigentliche Grund, für den ich Sie bestrafen muss!«

»Was meinen Sie?«

»Ich habe mir heute«, er machte eine beiläufige Geste, mit der er Schreibtisch, Schränke und das gesamte Zimmer umschrieb, »die Zeit genommen, mich bei Ihnen ein wenig umzusehen.«

»Das wagen Sie! Sie hatten kein Recht dazu!« Der Direktor gewann allmählich seinen Mut wieder. Dass dies auf offene Konfrontation hinausliefe, musste ihm nun klar sein. In einer solchen jedoch standen er und der Capitaine sich Mann gegen Mann gegenüber. Die unheimliche Aura des Greises mochte ihn eine Weile eingeschüchtert haben, aber zweifellos war auch der Fabrikdirektor kein Schwächling. Er schien entschlossen, seine Rechte auch vor seinem Dienstherrn zu wahren.

»Ich hätte kein Recht? Sie stehen in meinem Dienst. Sie sind mir zur Treue verpflichtet. Da soll ich kein Recht haben, Ihre Treue zu prüfen? Diese Wohnung, dieses Zimmer, dieses Mobiliar, alles gehört mir, so wie das gesamte Schloss. Ich habe zu allen Türen, selbst zu den Geheimfächern und Tresoren, Doppelschlüssel. Während Sie also heute im Park Ihre Kurtisane erwarteten, durchsuchte ich die geheime Lade Ihres Schreibtischs. Nun, ahnen Sie, was ich gefunden habe?«

Müller konnte sehen, wie das Kinn des Direktors sich trotzig nach vorn schob. Zweifellos wusste er, was der Alte meinte, wollte es aber nicht laut aussprechen. Der Capitaine zog ein gefaltetes Blatt Papier aus der Tasche, öffnete es und erklärte:

»Ich hätte in diesen Räumen manches entdeckt, was eine strenge Bestrafung rechtfertigen würde. Aber ich will Ihnen nur dieses Eine vorlesen:

Herrn Fabrikdirektor Metroy in Ortry.

Auf hohen Befehl ist Ihnen mitzuteilen, dass man nicht gesonnen sein kann, von Ihrer Offerte Gebrauch zu machen. Wenn es in Frankreich wirklich geheime Waffenplätze gibt, welche angelegt werden, um sogenannte Franc-tireurs und andere Rotten auszurüsten, so kann dies eine Regierung nicht wankend machen, welche mit Ihrem Kaiser im besten Einvernehmen steht.

Wir sehen übrigens auch davon ab, Ihren Behörden von Ihrem Anerbieten irgendwelche Mitteilung zu machen, werden jedoch Ihr Schreiben für spätere Fälle bei uns in sorgsame Verwahrung nehmen.«

Der Capitaine stand mit dem Rücken zu Müller, so dass dieser seinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte, als der Alte jetzt den Brief einsteckte und sich dem Direktor zuwendete. Aber die Art, wie er sich zu voller Höhe streckte, und der Ton, den er von nun an anschlug, verrieten ihm genug. Müller hatte zudem den Briefkopf und das Siegel auf dem Schreiben selbst von weitem erkannt.

Also der Direktor war jener Verräter, dessen Namen der General nicht hatte preisgeben wollen, jener Mann, der versucht hatte, sein Wissen um geheime Kriegsvorbereitungen gegen Geld der preußischen Regierung zu verschachern. Er war letztlich somit auch der Grund für Müllers Anwesenheit in Ortry, selbst wenn man sich nach außen hin geweigert hatte, die Informationen, die der Mann anbot, zur Kenntnis zu nehmen.

»Sie sind nicht nur treulos gegen mich gewesen, Herr Direktor«, sagte der Alte. Seine Stimme hatte den Klang eines Fallbeils, scharf und kalt. »Sie sind ein Verräter an Ihrem Land und an unserer Sache geworden! Für schnöden Mammon wollten Sie alles, was ich aufgebaut habe, dem Feind in die Arme werfen!«

»Und aus welchem Grund?«, rief der Direktor. »Warum wohl sonst als deshalb, weil Sie knausern, weil Sie mich hinhalten, weil Sie sich weigern, gute Arbeit auch gut zu bezahlen! Wissen Sie, was ich mit meinen Kenntnissen anderswo verdienen könnte? Sie sprechen von Ehre und vom Dienst am Vaterland, aber ich bin Geschäftsmann, Capitaine! Ich weiß um meinen Wert, und ich lasse mich nicht mit einem Hungerlohn abspeisen.«

Der Capitaine schien kaum zugehört zu haben. »Sie gestehen Ihren Verrat also ein?«

»Warum sollte ich nicht?« Der Direktor zuckte die Achseln. »Jeder vernünftige Mann in meiner Lage hätte ebenso gehandelt.«

»Sie meinen: jeder ehrlose Hochverräter. Nun gut, Sie haben sich Ihr Urteil selbst gesprochen. Ich habe es gehört, bestätige es und werde Ihre Strafe vollstrecken.«

»Sie mich bestrafen?«, lachte der Direktor. »Das bezweifle ich.« Es lag tatsächlich solche Zuversicht in seiner Miene, dass Müller und der Capitaine gleichermaßen überrascht waren.

»Was sollte mich hindern?«, fragte der Alte.

»Die Tatsache, dass Ihr ganzes Lager sich in meiner Hand befindet. Ich will Ihnen zugestehen, dass Sie mich vorhin erschreckt haben. Ich fühlte mich wirklich schuldig wegen des Briefs und wegen der Baronin, aber glauben Sie nicht, ich sei so dumm gewesen, keine Vorkehrungen zu meiner Sicherheit zu treffen! Da stehen Sie und halten sich für meinen Herrn und Meister, und in Wahrheit? In Wahrheit bin ich der Ihrige. Was versteht ein alter Mann wie Sie von Chemie, von Galvanismus, von Elektrizität? Dieses Zimmer steht mit den Eisenwerken und dem Lagerraum in elektrischer Verbindung. Es bedarf nur eines einzigen Griffs, so fliegt alles in die Luft, Ihre Fabriken, Ihre sämtlichen Vorräte, alles! Dann sehen Sie zu, wie Sie die versprochenen Gewehre für die Armee liefern, sehen Sie zu, wie Sie Ihre Freicorps gegen die Deutschen bewaffnen!«

»Alle Teufel!«, rief der Alte. Er war unwillkürlich ein paar Schritte zurück gewichen und stand nun so, dass Müller sein Gesicht sehen konnte. Gewaltiger Schreck malte sich darauf. Der Direktor hatte den alten Mann zweifellos überrumpelt.

»So also steht die Sache«, fuhr der Direktor fort, in spöttischem Ton, merklich  überzeugt, dass nun er alle Trümpfe in der Hand hielte. »Wenn ich wollte, bräuchte ich nur zu warten, bis Sie wieder einmal in der Fabrik zugange sind, und Sie samt all Ihren Plänen in die Luft sprengen. Ich will Ihnen jedoch einen Vorschlag zur Güte machen. Nach diesem Auftritt können wir wohl schwerlich noch zusammen arbeiten, eine Trennung ist also unvermeidlich. Aber das Werk, das wir geschaffen haben, ist zum großen Teil auch das meine, und ich hänge daran und möchte sehen, dass es Bestand hat. Als ich das Geheimnis dem Feind zum Kauf anbot, war es mir darum zu tun, meine Mühen anständig belohnt zu wissen. Zahlen Sie mir das, was ich von den Preußen gefordert habe, und ich will in Frieden von Ihnen scheiden mit dem Versprechen, von jeder Feindseligkeit abzusehen und auf ewig Stillschweigen über die Sache zu bewahren. Damit verlange ich nichts Unbotmäßiges. Ich habe Ihnen meine Kenntnisse und Erfahrungen geliehen; ich habe Tag und Nacht gearbeitet; ich darf wohl auch meine Gratifikation verlangen.«

Die Augen des Alten zogen sich zusammen, und sein Schnurrbart stieg schon empor, um die Zähne sehen zu lassen. Aber er beherrschte sich und fragte:

»Welchen Preis haben Sie von den Deutschen verlangt?«

»Wenig genug! Einhunderttausend Francs. Die boches werden ihre Knauserei mit vielen tausend Leben bezahlen müssen. Natürlich nur, falls Sie weniger knausrig sind.«

»Viele tausend Leben, ich hoffe es!«, wiederholte der Alte begeistert. Sein plötzlicher Eifer kam Müller seltsam vor, aber der Direktor nickte lächelnd. »Bald kommt die Zeit, in der wir einfordern werden, was diese Blüchers, Gneisenaus und Yorcks von uns liehen!«

»Bald, Herr Capitaine, und Ihre und meine Arbeit wird einen großen Beitrag dazu leisten!« Der Direktor sagte es in dem gleichgültigen Ton, den man gegenüber einem Kind anschlägt, das dringend über sein Lieblingsspielzeug sprechen zu müssen glaubt. Der Capitaine verschränkte die Hände auf dem Rücken und machte ein paar Schritte im Zimmer auf und ab.

Er sieht sich nach der Leitung um, dachte Müller. War der Direktor denn wirklich so verblendet, dass er es nicht sah?

»Es besteht also wirklich eine elektrische Verbindung zwischen meinen Eisenwerken und diesem Zimmer hier? Und mithilfe dieser Verbindung ließe sich eine Explosion dort bewerkstelligen?«

»In der Tat. Ein elektrischer Funke würde unsere ganzen Pulver- und Dynamitvorräte entzünden.«

»Diese Elektrizität ist eine schreckliche Erfindung! Es liegt etwas Ehrloses darin. Ein Degen, ein Bajonett, das kann ich begreifen. Aber Drähte und Funken? Was für eine Welt! - Werden Sie die Vorrichtung zerstören, wenn ich Ihre Forderung erfülle?«

»Sobald ich die Summe in Händen habe, werde ich Ihnen die Leitung zeigen, damit sie zerstört werden kann.«

»Das sagen Sie nun. Sie haben mich schon einmal betrogen. Wie nun, wenn ich Ihnen die hunderttausend zahle, und Sie sprengen dennoch alles in die Luft?«

»Mein Ehrenwort muss Ihnen Bürgschaft genug sein.«

»Wenn man es nur glauben dürfte!« Er vergrub nachdenklich die Hand im weißen Bart, aber um seine Lippen stand ein unheimliches Lächeln, und Müller konnte sehen, wie seine Augen glitzerten. Zweifellos hatte er einen Entschluss gefasst. »Es ist eine Summe, die gegenwärtig fast über meine Kräfte geht«, fügte er zögernd an. »Jedoch, um das Unternehmen zu retten ... Die allgemeine Kasse müsste wohl mit beitragen.«